"Die Religion ist das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur [Ehrenpunkt], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist." (MEW 1, S. 378f) In den Religionen herrscht ein bereinigter, ein allmächtiger Geist, der seine Ohnmacht durch die Gefühle verleugnet, die er vermittelt, durch die Empfindungen, die er ersetzt (siehe Selbstwahrnehmung). in den Kulturveranstaltungen behauptet er sich als Gemeinsinn. Aber dort bleibt er fad und schäbig, weil er die Leidenschaften der Menschen in der Empfindung ihrer wirklichen Lebensverhältnissen, in ihrer Lebenswirklichkeit, ihrer Begeisterung und Liebe nicht versteht. Er kann nur befrieden, was Befriedigung sucht, nur beruhigen, wo Aufruhr herrscht. Er behauptet sich in den Religionen und esoterischen Edelmütgkeiten als "Ruhe der Erkenntnis", die nichts von der Wirklichkeit der Menschen wissen will, weil sie eine gewissenlose Macht inne hat, die sie ihrer sinnlichen Gewissheit entledigt und diese sogar meidet, um sie zu erhalten. "Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist." (MEW 1, S. 378f) Die natürlichen Notwendigkeiten gesellschaftlicher Naturaneignung (siehe Naturmacht) erzeugen durch deren abstrakte Beziehungen, durch die Vereinzelung der Menschen eine gesellschaftliche Ohnmacht ihrer Selbstverwirklichung. Hiergegen stellt eine vergeistigte allgemeine Rückbeziehung als ihre Re-ligio eine geistige Verbundenheit des menschlichen Lebens als Gesellschaft im Schmerz einer Wesensnot und von daher einer abstrakten Notwendigkeit her, die als reine Geistesmacht Eindruck auf sie macht. Dies verlangt allerdings nach einer Reduktion ihrer wirklichen Lebensinteressen, nach einer allgemeinen Selbstbescheidung (siehe Selbstlosigkeit) ihrer gesellschaftlichen Selbstverwirklichung. Über die Vorstellung eines übermenschlichen Wesens, über ein Bildnis seiner gesellschaftslosen Übermenschlichkeit im "Kultus des abstrakten Menschen" (Marx) stellt sich hieraus eine Gesellschaft in der Gemeinschaft ihres Glaubens, als Scheinwelt einer abstrakt menschliche Gesellschaft her. Die hierdurch verallgemeinerte Selbstwahrnehmung einer Kultur der Vereinzelung verdoppelt darin ihre gesellschaftliche Sehnsucht und verhilft zum Überleben entmenschlichter Verhältnisse. Sie wird allerdings durch ihre kultische Notwendigkeiten zu einem Glauben an eine herrschende Übermacht, einer übermächtigen Natur, einer mächtigen Reinheit eines nur vorgestellten Lebens, wo es nicht wirklich stattfindet, wo es nicht wirklich wahr sein kann aber dennoch als Tatsache seiner Unwirklichkeit Grund für sich sein soll. Durch das Bild eines Übermenschen entwickelt Religion im "Kultus des abstrakten Menschen" (Marx), in den unheilen, den gebrochenen Lebensverhältnisse der Menschen einen heiligen Sinn ihrer Nichtigkeit aus dem Nichts einer Unendlichkeit, die aus dem Glauben einer gesellschaftlich wirksamen Religion zu einer schlechte Negation ihrer gesellschaftlichen Beziehungen wird. Dieser Glaube verbildlicht einen Gott über die Verhältnisse, der ihre Umnachtung erhellt, über ihre Tätigkeit verfügt und Ziele verleiht, durch die sie aus ihrer Welt flüchten können, ohne diese wirklich zu verlassen. Zunächst kultivierten die Naturreligionen das Stammeswesen der Jäger und Sammler aus ihrer Angst vor dem ungeheuerlichen Hinterhalt der Wildnis. Im Feudalismus war es die Not ihrer Natur, die unendliche Mühe ihrer Fronarbeit, die mit einer persönlichen Lebensschuld gegen ein persönliches Gebot Gottes in der Gestalt der Feudalherren zu erfüllen sei. Ihr Gott stiftete den übernatürlichen Sinn einer gesellschaftlichen Verbundenheit über die sittliche Gewalt einer ohnmächtige Existenz. Im Kapitalismus muss das Individuum sein Leben verdienen. Es ist durch diese Notwendigkeit zu irgendeinem Geldbesitz in eine unendlich gleichgültige Beziehung auf Alles gezwungen. Und es erfährt die wirkliche Endlichkeit seiner persönlichen Lebensverhältnisse schlagartig erst als seine absolute Infragestellung durch seinen Tod. Wie ein fremdes Naturereignis tritt er in das einzelne Leben eines Menschen, zerstört alle Gewissheit, die ihm sein Besitz verschafft hatte, durch den es sich mit allem einig und sich selbst mit allem gemein fühlen konnte. Der Tod verschafft ihm schließlich die Möglichkeit, sein Leben geistig, als Geist vom Geiste zu verstehen. Hierdurch kommen die Widersprüche, die Tautologien seiner irdischen Existenz zu einem Ende, können endlich wirklich aufgelöst erscheinen. "Der Tod scheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte Individuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblich."(MEW 40, Seite 539) Der Glaube an Gott wird dem Individuum durch seinen Tod zu einer absoluten Anlehnung an das Unendliche, das ihm als "Ebenbild Gottes" sein vereinzeltes Leben nach seinem Tod zu vergesellschaften verspricht und seine einzelne Persönlichkeit in den Himmel eines abstrakt allgemeinen Lebens erhebt und ihm sein Leiden" auf Erden erträglich machen kann. Religion entsteht aus der Enttäuschung eines begeisterten Lebens (siehe auch Geist), die darin einen totalen Abschluss finden muss, der jede Täuschung durch sich und für sich selbst in ihrer Negation verallgemeinert und darin beschließt, indem sie eine ewige jenseitige und absolute Wahrheit über den Tod hinaus verspricht und daraus einen Sinn für alles für sich in Anspruch nimmt (siehe auch schlechte Unendlichkeit). "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6 EU). Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist (Elberfelder Bibel Joh 11,25)"" Solange die re-ligio, die abstrakt allgemeine Rückbindung des Menschen auf den Übermenschen (siehe Gott) als bloße Gedankenabstraktion unerkannt ist, bewirkt sie eine Entgeisterung, die eine transzendendalen Form seiner sinnlichen Gewissheiten (siehe auch Empfindung) zur Folge hat. Sie formuiert das Bedürfnis, in der Gefühlswelt der Selbstwahrnehmung (siehe hierzu Selbstgefühl) ein Subjekt des Lebens als Urgrund einer absoluten perssönlichen Wahrheit, die sich als persönliche Schöpfung eines tragenden Selbstgefühls die Allgemein seiner Schöpfung zu erkennen hat, das den Menschen ihr innerstes Wesen aus dem tiefsten Willen einer übermenschlichen Wahrheit über alle Geschichte hinweg formuliert, indem es sich als Grundlage einer allgemeinen Lebensbejahung des Seins, als "gottgewolltes" Lebensrecht und übersinnliche Lebenspflicht den Menschen vermittelt. Hieraus ergehen die Gebote einer religiösen Sittlichkeit (siehe auch Ethik), die aus einer höheren nicht wirklich sinnlichen Natur Gefolgschaft abverlangt, indem ihrem Gott unterstellt wird, dass er das Licht des Lebens als das Ganze des Menschseins und der Natur durch seinen außerweltlichen und allmächtigen Geist erschaffen habe, die innigste Wahrheit des Lebens, dessen Ursprung und Ziel sei. Doch darin lebt nur die Angst Gottes, die Angst um seine unendlich sinnlose, seine endlose Selbstverwirklichung. Denn wenn die Menschen vom "Baume der Erkenntnis" naschen, so fordern sie die Angst Gottes heraus. Denn Erkenntnis hebt ihre Selbstlosigkeit auf, lässt sie zu sich selbst kommen, macht den Glauben unnötig und emanzipiert sie gegen die Unterwerfung an einen Mythos, an die Menschenverachtung, die sich aus einer übermenschlichen Welt über ihr Leben ergießt, die ihre Sinne ehrfürchtig macht indem sie ihnen Demut gegen die Allmacht der Ungewissheiten höherer Machte abverlangt (siehe hierzu auch Esoterik), um sie durch den autoritären Charakter eines dem gmeinsinnigen Lebens in der Anbetung des Herrns oder der Herren zu verzaubern. Denn wer den Geschmack an den Genüssen des wirklichen Lebens gefunden hat, benötigt keine Auferstehung des Herrn. Er findet sein Leben in seiner eigenen Selbstverständlichkeit, empfindet in den sinnlichen Gewissheiten seines praktischen Lebens einen Verstand für sich, ohne sich im Ungewissen der abstrakten Gegenwärtigkeit (siehe auch Unheimliches) unsinniger Geister, der " Gespenster und Sparren" (Marx) zu verlieren (siehe Selbstverlust). Und die Selbsterkenntnis des Menschen fordert die Sünde gegen Gott heraus. Und genau diese hat die Religion durch den Glauben an die Erbsünde des Menschen im Paradies zu bekämpfen versucht, um die Behauptung durchzusetzen, dass die Menschen durch die Schmerzen eines abstrakten Lebens, durch das Leiden schlechthin, durch das Leiden Christi am Kreuz sich erlöst fühlen sollen (siehe objektives Selbstgefühl). Sie zu überwinden ist daher die Voraussetzung, dass die Menschen ihre Lebensangst auflösen können. Von daher würde alles Natürliche gegen das hiervon Abweichende auf ewig der Verdammnis, dem absolut Bösen, dem abgefallenen Engel einer entäußerten Güte, dem Teufel unterworften. Dass die Religion hierbei sogar eine tiefsinnige Metapher einer sich selbst fremden Gesellschaft (siehe Entfremdung) formuliert, hat Goethe durch seinen Mephisto aussprechen lassen: "Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.
Und doch gelingst ihm nicht, da es, soviel es strebt,
verhaftet an den Körpern klebt:
Von Körpern strömts, die Körper macht es schön,
ein Körper hemmt's auf seinem Gange;
so, hoff ich, dauert es nicht lange, In den Religionen herrscht ein reiner Geist, der sich im Gemeinsinn der Gotteskindschaft der Glaubensgemeinschaften als unmittelbar objektives Selbstgefühl vermittelt. Durch seine Bigotterie bleibt er allerdings fad und scheinheilig, weil er die Leidenschaften der Menschen in der Empfindung ihrer wirklichen Lebensverhältnissen, in ihrer Lebenswirklichkeit, ihrer Begeisterung und Liebe nicht versteht. Er kann nur befrieden, was Befriedigung sucht, nur beruhigen, wo Aufruhr herrscht. Er behauptet sich in den Religionen und esoterischen Edelmütgkeiten als "Ruhe der Erkenntnis", die nichts von der Wirklichkeit der Menschen wissen will, weil sie eine gewissenlose Macht inne hat, die sie ihrer sinnlichen Gewissheit entledigt und diese sogar meidet, um sie zu erhalten. Religion entsteht im Gücksgefühl einer Gotteskindschaft als "das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat" (Marx). Sie beruht auf der Selbstlosigkeit des unverwirklichten Lebens, auf der Schaftsnatur eines Herdenmenschen, der im GLauben an Gott die Verantwortung und Verfügung über sein Leben abgegeben hat oder seine Ohnmacht durch eine hohe übermenschliche Sinnhaftigkeit erhaben wissen will. Religion ist daher die ausschließlich abstrakte Rückbeziehung (re-ligio) der Menschen auf ein Wesen, das seine Unwirklichkeit verewigt, das sich aus den Lebensverhältnissen der Menschen weder durch seine Abwesenheit noch durch irgendeine Anwesenheit wesentlich darstellt und sich daher auch hieraus nicht erklären lässt, zu einer reinen Sehnsucht als Ursprungssehnsucht eines sich selbst abstrakt gewordenen Menschen ist (siehe Entfremdung). Dieses Wesen besteht überhaupt nur aus einem Mangel des Seins, also als übermächtige Vorstellung aus dem Elend einer Nichtung, als dem Körper entzogener Geist einer Nichtigkeit des Seins, einer Vernichtung, einem bloßen Nichts, einer totalen Abwesenheit des wirklichen Lebens (siehe hierzu auch tote Wahrnehmung), das sich aus der schlechten Unendlichkeit einer selbstbezüglichen Abstraktion erklären lassen und erfüllen soll und also auch nur als eine totalitäre Illusion sein und wirken kann. "Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“ (MEW 1, S. 379 Durch die Heiligsprechung eines jenseitigen Seins (siehe Heil), durch die Illusionen einer Glückseligkeit in einem Jenseits der jämmerlichen Verhältnisse des Diesseits entstehen Interpretationen gegen dessen Wirklichkeit, Sehnsüchte eines aufgehobenen, eines geborgenen Menschseins (siehe auch Lebensbergung), abstrakte Vorstellungen einer "Alternativlosigkeit" gegen seine Geschichte und Veränderbarkeit, Verselbstängte Gefühlswelten gegen das wirkliche Leben (siehe auch Sektiererei), Selbstgefühle gegen die Lebenswirklichkeit überhaupt als Veralgemeinerung ihrer Entgegnung (siehe hierzu auch Hass). Und deshalb sind diese Abstraktionen durch ihre Totalisierung letztlich Lebensverachtung (siehe auch heile Welt). Sie reduzieren nicht nur die Erkenntnis des wirklichen Lebens, seine wirkliche Anwesenheit, auf einen einfachen und einfältigen Gehalt von Lebenstatsachen und werden zum Geist geistloser Zustände. Der zerteilt diese auch in isolierte Elemente leerer Vorstellungen und Werte, die sich nur auf einen abstrakten Sinn jenseits aller Wirklichkeit, auf eine Schöpfung durch fremde Kraft, deren Totalität als Idealisierung eines abstrakt menschlichen Wesen zu beziehen und zu erbitten ist. Was stofflich nicht verbunden, aber notwendig für die Menschen sein soll, was überhaupt nur in einem abstrakt menschlichen Sinn da ist und aus dessen Widersinnigkeit ergeht, erscheint