Schmerz ist ist die Abtrennung von Zugehörigem, zunächst die Empfindung einer Zerteilung, einer Verletzung seiner Natur, einer unheilvollen Einwirkung auf die Gegenwärtigkeit eines Menschen in seinem ganzen Lebensgefühl, dem darin an Identität gebricht. Er ist als diese Empfndung zugleich unmittelbares Gefühl, das Leiden einer Trennung, welches die Wahrnehmung zu einem Zustand verschmilzt, in welchem das Zerteilte den Mangel am Ganzsein leidet, die Wahrnehmung des Zerteilens von Zusammenhängen ist, der Zerschneidung von Verbindungen, Empfindung von Isolation, kurz: die Wahrnehmung einer gespaltenen Beziehung und daher das Selbstgefühl eines gespaltenen Wesens. Er ist gebrochene Natur, Sein, das zugleich nicht sein kann, Sein im Anderssein als Trieb zu seiner abstrakten, ihm fremden Einheit ist (siehe auch Entfremdung). Er wird im Augenblick oder im geschichtlichen Verlauf gelebt als lebende Aufhebung des Wesentlichen, das zur Abspaltung von sich selbst wird. Im Unterschied zu einem Trauma, das aus zugefügten Schmerzen besteht, ist der Schmerz für sich die reine Subjektivität des Widerspruchs, der kein äußeres Wesen hat und keinen Verlust, keine Trauer kennt. Das einfache Wesen erkennt sich als gebrochenes Wesen, ohne sein Andersein als sein Sein anzuerkennen. Er ist das Innerste der Selbstentfremdung, die Trennung seiner selbst in sich, aufgehobene Identität, Wesen in der Wesenlosigkeit. Wenn es nicht in sich schon gebrochen ist, so ist der eine Moment des ungebrochenen gebrochen im anderen Moment des Wesentlichen. Schmerz ist die absolute Not, in der ein Mensch ist. Mag die Empfindung relativ sein, der Schmerz selbst ist ihre innerste Notwendigkeit. Er bedrängt die ganze Sinnlichkeit eines Menschen, sein ganzes Leben, und enthebt das Wesen seinem Sein. Der Schmerz in einem Sein kann nicht sein ohne zu heilen, zu wachsen und sich in der Natur des Lebens zu erneuern, sich in seinem Leben wesentlich zu erkennen und rückzuführen (siehe Revolution). Ohne dies wird er entweder aufgehoben durch äußeres Einssein (z.B. durch die Hoffnung auf Erlösung, Religion, Glaube, Heilserwartung) oder als im Schmerz aufgehobenes Wesen, als seiner Sinne vollständig und total unterworfenes, nichtiges Wesen, das sich wesentlich nur wähnen kann, wahnsinnig wird. Das Gefühl der wesentlichen Nichtigkeit ist eins mit dem Gefühl der Vernichtung, Empfindung eines lebenden Todes. Schmerz ist die Wahrnehmung der Zerrissenheit, die ein Mensch in vollkommener Isolation von seinem gesellschaftlichen Wesen wahrhat, Erkenntnis seines reinen und unmittelbaren Außersichseins, unmittelbare Entfremdung seiner selbst als erkennender und liebender Mensch. Im Schmerz liegt das Wesen bloß und zeigt in der Blöße seine Gespaltenheit, die offene Wunde seines Lebens, die als Zweifel am Leben zur Verworfenheit der Liebe, zu seiner Verzweiflung und Selbstaufhebung wird, so ihre Bestimmtheit nicht erkannt ist. Im Wahnsinn kann er sich an den Schmerz gewöhnen; in der Depression leidet er ihn entäußert als Empfindung seiner Wesenlosigkeit, als im Selbstgefühl untergegangenen Schmerz, sich selbst gleichgültige, unbewusste Verzweiflung. In Gesellschaft gedacht ist Schmerz die Grunderfahrung des bürgerlichen Individuums, das darin seine ausschließliche Einzelheit in absolutem Zwiespalt seines isolierten Menschseins, seines gesellschaftlichen Seins als enteigneter Besitzer seines Reichtums erleidet. In dieser Form der Besessenheit versteht sich ein Mensch objektiv: Er sieht sich der Notwendigkeit der faktischen Verhältnisse unterworfen, damit er keine Not leidet. Um den Schmerz nichts entgegnen zu müssen, flüchtet er sein eines Dasein und tauscht es gegen ein anderes. Auf der Flucht erleidet zwar die Selbsterkenntnis ihre Füchtigkeit, aber es gewinnt sich der Mensch als