"Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition der toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen." (Karl Marx, MEW 8, S. 115 ff) Die soziale Revolution (...) kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft. Sie kann nicht mit sich selbst beginnen, bevor sie allen Aberglauben an die Vergangenheit abgestreift hat. Die früheren Revolutionen bedurften der weltgeschichtlichen Rückerinnerung um sich über ihren eigenen Inhalt zu betäuben. Die Revolution (...) muss die Toten begraben lassen, um bei ihrem eigenen Inhalt anzukommen." (Karl Marx, MEW 8, S. 115 ff) Ohne die wirklichen Bewegungen und Erzeugnisse des Lebens wäre Geschichte ein bloß zirkuläres sich Verändern, ewige Wiederkunft vergangener Erkenntnisse und Tätisgkeiten (siehe auch Arbeit), Reproduktion alter Verhältnisse in neuen Moden: schlechte Unendlichkeit. Ein reaktionäres Bewusstein ist vor allem ein zirkuläres Bewusstsein, das seine Urteile aus den Gewohnheiten vergangener Verhältnisse bezieht um sich den gegenwärtigen Auseinandersetzungen zu entziehen, sich zu überstellen, und sich als politischen Willen der Reaktion anzudienen. Da geht es dann um die Entwirklichung der Konflikte, um die Gewalt ihrer Befriedung, um politische Autorität (siehe hierzu auch autoritärer Charakter) durch prominente Meinungsbildungen und einem dem entsprechenden Populismus. Zirkulär ist die Rückkunft eines Resultats in seinen Ursprung, ohne dass sich hierdurch inhaltliche Veränderung, Geschichte verwirklichen könnte (siehe auch Tautologie). An ihrer Stelle verwirklicht sich eine Umkehrung von Grund und Folge (siehe Verkehrung) seiner Gedanken und betreibt hierdurch eine Verdopplung der Ursprünge in der Reaktion auf Nichts, durch nichtiges Reagieren - und von daher als Aktion einer Nichtung. Ein auf diese Weise in seinen Ursprung versenktes, ein zirkuläres Bewusstsein erzeugt eine Lähmung des Denkens und seiner Gewissheiten, will geschichtliche Veränderungen aufhalten, um seine Reaktion durch Nichtigkeiten seiner Allgemeinheiten und Verallgemeinerungen zu verewigen (siehe auch schlechte Unendlichkeit). Das reaktionäres Bewusstein entwickelt das Erkenntnisinteresse von Spiessern aus der Personifaktion der Macht und daher über die personifizierte Macht von Positionen (siehe Positivismus) und ihrer zugehörigen Tätigkeiten und Existenzformen. Daraus erfolgt in der Regel eine Macht der Reaktion und also eine Spirale der Aufrüstung durch die Interessen der darin mächtigen Formationen, die deshalb - um nicht ohnmächtig zu werden - letztlich zur letztmöglichen Gewalt übergehen müssen. Reaktionär ist die Täuschung durch eine Form oder Formalion, die eine Vertauschung von einzelnen Inhalten und Zuordnungen durch einen ihnen äußerlichen und also fremden Zwecks bewirkt. Das Prinzip des Kapitalismus ist die Zerteilung, die Trennung menschlicher Beziehungen durch die Vereinzelung ihrer Zusammenhänge, der Zusammenhänge der gesellschaftlichen Substanz ihrer privaten Existenz (siehe zwischenmenschliche Verhältnisse). Reaktionär ist die verallgemeinerte Vereinzelung ihres gesellschaftlichen Seins durch das Dasein ihrer Wirklichkeit zwischen der Anwesenheit und Abwesenheit ihrer wirklichen Beziehungen. Hieraus entwickelt sich die Täuschung ihrer Form oder Formation mit der Vertauschung von Inhalten und Zuordnungen in der Absicht eines ihnen äußerlichen und fremden Zwecks – in Wahrheit ein verkehrtes Bewusstsein – erzeugt, das