der einfachen Wahrnehmung übermenschlich, weil über alle menschliche Sinnlichkeit erhaben. Abgehoben von der Erden - im Himmel - wird alles mächtiger, als es in Wirklichkeit durch sich sein kann, auch wenn es für sich nichts ist. Dort ist es aufgehoben in einer Unterschiedslosigkeit der Einzelheiten, die von ihren bestimmten Inhalten absehen, gegen sie gleichgültig sind, und sich auf ihre allgemeine Substanz reduzieren, die sie von Natur aus haben mögen (siehe hierzu auch natürliche Intelligenz), die aber ihrer Wirklichkeit entzogen, ihrer Formbestimmung unterlegen ist - mit der sie nur noch als Frage nach ihrem Sinn irdisch da ist, um ihr wahres Dasein als menschliches Lebensverhältnis verächtlich zu machen und ihre Lebensverachtung an dessen Stelle zu installieren. Weil und sofern es der Religion gelingt, hierdurch die menschliche Natur nur abstrakt allgemein zu bgreifen und einer "höheren Vernunft" zu unterwerfen, die nur mittelbar über den Glauben an Gott zu erkennen wäre, wird sie selbst zum Propheten einer unmenschlichen Wirklichkeit, die sich nicht unmittelbar begreifen lässt, weil sie sich im Allgemeinen - und darin auch nur abstrakt - erschließen lässt. Diese kann allerdings auch leicht der Selbstwahrnehmung isolierter Menschen entsprechen und über ihre Selbstgefühle übersinnlich und als Weltmacht in einem Gott erklärlich werden, der die Scheinwelt eines spekulativen und spekulierenden Daseins ausfüllen kann. Gott ist, was stofflich nicht verbunden, aber als stoffliche Wirkung durch deren Abstraktionskraft wesentlich da, in seiner Wirklichkeit also negiert, abwesend ist. Gott ist eben der Stoff, der nicht ist und nicht wahr sein kann, der als eine Spiritualität erfahren werden der alles dadurch beherrschen kann, nicht weil er eine bloßr Idee, sondern weil er wirklich aufgehobenes Sein darstellt, dessen schlechte Unendlichkeit versinnbildlicht. Religion ist der Glaube an einen Übermenschen, einen Gott, der das Leben der Menschen gegründet, ihre Lebenswelt also in ihrem tiefsten Ursprung bestimmt haben soll und daher die Menschen ihm ergeben sein müssten. Sie sind gegen einen solchen Übermenschen schon vor aller Erfahrung als Untermenschen bestimmt und können sich ihm nur nähern, indem sie den höheren und tieferen Sinn seiner Gebote achten, die sie wesentlich nicht begreifen können, weil und sofern diese eben einem für sie unerreichbaren Sinn des Lebens, also nicht ihrem wirklichen Leben entspringen. Was ihre natürliche Intelligenz ist, wird somit einer übernatürlichen Intelligenz, der Natur eines intelligiblen Geistes überantwortet. Religion ist der Geist geistloser Verhältnisse, der "Kultus des abstrakten Menschen" (Marx, MEW 23, Seite 93), die metaphorische Anwesenheit eines nicht vorhandenen Gattungswesens, des in seiner Wirklichkeit abwesenden Menschen, der sich im Selbstgefühl seiner Ungewissheit als Wesen einer höheren, einer ewigen Wahrheit gefällt, weil er seinen Selbstzweifel im Heil eines Übermenschen, in der Übersinnlichkeit seines Gottes aufgehoben hat (siehe auch heile Welt). So theoretisch sich Religion in ihren Glaubenssätzen gibt, so praktisch entstellt sie die menschlichen Beziehungen, die durch eine übermenschliche Sittlichkeit, eine höhere Moral in Gottesgefälligkeiten eingeregelt und entmenschlicht werden. Liebe, die immer sehr viel Mut nötig hat, geht durch die Gottesgebote der Demut unter im Pastoralgesang der Gläubigen, die um ihre Gottesfürchtigkeit konkurrieren und für ihren Platz in der Ewigkeit die Selbstgerechtigkeit ihres Glaubens mit der Gewalt "höherer Werte" durchsetzen. Religion ist die Verherrlichung und Liturgie der Entfremdung des Menschen von sich und seiner Gattung, Grundlage für eine illusorische Gesellschaft mittels der verewigten Fiktion einer Scheinwelt pervertierter Menschenliebe. "Gott öffnet seine Hand und erfüllt alles, was da lebt, mit Wohlgefallen" (Psalm 145, 16). Religion ist nicht unbedingt und nicht unmittelbar mit einem Gottesglauben verbunden. Immer aber ist sie der Glaube an eine übernatürliche und übermenschliche Sinnstiftung, die alle Natur unauflösbar verbunden und durch die Macht des Übersinnlichen verbindlich für jedes Lebewesen gemacht hat, dem mit der kosmischen Intelligenz eines Führers (siehe auch Nationalsozialismus) oder Gottes jede natürliche Intelligenz abgesprochen wird. Für den Gläubigen ist Religion der Edelmut seiner Selbstlosigkeit, die Ethik seiner Selbstveredelung für die Ewigkeit seiner Eigenliebe (siehe Narzissmus), um der Beschränktheit seiner Natur zu entkommen, die ihr "wahres Glück" in einer Endlösung, im Jenseits der Endlichkeit, also nur in der unendlichen Bestimmtheit eines abstrakten Wesens, im Selbstgefühl eines eines ewigen Lebens oder tausenjährigen Reiches wahrmachen kann. Das religiöse Gefühl ist daher immer zugleich Selbstgefühl und somit durch Gefühlsurteile bestimmt, die sich jenseits der Empfindungen als eine eigene Welt der Ästhetik fortbestimmen. Darin wird Sinn nicht dargestellt, sondern entäußert, objektiviert zu einer Bindekraft einer verallgemeinerten Botschaft der Selbstwahrnehmung, die im Prinzip unendlich ist, soweit sie nicht durch wirkliche Empfindungen hinterfragt oder hintergangen werden kann. Durch die Schlichheit dieser Ästhetik wird dem entgegegengewirkt, einfaches Fühlen dem komplexen Empfinden entgegengehalten und somit zu einer Herrschaftsform einer übersinnlichen Vermitlung von alltäglichen Verrichtungen und Gebräuchen. Substanziell verhält sich jede Religion daher durch die Macht ihrer übersinnlichen Rückbindung in einer sinnlos scheinenden Welt (siehe auch Scheinwelt) ihrer re-ligio als Bedingung der Ausschließlichkeit ihres Glaubens, indem sie durch den Vorgriff auf ein himmlisches Leben die verdammt, die Ungläubige sind. "Der Herr behütet alle, die ihn lieben, und wird vertilgen alle Gottlosen" (Psalm 145, 20). Der Gottlose ist für die abrahamitischen Religionen ein Untermensch, weil er das "Licht Gottes nicht erschaut" und deshalb ungerecht, also ohne Recht anzusehen ist. So auch im Koran: "Diejenigen, die gläubig sind, kämpfen um Allahs willen, diejenigen, die ungläubig sind, um der Götzen willen. Kämpft nun gegen die Freunde des Satans!" (Sure 4,76). "Als die schlimmsten Tiere gelten bei Allah diejenigen, die ungläubig sind und (auch) nicht glauben werden." (Sure 8,55). Und im Talmud: "Wenn sich ein