"Das Selbst ist ... der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der Mensch ist [in dieser Auffassung] selbstisch. Sein Auge, sein Ohr etc. ist selbstisch; jede seinen Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deswegen ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug', Ohr, Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Qualität der menschlichen Natur, des menschlichen Auges etc., nicht die menschliche Natur ist eine Qualität des Selbstbewußtseins. Das für sich abstrahierte und fixierte Selbst ist der Mensch als abstrakter Egoist, der in seine reine Abstraktion zum Denken erhobne Egoismus." (MEW 40, S. 575) Was also soll dieses Selbst wesentlich sein? Darüber kann sich eigentlich nur ein Philosoph der "Eigentlichkeit" verständigen. Denn "eigentlich" haben wir letztlich ja nur uns selbst als das wesentlich Eigene der Selbsterfahrung - zumindest wenn wir von unserer Geburt, unserem Leben und unserer Gesellschaft, also von allem absehen, was uns wirklich ausmacht. Das Selbst kann daher nichts wesentlich für sich oder durch sich sein. Es ist nur eine abgerichtete Reduktion auf sich selbst, substanziell also garnichts. Doch auf der Suche nach dem "Sinn des Seins" konnte es Martin Heidegger - wenn schon nicht durchdringen - so doch als ein allgemeines Phänomen eines philosophisch vorgestellten Wesens aus dem "Man" einer Massenkultur, als das vereinzelte "Man" ihrer bürgerlichen Subjekte beschreiben, als das Wesen seiner allgemeinen Gedankenabstraktionen der persönlichen Selbsterfahrung, als das "Je-Seinige", das sich aus dem "eigentlichen Ganzseinkönnen des Daseins" in der "Sorge um die Selbstheit" begreifen lassen soll (Heidgger im dritten Kapitel aus "Sein und Zeit"). Für Adorno ist das Selbst ein Produkt der Aufklärung, eine "magische Illusion" die sich aus der "Macht der Gewohnheit" als "Macht der Wiederholung übers Dasein" begreifen lasse, "lange nachdem die Menschen der Illusion sich entäußert hatten, durch Wiederholung, mit dem wiederholten Dasein sich zu identifizieren und so sich seiner Macht zu entziehen. Je weiter aber die magische Illusion entschwindet, um so unerbittlicher hält Wiederholung unter dem Titel Gesetzlichkeit den Menschen in jenem Kreislauf fest, durch dessen Vergegenständlichung im Naturgesetz er sich als freies Subjekt gesichert wähnt." (Adorno in "Dialektik der Aufklärung" - "Begriff der Aufklärung") Weil das sogenannte Selbst nur abstrakt, eine bloße Idealisierung einer unendlich wiederholten Selbstbezüglichkeit sein kann, die man aus der Analyse von allerlei Selbstbezogenheiten ermitteln kann, ist es nichts für sich und nichts durch sich selbst - eben nur eine bloße Tautologie. Von daher kann es kein Selbst geben. Im sogenannte "Selbst" herrscht das christliche Prinzip der Selbstlosigkeit, die verewigte Gotteskindschaft derer, die ihren "Nächsten lieben wie sich selbst". In Wahrheit gibt es demnach keine "selbstishe identität". Ein Selbst, das sich einfach nur auf sich selbst beziehen kann nur die Nichtigkeit einer Ideologie darstellen. In Wirklichkeit könnte es nur eine widersinnige Existenz durch sich ohne sich haben, könnte nichts anderes (siehe Anderssein) als nichts sein, weil es sich in der Verselbständigung seiner zirkulären Nichtigkeit nur selbst zerstören, sich unentwegt nichten müsste, wo es etwas sein sollte. Ein positiv verstandenes Selbst ist daher schon an und für sich ein Unding, weil es nur aus sich selbst, aus seiner Einzelheit heraus allgemein zu begreifen wäre und daher nur eine abstrakte Substanz haben könnte, niemals sich selbst gleichbleiben könnte, sich selbst unentwegt allgemein aufheben, sich ständig austauschen und sich über sich selbst täuschen müsste (siehe hierzu auch Tauschwert). weil es nur eine abstrakte Substanz haben kann. Ein Selbst als solches kann es