"Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles was entsteht; Ist wert, daß es zugrunde geht; Drum besser wärs wenn nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element." (Mephisto in Goethes Faust I) Eine Nichtung ist das bloß inhaltliche nichtig machen einer Position, die dann keine Negatiob finden kann. Sie wird dadurch lediglich eine entwirklichte Position, die als eine rein negatve Form fortbesteht und durch die Entleerung positiver Bestimmtheiten wirksam ist, sich also mur negativ verwirklichen und verbreiten kann. Wo ein organischer Lebenszusammenhang zerteilt, in sich selbst getrennt wird (siehe Teilung der Arbeit), gewinnt das in der Abstraktion abwesende Sein Macht über das Dasein. Im Mangel entsteht ein Verlust an dessen konkreter und bestimmender Substanz. In der bloßen Tatsächlichkeit ihrer Existenz herrscht eine Ohnmacht im Dasein der abgetrennten und also nurmehr abstrakt gegenwärtigen Wirklichkeit, eine Nichtung dessen, was ihren Zusammenhang bestimmt (siehe Negation), eine Kraft der abwesenden Substanz aus der Reduktion im Organismus des Ganzen (siehe Abstraktionskraft), das sich in der Kraft seiner nichtig gewordenen Inhalte, durch die in ihrem Nichts, durch ihre nichtig gewordenen Inhalthaltlichkeit in ihrer Form gegen sein organisches Dasein bestimmt, zu einer Formbestimmung seiner Beziehungen wird. Ein Ganzes ist der Zusammenhang vieler Elemente eines eigenen Wesens, die Gesamtheit der Eigenschaften seiner vielfältigen Beziehungen. Eine Nichtung ist eine teuflische Negation, eine Selbstaufhebung in einem Nichts, das einen bloßen Selbstwiderspruch, eine schlechte Unendlichkeit darstellt, weil sie sich nicht substanziell dialektisch verwirklichen kann. In einem dialektischen Widerspruch verhalten sich die Gegensätze negativ, als Positionen in ihrer Negation, aus der ihre Substanz neue Ausdrucksformen finden muss, neue Ganzheiten, in denen die Gegensätze neuen Inhalt gewinnnen und darin verschmelzen. Wo dies nicht möglich ist, erfolgt die Nichtung von Substanz, der Absturz ins Nichts, der Teufelskreis einer Entsubstanzialisierung: der Tod. Eine Negation steht immer im Gegensatz zu ihrer Position im Sein. Doch in der Nichtung findet sich diese nicht, sondern löst sich in Nichts auf, das in sich selbst negativ bestimmt ist, sich in seiner Abstraktion zugrunde richtet und nur durch seine abtreibende Wirkung existiert, durch eine Beengung seines substanziellen Seins. Darin bleibt sich das Dasein mit dessen Nichtsein, mit seiner Negation identisch. Wo sich aber das Sein in seinem Dasein selbst, also ohne seine Negation aufhebt, nichtet es sich und wird zu einer negativen Kraft im Dasein, zu einem Vakuum, das seine Seinsinhalte in ihrer Abstraktion selbst, also als Substanz seiner selbst vernichtet (siehe auch Todestrieb). Nichtung tritt im Menschen als Identitätsangst auf (siehe auch Lebensangst), die keine Negation findet, weil sie in ihrer Abstraktion sich selbst aufzehrt und nach irgendwelchen Umständen sucht, an denen sie sich abstrakt positiv festmachen kann - allerdings nur in der verkehrten Form einer veräußerten Indentität. In einem Nichtungsprozess pervertiert sich daher das lebendige Streben in einen notwendigen Umstand, in dem es negativ auftreten muss, um am Leben zu bleiben (z.B. in den Perversionen wie Sadismus, Exhibitionismus, Vernichtungstrieb usw.). Sigmund Freud hatte diesen Prozess erstmals bei Soldaten im Ersten Weltkrieg beobachtet und als Todestrieb bezeichnet. Man kann das allgemein als Bewältigung eines Traumas in einer Isolation verstehen, die durch