Nichtjude mit der Thora befaßt, so verdient er den Tod." (Synhedrin 59a). "Der Samen der Nichtjuden ist Viehsamen." (Jabmuth 94b). (Zitiert aus: "Der Babylonische Talmud", erste vollständige und zensurfreie Übersetzung ins Deutsche von Lazarus Goldschmidt, zwölf Bände, Erstpublikation im Jüdischen Verlag Berlin 1930-36; Neuauflage im Jüdischen Verlag Frankfurt 2002), Für den einzelnen in der diesseitigen Wirklichkeit existierenden Menschen ist Religion die Auflösung seiner Verzweiflung, seiner Lebensangst. Durch den Glauben an das Böse auf Erden und die Güte des Jenseitigen begründet ers sich seine Erlösung durch ewige Güte wie auch unendlichem Recht einer übernatürlichen Macht. Religion ist der Glaube an eine übersinnliche Gerechtigkeit, deren Gebote und Verbote das sinnlichen Leben zu entscheiden hätte. Sie ist daher keine Auffassung, keine Ideologie, denn sie bleibt jenseits aller Verstandesäußerungen als Glaube an eine übermenschliche Macht, zu der man sich bekennt, wenn man sich das Fremde aneignen oder den Glaubensfremden, den Ungläubigen, in die Verdammnis schicken, also aller Entfremdung qua göttlicher Gegenwärtigkeit den Garaus machen will. Sie ist "Glaubensbekenntnis", Bekenntnis zu einer unglaublichen, weil unergründlichen allgemeinen übernatürlichen Verbundenheit der Menschen ("re-ligio" = Rückbindung). "Ich spüre, dass Gott bei mir ist", spricht der religiöse Mensch - besonders in seinen Krisenlagen oder seiner Todesstunde, auf die er sich mit derselben Gefühlslage bzw. Stimmung vorbereitet hat. Religion ist vor allem Todesverachtung (siehe Tod), verspricht ewiges Leben und dessen jenseitige Erfüllung (siehe hierzu auch Gesinnung). Sie ist ein Heilsversprechen zur Beherrschung der Endlichkeit, Erlösung aus der Wirklichkeit, des subjektiven Menschseins durch die Verherrlichung eines abstrakten Lebens. Sie hegt und pflegt das Heil der Menschheit in einem "Kultus des abstrakten Menschen" (Marx) und vollzieht im Kult ihrer Heilserwartung die fiktive Erlösung aus ihrer Wesensnot in einer religiösen Sittlichkeit, die in der herrschenden Kultur ihren gebrochenen Sinn, ihren Widersinn verwirklicht. Religion reflektiert sich aus dem Glauben an ein "höheres Leben" durch ein höherss, ein geheimes Wissen (siehe auch Esoterik), das als Heilserwartung eines ewigen Glücks gegen die Widersprüche, Streitigkeiten und Auseinanderstzungen eine Heilsvorstellung, ein jenseitiges Heil als Anspruch auf das Allgemeinmenschliche verkörpert. Sie ist Verheißung einer barmherzigen Heilgkeit, der Ordnung einer ewigen Güte, die Heilung verschafft, aber jede Sünde gegen ihre Macht durch Verdammnis bestraft und darin leicht zu einer Verfolgungsmacht wird. In ihrer Heilsvorstellung von einer übermenschliche Verbundenheit der Menschen bietet Religion den Glauben als Liturgie einer menschlichen Identität im Jenseits der Wirklichkeit, als Rückversicherung des Lebens durch eine Güte, die nicht von dieser Welt ist. Sie übereignet den Sinn der Selbstwahrnehmung der Menschen an einen Gott, der sie von ihrer Notwendigkeit zur sinnlichen Gewissheit ihrer Wahrnehmung durch die allerhöchste Identität des Lebens schlechthin befreit (siehe auch Freiheit), indem er ihre Zweifel durch sich, durch ein Gefühl für den Alllerhöchsten, in ihm und durch ihn, durch ein allerhöchstes Selbstgefühl schon auflöst, bevor er überhaupt auftreten kann. Von daher ist Religion nicht nur eine Formation des sich selbst fremd gewordenen Bewusstseins (siehe Selbstentfremdung), sondern vor allem ein sinnlicher Rückhalt in einer selbstlosen Ästhetik - gerade dann, wenn die wirklichen Verhältnisse keinen Rückhalt mehr bieten, dann, wenn und wo Gesellschaft zerstört ist und sich auf die Kultur einer abstrakten Sinnlichkeit konkret rückzubeziehen sucht. In ihrer Abstraktion erscheint dann ihre Zwischenmenschlichkeit wie von einem Gott gegeben und bestimmt hierdurch ihre zwischenmenschlichen Verhältnisse durch Selbstgefühle, die nicht mehr von dieser Welt sind, also selbst übermenschliche Wirkungen zeitigen, wundersame Blüten einer Hochkultur, die sich übernatürlich, also gegen jeden menschliche Natur gibt, und deren natürliche Intelligenz in dieser Form verkehrt, ihre wirkliche Bezogenheit zu einer Widersinnigkeit verstellt - sie verrückt macht (siehe auch Formbestimmung). Bevor die Menschen durch eigene Erkenntnis sich von widersinnigen Gefühlen befreien können, vereint sie der Glaube an die abstrakte Allgemeinheit Gottes in einem edelmütigen Selbstgefühl, das als Glaubengemeinschaft unzweifelhaft ist, auch wenn es nicht wirklich über jeden Zweifel erhaben sein kann. Die Religion bietet durch die Anwesenheit der Gläubigen vor allem diese Gemeinschaft, die Gesellschaft zum Teil kulturell ersetzen kann. Von daher stellt sich diese Gemeinschaft auch gegen jeden Zweifel, weil dieser nurmehr als Glaubenszweifel auftreten kann und ihre Wesensgrundlage, ihre abstrakte Gemeinschaftlichkeit auflösen würde. Religion kann von daher nur die Hoffnung auf Gnade durch eine höher Gewalt sein, die das Böse richtet und zum Guten wendet und kann hierdurch jedes Bewusstsein über die Krisen, Konflikte und Widersprüche des menschlichen Lebens und seiner wirklichen Geschichte (siehe Historischer Materialismus) in die Erhabenheit einer höheren Welt verrücken. Das Böse wird von ihr als Sünde verfasst, die durch die Befolgung der höheren Güte Gottes von ihrer Schuld bereinigt wird. Religion herrscht durch das Prinzip der Reinheit auf Erden - und wendet es in ein Prinzip der Reinheit vor Gott in Ewigkeit durch die Anerkennung der persönlichen Schuldigkeit, im Schuldgefühl gegen das wirkliche Leben. Ganz praktisch für die Erhaltung einer Kultur begründet Religion sich auch durch Rituale, Zeremonien und Liturgien besonders dort, wo die Menschen hierüber ihre Sitten und Reinlichkitsgebote regeln müssen, weil dies gesellschaftlich isoliert oder materiell erschwert ist. "Bei allen bisherigen Religionen waren die Zeremonien die Hauptsache. Nur durch die Teilnahme an Opfern und Umzügen, im Orient noch dazu durch die Beobachtung der umständlichsten Diät- und Reinheitsvorschriften, konnte man seine Angehörigkeit bekunden. Während Rom und Griechenland in letzterer Beziehung tolerant waren, herrschte im Orient eine religiöse Verbotswut, die zum schließlichen Verfall nicht wenig beigetragen hat. Leute zweier verschiedner