daher nicht wirklich geben, weil es eine bloße Reflektion der Wahrnehmung ist, der Widerschein einer Wirkung, die Gefühle auf sich selbst duch andere haben und in Wirklichkeit als Selbstgefühle existieren, die sich aus der Selbstverwertung ergeben und die Selbstwahrnehmung bestätigen und also reproduzieren. Selbst ist der Mensch daher nur, wenn er sich im Unterschied durch anderes bestimmt, das ihm fremd ist. Es ist der Begriff für die durch dieses vermittelte Aufhebung, durch Verdopplung der Entfremdung seiner Wahrnehmung zu einer Selbstentfremdung, indem Menschen sich durch anderes wahrhaben, das ihnen zukommen und hierdurch Identität stiften soll. Darin ist ein Mensch getrieben (siehe Trieb), einen abwesenden Lebenszusammenhang durch sich selbst, durch seine hiervon isolierte Beziehung auf sich (siehe Selbstbeziehung) zu ersetzen. Er lebt zwischen sich und anderem und existiert daher in zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin er sich als anderer fühlen und für sich empfinden kann, was er darin als sein Selbstgefühl wirklich wahr hat. Das Wort "Selbst" kann eben nur die Verdopplung einer Rückbeziehung meinen. Man bezieht sich nicht nur auf sich, sondern auf sich selbst, ist damit als Subjekt einer Beziehung zugleich substanzielle Reflexion. Man kann sagen, dass das Wort "Selbst" die Substantivierung einer Reflexion von sich und auf sich ist und von daher eine für sich substantivierte Macht darstellt und erzeugt. Doch diese wird durch das Selbst nicht wirklich aufgehoben, sondern verinnerlicht, also zum Medium dessen, was Adorno als "Maske" bezeichnet. Doch indem er das Selbst wie eine durch sich schon mögliche Selbstgewissheit im Schein für sich begriffen haben will, macht er solche Erscheinung zu einer "falschen Einheit", durch welche Natur nicht einverleibt, sondern in Wahrheit "disqualifiziert", falsches Leben einer "abstrakten Identität" sei: "Als Ebenbild der unsichtbaren Macht erst erlangt der Mensch die Identität des Selbst, das sich in der Identifizierung mit anderem nicht verlieren kann, sondern sich als undurchdringliche Maske ein für allemal in Besitz nimmt. Es ist die Identität des Geistes und ihr Korrelat, die Einheit der Natur, der die Fülle der Qualitäten erliegt. Die disqualifizierte Natur wird zum chaotischen Stoff bloßer Einteilung und das allgewaltige Selbst zum bloßen Haben, zur abstrakten Identität." (Theodor W. Adorno "Dialektik der Aufklärung" Fischer 2002 S. 16) Damit wäre das Selbst eine abstrakte Identität ohne Sinn, also nicht Ausdruck eines abstrakt menschlichen Sinns, sondern ein bloßer Widersinn für sich, eine abstrakte Wesensbehauptung, eine schlichte Anmaßung. Aber ein "Selbst" drückt eine ursprünglich nur subjektive Rückbeziehung zugleich als objektive Tatsache durchaus sinnlicher Lebensverhältnisse aus und bleibt von daher auch von dieser abhängig, auch wenn es "nur" zwischenmenschliche Verhältnisse sind. Dass ein Selbst sich dadurch versichert, dass es sich objektiv festhält, erkennt man schon in der umgangssprachlichen Verwendung des Wortes: "Ich selbst meine ...". Es dient der Unterscheidung von anderem, das nicht dem Menschen zugehörig ist und das sich in der Entfaltung eigener Substanz seiner substanziellen Wesenskräfte zu vergewissern sucht. Es betont das Vorhandensein seiner Selbst in einer eigenen Ganzheit, welche die Unterstellung dieses Wortes zu einem Begriff macht. Alle Ableitungen hiervon entsprechen sich in der Reflexionsform. Es kennzeichnet die Ausschließlichkeit der eigenen Beziehung, die damit als Selbstbeziehung substantiviert ist. Mit dieser wird eine sinnliche Tatsache impliziert, die ohne dies schon selbstverständlich wäre: Die Anwesenheit von Haut und Haaren, wenn ich überhaupt in Beziehung trete. Das Selbst wird daher nur durch diese Tatsache zum Subjekt einer