"In dem Maße ..., wie die grosse Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichthums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit, als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesezt werden und die selbst wieder - deren powerful effectiveness - selbst wieder in keinem Verhältniß steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Production kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Production. ... Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr in den Produktionsprozess eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozess selbst verhält. .... Er tritt neben den Produktionsprozess, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständniß der Natur, und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der grosse Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint. Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die grosse Industrie selbst geschaffne. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die grosse Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts." (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie (1857/58), MEW 42, S.600-601) Industrie ist eine durch ihre Technologie bestimmte Arbeitsformaion, eine auf Effektivität reduzierte Stückproduktion, die auf dem Förderband der Module einer zerteilten und vereinzelten Arbeit (siehe auch Teilung der Arbeit) zusammengetragen wird und durch das Tempo der darauf konzentrierten Arbeit und ihrer Endprodukte berechnet ist. Wesentlich daran ist die Entäußerung der Organisation der Gesamtarbeit (siehe auch Arbeitsorganisation) zu einer Maschinerie von Automaten und Bürokraten. Sie durchzieht daher alle Arbeitsbereiche. Im Unterschied zur Manufaktur ist Industrie eine Produktionsweise, bei der die Produktionsmittel durch Dampfkraft, Elektrizität und Elektronik automatisiert sind. Die Fortentwicklung der Automation ist ihre wirtschaftliche Grundlage, wie auch zugleich die Bedingung des Kapitalismus und jeder weiterhin denkbaren Gesellschaftsform. Durch die Formbestimmungen des Kapitals haben sich hierbei auch sachliche wie politische Perversitäten (z.B. Biopolitik, Atomkraft, Klimapolitik, Krieg) ergeben, die als "Nebenwirkung" des "technologischen Fortschritts", als geschichtlicher Balast des Kapitalismus zu verstehen sind. Weil dieser seinem Wachstumszwang folgen muss, zehrt das Wertwachstum die Substanzen der Produkte der nützlichen Arbeit auf, während sich das Wirtschaftswachstum aus der Produktivität der Arbeit ergibt. Von daher ist sie auch die Kraft, die sich gegen den Kapitalismus in seiner bisherigen Form und zugleich mit ihm entwickelt. Mit dem Wachstum der Bevölkerung und ihrer Bedürfnisse ist auch das Potenzial der Arbeit, die Synergie des Arbeitsprozesses selbst angewachsen. Mit der Intensivierung seiner Produktivität wird der Zeitaufwand der menschlichen Arbeit insgesamt minimiert, ihr Wert relativ geringer und das Quantum ihrer Produkte pro Mensch maximiert. "Abgesehen von den Unterschieden in den natürlichen Energien und den erworbenen Arbeitsgeschicken verschiedener Völker muss die Produktivkraft der Arbeit in der Hauptsache abhängen ... von der fortschreitenden Vervollkommnung der gesellschaftlichen Kräfte der Arbeit, wie sie sich herleiten aus Produktion auf großer Stufenleiter, Konzentration des Kapitals und Kombination der Arbeit, Teilung der Arbeit, Maschinerie, verbesserten Methoden, Anwendung chemischer und anderer natürlicher Kräfte, Zusammendrängung von Zeit und Raum durch Kommunikations- und Transportmittel und aus jeder anderen Einrichtung, wodurch die Wissenschaft Naturkräfte in den Dienst der Arbeit zwingt und wodurch der gesellschaftliche oder kooperative Charakter der Arbeit zur Entwicklung gelangt." (Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 126f). Mit der Entwicklung der Technologie wurden die damit heraufbeschworenen gesellschaftlichen Umbrüche als Revolutionen der Produktivität beschrieben, die ganze Länder, Klassen und Sozialsysteme neu positioniert haben, weil sie Menschen arbeitslos gemacht und kulturelle Veränderungen im Sozialverhalten mit sich gebracht haben. Momentan spricht man von einer durch chinesische Entwicklungen gestarteten "Idustrie 4.0", die durch neue Arten der Datenerfassung, der Kommunikation und Dienstleistungen nicht nur die Arbeit, sondern den Menschen selbst durch die Organe der sozialen Verfassung (siehe Nationalstaat) funktionalisieren und automatisieren will. Dabei wird sich nicht mehr nur die nationale Produktivität, sondern vor allem die Konkurrenz der Nationalstaaten auf dem Weltmarkt des Finanzkapitals entscheidend verändern und universale