zwangsläufig auf sich selbst zurückfällt und also reaktionär ist. Wo gesellschaftliche Wirklichkeit mit der Wirklichkeit von Sachen austauschbar ist, scheint die Reaktion auf diese Verhältnisse selbst eine Aktion der Menschen zu sein, eine unmittelbar so persönliche wie gesellschaftliche Tätigkeit. Die sachlichen Verhältnisse der Personen erscheinen "nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen". (MEW 23, S. 86). Die Beziehung von Aktion und Reaktion scheint darin unendlich bestimmt zu sein, jede Aktion als Reaktion und jeder Reaktion als Aktion - Alles in Allem als eine verselbständigte Form des unmittelbaren Daseins der Menschen (siehe Warenfetischismus). Mensch und Sache erscheinen sich darin einig. Als Bürger dieser Welt gelten die sich selbst so übermenschlich wie sie unter sich auch menschlich sind und sich gesellschaftlich in ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen begegnen. Marx hat dies als ihr verkehrtes Weltbewusstsein beschrieben, wie es in den Religionen seinen totalen Ausdruck findet. "Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d´honneur |Ehrenpunkt|, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt." (MEW Bd. 1, S. 378) Reaktionär ist eine verselbständigte Reaktion, das chronifizierte Reagieren, das nicht über sich hinaus kommt: der verinnerlichte Konsumismus (siehe z.B. Tittytainment), der ewige Kulturkonsument, der in den Gewohnheiten seiner Lebenswelt sich unendlich wiederfindet und daher in seiner endlosen Selbstbezogenheit auch nur auf sich zurückkommen kann (siehe hierzu auch Spießbürger). Reaktionäre Dialektik ist die Dialektik einer endlosen Selbstzbezogenheit, die sich selbst zum Material für sich macht, weil sie außer sich nicht sein kann. Einer sozialen Emanzipation steht immer wieder ein ängstliches, ein reaktionäres Bewusstsein entgegen. Ein ängstliches Bewusstsein will vor allem von dem wissen, was seine Angst (siehe Lebensangst) auflösen könnte, was es also schon kennt und nicht erst erkennen muss (siehe hierzu Charakterpanzerung). Reaktionär ist von daher eine Reaktion, die keine Gewissheit für sich hat und sich darin versichert, dass alles so bleiben müsse, wie es ist. Es ist die Selbstbeziehung einer subjektivierten Objektivität, die über ihre Selbstwahrnehmung nur auf sich selbst zurückfallen kann und sich zugleich gegen sich abstoßen muss, die also die tote Wahrnehmung einer reinen selbstbezügliche Selbstvermittlung ist. Von daher kann dies allerdings kein Wissen sein, weil es ja keiner Gewissheit entstammt, nicht schon wirklich wahr ist, Es ist lediglich eine Spekulation auf eine Macht gegen Beängstigendes, das auszuschalten wäre, nichtig werde, nicht wahr sein soll. Es handelt sich hierbei also um eine opportunistische Spekulation einer toten Wahrnehmung auf das Wahrmachen einer "mächtigen Wahrheit", die sich als Bewusstsein gibt, um durch ihre Spekulation einem wahren politischen Willen dienstbar zu sein, der eine Macht gegen etwas unwirklich Mächtiges, Unheimliches, Widersinniges auszuschließen bestrebt. Doch jede Spekulation wird dadurch reaktionär, dass sie ihren wirklichen Grund leugnet und sich in der Beliebigkeit ihrer Abstraktionen durchzusetzten sucht. "Die Spekulation, welche aus den verschiednen wirklichen Früchten eine "Frucht" der Abstraktion - die "Frucht" gemacht hat, muß daher, um zu dem Schein eines wirklichen Inhaltes zu gelangen, auf irgendeine Weise versuchen, von der "Frucht", von