"Die systemische Psychotherapie, die
systemische Beratung und die systemische Supervision bauen auf
modernen Konzepten systemtheoretischer Wissenschaft auf, die
mittlerweile Eingang in alle Disziplinen der Natur-, Geistes-
und Sozialwissenschaften gefunden haben. Sie ermöglichen es,
komplexe Phänomene, die menschliches Leben und Zusammenleben
charakterisieren, komplexitätsgerecht aufzufassen und eine
passende Methodik zu ihrer Behandlung zu entwickeln. Nach
systemischem Verständnis ist der Mensch immer zugleich als
biologisches und als soziales Wesen zu betrachten. Die Systemische Psychologie ist systemtheoretisch begründet und hat sich im Weltbild des Konstruktivismus entwickelt. Sie geht davon aus, dass die Kommunikation der Menschen selbst durch Strukturen (Konstellationen, Stellungen) der zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmt ist, die sich in geschlossenen und offenen Systemen grundlegend unterscheiden. In der Geschlossenheit isolierter Selbstwahrnehmungen sieht sie den Grund psychischer Verselbständigungen, aus denen sich dem entsprechende Probleme entwickeln. In ihren therapeutischen Sitzungen arbeitet sie deshalb daran, geschlossene Systeme durch die Bloßlegung des Leidens der Menschen darin zu dekonstruieren und hierdurch die eingebundenen Verarbeitungsweisen aufzubrechen und für neue Verarbeitungsweisen zu interessieren. Hierfür übernimmt sie Methoden der Gestaltpsychologie zur Interpretation von zwischenmenschlichen Verhältnissen und ihrem Selbstwahrnehmungen, wie z.B. deren Umsetzung in Skulpturen, die bei Familienaufstellungen interpretativen Zugang zu einer Wahrnehmung ihrer Probleme ermöglichen sollen. Die systemische Psychologie ist immerhin in der Lage, objektive Gefühle in den Mustern der Wahrnehmung zu erkennen (siehe auch Mustertheorie), wie sie durch Selbstdarstellungen oder der Aufstellung von Personen durch ihre Klienten figuralisiert werden, so dass sie in einer körperlichen Gestalt ihrer zwischenmenschlichen Beziehung darstellbar und zu einer abstrakten Interpretation einfühlbar sind. An der Art der Aufstellung, ihrer räumlichen Anordnung und auch in der Auswahl von wahrnehmungstypischen Persönlichkeiten lassen sich Empfindungen beleben, die Gefühlsproblemen zu einem ästhetischen Ausdruck verhelfen und durch Assoziationen wieder zu beleben sind. Von der speziellen Fähigkeit des einzelnen Therapeuten wird es dabei abhängig sein, wie sich die Entwicklung von Erkenntnissen hierbei gestaltet. Allgemein bleibt das Problem, dass solche Interpretationen ebenso zutreffen wie täuschen können, solange ihre Analysen keine Schlussfolgerungen erbringen, die über ihre Einzelheit hinausgreifen. Besonders unter dem situativen Druck therapeutischer Ansprüche und Notlagen, also durch den Handungsdruck des unmittelbaren Zwecks der Psychotherapie kommt es oft zu gewaltigen Irritationen, da die systemische Psychologie die hierbei aufkommenden Gefühle,. die ja nur objektiv wahrnehmbar sein können, wenn sie Gegenstand der Interpration sind, meist nicht als objektive Selbstgefühle reflektiert, als Selbstgefühle, die in bestimmten Lebensbedingungen entstehen müssen und nur in der Kritik von diesen gegenwärtig, und also auch in entsprechend veränderter Tätigkeit jenseits der Therapie lebendig werden können. Weil sie die psychischen Wahrnehmungen wie eine für sich stehende Wahrheit ansieht, weil sie also psychische Strukturen nicht wesentlich von den entsprechenden Lebensstrukturen unterscheidet (siehe Psyche), gerät sie leicht in einen Zirkelschluss seelischer Betroffenheit (siehe auch hermeneutischer Zirkel): Die Verarbeitungsweisen werden dann nur als Verarbeitungsmuster (siehe Mustertheorie) verstanden, nicht als existenzielle Notwendigkeiten, die in den Lebensräumen des zwischenmenschlichen Lebens nur deshalb nicht wirklich erscheinen können, weil sie für deren Erhalt und den Selbsterhalt verborgen bleiben müssen, weil ihre Unwirklichkeit also einem ganzen Lebensverhältnis entspricht, durch dessen Verdrängung, sie sich aufrecht erhalten muss. Deshalb kann Systemische Psychologie auch nur die Lebensstrukturen der zwischenmenschlichen