"Bei allen bisherigen Religionen waren die Zeremonien die Hauptsache. Nur durch die Teilnahme an Opfern und Umzügen, im Orient noch dazu durch die Beobachtung der umständlichsten Diät- und Reinheitsvorschriften, konnte man seine Angehörigkeit bekunden. Während Rom und Griechenland in letzterer Beziehung tolerant waren, herrschte im Orient eine religiöse Verbotswut, die zum schließlichen Verfall nicht wenig beigetragen hat. Leute zweier verschiedner Religionen, Ägypter, Perser, Juden, Chaldäer etc., können nicht zusammen essen oder trinken; keinen alltäglichen Akt gemeinsam begehn, kaum zusammen sprechen. An dieser Scheidung des Menschen vom Menschen ist der alte Orient großenteils mit untergegangen. Das Christentum kennt keine scheidenden Zeremonien,... Auch das Judentum hatte mit seinem neuen Universalgott einen Anlauf zur Weltreligion genommen .... Andrerseits hat der Islam, durch Beibehaltung seines spezifisch orientalischen Zeremoniells, selbst sein Ausbreitungsgebiet auf den Orient und das eroberte und von arabischen Beduinen neu bevölkerte Nordafrika beschränkt: hier konnte er herrschende Religion werden, im Westen nicht. Zweitens schlug das Christentum eine Saite an, die in zahllosen Herzen widerklingen mußte. Auf alle Klagen über die Schlechtigkeit der Zeiten und das allgemeine materielle und moralische Elend antwortete das christliche Sündenbewußtsein: So ist es, und so kann es nicht anders sein, an der Verderbtheit der Welt bist Du schuld, Ihr alle, Deine und Euere eigne innere Verderbtheit! Und wo war der Mann, der nein sagen konnte? Mea culpa! Die Erkenntnis des eignen Schuldanteils jedes einzelnen am allgemeinen Unglück war unabweisbar und wurde nun auch Vorbedingung der geistigen Erlösung, die das Christentum gleichzeitig verkündete. ... Allen diesen alten Religionen war die Vorstellung des Sühnopfers geläufig, durch das die beleidigte Gottheit versöhnt wurde; wie sollte die Vorstellung von dem ein für allemal die Sünden der Menschheit tilgenden Selbstopfer des Mittlers da nicht leicht Boden finden? Indem also das Christentum das allgemein verbreitete Gefühl, daß die Menschen am allgemeinen Verderben selbst schuld seien, als Sündenbewußtsein jedes einzelnen zum klaren Ausdruck brachte und gleichzeitig mit dem Opfertod seines Stifters eine überall leicht erfaßliche Form der allgemein ersehnten inneren Erlösung von der verderbten Welt, des Bewußtseinstrosts, lieferte, bewährte es wieder seine Fähigkeit, Weltreligion zu werden - und zwar eine für die grade vorliegende Welt passende Religion" (MEW 19, S. 303f) Liturgie ist die Inszenierung eines �bersinnes als Kulthandlung, die dem �sthetischen Willens folgt, der einer Hochkultur in ihrer �bersinnlichkeit zu eigen ist und ihren abstrakten Geistesgehalt suggestiv erlebbar macht (s.a. Suggestion). Sie ist von da her heidnischer Kult und zugleich dessen Einvernahme durch den Gottesglauben, um ihn zu erden. So nutzt z.B. die katholische Liturgie alle Naturempfindungen, um sie als Inhalt von religi�sen Gef�hlen zu inszenieren (vergl. z.B. die Zusammenf�hrung von Fr�hlingsgef�hlen und �sterlicher Liturgie, von langer Winternacht mit heiliger Nacht und ihrer Liturgie). | ![]() |