"Der Schmerz im Angesicht des Schönen, nirgends leibhaftiger als in der Erfahrung von Natur, ist ebenso die Sehnsucht nach dem, was es verheißt, ohne daß es darin sich entschleierte, wie das Leiden in der Unzulänglichkeit der Erscheinung, die es versagt, indem sie ihm gleichen möchte" (Theodor Wiesengrund Adorno in "Theorie der Halbbildung", Gesammelte Schriften 8, S. 114) Schön kann etwas oder jemand nur für die Wahrnehmung sein, gut nur für den Nutzen. Nützlichkeit dient der Beherrschung, Schönheit ihrem Sinn. Wo beides in einem gelten soll, wo deren gegensinnige Substanzen versöhnt werden, herrscht das Bedürfnis, sich mit einem Widersinn zu verbrüdern. Es wird hierdurch die Entzweiung von Wahrnehmung und ihrem Gegenstand im Subjekt selbst aufgelöst, das Unheile heil, die Entfremdung durch eine äußerliche Gute geadelt, die Welt der Widersprüche zu einer heilen Welt, zu einer verobjektivierten Selbstwahrnehmung veredelt, die ihre Gegenstände für sich im Kitsch eines isolierten Lebens vereint. Wo alles einfach "schön und gut" sein soll, wird der Gegensattz als überwunden behauptet, wird er zum Medium der Selbstbehauptung, zur Einheit seiner Selbstwahrnehmung, wie sie sich im Erleben einer abstrakt gesellschaftlichen Gegenständlichkeit wahr hat. Und darin wird die Selbstbehauptung zu einem objektiven Subjekt ihrer Lebensverhältnisse in ihrem unentwegten Selbsterleben, dessen Strebungen der ästhetische Wille formuliert und zu realisieren sucht. Wo aber dieser ästhetische Wille das Bindemittel zu einer heilen Welt geworden ist, kann das Schöne nicht einfach gut und das Gute nicht einfach schön sein. Es verpflichtet die Menschen zu einer Sittlichkeit, die sich nicht mehr aus ihren kulturelllen Verhältnissen bestimmt, sondern daraus, dass sie schön und gut sein müssen, um den ästhetische Willen als Allgemeinwille zu bestimmen, um das Heil der Welt zu halten oder dieses durch ihn zu erzeugen und zu bewähren, ihn allseitig gegenwärtig zu machen. Die Selbstvergegenwärtigung hat sich durch die Notwendigkeit eines gesitteten Allgemeingefühls daher umgekehrt: Nicht das Sich-Einfühlen in einen - wenn auch äußerlichen - Kulturzusammenhang begründet das gesellschaftiche Zusammenwirken der Menschen, sondern die Notwendigkeit, ein allgemeines Kulturverhalten zu vollziehen, in welchem das Einzelne nurmehr Moment des Ganzen ist, worin das Ganze zugleich zum Allgemeinwesen des Einzelnen wird. Darin sehen sich die Kulturbürger dann auch folgerichtig über den Egoismus des Nutzen erhaben (siehe auch Selbstveredelung), ohne diesen freilich aufzugeben. In seinem "Garten des Menschlichen" beschreibt dies Carl Viktor von Weizäcker als eine Tatsache der menschlichen Natur, die sich in der Wahrheit des Nutzen, im eigentlich Nützlichen umtreibt (siehe auch Martin Heidegger, auf den er sich ausdrücklich bezieht). Und darin findet er den Grund aller Schönheit, wie sie gut sein soll: "Es gibt einen Weg, die Frage nach dem wahren Nutzen, dem wahren Interesse zu beantworten; es ist der Weg der Moral, der Ethik. Sein Leitstem ist die Aufhebung des egoistischen Nutzenbegriffs. In Wahrheit nützt mir nicht, was mir allein nützt, sondern was den Mitmenschen, der Gemeinschaft, der Gesellschaft nützt. Dieser Weg führt zu dem zweiten Plateau, zu dem Prinzip, das uns unter dem Titel des Gerechten oder des Sittlichen zu Gesicht gekommen ist. Der Lebensnerv des Sittlichen liegt in einem qualitativ anderen Erlebnis als dem der