der Substanz wieder zu den wirklichen verschiedenartigen profanen Früchten, zu der Birne, dem Apfel, der Mandel etc. zurückzukommen. So leicht es nun ist, aus wirklichen Früchten die abstrakte Vorstellung "die Frucht" zu erzeugen, so schwer ist es, aus der abstrakten Vorstellung "die Frucht" wirkliche Früchte zu erzeugen. Es ist sogar unmöglich, von einer Abstraktion zu dem Gegenteil der Abstraktion zu kommen, wenn ich die Abstraktion nicht aufgebe." (MEW 2, Seite 59) Es will ein Bewusstsein der Wirklichkeit durch die Verdrängung seiner Angst mit dem ästhetischen Willen einer selbstbezüglichen Wahrnehmungsidentität (siehe Selbstwahrnehmung) ersetzen, um der Enttäuschung einer Selbsterkenntnis des Menschen als gesellschaftliches Wesen zu entgehen. Es will vor allem das wissen um seine Angst (siehe Lebensangst) verhindern. Von daher kann dies allerdings kein Wissen sein, weil es ja keiner Gewissheit entstammt, nicht schon wirklich wahr ist, Es ist lediglich eine Spekulation auf eine Macht gegen Beängstigendes, das auszuschalten wäre, damit nichtig werde, nicht wahr können soll. Es handelt sich hierbei also um eine opportunistische Spekulation auf das Wahrmachen einer "mächtigen Wahrheit", die sich als Bewusstsein gibt, um einem politischen Willen dienstbar zu sein, der eine Macht gegen etwas unwirklich Mächtiges, Unheimliches, Widersinniges von der Sinnbildung des Bewusstseins auszuschließen bestrebt. Als ein hierdurch objektiviertes Bewusstsein geht es hierbei um persönliche Machtbestrebungen gegen fremde Kräfte, die als Störung einer narzisstischen Wahrnehmung empfunden werden. Diese fühlt sich von daher in ihrer Wahrnehmungsidentität angegriffen, die sich einem unglücklichen Bewusstsein in einer Scheinwelt zu entziehen sucht, die Erlebnisse eines fremden Glücks ermöglichen (siehe auch Ereignisproduktion) und dieses bestärken, solange sie sich nicht zum Bewusstsein ihres Unglücks emanzipieren. Ihre Selbstgerechtigkeit verspricht das Heil einer abstrakten Vollkommenheit, solange es sich einer gegenständlicher Erkenntnis zu entziehen vermag. Von daher geht es einem solchen "Bewusstsein" um eine Moralität, die sich gegen ein abstrakt Allgemeines Nichts, gegen ein unheimliches Unglück richtet. In dieser Form soll es darüber hinwegtäuschen, dass es Verhältnisse gibt, in denen abstrakte Mächte das Leben der Menschen bestimmemn. Die Reaktionen Ihrer Selbstbehauptungen begründen sich vor allem aus der Wertschätzung einer eigenen heilen Welt des Großen und Ganzen, der aus einem ästhetischen Willen heraus ein Vermögen zugesprochen wird, das sie nicht wirklich haben kann. Weil im Unvermögen jede Veränderung nur verschleißen kann, sollte die Bildung und Ausbildung (siehe auch Sinnbildung) der Fähigkeiten zu ihrer Verwirklichung vorausgesetzt sein. Wo weder stofflich, noch menschlich ein Vermögen vorhanden ist, herrscht die bloße Reaktion als reaktionäres Bewusstsein. Gerade weil es sich gegen das Vermögen als "guter Wille" für sich herauskehrt, muss dieser Wille sich gerade gegen das kehren, was er zu bezwecken vorgibt. So kann auch der Kategorische Imperativ von Immanuel Kant zur Grundlage der Reaktion werden, wie dieser in der Grundlegung seiner Metaphysik schreibt: "Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zur Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Werth in sich selbst hat. Die Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen." (Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 