"Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden." Wenn ein Mensch sich ändert, so ist er dadurch kein anderer Mensch, denn er selbst war es, der schon ein Anderswerden in sich trägt. Es ist seine Selbsterkenntnis, die ihn anders werden lässt. Er verändert sich in dem, was er schon ist um auch in dem anders zu sein, was er nicht wirklich sein kann. Eine Selbsveränderung als Emanzipation zu verstehen ist eine Tautologie als Fortschritt zu feiern, eine Selbstbeziehung zu verewigen, zu totalisieren. Ebenso falsch bliebe auch die Interpretation der Marxschen Feuerbachthese, dass die Erzieher erzogen werden müssten um die Umstände zu ändern, wenn man seine Formulierung nicht als Kritik der Erziehung begreift: "Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile - von denen der eine über ihr erhaben ist - sondieren." Marx kritisiert hier die Position des Feuerbachschen Materialismus. die einen über die Umstände erhabenen Erzieher voraussetzt, kritisiert also Erziehung an sich, welche die Menschen als Subjekte der Veränderung "vergisst". Es gibt keine Erziehung zur Revolution, keine Selbstveränderung ohne die verändernde Tätigkeit selbst. Erziehung würde einen Willen voraussetzen, der im Menschen zu verwirklichen wäre, und der würde die Veränderung der Umstände durch die Veränderung von Menschen, Emanzipation durch Reaktion ersetzen. Jede Trennung ist zunächst ein "Schmerz" (Hegel), eine Nichtung dessen, was zusammengehört, eine Reduktion im Organismus des Ganzen, das sich nicht mehr wirklich ergänzt, wesenlos wird, zu verwesen droht. Es verliert an Kraft der inhaltlichen Bezogenheit seiner lebendigen Regungen. Und es verwandelt diese durch die Form seiner Abwesenheit, der Erregungen seiner nichtig gewordenen Inhalte. Sie speisen aus einer Kraft ihres entwirklichten Wesens, aus der Energie ihrer aufgehobenen Form ein unbändiges - weil ungebundenes - Verlangen nach ihrer wirklichen Aufhebung in einem anderen Sein, einem Anderssein für sich durch die Veränderung ihres Inhalts in der Erneuerung des Ganzen durch Befriedung ihrer Abstraktion, durch die in ihrem Nichts verendeten Beziehung, durch die aus ihrer nichtig bezogenen leeren Form im subjektiven Begehren nach einer lebendigen, einer ihrem Lebensinhalt entsprechenden Form. Durch ihre in ihrer Beziehungslosigkeit nichtig gewordene Inhalthaltlichkeit entsteht der neue Inhalt aus der Form seines Anderseins, der zunächst gegen ihr Dasein bestimmt ist, um sich in Anderem zu erneuern. Er wird zunächst zur Formbestimmung einer nichtigen Beziehung, zu einer hieraus geborenen Idee der Negation seiner überkommenen Beziehungen, die darin entwirklicht sind, zum objektiven Antrieb ihrer Selbstveränderung, zur Idee ihrer veränderten Subjektivität. Allerdings gibt es Blockaden und Widersprüche auch in den Menschen, die sich objektiv begründet erkennen lassen (siehe hierzu auch Psyche) und zu denen man ein Wissen und Bewusstsein entwickeln muss, um sie aufzulösen, in eben diese Tätigkeit hinein auch aufzuheben. Denn alle Erkenntnis mündet in menschliche Tätigkeit, weil sie auch nur durch diese entstanden ist. Selbstveränderung mag zu einer Selbsterkenntnis gelangen, doch diese kann nicht ihr Ziel sein, ohne als Erkenntnis einer Selbstentfremdung tätig zu werden. Und das schließt die reaktionäre Form der Selbsterkenntnis, der Selbstbehauptung durch eine "höhere Wahrheit" in einem selbst ganz wesentlich aus. Mit seinem Imperativ "Erkenne Dich selbst!" hatte dereinst Friedrich Nietzsche den Zaunpfahl des Übermenschen gepflanzt, eben gerade jene Position des über allem erhabenen Selbst, zu dem er die ganze Menschheit erziehen wollte. Selbsterkenntnis aber kann nur in den Menschen selbst und durch sie nötig, also niemals ein erzieherischer Imperativ sein. Der endet zwangsläufig dort, wo es einen Menschen gibt, der über allen Menschen steht und sie aus einer der höhere Berufung anführt. Und danach strebt ja auch schon immer die bürgerliche Egozentrik, die immer zu einem Willen zur Macht streben muss, um Identität in und durch sich zu finden. Es ist das Hauptthema des Nietzeanischen Imperativ, der in diesem Willen überhaupt den Willen der menschlichen Natur entdeckt haben will: "Gesetzt endlich, daß es gelänge, unser gesamtes Triebleben als die Ausgestaltung und Verzweigung einer Grundform des Willens zu erklären _ nämlich des Willens zur Macht...; gesetzt, daß man alle organischen Funktionen auf diesen Willen zur Macht zurückführen könnte und ihm auch die Lösung des Problems der Zeugung und Ernährung _ es ist ein Problem _ fände, so hätte man damit sich das Recht verschafft, alle wirkende Kraft eindeutig zu bestimmen als: Wille zur Macht. Die Welt von innen gesehen, die Welt auf ihren intelligiblen Charakter' hin bestimmt und bezeichnet _ sie wäre eben Wille zur Macht' und nichts außerdem" (WW IV, S. 601). | ![]() |