"In Zeiten universeller Täuschung ist das Aussprechen von Wahrheit ein revolutionärer Akt." (George Orwell) Täuschung kommt vom Vertauschen, das Versetzen von einer Gewissheit in eine andere oder ihre Verwechslung. Die allgemeineste Täuschung ist die Vertauschung von Form und Inhalt, wodurch eine Form in ihrer Wirklichkeit verselbständigt, durch ihre Verallgemeinerung verschmolzen (siehe hierzu auch Strukturalismus), durch ihre abstrakte Identität (siehe abstrakt Allgemeines) mit eigenem Wesen gegen seinen Inhalt begabt werden kann (siehe z.B. Geld), also ein Inhalt seiner Form zufolge bestimmt wird (siehe Formbestimmung) und sein Wesen in sich selbst verkehrt erscheint (siehe hierzu auch Fetisch). Eine Täuschung kann aktiv durch Fälschung oder passiv im Nachvollzug eines Sachverhalts in der Wahrnehmung entstehen oder auch durch Magie und Suggestion betrieben sein. Die Erkenntnis, dass man sich getäuscht hat, ist die Gewissheit, dass etwas anders ist, als es gescheint, dass die Täuschung der Schein von etwas anderem war, das darin entwirklicht ist. Eine allgemeine Täuschung kann eine falsche Verallgemeinerung oder eine Idee sein, die einer Gewissheit überstellt wird (siehe z.B. Bewertung). Sie ist darin möglich, dass das Gewisse in einem allgemeinen Zweck verschwindet, der ihm überstellt wird (z.B. in einer Ideologie). Wahrheit ergibt sich aus der Überwindung von Täuschung. Der Anspruch auf eine Identität ist eine Fiktion des bürgerlichen Selbstverständnisses, das der Zumutung seiner Selbstentfremdung zu entkommen sucht. Aber weder eine Heimat, noch eine Staatsbürgerschaft, Hautfarbe, Lebensart, Gewohnheit usw. kann dem sich im Wesentlichen selbst fremden Menschen eine Identität, noch ihren Seelen einen Sinn für sich beschaffen (siehe hierzu auch Religion). Sie verdoppeln lediglich das ihnen Fremde, indem sie damit eine ihnen veräußerlichte Objektivität zu einem mächtigen Subjekt objektivieren, es zu einer subjektiven Objektivität erheben, zu einer Geborgenheit im fremd bestimmten Raum<, zu einem Lebenswert eines entwerteten Lebens ersuchen. Identität ist lediglich ein logischer Begriff, durch den Beziehungen und Verhältisse in der Widersprüchlichkeit ihrer Ideologisierung erkennbar werden können. Doch wenn sie einer Analyse entwunden werden, wenn die Täuschungen in ihrem Widersinn nicht erkennbar gemacht werden, wenn sie das darin Abwesende nicht als das Wesen einer fremden Kraft erklären können, wenn sie dessen ideologische Wirkung im Bewusstsein der Menschen nicht aufgedeckt haben (siehe hierzu Ideologiekritik), so herrscht das abstrakt Allgemeine, der Tod über das Leben. Wenn aber in der Täuschung das Vertauschte erkennbar wird, kann dessen Wahrheit auch in seiner Wirklichkeit begriffen und verändert werden. Als unmittelbare Absicht kann Täuschung eine Lüge, z.B. im Zweck eines Betrugs sein, der die Verfälschung einer Interpretation zur Ausnutzung oder Ausbeutung eines Verhältnisses bezweckt, das damit unerkennbar gemacht werden soll. Auch unbewusst wird getäuscht, um eine Selbsttäuschung leben zu können oder in der Absicht, die Wahrnehmung oder die Sprache so abzufälschen, dass sie sich mit andrem Sinn verhält (z.B. objektive Gefühle, Ideologie). Die Wahrnehmung wird durch seelische