Machtstrukturen des fiktiven Kapitals und den weltweiten Durchsatz seiner Negativverwertung in bisher unbekannte Dimensionen treiben (siehe hierzu Feudalkapitalismus). Das Verhältnis von realem Produkt zu realen Menschen wird hierbei wie die Realwirtschaft überhaupt zusammenbrechen und einen totalitären Existenzwert zum Maß einer jeden Geschichte machen und diese zum politischen Bildungsprozess eines Menschenparks umbestimmen, worin die Menschen vollständig der politisch totalitär bestimmten Macht einer vollständig kapitalisierten Technologie unterworfen werden. Industrie ist die moderne Form der Produktivkraft, in der sie technisch und im Zusammenhang der Arbeit selbst über ihre Teilung (siehe Teilung der Arbeit) hinaus schon betrieben wird - allerdings nicht für den Menschen, der mit seiner Arbeitskraft hierdurch immer intensiver zum Teil der Maschinerie wurde, sondern für das Kapital, das die Arbeitsteilung gegen die Menschen für sich extensiv aufgehoben hat, indem es die Produktivkraft der Arbeit selbst, ihr Wirtschaftswachstum unmittelbar in die Rationalität des Wertwachstums verkehrt hatte. "Immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen, die modernen Bourgeois. Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schifffahrt, den Landkommunikationen eine unermessliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schifffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund." (Karl Marx/Friedrich Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463). Während die Rationalität des Wertwachstums die Menschen der Technologie ihrer Arbeits- und kommunikationsmittel unterwirft, ist die industrielle Produktion zugleich die im Kapitalismus selbst schon gegründete praktische Kritik an den Formationen seiner Wert- und Verwertungsverhältnisse. Das Wirtschaftswachstum stellt sich notwendig dem Wertwachstum entgegen (siehe Fall der Profitrate), das nicht nur die Schranke des gesellschaftlichen Fortschritts ist, den er bieten kann, sondern seinen Untergang bewirkt, weil die Produktivkraft industrieller Arbeit ihren Wert reduziert und seine auf Dauer unauflösliche Krisen nur durch Wertvernichtung, also durch gesellschaftliche Selbstvernichtung auflösen kann, wenn sich industrielle Arbeit nicht in unmittelbar gesellschaftliche Arbeit aufheben lässt (siehe internationale Kommunalwirtschaft). Jede weiterführende Produktionsform gründet darauf, dass die Intelligenz der gesellschaftlichen Arbeit zu ihrer treibenden Kraft wird. Sie wird die Mehrarbeit auf das nötige Maß der gesellschaftlichen Entwicklung reduzieren, wenn sie die Teilung der Arbeit durchbrochen und den Lebenszusammenhang der Menschen durch ein Wirtschaftswachstum darstellt, das kein Wertwachstum mehr nötig hat. "Die Surplusarbeit der Masse hat [dann] aufgehört Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der Wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhende Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozess erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift. Die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher nicht das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht." (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie (1857/58), MEW 42, S.600-601) Die Produktivkraft der Arbeit ist die treibende Kraft der Wirtschaftlichkeit von Arbeit, die Kraft, durch welche Arbeit ihren Aufwand mindert und ihre Produktivität vermehrt. Sie ist überhaupt das geschichtsbildende Element menschlicher Arbeit, die sie entwickelnde, aber auch die ihre Entwicklung bestimmende Naturmacht des Menschen. Die menschliche Gesellschaft gründet auf dieser Naturmacht der Menschen, die sie in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten, in der Produktivität ihrer Lebensverhältnisse, in ihrer Reichtumsbilung schaffen. Von daher ist sie auch die Kraft, durch welche sich die bornierten Verhältnisse des Kapitalismus überwinden lassen. "Obgleich seiner Natur nach selbst borniert, strebt es [das Kapital] nach universeller Entwicklung der Produktivkräfte und wird so die Voraussetzung einer neuen Produktionsweise ... Diese Tendenz ... unterscheidet das Kapital von allen früheren Produktionsweisen" (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 438f.) Dieser Tendenz entspricht vor allem die Verkürzung der Arbeitszeit, die auf ihr Mindestmaß gebracht den Menschen gesellschaftlich wirksame Zeit einbringt, Zeit, um das zu tun, zu schaffen und zu gestalten, was ihre gesellschaftliche Entwicklung auch wirklich ausmacht. „Allgemein: Je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm kristallisierte Arbeitsmasse, desto kleiner sein Wert.