ein gänzlich hiergegen negiertes Dasein sich hierauf nicht beziehen lässt. Inhalte mögen sich widersprechen und einander ausschließen, aber sie können sich dadurch auch ändern und entwickeln, also geschichtlich sein und neuen Inhalt begründen. Wenn aber etwas sich substanziell gegen seine Lebenssubstanz verhält, wenn sein eigenes Element negiert wird, in seinem Leben tödlich wirkt, so löst es sich nicht einfach auf. Es richtet sich nicht einfach zugrunde, sondern wendet seinen Grund gegen sein Sein, treibt sich in seinem Dasein gegen sein Leben an. Seine Substanz ist dann zwar nichtig bestimmt, aber nicht einfach verschwunden. Sie strebt aus ihrem Nichts selbst nach Vernichtung, hat diese nötig, nur um im Nichts zu sein. Vernichtung wird so zu einem Antrieb, zu einer Bestrebung, die sich aus dem Jenseits des Daseins begründet und auf dieses auch abzielt. Deshalb entsteht in der substanziellen Auflösung (z.B. einer Geschichte, einer Gesellschaft oder eines Lebensverhältnisses) nicht einfach nur Untergang, sondern die Totalität eines Vernichtungsstrebens, das in der Vernichtunng nicht zur Ruhe kommen kann, sondern sich darin zu bestärken sucht, indem es Vernichtung betreibt (siehe z.B. auch Amok). Nichtung ist eine Selbstauflösung, die Aufhebung einer Identität in nichts, also eine Vernichtung, die "von innen kommt", einen inneren Widerspruch in ein und derselbsen Substanz auflöst, aus der er sich bildet und von daher seine Gegensätze nicht fortbilden und nicht wirklich aufheben kann, sondern sie zerstören muss. Die Kraft dieser Auflösung kommt aus dem Sollen einer Abstraktion, die sich auf sich selbst reduziert, sich also in ihrer Tendenz wie zu einem Vakuum verhält, das nur dadurch durch einen Sog besteht, weil das Abstrakte eine strukturelle Lebensmacht hatte, die ihm substanziell entschwindet - z.B. in ökonomischen Krisen, worin der Geldwert schwindet, weil er sich nicht mehr in den Verhältnissen bewegen kann, die ihn substanziell ausmachen, sodass seine Form (oder Struktur) sich gegen sich wendet, ihren Inhalt durch einen nicht (mehr) erfüllbaren Verwertungszwang des Wertwachstums verliert. Nichtung setzt einen Widerspruch voraus und vollzieht dessen substanzielle Auflösung, also die Entleerung seiner Form durch Vertauschung der gegensätzlichen Pole ihrer Inhalte. Das bringt einen inhaltlichen Verlust durch Negation des positiven Gehalts, durch Vernutzung seiner Form. Im Austausch der Gegensätze entsteht ihre Einheit negativ, erzeugt also Positionen, die sich selbst aufheben, widersprüchliche Einheit sind (siehe Formbestimmung). Als Prozess verstanden, hebt die sinnlose Entgegenhaltung das auf, was sie im Sinn hat (siehe abstrakt menschlicher Sinn). So z.B. eine Kultur, die lediglich ausgleicht, was die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erfüllen können, die damit in der Freizeit Erlebnisse einbringt, die eine sinnlose Arbeit ausgleicht (siehe Eventkultur), sie mit einem ihr fremden Anderssein versöhnt. In ihr geht zwar nichts ein, was mit ihr zu tun hat, aber diese Unbezogenheit (siehe Gleichgültigkeit) in einer Beziehung erzeugt ein Negation nach dem, was in Wahrheit nichts ist, weil das positive Verlangen seinem Gehalt dessen Negation zuträgt (siehe Trieb), also ein Nichts einträgt und damit etwas, was nichts für sich sein kann, durch nichts ersetzt, also in Wirkllichkeit negiert. Von daher aber ist Nichtung auch nur das festgehaltene Moment eines Widerspruchs (siehe hierzu auch Negative Dialektik), kann nicht dessen Wirkllichkeit, dessen gegenständliche Dialektik darstellen, ihren