„Der Mensch kann sich nicht nach sich selbst umdrehen und darum wird er nie wissen, wer er eigentlich ist, woher, wohin, warum. Und mit ihm wird es Gott nie wissen. Gott ist sich selbst Mysterium. Und wäre dies schließlich nicht das Letzte – was wäre dann die Welt? Eine Sphinx, die, gelöst, in den Abgrund stürzen müsste. Ihr tiefster Sinn wäre damit verloren – das Nieaussinnbare. Sie hätte jeden Grund verloren, weiter zu sein; denn der Welt Grund ist allein ihr Ziel. Wo aber ein Ziel erreicht ist, ist Tod und Ende. (…) Die Welt ist Gottes Suche nach Sich, nach Seinem Sinn, nach Seinem Grund. (…) Der Weg nach dem Sinn ist der Sinn des Wegs“(Morgenstern, Christian: Tagebuch eines Mystikers, in: Werke, III, München 1979, S. 77). "Wenn Du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, das heißt, wenn Dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produziert, wenn Du durch Deine Lebensäußerung als liebender Mensch Dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist Deine Liebe ohnmächtig und ein Unglück!" (Karl Marx in MEW 40, S. 567) In einer Welt der Zwischenmenschlichkeit, worin der Selbstwert in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen durch eine allgemeine und ausschließliche Selbstbezogenheit der Selbstverwertung herrscht, konkurrieren die Menschen um ihre Liebe und damit um ihre innerste Wahrheit, um ihre Wahrnehmungsidentität. Hier herrscht das Unterschiedlose als das Grauen einer absoluten Bodenlosigkeit ihrer Existenz (siehe hierzu Existenzwert), wodurch ihr Leben beengt und zur Lebensangst ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse geworden war. Lebensangst ist die Angst einer unendlichen Ungewissheit, die Angst vor einer allseits entgegenwärtigten Wahrnehmungsidentität (siehe hierzu z.B. auch Aufmerksamkeitsstörungen), die Angst vor der Wahrheit eines sich selbst fremd gewordenen Seins, die Angst der Selbstentfremdung. In zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin die Gefühle der Menschen einen besonderen Wert für ihre Beziehungen darstellen, weil sie darin ihren Selbstwert verwirklicht finden, da erscheinen sie ihnen objektiv (siehe objektives Gefühl), weil sie darin geäußert finden, was sie für sich empfinden. Und darin verdichten sich die Wahrnehmungen ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen und verbleiben in ihrem Gedächtnis als Form eines Zusammenhangs der Erinnerungen von Empfindungen, so wie sie sich in in den Umständen ihrer Selbstwahrnehmung ereignet haben und sich in ihren Beziehungen auf sich selbst und auf andere vergegenwärtigen, bzw. ungegenwärtig als Sehnsucht verbleiben und sich oft auch durch ein darin befriedigtes Geltungsbedürfnis zu einer symbiotischen Selbstbehauptung verfestigen, die Ausdruck ihrer darin verheimlichten Lebensangst ist. Sehnsucht ist das Residuum von genichteten Gefühlen, ihre abstrakte Substanz, die als Medium einer psychischen Reaktion (siehe reaktionäres Bewusstsein) wirkt, und das sich als dessen Treibmittel herausgestellt hat (siehe Massengefühl als Gefühlsmasse), weil es das Geltungsstreben der Selbstverwertung als ein verkehrten Interesse formuliert, das den subjektiven Kern des Verlangens nach gesellschaftlicher Veränderung als Anspruch gegen sich selbst betreibt. Aber zu einer wirklichen Veränderung ist die rücksichtlose Aufklärung über das darin verheimlichte Interesse aus der Enttäuschung der eigenen Existenz und Wahrheit, also der Wahrheit der Selbstwahrnehmung frei zu stellen, ihr Erkenntnisvermögen zu befreien. War im bloßen Sehnen noch das Verlangen eines ästhetisch gewordenen Willens gegenwärtig, so besteht die Sehnsucht nunmehr aus dem Schmerz einer vernichteten Empfindung die ihrem Verlangen nach Erkenntnis ihres wirklichen Seins, der Substanz ihres Leben entglitten ist, die also ihr Begehren in eigener Wirklichkeit und Selbsterkenntnis aufgehoben hat. Von daher bewahrt Sehnsucht immerhin auch den Traum von einem gesellschaftlichen Leben, der nach seiner Verwirklichung verlangt, eine konkrete Utopie darstellt: "Es wird sich ... zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt." (MEW 1, S. 346) Sehnsucht ist eine in zwischenmenschlichen Verhältnissen der dort entstandenen und verloren gegangenen Gewissheit