"Diese Sichselbstgleichheit des Denkens ist nur wieder die reine Form, in welcher sich nichts bestimmt; die allgemeinen Worte von dem Wahren und Guten, der Weisheit und der Tugend, bei welchen er stehenbleiben muß, sind daher wohl im allgemeinen erhebend, aber weil sie in der Tat zu keiner Ausbreitung des Inhalts kommen können, fangen sie bald an, Langeweile zu machen." (Hegel, Phänomenologie des Geistes, Freiheit des Selbstbewusstseins)) Hegel war sicher ein großer Denker des phänomenologischen Idealismus. Aber was er in der Inhaltsleere des Stoizismus entdeckt, ist eher der Mangel seiner wirklichen Urteilskraft in der Beziehung auf das "Wahre und Gute" des Bildungsbürgertums. Tatsächlich ist ihm in der Unendlichkeit seiner ausgleichenden Selbstbezogenheit allerlei Empfindung – das "Hören und Sehen" seiner bloßen Individualität – vergangen. Für seine akademischen Schüler werden von da her ihre Selbstgefühle grenzenlos, übermächtig, einfach schön und gut, Diese Art der Macht hatte in der politischen Avantgarde von Adornos "beschädigtem Leben" ihre Empfindungen entwirklicht, von ihrem Denken abgelöst und für eine alternative Lebensvorstellung sinnstiftend. So wurde das Abgelöste zu einer mysteriösen Selbstbeziehung eines allgegenwärtigen Urteilsvermögens über vergangene Wahrnehmungen einer politischen Ästhetik, allzeit imperativ, wo es sich in ihrer Wirklichkeit verhalten konnte. Denn wo Gefühle von ihren Empfindungen getrennt auftreten, entleeren sie sich im "Lauf der Zeit" und werden als Gefühle der Leere, in ihrer Nichtigkeit unerträglich .... Und wenn dieser Zustand zu lange dauert, dann entsteht schon aus der Langeweile heraus vielerlei Unsinn, - besonders durch die Wahrnehmung, die nichts anderes mehr als sich selbst wahrhat und sich deshalb als eine ewige Wahrheit erscheint. Die Selbstwahrnehmung hat ihr Echo im Nichts, macht sich selbst nichtig und lässt Zwecke und Werte entstehen (siehe hierzu Selbstwert), die überhaupt nur aus einer vernichteten Gegenwärtigkeit entstehen (siehe hierzu auch hermeneutischer Zirkel). "Sonntags in der kleinen Stadt (Franz Josef Degenhardt) Die Dichte der Ereignisse bestimmt das Erleben der Gefühle im Gefolge ihrer Empfindungen. Sie macht die Stimmung, denn sie lässt Bedürfnisse im Überschuss oder Mangel an WerteReizen. Von daher ist die Selbstwahrnehmung auch quantitativ bestimmt. Kurzweilig ist es, wenn ein Ereignis das andere ablöst, langeweilig wenn man auf jede Veränderung warten mus. Das macht die Intensität (siehe Begriffsgröße) der Selbstwahrnehmung aus, soweit ihre Bedürfnisse durch die Form ihrer Erlebnisse bestimmt sind (siehe hierzu auch Kulturkonsum), durch eine dichte Ereignisproduktion entwickelt sich das Tittytainment. In der bürgerlichen Gesellschaft der Nachkriegszeit war es noch das so genannte "Wirtschaftswunder", der Wohlstand der Bevölkerung durch die Kredite nach dem Marshallplan der USA, die Beschleunigung des weltweiten Warenumsatzes, die sie ganze Länder aus dem Phlegma der "Weltordnung" des Faschismus herausgerissen hatte auch wenn sie ihrer Selbstwahrnehmung noch gar nicht gewachsen sein konnte. Erst im übergang zur Konsumgesellschaft, haben sich die zwischenmenschlichen Verhältnisse der Selbstverwertung allgemein durchgesetzt und aus der anfänglichen Konsumkultur eine Eventkultur herausgebildet, in der Langeweile schon wirtschaftlich verwertbar geworden war und dadurch aufgehoben wurde. Es braucht nur noch eine kurze Weile, wo sich die Ereignisse überstürzen und sich schon in ihrem Eindruck auf die Menschen übereilen. Kurzweilig ist das Erlebnis in seinen Reizen, die eine Eventkultur durch ihre Ereignisproduktion vermittelt und jeden einverleiben lässt (siehe auch Scheinwelt), was für ihn