Religionen, Ägypter, Perser, Juden, Chaldäer etc., können nicht zusammen essen oder trinken; keinen alltäglichen Akt gemeinsam begehn, kaum zusammen sprechen. An dieser Scheidung des Menschen vom Menschen ist der alte Orient großenteils mit untergegangen. Das Christentum kennt keine scheidenden Zeremonien,... Auch das Judentum hatte mit seinem neuen Universalgott einen Anlauf zur Weltreligion genommen .... Andrerseits hat der Islam, durch Beibehaltung seines spezifisch orientalischen Zeremoniells, selbst sein Ausbreitungsgebiet auf den Orient und das eroberte und von arabischen Beduinen neu bevölkerte Nordafrika beschränkt: hier konnte er herrschende Religion werden, im Westen nicht. Zweitens schlug das Christentum eine Saite an, die in zahllosen Herzen widerklingen mußte. Auf alle Klagen über die Schlechtigkeit der Zeiten und das allgemeine materielle und moralische Elend antwortete das christliche Sündenbewußtsein: So ist es, und so kann es nicht anders sein, an der Verderbtheit der Welt bist Du schuld, Ihr alle, Deine und Euere eigne innere Verderbtheit! Und wo war der Mann, der nein sagen konnte? Mea culpa! Die Erkenntnis des eignen Schuldanteils jedes einzelnen am allgemeinen Unglück war unabweisbar und wurde nun auch Vorbedingung der geistigen Erlösung, die das Christentum gleichzeitig verkündete. ... Allen diesen alten Religionen war die Vorstellung des Sühnopfers geläufig, durch das die beleidigte Gottheit versöhnt wurde; wie sollte die Vorstellung von dem ein für allemal die Sünden der Menschheit tilgenden Selbstopfer des Mittlers da nicht leicht Boden finden? Indem also das Christentum das allgemein verbreitete Gefühl, daß die Menschen am allgemeinen Verderben selbst schuld seien, als Sündenbewußtsein jedes einzelnen zum klaren Ausdruck brachte und gleichzeitig mit dem Opfertod seines Stifters eine überall leicht erfaßliche Form der allgemein ersehnten inneren Erlösung von der verderbten Welt, des Bewußtseinstrosts, lieferte, bewährte es wieder seine Fähigkeit, Weltreligion zu werden - und zwar eine für die grade vorliegende Welt passende Religion" (MEW 19, S. 303f) Von daher ersetzt Religion gerade dann, wenn mit zunehmendem Zerwürfnis der Gesellschaften Wissen hierüber fehlt und am nötigsten wäre, die notwendige Bewusstseinsbildung durch einen Glauben und wird mit dessen absoluter Begründung durch übermenschliche Liebe und Güte totalitär und gewalttätig gegen das wirkliche Leben der Menschen. Religion ist die Form einer Verzweiflung, die ihren Zweifel von sich ausgeschlossen und abgewendet hat - und dies natürlich um so heftiger betreiben muss, wie Zweifel an ihr aufkommt. Religion war zunächst eine Frühform menschlicher Kultur, eine Vorform menschlichen Selbstverständnisses, wo es sich noch von den Gewalten der Natur beherrscht empfinden musste. Sie bot die Grundlagen einer menschlichen Emanzipation aus ihrer Natur heraus, indem sie sich deren Sinn aus Ohnmacht, eben als übermenschliche Macht erklären konnte, um die werdende Naturmacht des Menschen ins Verhältnis zu ihr als ihrem Gott anzusetzen. Mit der werdenden Naturmächtigkeit der menschlichen Gesellschaften bezogen sich auch ihre Religionen zunehmend auf ihre praktischen Lebensverhältnisse, wenngleich auch nur als Reflexion auf deren Nöte und Notwendigkeiten, wodurch sie hierfür funktional wurden und ihre emanzipative Kraft verloren. Religionen wurden zur Sittenlehre, die diese Verhältnisse sozial zu bestärken und zu regeln hatten. Von daher unterscheiden sie sich auch bis heute noch nach deren Bedarf, der über deren Ideologien hinaus das Notwendige versinnlichen, z.B. das Christentum als Sittlichkeit des Warentauschs, in welchem jeder den Nächsten im Austausch (siehe Warentausch) seiner Selbstbezogenheit und Eigenliebe lieben soll wie sich selbst, oder im Islam, in welchem die Familie zur Grundlage feudaler Strukturen als Bruderschaft der Abhängigen aufgerufen ist, oder im Judentum, wo der oder die Gläubige sich als politisches Natursubjekt erscheinen konnte, das seine Glaubensgemeinschaft vor allem als Auserwähltheit Gottes durch die Mutterschaft seiner Allmacht vererben konnte. Religion ist von daher immer noch ein Heilsversprechen, wo Menschen in Not sind, wenn sie in Krisen leben und auf die Ursprünge ihrer Kultur zurückfallen, - eben wenn sie sich in Lebensgefahr befinden, sei es aus unmittelbar eigener Natur oder aus gesellschaftlichen Gründen. In der herrschenden Kultur hat sie ihren innersten Grund in einer Lebensangst, dem beklommenen Gefühl, sich selbst in der Masse der Gefühle zu verlieren. Wer in einen Abgrund zu stürzen droht, hält sich an allem fest, was ihm greifbar ist, was er kennt, was aber nicht mehr zu greifen ist, wovon man keinen Begriff mehr haben kann, weil alles ungewiss geworden ist. Religion ist der Halt vor einem unendlich scheinenden Abgrund, der Halt, wo der Zusammenhalt der Welt, ihre Identität sich in ihrer Wirklichkeit aufgehoben hat, keine menschliche Wahrheit mehr wirklich wahr sein kann, weil sie keine wirklich menschliche Gesellschaft findet. Sie gründet auf dem Glauben an ein "höheres Wesen", an eine dem sinnlichen Leben der Menschen überstellte menschliche Identität, welche als Sinngebung des Lebens selbst bestimmend sein soll. Sie ist die Rückbeziehung des Menschen auf einen geistigen Ursprung (Re-Ligio = Rückbindung), der als ein ihm vorausgesetztes Wesen suggeriert wird, in welchem er sich selbst als Moment in der Seele seiner Individualität allgemein wiederzufinden sucht, sich mit einem inneren Gemeinwesen identifiziert, darin ein Heil durch eine höhere Wahrheit, durch etwas Heiliges erwartet, die nur in religiöser Gemeinschaft existieren kann, weil ihm die menschliche Gesellschaft abhanden gekommen, ungegenständlich ist. Dieses Wesen, das sich im gemeinen Leben nur übersinnlich darstellt und nur in der abstrakten Allgemeinheit einer jenseitigen Welt, in einem Gott, die Intelligenz der Natur erkennen kann, die ihm als Wesen einer natürlichen Intelligenz in seiner vereinzelten Existenz aufscheint, ist das Wesen eine Wirklichkeit, die keine Substanz hat, in der sich die Menschen unentwegt abwesend machen, weil und sofern sie sich durch die Verhältnisse ihres Tun und Treibens nur abstrakt vergegenständlichen können. In der Religion sucht der Mensch die verlorene Gegenständlichkeit seines gesellschaftlichen Lebens als höchste