Beziehung, zur Grundlage einer zwischenmenschlichen Beziehung, in welcher sich Subjekte entfalten, die sich selbst objektiv auffassen und wahrnehmen, ihre Subjektivität objektiv begreifen und sich nur dadurch emanzipieren können, dass sie ihre Objekt-Objekt-Beziehung in Subjekt-Objekt-Beziehungen zu umkehren verstehen. Selbstentfaltung ist daher ein wesentlicher Sinn des Lebens überhaupt, das sich darin in seiner Stofflichkeit entwickelt und auf anderes als Subjekt bezieht (siehe auch Stoffwechsel). Darin äußert sich alle natürliche Intelligenz, die sich im Leiden an der rein stofflichen Selbstbeschränktheit begründet. Auf sich selbst gibt es nur eine Beziehung über und durch anderes (siehe Objekt), also immer zugleich über sich selbst hinaus. Als Substantiv, als bloßes "Selbst", war als ein solcher Begriff lediglich die Unterstellung einer objektiven Seinsweise seiner selbst. Seine Nutzung kam im deutschen Idealismus zu Tragen. Mit dieses Wort lieferte sich die Philosophie und Psychologie allerlei Substanzen für Vorstellungen und Ideologien. Dort stellt "das Selbst" eine gedankliche Konstruktion, also auch einen Begriff der Selbstwahrnehmung dar: Das Prinzip einer Selbstbeziehung im Ausschluss von aller Objektivität. Diese Beziehung vollzieht sich als Abstraktion selbstbezüglicher Eigenschaften, die damit zum Wesen einer Persönlichkeit werden - z.B. Seele, Geist, psychische Funktionen und Kräfte (Selbstschutz) usw. Von daher ist "das Selbst" die zur isolierten Selbstbestimmung eingegrenzte Abstraktion einer Beziehung. Verwirklichen kann sich diese als Selbstwert und in dessen Beziehungsformen in den Wahrnehmungsverhältnissen der Menschen (siehe Selbstverwirklichung). In der idealistischen Philosophie ist es das Wesen der Erkenntnis für sich, Identität des Erkennens, wie es sich unabhängig von der wirklichen Lebenswelt bestimmt als Subjekt im Sinne von Einheit und Rückbeziehung aller menschlichen Erkenntnis, letztlich als reine Selbsterkenntnis, welche sich frei und unabhängig jenseits aller Wahrnehmung einfindet (Fichte). Bei Hegel gibt es diese als philosophisches Selbstbewusstsein, worin sich der werdende Geist zur Welt wendet, darin seine Vernunft findet und den Mangel seiner Selbstbeziehung überwindet. Diesem Gedanken ist ein Selbstentdeckungsprozess des Geistes unterstellt, der vor Allem ist und auf den Alles zurückkommt: Gott als sich selbst und wirklich entfaltende Idee, welche in jedem einzelnen Menschen sich bildet und ausbreitet und sich in seiner Kultur und Sitte birgt. Dieses Denken wurde vor allem durch den Materialismus von Ludwig Feuerbach als Konstruktion idealisierter Beziehungen kritisiert und von Karl Marx als verkehrte Gedankenform der Wirklichkeit begriffen. Auch in der Psychologie wird der Begriff oft synonym für die Identität der Selbstreflexion verwendet, nach welcher die Seele strebt. Würde diese das Selbst aber wirklich sich zum Gegenstand machen können, so wäre sie eine Tautologie, Ausdruck einer Selbstentfremdung. Die bürgerliche Psychologie insgesamt scheitert wesentlich daran, dass sie sich nicht die Frage stellen kann, was Seele überhaupt ist und wodurch sie in einem Selbst (oder Ego) zu einer Lebensform der Selbstbeziehung wird. Psychologie hält wie alle bürgerlichen Wissenschaften Selbstbezogenheit für die natürliche Lebensbedingung überhaupt und sieht darin den Grund allen subjektiven Strebens. Dass dieser Grund als private Erscheinung gesellschaftlicher Entwicklung längst vor jeder Individualität als gegebener Lebensstandard gegenständlich im Reichtum einer Gesellschaft ist, um den sich das bürgerliche Individuum Besitz heischend bemühen muss, entzieht sich ihrem Horizont. Sie kann ein gesellschaftliches Individuum nicht von einer selbstbezogen Persönlichkeit unterscheiden und verwechselt daher die Individualität