“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 55). Die Natur der menschlichen Reichtumsbildung, die Naturmacht der menschlichen Arbeit, betreibt selbst die Entwicklung der menschlichen Geschichte durch die Entwicklung ihrer Produktivkraft, was immer ihre jeweils historische Form sein mag (siehe auch historischer Materialismus). "Was ist die Gesellschaft, welches immer auch ihre Form sei? Das Produkt des wechselseitigen Handelns der Menschen. Steht es den Menschen frei, diese oder jene Gesellschaftsform zu wählen? Keineswegs. Setzen Sie einen bestimmten Entwicklungsstand der Produktivkräfte der Menschen voraus, und Sie erhalten eine bestimmte Form des Verkehrs [commerce] und der Konsumtion ... Man braucht nicht hinzuzufügen, daß die
Menschen ihre Produktivkräfte - die Basis ihrer ganzen
Geschichte nicht frei wählen; denn jede Produktivkraft ist eine
erworbene Kraft, das Produkt früherer Tätigkeit. Die
Produktivkräfte sind also das Resultat der angewandten Energie
der Menschen, doch diese Energie selbst ist begrenzt durch die
Umstände, in welche die Menschen sich versetzt finden, durch die
bereits erworbenen Produktivkräfte, durch die Gesellschaftsform,
die vor ihnen da ist, die sie nicht schaffen, die das Produkt
der vorhergehenden Generation ist. Dank der einfachen Tatsache,
daß jede neue Generation die von der alten Generation erworbenen
Produktivkräfte vorfindet, die ihr als Rohmaterial für neue
Produktion dienen, entsteht ein Zusammenhang in der Geschichte
der Menschen, entsteht die Geschichte der Menschheit, die um so
mehr Geschichte der Menschheit ist, je mehr die Produktivkräfte
der Menschen und infolgedessen ihre gesellschaftlichen
Beziehungen wachsen. Die notwendige Folge: Die soziale
Geschichte der Menschen ist stets nur die Geschichte ihrer
individuellen Entwicklung, ob sie sich dessen bewußt sind oder
nicht. Ihre materiellen Verhältnisse sind die Basis aller ihrer
Verhältnisse. Wenn die Industrie aus ihrer Privatform genommen, sozialisiert und zur gesellschaftliche Subsistenzindustrie in jeder Kommune geworden ist (siehe Kommunalwirtschaft), ergibt sich aus der Produktivkraft der Arbeit von ihrer organischen Seite her nicht nur die evolutionäre Verbesserung des menschlichen Lebensstandards, sondern auch die Möglichkeit gesellschaftlicher Geschichte und damit die Bedingung gesellschaftlicher Veränderungen und Revolutionen, wenn sie eine Veränderung der gesellschaftliche Form zu ihrer Fortentwicklung nötig hat. "Die sozialen Verhältnisse sind eng verknüpft mit den Produktivkräften. Mit der Erwerbung neuer Produktivkräfte verändern die Menschen ihre Produktionsweise, und mit der Veränderung der Produktionsweise, der Art, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, verändern sie alle ihre gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten." (K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 130) Die organischen Lebensverhältnisse der Menschen entwickeln sich mit den ökonomischen Formen einer Gesellschaft und daher auch mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft ihrer Arbeit (siehe historischer Materialismus). Die ökonomische Form aber wird selbst anachronistisch, wenn sie die Entwicklung der menschlichen Arbeit in ihrer Wirtschaftlichkeit behindert. Der Kapitalismus ist als solcher Anachronismus längst überfällig, weil sein Wirtschaft nur dem Wertwachstum dient, das im Widerspruch zu den Möglichkeiten der geistigen und materiellen Potenzen der Produktion steht (siehe Automation). "Unser Land ist groß, reich an natürlichen Schätzen, aber wir leben in Schmutz und Unglück, wie Bettler. Schwere, stumpfsinnige Arbeit verzehrt unsere Kraft und bringt uns um; wir arbeiten stumpfsinnig und schlecht, weil wir Ignoranten sind. Wir glauben, die Arbeit sei der Fluch unseres Lebens, weil wir die große Bedeutung der Arbeit nicht begreifen und weil wir die Arbeit nicht lieben können. Nur mit Hilfe der Wissenschaft kann man die Arbeitsbedingungen erleichtern, die Arbeit verringern, leicht und angenehm machen, denn die Wissenschaft ist die einzige Kraft, die imstande ist, den Verbrauch physischer Energie zu verringern, weil sie die elementaren Energien der Natur, wie z. B. Wasserfälle usw., dem Willen und den Interessen des Menschen unterwirft. Wir verstehen es nicht, die schlummernden Naturkäfte - Torfmoore, Brennschieferlager und billige Kohle - zu wecken. Wenn wir diese Kräfte weckten, würden sie uns viele Energien, Wärme, Licht geben und in unserem ganzen unzivilisierten, schlafenden Land als Kulturvermittler dienen." (Maxim Gorki: "Unzeitgemäße Gedanken über Kultur und Revolution" Suhrkamp Taschenbuch 1974, S. 52) |