Verhältnisse verfestigen und sie in die Notwendigkeiten des herrschenden Gesellschaftssystems eingliedern. Es bleibt das Grundproblem der Psychotherapie die funktionelle Absicherung der Gesellschaftsstrukturen, wie sie wahr gehabt werden, als die Notwendigkeit ihrer Verdrängung zu bewähren, so dass sie auch in dieser Therapieform verstetigt und einem substanziellen Erkenntnisinteresse entzogen werden. Das kann erneute Fixierung dominanter Interessen verfestigen und muss über die Bedingungen der zwischenmenschlichen Lebensverhältnisse (z.B. Familie, Erziehung, Körperfetischismus) hinwegtäuschen. Solange die Bedrohlichkeit, die Lebensangst, die darin eingeschlossen ist, nicht auch in den Lebensverhältnissen selbst wirklich überwunden werden kann, kann sie auch mit psychologischer Unterstützung durch eine bestärkte Selbstgerechtigkeit desolat werden, weil sie auf diese Weise nicht psychisch aufgehoben sein wird, und auf diese Weise ihre Empfindungen zugunsten einer zwischenmenschlichen Selbstveredelung entäußert und ästhetisch fixiert werden. Solange dieses Leben nicht als selbständiger Ort der Gefühle, mit dem wirklichen Ort seiner Probleme vertraut gemacht wird, werden die Menschen sich selbst nur zu einem Gegenmuster ihrer bisherigen Verarbeitungsweise fortbilden, das sich der Erkenntnis ihrer Lebensnot verschließt und weiterhin als psychisch notwendige Kraft wahrmacht. Dass aus geschlossenen Lebenssystemen (z.B. Familien mit Familiensinn) somit auch verschlossene Erkenntnis werden kann, die Psycho-Gurus aus purem Eigennutz gerne zu Massenveranstaltungen und Massenverdienst bringen, hat Bert Hellinger eindrucksvoll gezeigt. Allerdings lehnen es viele systemische PsychologInnen ab, dass diese populistische Anwendung mit ihrer Auffassung von systemischer Psychologie ihr zugerechnet werden könne. Die Systemtheorien setzten sich nach Beginn der Globalisierung besonders seit den 80ger Jahren allgemein durch. Sie lösen die Widersprüche des bürgerlichen Individuums ähnlich auf, wie es mit der Verselbständigung des Geldbesitzes in den Dienstleistungsgesellschaften gegeben war. Seit es die bürgerliche Gesellschaft gibt, gibt es auch den ihr zugrunde liegenden Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft, das Problem der Vermittlung zwischen ihren privaten und gesellschaftlichen Substanzen, den politischen Polen des einzelnen und des sozialen Daseins. Die Sozialwissenschaften, welche die hier auftretenden Probleme lösen sollten, hatten daher selbst auch ein dementsprechendes Vermittlungsproblem, weil sie zwischen den individuellen und den sozialen Notwendigkeiten keine Beziehung, sondern nur gegensinnige Positionen einnehmen konnten, die sie dem menschlichen Wesen aus seiner Evolution heraus zuschrieben, so das seine individuellen Impulse sich als Ausdruck einer autopoietischen Ontologie objektiv verstehen lassen, die sich schließlich notwendig an ihre allgemeine Kultur anzupassen haben, weil sie eben selbst schon so allgemein wie diese begründet werden. War es bei Sigmund Freud noch der im Individuum selbst angelegte Gegensatz von der natürlichen und der kulturellen Substanz seines Lebensinteresses, so bei den Lerntheorien der Nutzen einer optimalen Stimulation durch die Umwelt. Es beruhte alles noch auf einer sinnfälligen sozialen Realität, mit der zu hantieren war. Mit der globalen Verselbständigung der Finanzmächte wurde es aber für die Sozialwissenschaften unmöglich, die Substanz der gesellschaftlichen Probleme aus ihren konkreten Verhältnissen heraus zu erkennen und zu bewerten. Daher musste auf die Natur und ihre Regelhaftigkeit zurückgegriffen werden und so wurde aus deren Phänomenen eine allgemeine Wahrheit, die Begriffssubstanz einer bloßen Systematik der Natur entwickelt, die inzwischen in der Soziologie, Psychologie und sogar als Grundlage für alternative Kommunaltheorien hergenommen wird. Auf den Schlachtfeldern der bürgerlichen Wissenschaften entstanden schließlich die Systemtheorien. Den wesentlichen Ansatz hierfür erarbeitete ein Neurobiologe namens Humberto Maturana.
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