394) Durch die Behauptung einer Tätigkeit des Bösen werden die eigenen Lebensverhältnisse nicht wirklich verändert, sondern nur verteidigt und affirmiert, und zugleich aufgewertet und in einer impliziten Selbstveredelung zur Grundlage eines verdeckten oder offenen Rassismus veräußert. Diesem Bewusstsein liegt an der Wiederherstellung ursprünglicher Verhältnisse (siehe Ursprungssehnsucht), die an und für sich heil gelten, bevor sie dem Bösen anheim fielen, die aber zugleich geadelt werden muss, um durch ihre Selbstlosigkeit über die gegebenen Verhältnisse erhoben zu werden, um also deren Wirklichkeit in ihrem substanziellen Desaster (siehe auch Dekadenz) zu verewigen. Ein reaktionäres Bewusstein versteht sich als Reaktion auf Bedrohlichketen, die es nicht begreifen kann, weil von ihnen ergriffen ist, weil sie ihm fremd sind und fremd bleiben sollen, weil sie so eben mal das Heil einer heilen Welt bieten (siehe auch Heilsversprechen). Es will ein bloßes Opfer des Bösen sein und bleiben, selbstloses Objekt böser Mächte, der Begierden fremder Subjekte einer unheimlichen . Es scheint aus einem Nichts heraus zu entstehen, weil es sich längst schon im Unheimlichen verbirgt, dessen Heimlichkeit für sich nutzt, weil es unerkennbar bleiben will, um sie außer sich zu belassen, um als ihr Objekt, als Opfer zu gelten, das sich seiner subjektiven Teilhabe zu entledigen sucht. Das reaktionäre Bewusstsein ist das Unwissen einer mächtigen Selbstentfremdung, die fremde Macht neidet, um darin sich selbst "treu zu bleiben" und sich durch seine Selbstlosigkeit zu behaupten (siehe Selbstbehauptung), Es verfestigt sich durch die Verallgemeinerung, durch die Bewusstloskeit seiner Selbstbezogenheit für allgemeinen notwendig hält, um darin sich selbst "treu zu bleiben", seine "Authetizität" durch fremde Kraft zu gewinnen. Es ist ein zirkuläres Bewusstsein. Zirkulär ist die Rückkunft eines Resultats in seinen Ursprung, ohne dass sich hierdurch inhaltliche Veränderung, Geschichte verwirklichen könnte. An ihrer Stelle verwirklicht sich eine Umkehrung von Grund und Folge (siehe Verkehrung), damit auch ein Verdopplung der Ursprünge (siehe auch Reaktion). Ein zirkuläres Bewusstsein erzeugt eine Lähmung des Wissens und seiner Gewissheiten, will geschichtliche Veränderungen aufhalten, um seine Reaktion durch Nichtigkeiten seiner Allgemeinheiten und Verallgemeinerungen zu verewigen (siehe auch schlechte Unendlichkeit). Jede Reaktion bezieht sich auf vergangene Aktionen und folgt ihren Formbestimmungen, die damit außer Frage stehen. Anstelle ihrer Analyse und hieraus erfolgender Argumentation, aus der sich ein emanzipatorischer Begriff zum Eingriff in die Auseinandersetzungen über die Geschichte seiner Zeit gegen die Bestimmtheit ihrer Form, gegen ihre fremde Kraft, also gegen die Abstraktionskraft seiner Selbstentfremdung positiv begründen könnte, stellt der Reaktionär dem, was ihm in seiner Gegenwart und Klassenlage ihm nicht gut tut oder ihm nicht gut erscheint, ein positives Wesen vergangener Welten und Geschichten entgegen, durch welche das Vergangene als bloßer Fehler (siehe hierzu auch Falschheit) durch eine zukünftige Wahrheit aus den Fiktionen der Gegenwart (siehe hierzu auch Ideologie) überwunden erscheinen soll. Sein Mythos ist das Ursprüngliche, das "Eigentliche" ,das Vergessene (siehe hierzu auch Martin Heidegger), das er einfordert, um sich selbst im Wesentlichen als ein