"Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geognosie, d.h. durch die Wissenschaft, welche die Erdbildung, das Werden der Erde, als einen Prozeß, als Selbsterzeugung darstellte. Die generatio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungstheorie. ... Wer hat den ersten Menschen und die Natur überhaupt gezeugt? Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beantworten kann, weil er ein verkehrter ist? ... Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrahierst du ... vom Menschen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, daß ich sie als seiend dir beweise. Ich sage dir nun: Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Menschen und die Natur als nichtseiend denkend, denkst,so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch auch Natur und Mensch bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und des Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, daß du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?" (siehe MEW Band 40 Seite 545f) Heidegger begründete seine Philosophie aus der Frage nach dem Sinn von Sein und entwarf das umfassende Monstrum einer sprachlichen Architektur seiner Seinsproblematik, wie sie allen abgehobenen Existenzen zu eigen ist. Indem er eine Seinsgewissheit erdachte, die unendlich zu ersuchen und zu befinden sei, konnte er diese allerdings nicht im Leben selbst finden und empfinden, sondern nur im Jenseits hiervon, in der Konfrontation mit dem Tod Sinn bewahrheiten ("Sein zum Tode"). Er entwickelte diese "Gewissheit" aus einer ontologische Differenz (siehe Fundamentalontologie), aus der Unterscheidung von Sein und Seiendem, worin das Sein ein eigentliches Dasein auch ohne Empfindung, also rein objektiv finden könne. Dadurch erst könne eine sinnhafte Existenz in ihrem Sein zu verstehen sein, das keinerlei sinnhafte Substanz, sondern lediglich mit der Zeit - auf Dauer seiner Existenz - zu begreifen sei. Dieser Verständnishorizont gilt ihm als Grundlage der Dinge in der Welt (siehe Verstand), das "Seiende" aber nicht etwa als Erscheinung eines darin erkennbaren logischen Wesens in ihrer weltlichen Substanz, sondern als darin grundlos in die Welt geworfene Ungewissheit der Existenz. So galt er sich als Existenzialist und "Zeuge seiner Zeit". Man könnte sagen, Heidegger setzt Verstand mit Sein gleich, was bedeutet: nur was verstanden wird, ist auch, und das, was ist, ist immer schon verstanden, da Seiendes nur auf dem Hintergrund des Seins zu verstehen ist. Dass etwas ist, also existiert, und was etwas ist, also verstanden wird, ergebe sich aus dem Nebeneinander von beidem durch eine stets zu erstrebenden Seinsgewissheit, die sich nicht wirklich erweisen kann oder beweisen ließe, weil sie praktisch nur in der philosophischen Erkenntnis sich "lichten" könne. Diese biete im Handeln als "Vorlauf zum Tode" deren Wahrheit im "Sein zum Tode". In ihm kann Philosophie allerdings auch nur noch soldatisch begriffen sein, eben als Gewissheit des Handelns im Antlitz des Todes. Seinsgewissheit ist ein Pleonasmus, der Seiendes durch Vergewisserung seines Seins verdoppeln soll. Die Aussage, dass etwas ist, dass z.B. dies ein Baum ist, was da ist, lässt sich nicht bezweifeln, wenn Sprache als praktisches Bewusstsein begriffen wird, die den Infragestellungen der Philosophie immer schon vorausgesetzt war. Lediglich Martin Heidegger setzte hier seine Kritik an, indem er Sprache und Bewusstsein selbst mit dem Dasein identifizierte, und ihre Identität zum Begriff einer Eigentlichkeit entfaltete, die er zur Grundlage seines Vorwurfs gegen die Seinsvergessenheit der Menschen machen konnte. Das Sein als solches habe nämlich keine Substanz, wie es die klassische Metaphysik seit Aristoteles meint, sondern lediglich ihr Dasein in der Zeit, das immer wieder erneut zu befragen sei. In seinem Hauptwerk "Sein und Zeit" thematisiert Heidegger dies in der Zuspitzung: "Was meinen wir, wenn wir sagen, der Himmel ist blau?" Die Beantwortung einer solchen Frage setze die Destruktion der bestehenden Bedeutungen voraus, die durch eine analytische Beweisführung über den Sinn des Seins immer wieder zu erneuern wäre. Die phänomenologische Philosophie arbeitet sich an der Seinsgewissheit in der darin logisch implizierten Unendlichkeit ab. Den Pleonasmus der Seinsgewissheit betreibt explizit ja auch schon der Nominalismus, aber auch jeder andere Existenzialismus, der sich seiner selbst durch sein "in die Welt geworfen sein" gewiss werden will, indem er Sein und Existenz ineinander und durch einander identifiziert. Seinsgewissheit unterscheidet eben schon vor aller Erfahrung ein Sein, das ungewiss ist, von dem, was sich gewiss sein oder werden kann und deshalb gewiss gemacht werden muss, um auch wahr zu sein - im Grunde nur, weil es sich damit philosophieren lässt, weil der Zweifel über das Sein überhaupt selbst schon übersinnlich, der höchste Zweifel ist, den man vorbringen kann, wenn und wo widersprüchliches Sein nicht begriffen wird. Es ist die Grundlage einer jeden Religion, welche die Menschen ihres Daseins, dem Sinn eines Lebens vergewissern soll, das nicht aus seiner Evidenz (siehe Selbstevidenz), sondern durch eine höhere Gewissheit begründet gelten soll. Die damit theoretisch versicherte Ungewissheit eröffnet ein weites Spektrum willkürlicher Gedanken, die vor allem einer rechten Gesinnung zugrunde gelegt wird. Die Behauptung, dass man seines Seins nicht gewiss sein könne, ist z.B. die Grundlage für den Vorwurf von Martin Heidegger, die Moderne würde sich aus der Seinsvergessenheit der Menschen begründen. Die Vorhaltung einer Seinsvergessenheit impliziert immerhin schon die Behauptung, dass Menschen eine eigentliche Ursprünglichkeit (Eigentlichkeit) in ihrem Sein hätten, die sie vergessen können (siehe Ursprungstheorien). Sie wurde von Heidegger formuliert, um seine Fundamentalontologie zu begründen und wurde zur innigsten Begründung von reaktionärem Bewusstsein, das sich im deutschen Nationalsozialismus praktisch umgesetzt hatte. Letztlich ist sie die Wendung einer Untergangsangst in eine theoretisch überhobene Heilserwartung, die qua philosophischen Input verewigt werden und in eine politische Heilslehre, in eine politische Religion gewendet werden kann, welche die ästhetischen Ressourcen der Religion aufzubrauchen versteht. |
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