keinen Sinn haben muss, ihn aber durch einen Sinn außer sich von seiner Lebensangst befreit. Es ist der Kulturkonsum das Mittel, sich in sinnentleerten Lebensverhältnissen durch Ereignisse zu unterhalten und sich durch die Erlebnisse einer Ereignisproduktion über die gesellschaftliche Funktion der Kulturindustrie zu bewahren, die auch als Kommunikationsindustrie immer mehr auch in zwischenmenschlichen Verhältnissen benötigt wird. Wo sich aber keine Ereignisse mehr ergeben, entsteht für die Menschen, deren Selbstwahrnehmung hierauf gründet, eine Langeweile, die durch ihre Leere oft erregt wird, wenn und weil das bloße Erleben von Ereignissen zu ihrem wesentlichen Inhalt geworden war. In dieser Erregung stellt sich eine Wahrnehmung von Nichts dar, also eine genichtete Wahrnehmung, die nach Erlebnissen hungert, weil sie sich durch keine Erkenntnisse unterhalten kann. Dieses Nichts der Selbstwahrnehmung ist der Antrieb der Eventkultur mit ihrer Ereignisproduktion und dem Hype der kulturellen Prominenz, den sie auslöst. Von daher kann man sagen, dass die Kulturelite von der Langeweile einer Kultur lebt, die substanziell abwesend ist und nicht mehr erkennen lassen kann, was ihren Sinn ausmacht (siehe auch abstrakt menschlicher Sinn). Darin nichts regt sich in nichts, weil nichts mehr wirklich befriedigt werden kann und deshalb ihre Erregtheit befriedet werden muss (siehe auch Scheinwelt). Die Langeweile ist der Zirkelschluss im Abschluss eines für sich selbst verloren gegangenen Lebens, eines Lebens von und mit Abstraktionen, das sich durch seine Ideologien, durch seine Ideale schon selbst verneint und sich gerade durch seine Idealisiesrungen dort vernichtet, wo es sich durch diese antreibt, wo es verwest, weil es nur noch seinen Tod lebt. Das war auch schon in der Philosophiekritik von Marx Thema, als er Hegel als dem absoluten Philosophen schlechthin nachgewiesen hat, dass er durch seinen Idealismus, durch seine absolute Idee des Lebens sein eigenes Denken durch seine Abstraktionen auflöst, die diese Idee zu betreiben hat und mit denen sie auch ideologisch betrieben wird: "Die absolute Idee, die abstrakte Idee, welche nach ihrer Einheit mit sich betrachtet Anschauen ist" (Hegels Encyclopädie, 3te Ausgabe, p.222 [§ 244]), welche (l.c.) "in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee, als ihren Widerschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen" (l.c.), diese ganze, so sonderbar und barock sich gebarende Idee, welche den Hegelianern ungeheure Kopfschmerzen verursacht hat, ist durchaus nichts anders als die Abstraktion, i.e. der abstrakte Denker, die, durch Erfahrung gewitzigt und über ihre Wahrheit aufgeklärt, sich unter mancherlei – falschen und selbst noch abstrakten – Bedingungen dazu entschließt, sich aufzugeben und ihr Anderssein, das Besondere, Bestimmte an die Stelle ihres Beisichseins, Nichtsseins, ihnen Allgemeinheit und ihnen Unbestimmtheit zu setzen, die Natur, die sie nun als Abstraktion, als Gedankending in sich verbarg, frei aus sich zu entlassen, d.h. die Abstraktion zu verlassen und sich einmal die von ihr freie Natur anzusehn. Die abstrakte Idee, die unmittelbar Anschauen wird, ist durchaus nichts andres als das abstrakte Denken, das sich aufgibt und zur Anschauung entschließt. Diesen ganze übergang den Logik in die Naturphilosophie ist nichts andres als den – dem abstrakten Denker so schwer zu bewerkstelligende und daher so abenteuerlich von ihm beschriebne übergang aus dem Abstrahieren in das Anschauen. Das mystische Gefühl, was den Philosophen aus dem abstrakten Denken in das Anschauen treibt, ist die Langweile, die Sehnsucht nach einem Inhalt." (MEW 40, S. 585f)
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