Täuschung verrückt, zu einem Zustand der Wahrnehmung (siehe Wahrnehmungszustand), weil sie einen Übersinn aufnimmt, der einen Menschen seiner sinnlichen Gewissheit, der Wahrheit seiner Sinne enthebt. Im Denken vollzieht sich eine Täuschung oft auch ohne Absicht durch fehlerhaftes (vielleicht auch voreingenommes) Zusammenführen von Bestimmungen oder in einem Verstand von Zusammenhängen, der ihnen ein Wesen anmutet, das sich nicht unmittelbart erkennen lässt und sich im begrifflichen Nachvollzug des Ganzen der Vermittlung als Täuschung erweist. Im letztren Sinn ist Täuschung ein Begriff der Erkenntnistheorie, der eine Aussage beschreibt, in welcher die Gegenstände als Erscheinung von einem Zusammenhang erfasst sind, dessen Wesen nicht wirklich erkannt und daher nur scheinhaft begriffen ist. Dem hierdurch getäuschten Bewusstsein erscheinen daher die Dinge so, wie sie ihm als Gegebenheit eines Wesens gelten, durch das sie ein zweifelhaftes, gespenstisches oder mystisches Sein bekommen, dessen Identität dem unmittelbaren Wissen verborgen ist. Ihre Faktizität besteht in ihrem Nutzen, den sie für den Menschen haben und dem sich die Menschen wie einem Fetisch überlassen. Ein getäuschtes Bewusstsein hat in seinem Sein den Grund seiner Täuschung. Es ist nicht platter Widerschein (siehe Widerspiegelungstheorie), sondern ein Sinn, den ein solches Sein für den hat, der sich davon täuschen lässt. Ein solches Bewusstsein ist ein Bewusstsein mit eigner Sinnlichkeit, das als Unwissen verborgener Wahrheit sich verhalten kann, weil es einen Sinn hat, der zur Nichterkenntnis dessen treibt, was das ganze Wesen dieses Seins in Wahrheit ist. Täuschung verfolgt also immer einen Zweck, sei es subjektiv oder objektiv. Im Gegensatz zur Wahrheit bezweckt die Täuschung eine Störung oder Zerstörung eines bestimmten Sinne. Die Täuschung hat ihren Sinn wie eine Willen, der auf eine Wirklichkeit gerichtet ist, die ihm dient (z.B. den Willen einer Ideologie oder einem seelischen Zweck). Durch ihn wird der Teil der Wirklichkeit für sich genommen, der solchen Sinn erfüllt. Hierdurch wird zugleich der ganzen wirklichen Welt ihre Wirkung in dem genommen, was sie in dem abgetrennten und verselbständigten Sinn nicht ist. Die abgetrennte Ganzheit dieses Sinns beruht also aus dem Ausschluss und der Abtrennung dessen, was ihn wesentlich ausmacht. Es ist die Scheinwelt einer aparten Sinnelichkeit. Das hiervon Isolierte aber enthält die Erkenntnis dessen, was das Aparte ist. Wer in der Täuschung lebt, dem wird seine Wahrheit zum Fluch. Es ist der Fluch des Ganzen, der jedes Moment ereilt. Das Ende einer verfluchten Geschichte ist die Enttäuschung. Sich selbst kann man nur täuschen, wenn man sich selbst als Objekt hat, dem etwas vorgemacht werden soll. In der Selbsttäuschung reflektiert sich eine Beziehung auf anderes, was sein muss, um selbst zu sein, eine Scheinwelt, die mächtiger ist als man selbst sein kann. Selbsttäuschung entsteht aus der objektiven Bedingung, dass Zweifel nicht sein kann. Wo die Bedingtheit seiner selbst zu erkennen unmöglich ist, ist die Selbsttäuschung notwendig. Sie ist aber nicht nur objektiv elendig, sondern betreibt subjektiv Elend fort als Beschränkung jeder Erkenntnis überhaupt (siehe auch Sekte). | ![]() |