"Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens, d.h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eigenen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise usw. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert; es produziert nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben; es produziert nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproduziert; sein Produkt gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Produkt gegenübertritt. Das Tier formiert nur nach dem Maß und dem Bedürfnis der Spezies, der es angehört, während der Mensch nach dem Maß jeder Spezies zu produzieren weiß und überall das inhärente Maß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formiert daher auch nach den Gesetzen der Schönheit." (MEW 3, Seite 516) Schön ist, was wesentlich, alo ohne Widerspruch auf sich zurückkommt. Schön ist es, wenn Menschen frei für sich sind, für sich wahr sein können, wo sie in ihrer Wahrnehmung mit ihren Gegenständen vereint sind, wenn sie an ihnen das empfinden können, was sie auch fühlen. Es sind unmittelbar gegenständliche Eigenschaften dessen, was wahrgenommen wird, was sie außer sich als ihre Gegenständlichkeit, als Produkt ihrer Vergegenständlichung erkennen und sich aneignen. Schön ist, was gut ist für die Menschen und für ihre Beziehung auf ihre Bedürfnisse, weil es für sie wahr ist, weil es sich in ihren Empfindungen als Gefühl bewährt und bewahrt. Wo und solange aber zwischen ihrer Vergegenständlichung und deren Aneignung eine Trennung ihres Verhältnisses zu sich und zu einander betrieben wird (siehe Teilung der Arbeit), erscheint ihnen ihr Produkt nur als nützliches Ding von eigener Natur für ihren Lebenserhalt (siehe Warenfetisch). Als dieses kann es nicht schön sein und wird zum Gegenstand einer eigenständigen Kunst der Wahrnehmung: "Kunst kann nicht nützlich sein" (Oskar Wilde) An und für sich kommen die Gefühle der Menschen immer wieder auf die Empfindungen zurück, aus denen sie sich gebildet hatten. Es ist der natürliche Kreislauf der Wahrnehmung, aus dem sich die Fortbildung der menschlichen Kultur ergibt und neue Bedürfnisse entstehen, die sich als gesellschaftliche Wahrheit von gesellschaftlichen Gegenständen erweisen, ihre Wahrnehmung als Erkenntnis bewahrheiten und in der Erinnerung ihre Gefühle ungebrochen mit ihren Empfindungen so hinterlassen wie sie durch ihre Bedürfnisse wahrgehabt werden (siehe auch Geschichte). Menschen oder Sachen können schön oder hässlich sein, je nach dem, ob und wie sie in ihren Produkten das "inhärente Maß" ihrer Lebenserzeugung, ihren Sinn bewahrheiten, in welcher Form sie sich darin im Sinn haben, die Inhalte ihres Lebens vergegenwärtigen. Die gegenständliche Wahrnehmung empfindet dies so, wie dies auf sie wirkt, wie sie es wahr hat, wie dies wirklich für sie ist. In ihrer Form erkennt sich Leben so, wie es ihr objektiv im Sinn steht, wie es Kultur für sie ist, in der Liebe ihrer Tätigkeiten sich selbst zusteht, gut für sich und durch sich und für andere ist. Ohne diesen Inhalt wäre die Form nur für die Menge gut, die darin zu einer Masse, zu einer abstrakten Identität der Vielen wird. Hässlich ist nur diese. Sie ist in Wahrheit eine Täuschung, die Wahrheit einer Vermengung beliebiger Bezogenheiten (siehe auch Kitsch). Schönes kann daher nicht privat sein, ist immer nur unter anderen und mit anderen gut für sich, Kulturgut, eine wirklich wahre gesellschaftliche Beziehung. Es kann also nicht für sich und durch sich ästhetisch sein. Schön ist, was gut ist für die Beziehung der Menschen, was ihre Empfindungen in ihren Gefühlen bewährt und bewahrt, sich als gesellschaftliche Wahrheit erweist, ihre Wahrnehmung als bildhafte Erkenntnis im Bild ihrer Identität bewahrheitet und sich in der Erinnerung auf dieses reduziert hinterlässt (siehe auch Geschichte). in solcher Erkenntnis scheidet sich das Schöne vom Hässlichen, indem es sich dem Hass dadurch entzieht, dass es dessen verbrannte Leidenschaften belebt, seine Selbstachtung in seiner Liebe gewinnt, seinen Hass mit dem Hässlichen entsorgt. Schönheit ist das Gesicht der Liebe, ihr unmittelbarer Lebensausdruck, wie er die Menschen anrührt. Aber sie ist dies nur, wo Liebe ganz für sich sein kann. Von daher ist sie die Wahrheit aller Eigenschaften, das Ganze, das, in sich und für sich wahr ist, Erkenntnis ganz in der Beziehung aller Teile und wahr dadurch, dass darin nichts fremd, also alles ganz eigen und zugleich ganze Beziehung auf anderes ist. Hierdurch ist Fremdes nicht unwahr oder Störung des Eigenen, ist es doch auch für sich eigen und dadurch