Zwiespalt, den Widerspruch von Form und Inhalt ihres Doppelcharakters beschreiben. Ein Gegenstand kann nicht sich selbst wirklich nichten, aber er kann sich in seiner Beziehung auf anderes negieren, sich in sein Gegenteil verkehren. Er kann der Vernichtung dienen, weil er durch seine Nichtigkeit bestimmt ist, wenn ein Nichts in ihm totale Wirkung hat. Das kann nur ein Subjekt sein, das sich selbst nichtig wird, das seine Subjektivität auflöst, indem es sich objektiv zu sich selbst verhält (siehe Objektivität). Was Vernichtung von außen betreibt, geschieht in der Nichtung der Selbstwahrnehmung von innen, in der Selbstaufhebung eines Subjekts, das sein Objekt von sich ausgeschlossen hat, sich ausschließlich und kreisförmig unendkich auf sich bezieht, sich also in ihrem Rückbezug auf ihren Ausgang mit sich identisch und doch sich völlig fremd werdend aufhebt, ohne negativ aufgehoben zu sein. Es entsteht darin der Sog einer Nichtigkeit, die alles positiv Gegebene unmittelbar verkehrt, einen Wahn seines Daseins erzeugt, der die Wahrnehmung wie ein Orkan beherrscht. Im Auge dieses Orkans treibt sich die zirkulär gewordene Selbstwahrnehmung gegen sich selbst hoch, indem sie ihre eigen Wahrheit als frremde Gewalt erfährt. Weil sich darin Wahrnehmung entgegenständlicht, sich unwirklich macht, indem sie sich selbst unendlicher Gegenstand wird, verliert sie sich als Wesen, das nicht mehr sein kann, das in seiner Abwesenheit verwest. sie verliert sich in einer schlechten Unendlichkeit seiner Selbstbeziehung, die sich selbst verbraucht, weil sie in der Selbstverödung in dem Maß und Umfang fortschreitet, in welchem sie von ihrer Substanz zehrt, durch Selbstentleibung sich selbst einverleibt, sich selbst genug sein will. Substanziell wird mit diesem Begriff das bedeutet, was im Prozess des Zunichte-Werdens geschieht: Die Aufhebung eines wesentlichen Seins, also eines Wesens, das zunichte geht, wiewohl es fort existiert. Nichtung ist eine Selbstaufhebung als Entgegenwärtigung, eine Vernichtung von Substanz ohne wirklich tätiges Subjekt. Man kann das mit der umgangsprachlichen Formulierung, dass etwas oder jemand "von der Substanz lebt" umschreiben: Es wird Substanz für die Fortdauer einer Existenz aufgebraucht, weil diese noch als rein formelles Sein fortbesteht, weil sich für den nichtig gehenden Inhalt noch keine ihm entsprechende Form ergeben hat. In diesem Prozess findet eine Aufhebung von Lebenszusammenhängen aus formellen Gründen (siehe Formbestimmung) statt. Sie vollzieht sich als ein rein objektiv scheinender Prozess einer Selbstauflösung, in welcher keine wirkliche Negation zu erkennen ist (siehe hierzu auch Negativverwertung). Es handelt sich also um einen Prozess, dessen Wirksubstanz sich der Wahrnehmung entzieht, weil die es treibende Substanz selbst unmittelbare Negation der wirklichen Substanz ist, weil sie eine Entleibung von Wahrnehmung durch eine absolut gewordene Entsinnlichung ist. In der praktischen Wahrnehmung, wie sie Gegenstand der Psychologie ist, ist Nichtung ein in sich prozessierener Zustand der Empfindungslosigkeit, ein subjektiver Zirkel in der Isolation von allem, was aufeinander bezogen ist, ein Zirkel (siehe schlechte Negation), in welchem keine subjektiven Vernichtungsinteressen bestehen, aber die Beziehung sich nichtet, die sich darin unendlich vollzieht (siehe Depression). Nichtung erscheint dann selbst wie eine Absicht, die aber selbst nur der Notwendigkeit einer negativen Identität folgt. Diese hat die Bestimmung eines objektiv negierten Subjekts nötig (siehe hierzu Selbstverkehrung). Sigmund