historisches Subjekt gegen die Zeiterscheinungen seines Daseins zu behaupten (siehe hierzu auch Dialektischer Materialismus), die somit einen nachgeordneten Stellenwert als bloß "Seiendes" gegen ihr Sein erfahren (siehe hierzu Determinismus). Unfähig, seine Gegenwart wesenlich zu begreifen - oder begreifen zu wollen - sieht er sich den Ursprüngen ihrer Geschichte positiv verpflichtet fühlt (siehe hierzu auch Lebenspflicht), wodurch er mehr oder weniger bewusst seiner Ursprungssehnsucht unterworfen bleibt, die er mit den Girlanden einer heilen Welt ausstattet (siehe hierzu auch Ereignisproduktion). Reaktionär ist daher eine Haltung, die sich auf eine ursprüngliche Ganzheit bezieht, die sie den gegenwärtigen Verhältnisse enzgegenstellt, ein Bstreben, das zeitlich und logisch überholte Verhältnisse als Maßstab der Bewertung gegenwärtiger Verhältnisse hernimmt. Im Unterschied zum Konservativmus, der das Bewährte gegen einen versselbständigten Fortschrittsglauben zu bewahren sucht, verharrt ein reaktionäres Bewusstsein in einer Maske der Vergangenheit, einer Persönlichkeit der "Tradition der toten Geschlechter", die "wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden" lastet. Reaktionäre "beschwören ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf", um mit einer "erborgten Sprache die neue Weltgeschichtsszene aufzuführen." (Karl Marx, MEW 8, S. 115 ff), um die Ursprünge ihrer Geschichte in einem fiktiven Gemeinwesen zu entdecken, das gegen die Wirklichkeit ihrer eigenen Egozentrik für eine höhere, weil allgemeinere Form der Selbstbezogenheit gehalten wird, das sie im Unheil ihrer Gegenwart rettet, als ein verinnerlichtes Gemeinwesen vor allem ihren Narzissmus bestärkt, der in solcher Allgemeinheit zu ihrer persönliche Autorität werden soll (siehe autoritärer Charakter). Und wie solche Selbstbeziehung den Gegebenheiten einer heilen Welt entnommen und ästhetisch verselbständigt werden kann ist in diesem "hohen Sinn" dann lediglich eine Frage ihrer Verkleidung. Aber sie Verbirgt und enthält zugleich die Angst des egozentrischen Bewusstseins vor Menschen, die selbständig denken können. Weil die Gedanken frei sind, werden sie in der mühsamen Selbstveredelung der autoritären Charaktere gefürchtet und können hiergegen nur im Verhältnis der Selbstbehauptungen wahrgenommen und bekämpft werden, denn sie bedrohen deren fiktive Gemeinde und stellen von daher ihre Selbstbeziehung, ihre Gemeinschaft mit sich selbst infrage. Und weil damit die mühsam errichtete Ordnung eines "inneren Gemeinwesens" dieser Charaktere in ihrer Wirkungsweise bedroht ist, stellen Menschen, die hiervon frei sind und frei denken können, eine Identitätsbedrohung dar. Von daher ist reaktionäres Bewusstsein kein wirkliches Bewusstsein, sondern eine Fixation an bekannte Gegebenheiten des Lebens, die in ihrer heilen Welt so wundervoll geborgen waren (siehe auch Lebensbergung). Reaktionär ist daher eine Haltung und Handlung, die rückwärtsgewandt ist, indem sie bloße Reaktion auf Gegebenheiten einbringt, die dafür sorgen soll, dass funktionelle Störungen, Diskrepanzen in der Erscheinungsweise ihrer Lebensverhältnisse sich zugunsten einer verbesserten Funktionalität in einer vertrauten Welt (siehe heile Welt) aufheben. Sie stellt sich zwar als Kritik vor, beharrt aber auf dem Sinn und Zweck dieser Verhältnisse, wie sie vorgegeben sind. Indem sie deren Erscheinungen für sich nimmt, isoliert sie deren Gründe und gibt