Sexualität ist ein biologistischer Begriff für Geschlecht, das als bloßer Naturtrieb, als biologisch verfasste Geschlechtlichkeit der Tiere und Menschen (siehe Geschlechtstrieb) formuliert wird. Mit solcher Begrifflichkeit wird die individuelle Erscheinungsform des Geschlechts allgemein verstanden, um den gesellschaftlichen Sinn des menschlichen Geschlechts in einer individualpsychologischen Formulierung auf ein bloßes Phänomen, auf eine biologischen Erscheinung am Menschen, auf die bloße Natur seiner Geschlechtseigenschaften, auf ihre biologische Funktionalität zu reduzieren. Doch Geschlecht ist nicht bloße Natureigenschaft. Es ist der Sinn der Natur für ihr Leben überhaupt, für den Menschen damit auch der subjektive Antrieb seiner gesellschaftlichen Natur, seiner Kultur, die geschichtliche Substanz seiner gesellschaftlichen Subjektivität, die Einheit seiner sinnlichen und geistigen Entwicklung und Fortbildung. Was die Menschen körperlich füreinander sind, das unterscheidet sie auch in ihrer geschlechtlichen Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung, in den Eigenschaften ihres Geschlechts (siehe Geschlechtseigenschaften). Von daher ist das Geschlechtsverhältnis das Verhältnis einer Ergänzung, die in der Form ihrer Kultur zugleich die geschlechtliche Äußerungsform ihres gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs darstellt. Darin bestimmen sich die Geschlechtsrollen in ihrer gesellschaftlichen Form, unter den Bedingungen der Konkurrenz in der Form eines Geschlechterkampfs oder der Nichtung des Sinns, den Menschen füreinander haben können und an ihrer spezifischen Sexualität austragen. Mit der Sexualisierung des Geschlechts wird es aus seiner Beziehung herausgenommen und sein wesentliches Verhältnis geleugnet. "In dem Verhältnis zum Weib, als dem Raub und
der Magd der gemeinschaftlichen Wollust, ist die unendliche
Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst
existiert, denn das Geheimnis dieses Verhältnisses hat seinen
unzweideutigen, entschiednen, offenbaren, enthüllten Ausdruck in
dem Verhältnisse des Mannes zum Weibe und in der Weise, wie das
unmittelbare, natürliche Gattungsverhältnis gefaßt wird. Das
unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum
Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. In diesem
natürlichen Gattungsverhältnis ist das Verhältnis des Menschen
zur Natur unmittelbar sein Verhältnis zum Menschen, wie das
Verhältnis zum Menschen unmittelbar sein Verhältnis zur Natur,
seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältnis
erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Faktum reduziert,
inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die
Natur zum menschlichen Wesen des Menschen geworden ist. Aus
diesem Verhältnis kann man also die ganze Bildungsstufe des
Menschen beurteilen. Aus dem Charakter dieses Verhältnisses
folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich
geworden ist und erfaßt hat; das Verhältnis des Mannes zum Weib
ist das natürlichste Verhältnis des Menschen zum Menschen. in
ihm zeigt sich also, in[wie]weit das natürliche Verhalten des
Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum
natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur
Natur geworden ist. In diesem Verhältnis zeigt sich auch,
in[wie]weit das Bedürfnis des Menschen zum menschlichen
Bedürfnis, inwieweit ihm also der andre Mensch als Mensch zum
Bedürfnis geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten
Dasein zugleich Gemeinwesen ist." Indem Sexualität die geschlechtlichen Beziehungen zu Naturereignissen isoliert und ihre bloße Erregung abführt, wird ihre Natur selbst zum Trieb isolierter Beziehungen (siehe Geschlechtstrieb), zum Betreiben einer Selbstisolation, und entzieht dem Geschlecht die Substanz seiner geselschaftlichen Beziehung. Das sexuelle Begehren muss daher auch nicht unbedingt geschlechtlich sein. Sofern es nicht im Verlangen nach einer Geschlechtsbeziehung besteht, ist es ein Bestreben nach Sinnesfülle einer Selbstbeziehung, die durch Kultur bestimmt ist (siehe Körperfetischismus). Diese kann zufällig sein oder auch im Streben nach Einverleibung von Eigensinn, als Sucht nach unendlicher Sinnlichkeit bestehen. Dann ist es eine Form der triebhaften Selbstwahrnehmung, einer Erregung durch sich selbst, die einer Sinnesentleerung entspringt und Entleibung erzeugt. Hierin werden Geschlechtseigenschaften zur individuellen Selbstbefriedigung systematisch vernutzt wie ein Gebrauswert, der auf einem Markt feilgeboten wird. Dies ist ein Produkt der bürgerlichen Kultur, welche sich als Kampf der Geschlechter äußert. |