Selbstwerthaftigkeit einer Sehnsucht nach Leben - Ersatz für abwesendes Leben. Er macht ein Geschäft mit seinem Gott, indem er diesem allen Grund für seine Selbstbewertung, und damit auch mit seiner Selbstverwertung überantwortet. Darin gilt alles allgemein, was in der Endlichkeit des eigenen Lebens keine Wahrheit finden kann: ewige Wahrheit als unendliches Selbstwertgefühl ohne wirkliches Menschsein. Es ist die positive Formation einer allgemeinen Selbstentfremdung. Darin erscheinen die Lebensverhältnisse je nach ihrer allgemeinen Notwendigkeit durch Gott bestärkt und in seinen Geboten und Regeln und Ritualen zu einem religiösen Kult aufgehoben und bewältigt, und wird von daher auch als höhere Notwendigkeit erlebt, sie immer wieder bewältigen zu müssen; das heißt als gottgegeben anzuerkennen und sein Leben in jedweder Not zu Gott hin zu wenden. Das höchste Gegenüber für die Menschen ist also Gott, in welchem die Menschen ihre Not zu einer allgemeinen Hoffnung auf ein Leben wenden, das nicht von dieser Welt ist und darin also auch nichts mehr wesentlich zu bekümmern ist, weil nichts Gegenständliches mehr wirklich zu beantworten ist, sowei es als Ausdruck der abtrakt allgemeinen göttlichen Verantwortung ihm überlassen werden kann. In diesem Sinne drücken die Religionen die in Gott aufgehobenen gesellschatlichen Notwendigkeiten auch konkret aus: z.B. im Christentum die Notwendigkeit einer wechselseitigen menschlichen Beziehung, die auf dem Markt unentwegt durchbrochen wird, im Islam als Notwendigkeit einer menschlichen Lebenspflicht, der die Familien als Lebensbündnis verabsolutiert, und im Judentum der Glaube an die von Geburt schon bestimmte Auserwähltheit einer breinigten Seele, die sich in der Reinheit der alltäglichen Rituale bestärkt. Religion bewahrheitet sich von daher vor allem immer als ein einzig und allein verbindendes und von daher verbindlich gemachtes Lebensritual, das selbst zu einer totalitären Lebensdoktrin werden kann, wenn sich darauf alle zwischenmenschlichen Verhältnisse konzentrieren und reduzieren, bzw. verstümmeln (siehe auch religiöser Fanatismus). Weil und sofern aber der Mensch sich In eigener Wahrheit, in seinem wirklichen Menschsein äußert und lebt, in Gesellschaft als wirkender Mensch tätig ist. ist er sich selbst als Mensch der erste Gegenstand, und kann von daher keinem Gott unterworfen sein. Er ist sich selbst Gegenstand, weil er sich äußert und sich in seiner Äußerung erkennt, sich darin unzweifelhaft findet, achtet und empfindet. Die Religion stellt Lebenswerte vor, die den Menschen einen Selbstwert verleihen sollen, in dem sich ihre Selbstachtung verliert. Wo ein Mensch durch sein Tun und Wirken und Wissen (siehe Bewusstsein) seine Achtung für sich gewinnt, wird Gott zu einer Späre der Illusion, zu einer vollständig unnötigen Vorstellung, die das Leben letztlich nur deformieren und verstümmeln kann. "Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Karl Marx, »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844), MEW 1, S. 385). Von daher hat der Mensch keinen Gott, wohl aber jeden wirklichen Menschen nötig, der sich nicht in seiner Äußerung verloren, sich nicht selbst als Mensch entäußert hat. Solange er als Mensch nur außer sich, nur unwirklich ist, sich im anderen Menschen nicht erkennen und ihn durch Gott nur als Mensch auf sich beziehen kann (siehe Selbstbeziehung), sich sogar selbst durch Gott als Mensch behaupten muss (siehe Selbstbehauptung), weil er sein Menschsein nur in Gott und durch ihn aufgehoben weiß, konsumiert er das Menschliche schlechthin und lebt durch die Einverleibung anderer Menschen vermittelst seiner Selbstwahrnehmung. Das Menschliche wird darin veräußert und zu einer entäußerlichten Verbindung, zu einer Beziehung in der Selbstentäußerung, die auf sich als fremde Bindung zurückkommt, als eine fremde Kraft wirkt (siehe auch Entfremdung), indem sie eine Rückversicherung des Menschseins in einer allumfassenden Ungewissheit, also durch Nichts und in der Nichtung des wirklichen Menschseins darstellt. Wo die Menschen ihre Gesellschaft nicht oder nicht mehr wirklich besitzen, wo sie in ihrer Gesellschaft scheitern, weil ihre Gesellschaft sie scheitern lässt, weil sie ihren Lebenszusammenhang in eine Lebenzertrennung isolieren, die ihre Existenz und Kultur bedroht, wird dieses religiöse Wesen leicht zum Stellvertreter einer an und für sich heilen Welt, die neben der wirklichen Welt die Verbindungen, die Güte und Sittlichkeiten enthält, die darin aufgehoben sind. Es ist Inbegriff einer Sehnsucht nach einem allgemeinen Wesen, das in einer durch Teilung zerrissenen Welt eine allmächtige Wahrheit verspricht, ist sowohl Bild des Menschen als Übermensch, Gleichnis von ihm, wie Lebensbild für ihn, ein Wesen, das in ihm und aus ihm scheint und ihn abstrakt, bereinigt von seiner Wirklichkeit bestätigt und bewahrheitet. In ihm finden und empfinden Menschen Beziehung zu sich, solange sie ihre Gegenstände, ihr gegenständliches Leben auch in ihrer Wirklichkeit für sich bereinigen können. Die christliche Religion ist eine apokalyptische Religion, die an die Auferstehung einer "Neuen Menschheit" glaubt, wenn die Menschen "Buße tun" für ihre "Erbsünde", für ihre Lüste und Genüsse, durch welche sie dem Satan, den zerstörerischen Kräften gegen eine "Wahre Welt" und Kultur, aus dem Weg gegangen sind, sich "von Gott entfernt" haben. "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben." (Joh 14,6) Und durch diese Wahrheit wird er auch das irdische Jammertal überleben, im Janseits auferstehen. "Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist;" (Joh, 11,25). So formuliert die Bibel, das Glaubensdokument der Christen, die Überhebung des Glaubens gegen die Welt. In diesem Sinne funktionieren auch die Glaubensinhalte der abrahamitischen Religionen. Jede Wahrheit ist somit in und durch Gott relativiert. Im Streben nach dieser Wahrheit wird Religion zu einem Bereinigungsprinzip, welche ein phänomenal erscheinendes Wesen in diesem Zweck verwendet, mit der Verwirklichung einer abstrakten Selbstbeziehung der Selbstveredelung dient und die diesem gegenüber fremd erscheinenden Lebensformen von sich ausschließt. Von daher steht Religion notwendig in einer Heilserwartung, die alle bestimmte Erfahrung in diese einordnet und ihnen ein Herz verleiht, das nicht von dieser Welt ist. "Erhebet die