gesellschaftlicher Subjekte mit der persönlichen Subjektivität einer Gesellschaftsform. Seele und Selbst sind darin dann einerlei. Das Selbst gibt es aber nur in der bürgerlichen Kultur als Beziehungsform des Geldbesitzes, auf welchem eine völlig verselbständigte, eine "freie Individualität" gründet. Allerdings stellt es darin auch das Wesen bürgerlicher Subjektivität, das Wesen der privaten Persönlichkeit dar. Im praktischen Leben dieser Kultur ist das Selbst in der Tat die für sich bestimmte Form der Selbstwahrnehmung, worin der in sich selbst reflektierte Mensch die Einheit aller Selbstbeziehungen in sich fühlt, wahrmacht und zu einem Verhalten in seinen Beziehungen auf andere entwickelt und betreibt und dem allen seinen Selbstwert entnimmt. Dies ergibt sich aus der Erlebenswelt vereinzelter Individuen in zwischenmenschlichen Beziehungen, welche sich als Lebensformen der Seele entfaltet, aus dem Prozess ihrer Selbstverwirklichung die eigenttümliche bürgerliche Persönlichkeit in ihren Charaktergestalten entwickelt (siehe hierzu z.B. den autoritären Charakter den esoterischen Charakter oder die flexible Persönlichkeit). Dadurch, dass sie zu einer abstrakten Einheit durch das Wahrhaben in der Anwesenheit anderer Menschen gelangt, gibt es das Selbst als Beziehungsform von und für Menschen wirklich, d.h. Wirkung habend. Es ist damit aber so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was die Philosophen und Psychologen hiervon begriffen haben wollen: Das Resultat der Vermittlung von Selbstwahrnehmungen durch andere, also ein Reflexion aus einem zwischenmenschlichen gesellschaftlichen Verkehr. Das Selbst ist das allgemeine Substantiv für die Substanz der Beziehung auf sich selbst, die ein Unding wäre, wäre sie nicht tatsächlich als Beziehung auf andere, als zwischenmenschliche Beziehung möglich. Nur in diesem Zusammenhang hat ein solcher Begriff seinen Sinn. Ihn als Reflexion einer Isolation von zwischenmenschlicher Bezogenheit durch die Seele zu erklären schließt eine Kritik der Psychologie ein, die genau dies in ihren Begriffen leugnet und das Selbst gerne (z.B. als "Ich") als eine positive Selbstbestimmung der Realitätstüchtigkeit oder des Selbstbewusstseins einführt, negiert vielleicht durch verselbständigte Selbstbezogenheiten wie "Narzissmus", "Egozentrik", "Egoismus" usw. Solche Begrifflichkeit führt zu Begriffen der reinen Subjektivität, einer Subjektivität, die es gar nicht geben kann, weil sie keine andere Substanz als das Selbst haben, die wohl aber subjektiver Ausdruck objektiver Beziehungen als Formen der Selbstbesessenheit (siehe auch Besitz) sind. Das Selbst ist die Wirklichkeitsform der Seele und damit Verwirklichung von seelischen Absichten, wie sie sich im Lauf des Lebens gebildet und verwirklicht haben und auch im Gedächtnis erhalten sind. Es kennt kein anderes Prinzip als das der seelischen Identität. Doch diese ist nicht wirklich seelisch möglich, sondern nur unwirklich wirksam, wirkt also in den Lebensräumen der Seelenwelten durch den Eindruck, den diese auf die Selbstwahrnehmung machen. Diese Welten sind eine Realität für sich, haben also dadurch Wirkung, dass sie die Entfaltungsmöglichkeiten des Erlebens in diesem Raum ausschöpfen. Als selbständige Beziehung auf andere bildet sich das Selbst aus Selbstgewinn, der sich allerdings immer auch im Selbstverlust relativiert, als bestimmte Beziehung durch Andere erfahren muss. Beides sind Momente abstrakter Selbstwahrnehmung, der es gelingt, sich in zwischenmenschlichen Beziehungen als Lebenszusammenhang in Selbstgefühlen zu verwirklichen (siehe Selbstverwirklichung), indem sie diesen per Ästhetik und Design vermittelt, wahrhat und wahrmacht - dies allerding setzt die Selbstentleibung anderer Menschen voraus und ist damit die Existenzform entfremdeter Selbstachtung. |