selbstbewusster Bürger dieser Welt. Erst indem ich den Schmerz als meine wesentliche Not erkenne, werde ich zum Subjekt, zu einem Menschen, der darin tätig ist und dessen Leben sich darin ausfüllt, die eigene Not zu einem notwendigen Verlangen zu machen, zu einem Bedürfnis, kein Verhältnis anzuerkennen, das den Menschen unter seine Verhältnisse stellt. Dieses Bedürfnis enthält die Erkenntnis, dass der besessene Reichtum den Menschen selbst besitzt, ihn zu einer Sache herabsetzt, ihn zu einem beherrschten Wesen macht, das keine Selbstachtung mehr haben kann und darob Geltung gegen seine Selbstverachtung gewinnen muss. In diesem Sinne bezeichnet Adorno solches Leben als "beschädigtes Leben", das ihm als verwundet vorkommt. Es ist die Auffassung der Negativen Dialektik, das Anderssein der Welt aus der Verwundung des Menschen zu begründen als gänzlich anderes Wesentlichsein. Sie wendet sich allerdings in solcher Begrifflichkeit vom Grund des Schmerzes dadurch ab, dass sie lediglich seiner Heilung, seiner Erlösung sich hinwenden kann, zum Glauben wird. Darin wird er veräußert und als traumatische Welterfahrung für eine anderen Welt geheilt, d.h. zum Heil gewendet. Das bürgerliche Individuum folgt der abstrakten gesellschaftlichen Notwendigkeit, durch die sein Dasein bewegt wird. Sich selbst erfährt es daher konkret nur im Ausschluss, abgetrennt von seinem gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Güter seines Lebens, die Gegenstände der Reproduktion und Kultur sind wie sein subjektives Wesen in der Trennung von konkreter Einzelheit und abstrakter Allgemeinheit. So hat es zwar nützliche Dinge, aber nur einen abstrakten gesellschaftlichen Zusammenhang durch sie. Seine Gesellschaft hat die Form eines Verhältnisses von Sachen, welche von Menschen erzeugt, aber nicht wirklich für die Menschen da sind. Das Verhältnis der Menschen erscheint wie ein Verhältnis der Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen (Warenfetisch) und das ihnen solange unwandelbar gilt, wie sie darin ihren Schmerz gelöst sehen und ihre Wirklichkeit als wechselwirkende Menschen für sich grundlos leben können. Die ganze bürgerliche Gesellschaft kann als eine Aufhebung des Schmerzes verstanden werden, der sich in den Notwendigkeiten der Existenz, in der Anerkenntnis ihrer Faktizität verliert. Besitz ist die Form, worin diese Aufhebung existiert und sich über die schmerzhaften Eigentümlichkeit des Lebens stülpt, es verfremdet und als fremdes Eigentum hat. Subjektiv stellt sich die Seele gegen den Schmerz der Erkenntnis, gegen die Unauflösbarkeit der Trennung von Empfindungen und Gefühlen in der bürgerlichen Kultur (siehe Logik der Kultur). Sie verfolgt und beabsichtigt in ihren Selbstgefühlen deren Überwindung durch zwischenmenschliche Beziehungen. Darin nimmt sie das wahr, was sie unter Menschen wahrhat, als Geist von sich, als entäußerten Geist. Und darin empfindet sie, was sie fühlt als ihre innere Wesenheit, als ausschließliches Wesen ihrer kultivitierten Individualität. In den Gefühlsverhältnissen gewinnt sich die Selbstwahrnehmung in einem Sinn, den es weder in der gegenständlichen Welt, noch im Menschen gibt, sondern nur zwischen den Menschen als ihr abstrakt menschlicher Sinn. Ein durch die Seele selbst erzeugter Schmerz ist die Umkehrung des Schmerzes, weil er sich in der Aufhebung seiner Sinnlichkeit vollzieht, im Grauen, welchem Grausamkeit zur Absicht wird. Wo sie isolierte Lebensbedingung ist, erzeugt sie die Traumata, welche in der Kultur selbst aufgehoben sind. Es wird dies daher zu einer verrückten Aufhebung von Kultur, also zu einer Aufhebung, die gegen sich selbst geht. Doch steckt darin eine wesentliche Kraft der Kritik, wenn sie sich ihrer Scham entledigt hat und sich als vollständig negiertes Wesen erkennt. | ![]() |