Der Ödipuskomplex ist eine psychoanalytische Konstruktion, die metaphorisch der Ödipussage entnommen ist. Sie will besagen, dass es ein kindliches Liebesschicksal, ein ganz allgemeines persönlichkeitsbildendes Trauma in der Familie gibt, welches für den Jungen durch einen naturbedingten Kampf um die Liebe zur Mutter entspringen würde. Nach der Sage mordete Ödipus seinen Vater um seine Mutter ganz für sich zu haben und seiner geschlechtlichen Überlegenheit zu entkommen. Als Komplex soll dieses "Triebschicksal" den Triebkonflikt zwischen Moral und Begierde formulieren, der zwischen einer Schuld am ersehnten Vatermord und den triebhaften Bedürfnissen der phallischen Sexualität verläuft und das Über-Ich zu einer bleibenden Kontrollinstanz der männlichen Persönlichkeit entwickeln, die den Menschen erst kulturfähig machen würde. Dies geschehe zur Vollendung der "phallischen Phase", also im Lebensalter um den Eintritt in die Schule herum. Für das Mädchen wurde im Nachhinein ein analoges Trauma als Elektrakomplex bezeichnet. Doch in Wahrheit ist dieser Kampf eine Reflexion der familiären Existenz zwischen Lebensbergung und Weltwahrnehmung, die zur Zeit Sigmund Freuds ganz dem Rollenverhältnis von Frau und Mann und einem daraus resultierenden Geschlechterkampf entsprach. Die Macht der bürgerlichen Wirklichkeit wurde in diesem Sinne männlich verarbeitet, die Liebesneigung weiblich. Um beides in einer Person, in ihrem "Ich" in Einklang zu bringen, muss beides als Positionen einer spezifischen Persönlichkeitsstruktur interniert werden, wie sie aus der Verarbeitung dieses Kampfes sich ergab. Für S. Freud schuf dies eine psychische Strukturbeziehung zwischen "Es" und "Über-Ich", in welcher sich die familiären Beziehungen abbildeten. | ![]() |