sich als Position, die daraus eine persönliche Haltung bezieht, die sich personalisierten Mängeln konfrontiert und sich somit einer inhaltlichen Auseinandersetzung über deren Zusammenhänge in Wirklichkeit entzieht. Sie ist im Kern daher immer ideologisch, auch wenn sie ideologiekritisch auftritt. In dieser Haltung ist ein solches Bewusstsein notwendig konservativ. Konservierung ist die Fixierung von Vergangenheit, um sie als Geschichte festzuhalten, also geschichtslos zu machen. Dies macht sie gefügig und verfügbar. Für die Psyche ist es das festhalten von Gefühlen, um Selbstgefühl für sich zu bewahren und abzuschließen, damit auch ihrer Bewährung und Bewahrheitung zu entziehen. Hier ist es festgehaltene Erinnerung, um sich der Gegenwart entgegenzustellen, um vergangene Wahrnehmung gegen das zu halten, was man wahrhat. Es ist eine Form von Zukunftsangst, die sich in der Gegenwart verhält, Lebensangst, die nicht als das wahr sein darf, was sie ist, weil sie fürchtet, was daraus werden könnte. Reaktionäres Bewusstsein ist ein Bewusstsein, das sich als politische Reaktion auf eine Veränderung der Gegebenheiten versteht, und sich hiergegen zu ermächtigen sucht (siehe Autorität). Ein solches Bewusstsein folgt vor allem einem Kontrollbedürfnis und politisiert von da her gegebene Sachprobleme dadurch, dass es diese durch einen vermeintlichen bösen Willen begründet sieht, einer Bosheit oder Begierde, die sich willkürlich einer an und für sich guten Sache bemächtigt. Es zielt also auf eine politische Personifikation, die ihren Grund in einer feindlichen Willkür hat. Eine Reaktion kann in diesem Verständnis dann auch nur über eine Personifikation der Macht hiergegen erfolgen, als Gewalt mächtiger Persönlichkeiten (siehe autoritärer Charakter). Ein reaktionäres Bewusstsein setzt auf die Güte seiner Lebensverhältnisse. Es entspringt den Gewohnheiten einer heilen Welt, die sich angegriffen sieht von einen äußeren Feind, als Organ fremder Mächte tätig ist und Schutz vor ihm nötig macht. Der Reaktionär begreift sich als Opfer böser Machenschaften, einer Willkür, die ihm aus einem Chaos fremder Interessen entgegen scheint und als originäre Verursacher eines Übels, als Macht des Bösen begriffen wird, - oft nicht mal innerhalb der eigenen Lebensverhältnisse begründet erscheint (siehe Fremdenfeindlichkeit). Die Reaktion begründet sich vor allem aus der Wertschätzung der eigenen Welt, der aus einem ästhetischen Willen heraus ein Vermögen zugesprochen wird, das sie nicht hat. Weil im Unvermögen jede Veränderung nur verschleißen kann, sollte die Bildung und Ausbildung (siehe auch Sinnbildung) der Fähigkeiten zu ihrer Verwirklichung vorausgesetzt sein. Wo weder stofflich, noch menschlich ein Vermögen vorhanden ist, herrscht die bloße Reaktion als reaktionäres Bewusstsein. Gerade weil es sich gegen das Vermögen als "guter Wille" für sich herauskehrt, muss dieser Wille sich gerade gegen das kehren, was er zu bezwecken vorgibt. So kann auch der Kategorische Imperativ von Immanuel Kant zur Grundlage der Reaktion werden, wie dieser in der Grundlegung seiner Metaphysik schreibt: "Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zur Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Werth in sich selbst hat. Die Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werthe weder etwas zusetzen, noch abnehmen." (Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 394) Durch die Behauptung einer Tätigkeit