Nützlichkeit, sei es auch die Nützlichkeit für die Gemeinschaft. In der Abtrennung, in der Vereinzelung fühlen sich die Menschen daher jetzt wirklich allgemein und verstehen sich aus ihrem ästhetischen Willen heraus als Allgemeinwille, gegen den jeder, der ihn nicht teilt gefährlich, als "Nestbeschmutzer" begriffen wird. Was bis dahin nur Heile Welt war, wird jetzt zu einer übermächtigen Selbstgerechtigkeit, worin die Menschen sich allgemein wiedererkennen und hieraus die Macht ihrer Bildung als Edelmut ihrer Selbstverwirklichung beziehen. Im Kult der Medien von "Schön und Gut" wird sie jetzt prominent und soll verbinden, wo keine Beziehung mehr möglich ist und wo die Bilder zum Medium des herrschenden ästhetischen Willens werden. Die kulturelle Prominenz wird durch ihre Kultubildung, durch ihren Einklang mit den Moden der Kultur verbindlich, so dass sie nun Personen, die bis dahin sich trotz aller Gemeinschaftlichkeit noch als einzelne Individuen sehen und fühlen konnten, nun über die Versicherung ihrer allgemeinen Wahrnehmung zu einer positiven Prominenz von guter Wahrnehmung verbunden werden. In diesem Zusammenhang verbindet sich ihre Selbstwahrnehmung zu einer Ganzheit mit der medialen Wahrnehmung, worin deren wirkliche Bezogenheit zu einer Großartigkeit des Fühlens herausgesetzt wird. Nicht, was die Menschen wirklich verbindet, treibt diese Entwicklung voran, sondern was einer Verbundenheit des Guten nahe steht. Das Allgemeine hat keinen anderen Grund, als allen gemein zu sein, hier also eine allen gemeine Güte zu verkörpern. Aber Güte kann sich nicht selbst begründen und entwickeln; sie ist in dem, was im Gebotenen, in den Gegebenheiten der Kultur als gut erscheint, was ihre besonder Qualität als qualitative Gegebenheit ausmacht, in der Form, wie es sich begibt. Die nahestehende Begebenheit ist daher die Substanz der Prominenz des Guten, deren Bedeutung sich alleine in der Dichte zur Wahrnehmungaus ihrer Masse heraus ergibt. Wenn es bedroht scheint, vollzieht das Selbstgefühl in seiner massenhaft ausschließlichen Individualität ein ästhetisches Urteil, wonach das Eigene als das einzig Bewährte, das Fremde als das einzig Bedrohliche gilt. War dies schon eine Grundlage zur Errichtung eines abgeschlossenene Lebensraums, einer Lebensburg, so wird es in der öffenlichen Kultur, dort wo sie unsittlich wird, wo sie also sich gegen die gewohnten Sitten und das Brauchtum verhält, zu einem politischen Prinzip. Alles, was darin gewohnt, ist schön und gut, denn Gewohnheit selbst ist nichts anderes, als das bewährt Gute, das deshalb schön ist, weil es bewohnt ist, also auch wohnlich und bequem. Es ist dies keine Schönheit, welche aus dem Ganzen einer Sache spricht, sondern die Eigenschaft eines Umstands für Menschen, die das für sie Gute bewohnen und als Gewohnheit sich aneignen. Dies macht den Eigendünkel ihres Besitzstands aus und vollzieht die heile Welt, die sie suchen und in der sie leben wollen. In diesem Bestreben, das aus dem Niedergang kultureller Zusammenhänge erwächst, wird das Gute und Schöne zum Inhalt eines politischen Willens werden lässt , der seiner Bewahrung dient und hierdurch zu einem ästhetischen Willen wird. Er begründet sich subjektiv aus einem Ekel vor dem Zerfall und der persönlichen Abgrenzung hierzu. Objektiv wird hierbei der Reiz der Schönheit zum Gütesiegel schlechthin, zum Design einer höheren Kulturform gegen die zerfalende, Grundlage jeder Selbstveredelung. | ![]() |