anders, notwendig fremd; - dies für die Wahrnehmung, die darauf beruht, Fremdes als von sich unterschieden vorauszusetzen und sich zu eigen zu machen. Eigenes kann nur in der Beziehung auf Fremdes schön sein, so eben auch fremdes Eigenes. Ein Mensch oder eine Landschaft mag sofort schön erscheinen, weil sie in einer Stimmung vertraut wirkt, anstimmt; ob das schön ist, wird sich aber nur in der Wahrheit der Unterscheidung erweisen, wenn sie ohne Stimmung ist. Das Fremde ist der Stoff des Eigenen und wird in dieser Beziehung schön, indem es zu eigen gemacht ist als ein Anderes, das hierdurch für sich geachtet wird. Achtung ist die Beziehung auf die Schönheit des Anderen, das nicht mehr fremd ist, weil und sofern auch das Fremde zu eigen werden kann, Fremdes und Eigenes nicht notwendig im Gegensatz stehen. Es ist die wesentliche Eigenschaft des Eigentümlichen, schön zu sein, weil es für den Menschen Sinn hat, wo es sich äußert und also Gegenstand der Empfindung ist. Es ist nicht bloßes Dasein oder Umstand oder Bedingung, sondern zu eigen gemacht, also durch Bildung und Ausbildung, durch Verfeinerung erworben. Es ist Produkt einer Geschichte, in welcher das so Erzeugte zum Sinn eines Selbstgenusses geworden ist, der sich darin entwickelt und bildet, dass er sich fremdes zu eigen macht, indem er es verarbeitet. So wird aus allem durch Arbeit Eigentum, wenn es zu eigen gemacht ist, denn sie ist der Aufwand, den die Bildung von eigener Lebensäußerung nötig hat. Wirklich Eigenes kann daher auch nur in wechselseitiger Lebensäußerung entstehen, nicht privat, nicht als Form für sich in der Abtrennung von seiner gesellschaftlichen Bildungsgeschichte. Schönheit kann man nicht besitzen, ohne von ihr besessen zu werden. Schön ist, was einer Gesellschaft und ihren darin tätigen Menschen zu eigen ist, menschlicher Reichtum als ihre Kultur. Und wer die für sich besitzen will, begeht den Selbstverlust seines Erkenntnisvermögens, geht darin zugrunde. Das macht die politische Wahrheit jeder Ästhetik aus. Und dies verlangt die Kritik der Personifizierung von Schönheit, die Kritik ihrer Privatisierung (privat heißt Raub). Die Kritik der politischen Ästhetik ist daher die Notwendigkeit einer wirklichen Kulturkritik. Jeder Raub erzeugt Hass. Deshalb ist geraubtes Eigentum, also Privateigentum oder Besitz, hässlich. Besitz ist das besetze Eigentum, das von seinem Werden abgetrennte und durch eine Verfügungsgewalt eroberte Eigentum. In der Form des Besitzes wied alles sich selbst fremd, was zu eigen war, weil es hiervon abgedrängt, besessen ist (siehe Entfremdung). Eigentum ist die Schönheit menschlichen Reichtums, die Vielfalt und Beziehung aller menschlichen Lebensmomente. Und die können nicht privat sein, weil sich menschliches Leben nur in Gesellschaft bildet und als dessen Kultur entfaltet. Innerhalb der Kultur wendet sich die Ästhetik als Behauptung einer Schönheit für sich gegen Entfremdung, als Behauptung einer Formvollendung dessen, was eigentlich schön ist - eigentlich, wenn es nicht unter fremder Bedingung stünde. Ästhetik behauptet also eine bedingte Schlönheit, die sie einer Mythologie des Seins entnimmt, z.B. als das klassisch Schöne oder das objektiv Schöne (z.B. Grafik, Mode). Darin kritisiert Ästhetik Entfremdung als Zufügung, als Schmerz des Schönen, der durch ästhetische Empfindsamkeit (siehe Empfindung) zu überwinden wäre. Dies gerade bestätigt das Häßliche des Besitztums als notwendige Form, als zugrunde liegende Formbestimmung des "eigentlich" Schönen und macht dessen Wahrheit zur Farce, zur Formverleugnung als Schmerzbewältigung, zur Verkehrung einer Täuschung in die Sensibilität einer Selbsttäuschung, der Formbestimmung zu einer bestimmten Lebensform. Hierdurch soll Schönheit gegen Fremdes vermittelt werden; aber schön kann nichts in seiner Vermittlung sein. Schön ist nur unmittelbar. Durch Ästhetik fällt die Täuschung der Vermittlung zurück hinter das getäuschte Subjekt und wird zu einer Quasi-Objektivität des Subjektiven, zu einer Scheinwelt, hinter der sich das Schöne verstecken muss, um nicht ergriffen und genutzt zu werden. Allerdings iwrd dort, wo der Nutzen der Dinge schon selbst erschöpft ist, weil Überfluss an nützlichen Dingen herrscht, das Ästhetische selbst nützlich, insofern es soziale Eigenschaften (z.B. Status, Originalität) formuliert. In der Umkehrung des Nutzens zur Wahrnehmungsform der schönen Täuschung wird Ästhetik ohne Verlust zur objektiven Wahrnehmung eines Täuschungsverhältnisses, was den Warentausch ausmacht und ist selbst die Grundform der Warenästhetik (siehe auch Design) |