Herzen" sagt der Pope. "Wir haben sie beim Herrn" antwortet die Gemeinde. Und so kann eine herzlose Welt durch den Gottesglauben in seiner Übersinnlichkeit den Anschein einer menschlichen Welt erlange, auch wenn der Mensch darin sich seiner nur ungewiss bleiben kann, gespalten und zertrennt zwischen Sinn und Unsinn seines Lebens (siehe abstrakt menschlicher Sinn). Die durch sich selbst erhabene Herzlichkeit der Religion verlangt allerdings, dass das Herzlose als das Böse bekämpf wird, dass die Welt von ihm auch wirklich bereinigt werden soll. Die Vernichtungsinteressen des damit Beschuldigten sind ebenso endlos wie die Unendlichkeit des Gottesglaubens ist. Sie stehen in der Bibel ebenso wie im Koran oder dem Talmut. Und damit gehen die Glaubenskrieger dann auch wirklich gegen die Sitten vor, die ihrer Religion widersprechen - besonders im Ausmaß der Empfindung ihrer Bedrohlichkeit. Darin entblößt Religion ihre implizite Vernichtungslogik gegen das Unheilige, das als Unheil empfunden wird. "9 Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, welcher Teufel und Satan genannt wird, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen. 10 Und ich hörte eine laute Stimme in dem Himmel sagen: Nun ist das Heil und die Macht und das Reich unseres Gottes und die Gewalt seines Christus gekommen; denn hinabgeworfen ist der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte. 11 Und sie haben ihn überwunden um des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeugnisses willen, und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tode! 12 Darum seid fröhlich, ihr Himmel und die ihr in ihnen wohnet! Wehe der Erde und dem Meere! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, daß er wenig Zeit hat. " (Off 12,9-12) Die modernen Religionen, die keine Naturreligionen mehr sind, sehen die letztliche Quelle aller Erkenntnis in Gott und verlocken daher auch zu einer Anmaßung der menschlichen Erkenntnis über den Tod hinaus, die Gottes Liebe in Zweifel ziehen kann. Die christliche Religion hat darin die Erbsünde des Menschen in einer Anmaßung an die Liebe Gottes gesehen, wodurch sein Gottes Leben durch seinen Tod und die Freiheit seiner Natur aufgehoben worden sei. Davor sollte die Drohung des Alten Testaments stehen, vom Baume der Erkenntnis zu essen, die über das Verhältnis der Geschlechter ergehen, die Liebe der Menschen die Liebe Gottes überwinden könne. Durch die Verführung der geschlechtlichen Beziehungen sei die Liebe Gottes bedroht und sollte deshalb durch SchamTod und Arbeit bestraft werden. Nur der Gottes Sohn könne durch seinen Tod am Kreuze die Menschen wieder durch seine menschlich transzendierte Gottesliebe befreien. Die Metaphorik enthält eine tiefe Wahrheit: Solange die Menschen das Gottesgebot befolgen, sich der sinnlichen Erkenntnis durch selbstlose Liebe bis hin zur Selbstaufopferung zu enthalten, sei ihr Leben paradiesisch, Moment allgegenwärtiger Göttlichkeit und nur durch ihn, durch Gott gegeben und Gott ergeben in der absoluten Bejahung der Gegebenheiten - aber ohne jede Erkenntnis und also ohne wirkliches Leben. Als Religion der Ungewissheit verlangt eben der Glaube die Verbeugung vor der Macht des Ungewissen und erfordert als Macht des Unwissens die Beugung einer jeden Gewissheit, indem er einer höheren Moral, einer übermenschlichen Selbstgerechtigkeit dient, Gehorsam gegen einen jenseitigen Richter einfordert. Im Unterschied zum Aberglauben ist er aber zugleich die Beziehung gegen eine Täuschung ohne Gewissheit, also ohne Wissen, welches diese Beziehung wirklich begründen könnte. Wo ich glaube, will ich mich nicht täuschen lassen, weil ich ein ungewisses Wissen aus mir habe, eine Ahnung oder ein Gefühl, das wie eine innere Gewissheit ohne Wirklichkeit ist, das sich nicht faktisch beweisen lässt, aber zumindest innere Wirkung hat. Der Widerspruch von Wahrnehmen und Wahrhaben, der als Gegensatz von Empfindung und Gefühl sich verhält, wird hierin aufgehoben zu einer Seele, die ihre privaten Absichten vergesellschaftet. Auf diese Weise bestimmt Religion die Wahrnehmung durch das Gefühl einer übermenschlichen, einer höheren Allgemeinheit, welches wie ein objektivess Selbstgefühl die Gewissheit der irdischen Bestimmung der Lebensformen (siehe Formbestimmung) ausschließt und in eine Mythologie seelischer Übermenschlichkeit wandelt. Darin ist eine unendliche Bestimmung zu einer Ewigkeit gegen die Wirklichkeit geworden, die das "Wort Gottes" zur Stimme hat, durch das sie entsprechende Stimmungen bewirken kann (siehe Liturgie). Im Kult der Religion schließt sich der Kreis einer erkenntnislosen Selbstbeziehung, die auf eine unendliche Erkenntnis wartet, indem sie diese zwischenmenschlich aufwertet. Solange die Menschen nicht vom wirklichen "Baum der Erkenntnis" pflücken, solange sie an das Heil einer unendlichen Erkenntnis in irgendeiner Form glauben und dessen Gemeinschaft in einem ihr adäquaten Gemeinsinn pflegen und wahrhaben, werden sie ihren abstrakten Selbstgefühlen auch Folge leisten müssen und vor allem selbstlos leben - selbstlos in dem Sinn, dass sie für eine Gemeinschaft in Gott leben, um sich ihm gleich zu machen. Erst im Glaubenszweifel und durch die Erkenntnis, dass sich hinter der entgegenständlichten Welt der Religion die Welt ihrer Gegenstände und Umstände verbirgt, kann sich den Menschen eine Entmythologisierung ihres Lebens eröffnen, kann sich das Selbstbewusstsein bilden, dass ihre Selbstbeziehung einem Unwesen folgt und nicht wirklich ist, dass sie sich also mit einem hiervon abstrahierten Wesen als Mensch vergewissern und sich in ihrem Gewissen nur ihr Unwissen über sich selbst fortbestimmt. Vn daher ist Religionskritik die Kritik der Entgegenständlichung und ihre Gewissens, des Unwisens. "Für Deutschland ist die Kritik der Religion im Wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik. ... Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde" (Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, 378f). Mit der Kritik der Religion entsteht die Kritik des Unwerts, dem sie verfallen sind, solange sie in einem Wesen zu sich kommen wollen, das ein Unwesen ist, weil es ihnen in einer Welt der allgemeinen Verwertbarkeit ursprünglicher vorkommt, als sie selbst, höheren Wert hat, als der Wert der Wirklichkeit, der gesellschaftlichen Gegenständlichkeit überhaupt sein kann. In Gott erscheinen sie sich erlöst von der Verdammnis der Verwertbarkeit und verehren in ihm den "Kultus des abstrakten Menschen" (Marx), der auf die Welt kommt und durch die Welt ist, solange die Menschen ihre abstrakten Beziehungen belassen wie sie sind. Somit ist und bleibt Gott auch nicht ein gesellschaftliches Wesen, geschichtlich gewordener Geist, sondern nur mehr Moment eines allgemein wesentlichen Selbstgefühls, in welchem die ungewiss verbliebenen Empfindungen eines Lebens, das nicht konkret sein kann, vereint sind. Von daher ist dieses göttliche Wesen der Religion eben auch nur die Prothese einer seelischen Idendität, die nicht wirklich auf die Welt kommen will (siehe prothetische Beziehung). Diese impliziert eine Notwendigkeit, den "Baum der Erkenntnis" zu meiden, also nicht sich durch eine Frucht der Erkenntnis zu nähren. Dass die Menschen dies getan haben, dass sie sich gegen die Ungewissheit, welche die Religion nötig hat und erhält, verhalten haben und immer wieder verhalten, macht ihre Todsünde aus, zwingt sie in die Verdammnis des profanen Lebens, zur Arbeit und Scham. Die Kraft der Religion ist die Macht einer übersinnlichen Selbstbeziehung, die in einem übermenschlichen Selbstgefühl durch Gott gewonnen wird, darin allgemein und abstrakt zugleich sich in einer Selbstveredelung gegen die Welt der Nichtigkeiten und Nichtigungen vereint und einig ist. Religiöse Menschen fühlen sich durch ihre esoterische Weißheit einem höheren Gewissen verpflichtet, das sich über alles irdische Wissen erhaben versteht. Das in Gott allmächtig vorgestellte Wesen relativiert alle anderen Wesen und macht sie unwesentlich. Von daher entspricht Religion immer einem Lebensverhältnis, das an seine Grenzen stößt, wenn sich Menschen darin als wirkliche Lebewesen, als Subjekte wie Objekte ihres Lebens verhalten und sich nicht mehr dadurch entwerten lassen, dass der Wert ihrer Sachverhältnisse sie beherrschen kann. Da alle Religionen reflektierte Ungewissheit sind, begreifen sie sich als wesentliche Bestimmung jener Gewissheit, in der alle Sinneswelt vereint ist oder vereint sein muss, um sich nicht selbst zu verfallen. Daher stehen Religionen immer in einer Spannung zur körperlichen Selbstgewissheit, denn diese ist zu ihrer Erfüllung bestimmt - manchmal auch nur negativ um ihre Selbständigkeit durch Verneinung niedriger Gewissheit, durch Negation eigener Sinnlichkeit zu bestätigen (z.B. Zölibat). Hierdurch wird Religion zu einer Kulturmacht, denn sie vereint Sinn in sich, den sie nicht durch sich hat, aber durch den sie sinnliche Wirkung hat. Sie wirkt ordnend und strukturierend, gibt dem Leben Sinn, das es in Wirklichkeit nicht hat und verschafft ihm Beziehung auf andere durch eine Gemeinschaft religiöser Ordnung. Diese Kulturmacht hat gewaltige Konsequenzen im gesellschaftlichen Leben der Menschen, besonders in ihrer wirklichen Geschichte und ihren geschlechtlichen Äußerungen zu einander. Zum einen ist sie ihr geistiger Bezug, in welchem die Negation des Körpers als seine geistige Verwirklichung aufgeht. In dieser kritischen Beziehung werden Tiefen der Körpererfahrung entdeckt, die für sich unkrititisch - von daher auch unkritisierbar - erscheinen und extatische Momente haben oder zur Trance des Bewusstseins überführen. Von daher hat Religion praktisch auch magische Kraft. Im Geisteszusammenhang des Christentums ist Religion die Sehnsucht nach einer unendlichen menschlichen Identität, die sich dem Schmerz der Erkenntnis eines isolierten, von seiner Gesellschaft verlassenen, sich selbst fremden Menschen entzieht. Seine Hoffnung und Illussion ist, sich von Gott verlassen zu fühlen, um sich in der Zuwendung zu ihm zu finden. Sie ist eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, welche die Verantwortung hierfür in Gotteskindschaft, Lebensschuld und Buße auflöst. "Erhebet die Herzen! - Wir haben sie beim Herrn." (Katholische Liturgie) In der christlichen Religion ist Lebensschuld gleich Liebesschuld, prinzipielle Sünde durch die Notwendigkeit der Buße. Und so wird das Herz der Menschen vom Pfaffen beseelt, der ihnen bedeutet, wie und wofür es zu schlagen hat. Weil wirkliche Menschenliebe nicht religiös ist, soll es die Liebe Gottes sein, die Dich beseelt. Und weil Du für solche Liebe an und für sich nicht taugst, so liebst du nur dich. Liebe also wenigstens deinen Nächsten so wie dich. Die Herzlosigkeit, die solche Beschuldigung enthält, wird gefüllt durch ein Herz, das nicht von dieser Welt sein kann und eben deshalb alles Herzliche ins Jenseitige versetzt. Das Dilemma des Christenmenschen ist die Nächstenliebe, die auf einer Eigenliebe gründet, die selbst beständig vom religiösen Liebesgebot entleert wird. Das macht seine Sünde aus und bestimmt die Liebesmacht Gottes zur menschlichen Ohnmacht der Liebe. Darauf beruht die "Intimssphäre" des Glaubens. "Dein Glaube hat dir geholfen!" Das heißt: Nur weil du dir nicht gewiss sein wolltest, nichts wissen wolltest und daher kein Gewissen nötig hast, bist du das, was du bist, siehst du das, was du siehst, tust du das, was du tust, hast du das, was du hast. Du selbst bist vollkommen durch Gott bestimmt; Sünde ist die Selbstbestimmung. Dies - in der Gültigkeit für alle - wird bestens zusammengefasst in einem christlichen Kirchenlied: "Erkennt, daß Gott ist unser Herr, Der uns erschaffen ihm zur Ehr, Und nicht wir selbst; durch Gottes Gnad Ein jeder Mensch sein Leben hat. Er hat uns ferner wohlbedacht Und uns zu seinem Volk gemacht, Zu Schafen, die er ist bereit, Zu führen stets auf grüner Weid." Religion ist der Kult der Befriedung des Diesseits durch die Vorstellung eines Jenseits, das darin schon zumindest als Ästhetik der Transzendenz erfahrbar ist (siehe Liturgie). Sie ist damit so theoretisch wie praktisch zugleich, der Geist geistloser Verhältnisse, der sich an den Wunderwerken Gottes begeistert, solange die wirkliche Geschichte der Menschen nicht als Grundlage aller Wunderwerke begriffen ist. "Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt." (MEW 1, S. 379) Erst in der Erkenntnis seiner wirklichen Geschichte, der Endlichkeit seiner Gegenwart, der Kritik seiner Ungegenwärtigkeit, beginnt der Mensch, sich seines Wirkens und seiner Wirklichkeit bewusst zu werden und sich in seiner Welt als daseiendes Wesen eigener Gegenständlichkeit zu begreifen.
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