Freud kam von da her auf den Begriff Todestrieb, mit dem er der psychischen Selbstauflösung und Zerstörung eine subjektiv ontologische Bestimmung zuwies. Das kommt der Wahrnehmung entgegen, wei Nichtung in der Tat aus einer übersinnlichen Position resultiert, einer Position, die keinen Sinn hat, und dennoch sinnlich wirksam ist, nicht abgewiesen oder kritisiert werden kann, weil sie notwendige abstrakte Beziehungen vermittelt. Von daher löst eine Nichtung eine Krise auf, in welcher die wirkenden Substanzen noch wirkliche Bestimmungen haben, also auch unmittelbar erfahrbar sind. In der Nichtung realisiert sich nur die Abstraktion unmittelbar, ist selbst wie ein abstrakter Geist (siehe Gespenst) tätig, der sich nur vermittelt aus Widersprüchen ergibt, welche Wirklichkeit selbst unmöglich machen, indem sie eine unmittelbar abstrakte Allgemeinheit erzeugen (siehe z.B. Religion). Es ist dies die reine Geistesform einer in Wirklichkeit noch nicht aufgehobenen Realabstraktion. Von daher ist Nichtung der treibende Inhalt jeder Mythologisierung. Im Unterschied zu obiger Auffassung wurde in der Existenzphilosophie besonders bei Heidegger, aber auch bei Sartre Nichtung als eine Seinsbestimmung des bloßen für sich seins, des reinen Gedankens jenseits allen Seienden gefasst. Hier steht es im reinen Gegensatz zum "An-sich", das als eine Seinsfülle, als Seiendes schlechthin zu verstehen sei, als die Positivität des Seins, die einfach bloß ist, und sonst nichts. Das An-sich ist nach Heidegger selbst alles Sein, gegen welches das Für-sich-sein zunächst ein reines Nichts wäre. Von daher bekommt der "reine Gedanke" de facto die Bestimmung eines geistigen Andersseins gegen die Welt, das implizit nur ihr Ethos gegen dieses, ein reines "Aus-der-Welt-sein" werden kann, das sich in diese hineinbestimmen müsste. Obwohl Heidegger bestreitet, damit eine ontologisch begründete Ethik einzuführen, weist ihm dies Sartre in seiner Schrift "Das Sein und das Nichts" nach - freilich auch existenzialistisch, indem er dazu übergeht, dies als Freiheit des Individualsubjekts aufzufassen. Insofern nämlich das "Für-sich" als Nichtung Abstoßung ist, ist es für Sartre zugleich und ursprünglich ein freier Entwurf des geschicjhtlichen Subjekts, das darin aus seiner Verangenheit seine Zukunft bestimmen würde. In ihrem Buch "Authentische Freiheit" beschreibt Tatjana Schönwälder-Kuntze dieses Dafürhalten Sartres: "Dieser an Martin Heidegger angelehnte Begriff des Entwurfs besagt, dass das Für-sich als Gegenwärtiges seine Zukunft und seine Vergangenheit zu sein hat. Insofern dieses Entwurf-Sein ursprünglich ist, entspringen im das An-sich nichtenden Auftauchen des Für-sich zugleich Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Insofern das Für-sich diese Zukunft und Vergangenheit zu sein hat, ist es sich selbst die für es relevante Welt. Die Gegenwart des Für-sich ist zwar durch das An-sich gefärbt, jedoch aufgrund des Abstoßungscharakters der Nichtung von ihm nicht durch es determiniert. Das An-sich wird so zur Vergangenheit, die das Für-sich zu sein hat, über die es aber, gerade weil es sie zu sein hat, bereits hinaus ist." In diesem Sinn wird Nichtung zum Inhalt eines Freiheitsverständnisses, das zugleich als Pflicht zur Freiheit aufzufassen ist. Das Problem der Nichtung wird damit einem Freiheitsbegriff zugewiesen, der dem bürgerlichen Selbstaufhebungsprozess, wie er hier verstanden wird, entspricht. Solche Freiheit ist und bleibt eine abstrakte Allgemeinheit, im Prinzip also religiös. |
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