Sicherheit erscheint als Prinzip notwendig, wenn eine Bedrohung unbestimmt vorherrscht, also nicht als bestimmte Bedrohung erkennbar ist. Doch prinzipiell ist Sicherheit als solche unmöglich, gerade auch wo Unsicherheit das Prinzip der Konkurrenz ist, die nur deshalb als Wettbewerb formuliert wird, damit der existenzielle Niedergang durch das Marktgeschehen der Lebensverwertung (siehe Wert) ideologisch entstellt ist. Niemand kann sich sicher fühlen, dass er seine Ware im Warentausch verkaufen kann und niemand wird seiner Existenz sicher sein, wo die Grundpreise seiner Lebensbedingungen und Lebensmittel durch ein Kapital bestimmt sind, das sich aller wirklichen Lebensbedingungen enthoben (siehe Fiktives Kapital) und diese seinem Verwertungszwang unterworfen hat und von ihrer Substanz zehrt (siehe auch Feudalkapital). Und ganz unsicher fühlt man sich, wo dies die sozialen und zwischenmenschlichen Beziehungen verwahrlost und die Klasse eines Prekariats auch kulturell von einer Klasse des Kulturbürgertums politisch, ideologisch und psychisch beherrscht wird. Man könnte daher meinen, dass das allgemeine Gefühl von Unsicherheit nur die von Armut und Verwahrlosung bedrohten Existenzen betrifft und die Geldbesitzer kalt lässt, die gewohnt sind, durch Geld alle Probleme beherrschen zu können oder sie anderen zu überlassen (z.B. Anwälten, Berater und Ärzte), die sie für Geld lösen sollen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Unsicherheit macht vor allem Angst, wenn man sich gegen alles versichert fühlt, was den Selbsterhalt, die eigene Subsistenz gefährden könnte. Wer die Bedrohung seiner Existenz gewohnt ist weil er in den Konkurrenzverhältnissen der bürgerlichen Existenz um sich kämpfen muss, hat meist auch keine Möglichkeit, Existenzprobleme mit Geld zu beherrschen und von da her den Glauben an eine allgemein herrschende Sicherheit längst aufgegeben. Es ist die eher vemögende Mittelschicht des Kleinbürgertums, das Leben in einer "heilen Welt", in der allgemeine Egozentrik und die darin verursachte Ausschlusslogik vorherrscht, in welchem Gefühle von Unsicherheit ein allgemeines Sicherheitsbedürfnis hervorruft und Kontrollbedürfnisse totalisiert. In den Mittelschichten der USA zum Beispiel fürchten Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder so sehr, dass in den Kitas überall Überwachungskameras angebracht wurden, die immer einen aktuellen Einblick durch die Eltern ermöglichten. Programme, die überwachen können, was sie im Internet ansehen und in Emails schreiben, haben Hochkonjunktur - während die allgemeine Kriminalitätsstatistik eine stetige Abnahme von Verbrechen an Kindern und Jugendlichen aufweist. Das Sicherheitsbedürfnis ist nicht sehr real und eher ein Phänomen der Kontrollbedürfnisse des ästhetischen Willens, der sich seiner Reinheit versichert, indem er Sicherheit als Prinzip der Ordnung gegen "Unordnung" stellt. Er entspringt der Gehorsamkeit und Gefolgschaft eines Bürgertums, in welchem autoritäre Charaktere das Leben in zwischenmenschlichen Verhältnissen bestimmen, indem sie von der Lebensangst in diesen Verhältnissen zehren. In dieser Aufzehrung totalisiert sich Angst
zu einer Selbstentfremdung.
Was sie in dem Sicherheitsbedürfnis noch für die Menschen
sinnlich war, kehrt sich um in ein Objekt der Begierde nach Selbstbehauptung,
nach der Teilhabe an kultureller Macht. Es muss keinerlei
wirkliche Bedrohung vorliegen, damit diese Selbstentfremdung
zu einem massenhaften Gefühl
wird Wenn sie nicht als eine wirkliche
Entfremdung
der gesellschaftlichen
Lebensverhältnisse der Menschen begriffen
und erkannt ist, sondern lediglich als Gefühl
existiert, verfestigt sie in den Menschen einen kulturellen
Ausschluss, und sie fühlen sich ganz allgemein von der Gesellschaft
verlassen, in der sie ihre Angst gegen eine Selbstbehauptung
ihrer Beziehung zu ihrem Lebensraum
austauschen müssen, einer Heimat,
die schließlich sich formell gegen das Gefühl richtet,
"heimatlos" zu sein. Darin entsteht eine Art Lebensversicherung
ihrer Eigenart, durch die alles Unheimliche zur Abart abgeklärt
wird. Und diese Sicherheit kann aus nichts anderem bestehen, als
aus der
Negation gegen die Unsicherheit, gegen die Monster aus
fremden Welten, die aus Bildern abstrakter Beziehungen
zusammengemengt werden zu Symbolen einer Wesensfremdheit.
Rassismus ist - wie der speziellere Kulturrassismus
auch - eine Symbolkonstruktion, worin Gefühle
der Selbstentfremdung
zur Form eines Unwesens
konzentriert werden, das schon durch seine fremde Art zur
Selbsterklärung dient und eine kollektive
Selbstgerechtigkeit
untermauern soll. |