"Es ist nicht genug, daß die Arbeitsbedingungen auf den einen Pol als Kapital treten und auf den andren Pol Menschen, welche nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft. Es genügt auch nicht, sie zu zwingen, sich freiwillig zu verkaufen. Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. Die Organisation des ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand, die beständige Erzeugung einer relativen Übervölkerung hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit und daher den Arbeitslohn in einem den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals entsprechenden Gleise, der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter. Außerökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den "Naturgesetzen der Produktion" überlassen bleiben, d.h. seiner aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital. Anders während der historischen Genesis der kapitalistischen Produktion. Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um den Arbeitslohn zu "regulieren", d.h. innerhalb der Plusmacherei zusagender Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag zu verlängern und den Arbeiter selbst in normalem Abhängigkeitsgrad zu erhalten." (MEW 23, S. 765f) Sachzwang ist "der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse", der die Herrschaft der Verhältniss über die Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Wertvergegenständlichung (siehe Wertrealsierung) �ber die Wertform der Gegebenheiten besiegelt. An und für sich ist eine Sache ein Objekt der Menschen und kann von daher keine andere Gewalt über sie haben als die, welche ihnen erst genommen sein muss, um durch ihre Abwesenheit, also in einer verkehrten Anwesenheit (siehe hierzu auch Fetischismus) wirken zu können. Sachzwang ist aber ein Begriff für eine unmittelbare Sachgewalt, also für eine Gewalt, die aus der Sache selbst entsprungen sein soll, ihrem Wesen zukomme. Meist wird zur Begründung dieser Gewalt die Natur hergenommen, deren Gebotsmäßigkeiten sachlich bestimmend seien, da - wer sich ihnen widersetzt - natürlich umkommen wird. Von dieser Seite her ist der Begriff Sachzwang ein Begriff der Aufklärung, die von einer allgemein wirksamen Naturgewalt ausgeht, die sie als dem Menschen äußerliche Lebensbedingung versteht und damit von seinen eigenen inneren Notwendigkeiten, von seiner Natur abtrennt. Für die Aufklärung ist es daher nötig, eine solche Naturgewalt geistig zu kontrollieren und muss daher durch die menschliche Zivilisation eingeschränkt und teilweise auch überwunden, Natur also durch Kultur beherrscht werden. Die menschliche Kultur erscheint dann als eine dem Menschen nicht eigene, eine ihm aber notwendige Naturmacht, die aus dem Wilden den zivilisierten Menschen macht, indem Sachzwang zu einer übernatürlichen Notwendigkeit des Lebens, als absolute Lebensbedingung behauptet ist. Denn als ein dem Menschen äußerlicher Sachzwang soll sich aller Erkenntnis vorausgesetzt verstehen und der Inbegriff des Notwendigen sein (Immanuel Kant). Aber oft ist auch von einem substanzlosen, formal bestimmten (siehe Formbestimmung), einem rein logisch oder einfach nur durch eine Selbstverständlichkeit begründeten Sachzwang die Rede, die meist durch positive Wissenschaft (siehe Positivismus) festgestellt bzw. als Gegebenhet konstatiert wird. In allen Fällen wird auf diese Weise jedenfalls eine Grenze der Erkenntnis und der Freiheit des Handelns festgestellt und angewandt. Gerne wird ein naturhafter Sachzwang auch als Begründung antimoderner Notwendigkeiten hergenommen. Nationalsozialistische Wissenschaftler bauten hierauf eine Naturnotwendigkeit der reinen Lebensbedingung auf, welche als grundlegender Sachzwang des natürlichen Lebens anzusehen sei (siehe hierzu auch Rassentheorie). Auch oft heute noch begründen sich hieraus antimoderne Strömungen, die sich gegen Technologie an sich wenden, wenn auch meist mit einfacheren Zielsetzung eines naturbewussten Lebens. Dieses wird damit zu einer objektive Notwendigkeit fixiert, die sich von den einfachen Bedürfnissen der Menschen unterscheide. Allen diesen Konstrukten gemein ist, dass sie menschlichen Bedürfnissen eine menschliche Vernunft absprechen, ihnen implizit und apriorisch also Irrationalität zuweisen, Gier, Habsucht, Geltungssucht, Konkurrenzbedürfnis usw.. Sie verneinen damit also die Gegenwärtigkeit menschlicher Geschichte in der Kultur und Natur menschlicher Lebenszusammenhänge und haben von da her auch keine Notwendigkeit, die Verselbständigungen solcher Geschichte in naturhaft erscheinende Triebhaftigkeiten geschichtlich begründet zu begreifen. Die Erklärung selbst ist dann schon ein vorgeblich apriorischer Antagonismus zwischen Freiheit und Notwendigkeit, Trieb und Kultur, Ohnmacht und Macht usw. (siehe hierzu auch das Kulturverständnis von Nietzsche, der zwar die Aufklärung heftig bekämpfte, aber durch Mystifizierung seines Geschichtsverständnisses ihr letztlich vollständig unterlag). Dass Verhältnisse durch Sachzwänge erklärt werden, überschreitet an und für sich selbst schon die Erklärbarkeit als solche: Warum und wie sollen Menschen eine Gewalt überhaupt erkennen können, die uns apriorisch oder naturhaft zwingt, so zu sein, wie wir sind, zu Verkehren, Begehren und Fühlen, wie wir Verkehren, Begehren und Fühlen müssen, zu Sprechen und zu Denken, was wir Sprechen und Denken müssen (siehe hierzu auch den Begriff des Willens in der Hirnforschung). Der Begrif Sachzwang kann nicht mal Naturgesetzte beschreiben, denn diese gibt es nicht als selbständigen Zwang sondern nur als regelhafte Beziehung in einem Ganzen. Naturwissenschaft können nur Kräfte und Energien beschreiben die in und außer uns in Bewegung (siehe Geschichte) sind, niemals aber erklären, was wir wollen, sollen und tun. Karl Marx hat den Sachzwang als Zwang mystifizierender Begriffe herausgearbeitet und sie aus einem fetischhaften Verhältnis zur Wirklichkeit in seinem Hauptwerk nachgewiesen (siehe hierzu auch Warentetischismus). Das das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen als Verhältnis von Sachen erscheint, die ihr Leben auch wirklich bestimmen, erscheint dem begriffslosen Denken (siehe z.B. Phänomenologie) als Sachzwang, erweist sich aber nach Analyse der Lebensgrundlage im historisch gegebenen Lebensverhältnis der Warengesellschaft als eine gesellschaftliche Verkehrung, welche die Sachen darin vollziehen. In der Wertform des Warentauschs erscheint jedes einfache Gebrauchsguts gesellschaftlich in der Form seines Gegenteils: Der Äquivalentform (siehe Geld) und dient zugleich dieser als dessen eigentümlicher Wertausdruck. So erscheint in solcher Form alles, was als Sachzwang gilt, letztlich nur in der Form einer verkehrten gesellschaftlichen Beziehung (siehe hierzu auch die Staatsverschuldung). | ![]() |