des Bösen werden die eigenen Lebensverhältnisse nicht wirklich verändert, sondern nur verteidigt und affirmiert, und zugleich aufgewertet und in einer impliziten Selbstveredelung zur Grundlage eines verdeckten oder offenen Rassismus. Diesem Bewusstsein liegt an der Wiederherstellung ursprünglicher Verhältnisse (siehe Ursprungssehnsucht), die an und für sich heil gelten, bevor sie dem Bösen anheim fielen, die aber zugleich geadelt werden müssen, um über die gegebenen Verhältnisse erhoben zu werden. Im Grunde beruht ein reaktionäres Bewusstsein auf einem Idealismus, der sich unmittelbar als Persönlichkeit im Verhältnis zu Sachen und Personen verhält, also seine Ideale nicht ideell als Gedankenabstraktionen belässt, sondern diese als Realität behandelt und von daher sie in den Realabstraktionen wiederfindet und als solche behandelt. Die materielle Grundlage, auf die sich reaktionäres Bewusstsein bezieht, ist die Notwendigkeit der Gegebenheiten, also das, was ihre Not ausmacht und was zwingend nötig, not-wendig erscheint, auch wenn sich aus der Reaktion hieraus keine Befreiung von ihr ergibt. In solcher Notwendigkeit steckt daher eine doppelsinnige Forderung an das Subjekt, welche jede Emanzipation ausschließt: Was nötig ist das fügt sich und wo Not herrscht, ist Fügsamkeit erforderlich. Das reaktionäre Bewusstsein bezieht sich also vorwiegend und doppelsinnig auf die Fügung und die Fügsamkeit. Als positive Begründung jenseits des Notwendigen wird dem Subjekt dadurch objektive Substanz überstellt, dass es eine ontologische Beschränkung zu leben habe, die in seiner individuellen, natürlichen oder universellen Geschichte stecken würde: Eine Seinsbestimmung seiner Natur (z.B. als Archetypus). Das somit objektiv gewordene Subjekt wird hierdurch der subjektiv wirkenden Objektivität, also dem wirklich objektiven Subjekt, dem Kapital, angeglichen. Diese Verdopplung des Menschen wird in subjektiver Not mit objektiver Wendigkeit in eins gesetzt und alles, was ihm nötig, zugleich allgemein notwendig behauptet. Es ist der objektiv verallgemeinerte Mensch, der sich darin notwendig begründet, das menschliche Objekt als menschliche Objektivität. Jeder Mensch mit reaktionärem Bewusstsein betreibt diese Gleichsetzung in der Vermittlung einer mächtigen Beziehung auf sich selbst, als Selbstbehauptung. Führerpersönlichkeiten sind die logischen Konsequenzen aus diesem Bewusstsein. Reaktionäres Bewusstsein ist also das sich selbst behauptende Bewusstsein als Bewusstsein der Selbstbehauptung, das sich als Bestrebung einer Reaktionsbildung gegen die Verrücktheit einer Gegenwart festmacht, welche Untergangängste weckt. Es bestrebt gegen diese die Rückkehr zu ursprünglichen Verhältnissen zu setzen, und begründet sich oft auch mit Ursprungstheorien. Die Gegenwart wird hierbei als subjektive Verfälschung begriffen, als Resultat von Oberflächlichkeit und Hedonismus gegenüber den Wesenheiten objektiver Geschichte, gegen Objektivität schlechthin. Die Gefahren der Moderne sind darin allgegenwärtig und allgemeine Grundlage (vergl. z.B. den Vorhalt der Seinsvergessenheit bei Heidegger). Solches Bewusstsein steht auf der Seite der Faktizität, den Gegebenheiten, denen sich Menschen zu beugen hätten, um dem Übel subjektiv bestimmter Geschichte, deren vermeintlichem Unheil zu entgehen. In seiner Praxis bewegt es sich gerne in esoterischen Kreisen (siehe z.B. Hellinger) - oder aber auch in purer Dummheit. | ![]() | |