des Verlangens - z.B. des Bedürfnisses eines Menschen nach Menschlichkeit, das zum Schein seiner Unendlichkeit und von daher ein Moment der Religion geworden ist. Sehnsucht ist ein Verlangen im Nichts ihrer unendlich nötigen Bestrebung, Gewissheit eigener Liebe zu finden, also Liebe zu empfinden. Sie entsteht in der Absicht, dem Sehnen aus eigener Notwendigkeit zu entsagen, und wird daher alsbald zu einer schmachtenden Selbstauflösung, die in ihrem Kitsch nur noch Scheinwelt sein kann. In der Abtrennung ihrer eigenen Gründe hat sie Idole nötig, um sich in ihrer entäußerten Liebe, also in ihrer Selbstentfremdung zu erhalten (siehe auch Fan-Kult). Sehnsucht entsteht aus dem Verlangen nach Empfindungen einer unabgegoltenen Wahrnehmunsidnetität, nach einem abwesenden Sinn einer bestimmten Beziehung, der von der Wirklichkeit seiner Verhältnisse abgezogen (siehe Abstraktion) ist und als unendlich gewordene Absicht fortbesteht (siehe hierzu auch schlechte Unendlichkeit). Über sie Abwesenheit seiner Empfindungen kehrt in eine abstrakte Kraft (siehe Abstraktionskraft), in die Form eines unendlichen Verlangens nach einem abstrakt allgemeinen Sinn ihrer untergegangenen Beziehung, die zum Antrieb einer prothetischen Beziehung (siehe hierzu auch Ästhetik), zu einem Fetischismus wird. Der ist das Resultat, die aufgehobene Form einer Enttäuschung, das Ende einer Täuschung und begründet die Sucht nach einer Negation des Daseins, ein zur Sucht verselbständigtes Sehnen, ein absolutes Verlangen als ein Zustand der Liebe, die sich gegen die Selbstachtung gewendet hat und sich ausschließlich aus der Wahrnehmung bestimmt, aus Gefühlen, die sich gegen ihre Empfindung stellen, weil sie empfindungslos geworden sind (siehe hierzu auch tote Wahrnehmung). Sehnsucht entsteht im Dazwischensein der Bedürfnisse, die von ihrem Sinn getrennt sind und die nurmehr in einem bloßen Begehren auftreten können. Wo Bedürfnisse von ihrem Grund, von der Lebensäußerung ihrer Entstehung getrennt sind, treten sie nurmehr als ein bloßes Begehren nach irgendeiner Konsumtion auf (siehe hierzu auch Beliebigkeit). Begehren ist ein sehnsüchtiges Verlangen das ungestillte Bedürfnisse zusammenfasst und zugleich von ihren konkreten Inhalten abstrahiert. Von daher ientsteht in einem unstillbaren Begehren eine Kraft, die Absicht einer Abstraktionskraft, die zur Substanz der Triebe, zu einer kräftig drängenden Formbestimmung der subjektiven Beziehungen wird und schließlich auch deren Inhalte selbst unmittelbar, also ohne weitere Vermittlung aufzehrt und sich in seiner triebhaft gewordenen Selbstbezogenheit als Wahrnehmungsform durch sich selbst ebenso kräftig nach außen wendet und ihre Gegenstände nichtig erscheinen lässt. Sehnsucht ist das Begehren nach der Verwirklichung der Selbstbezogenheit in einem isolierten Dasein der eigenen Bedürfnisse. Darin kann weder das Eine noch das Andere das sein, was es dazwischen ist. Es ist also etwas, von dem in dieser Beziehung unentwegt abgesehen wird, weil es nicht so da ist, wie es sein müsste. Es ist die Form eines abwesenden Wesens, die Form einer Isolation, die nicht wirklich isoliert sein kann, weil sie ein Wesen hat, das abwesend ist. Dasein ist Seiendes in Raum und Zeit, geschichtliches Sein, das da oder dort mal anwesend, mal abwesend ist. Es ist das, was wesentlich da ist, wo es ist, solange es nicht verwest (siehe auch Tod) und also im Prozess seines Lebens in seinem Wesen zu begreifen ist (siehe hierzu auch historischer Materialismus). Sein Begriff unterstellt ein anwesendes oder abwesendes Sein, das durch seine geschichtliche Natur notwendig ist, auch und gerade wenn es nicht so da sein kann, wie es wesentlich ist, das zwar wesentliche Wirkungen durch die Form ihres Daseins als Formbestimmung hat, die aber in Wirklichkeit stofflich oder körperlich nicht so da sind, dass sie schon in der Anschauung erklärlich wären, in ihrem Sosein an und für sich widersinnig ist und den Subjekten das Verlangen nach einem wesentlichen Sinn der Objekten ihrer Bedürfnisse, nach deren kulturellen Beziehung unendlich notwendig macht und ihnen eine im Grunde unstillbare Sehnsucht nach einem gegenständlichen Sinn ihres Daseins zumutet (siehe hierzu Fetischismus). | ![]() |