„Die schrecklichsten Leiden sind […] aus dem Gerechtigkeitstrieb ohne Urteilskraft über die Menschen gekommen.“ (Friedrich Nietzsche: "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben") "Wenn man urteilt, urteilt man als Mitglied einer Gemeinschaft." (Hannah Arendt: "über das urteilen", Piper 2013) Urteile sollen dem Ur-Teil einer Entscheidung folgen, um seinen Grund zu ermitteln und dadurch ihr subjektives Erkenntnsinteresse zu emanzipiereen, um das subjektive Maß der Entscheidungen über ihre Objektivation aufzuklären. Indem es dadurch seine gesellschaftliche Bedingtheit und Vermittlung erklärt wird es in die Lage versetzt, darin das Subjekt der Entscheidung zu ent-decken und damit die Vernunft seines Verstands zu erkunden. Urteile werden nicht nur vor Gericht gefällt sondern überall, wo aus bloßen Interpretationen Entscheidungen entschlossen werden, wo zwischen dem einen und dem anderen Verstand im Begreifen des Wesentlichen was ist, geschieden werden muss. Es soll also darüber entschieden werden, was das ursprüngliche Teil, das Ur-Teil auch in seiner Abwesenheit ist, das dem zugrunde liegt und verstanden sein muss, um den Grund der Entscheidung in der Gewissheit eines ganzen Zusammenhang zu erfahren. Damit kann sich das hierdurch der Wahrnehmung gewiss Gewordene (siehe sinnliche Gewissheit) den Selbstgerechtigkeiten des bürgerlichen Bewusstseins entgegen stellen. Urteile können daher nur durch ihre Begründung bewahrheitet werden. Emmanuel Kant wollte deren Wahrheit durch die Art ihrer Vernunft geschieden verstehen. Er leitete daher hieraus sein Erkenntnisinteresse aus seinem Verständnis dieser Vernunft ab, die er als Grund und Wegbereiter des Verstandes ansah: "Die Vernunft bereitet also dem Verstande sein Feld" (Kant, Kritik der reinen Vernunft) Da hierdurch die Vernunft schon vor dem Verstehen stehen soll, also deren Boden zu bereiten hatte, geriet sie in einen hermeneutischen Zirkel eines Vorurteils der Selbstgerechtigkeit eines allgemeinen Selbstverständnisses über eine zirkulären Schlussfolgerung zwischen verstehen und begreifen (siehe hierzu auch bürgerliche Wissenschaft). Solches Bewusstsein bezieht sein eigentümliches Selbstbewusstsein zwischen einem voraussetzungslosen (apriorischen) theoretischen Sein und gegenwärtiger Bestimmtheit, die in ihrem bloßen Dazwischensein zu bewahrheiten bleibt. Vernunft kann sich demnach nicht geschichtlich im und durch Verstand entwickeln. Stattdessen sollte das Herabsteigen aus der Vernunft den Verstand ordnen und begründen und sich zugleich in seinen Erkenntnissen bewahrheiten. Diesen Widerspruch wollte Kant durch seine (Ein-)Teilung der Vernunft in einen theoretischen und praktischen Sinn, der sich in der Urteilskraft darstellen und vermitteln würde. Er verstand deren Vernunft also einerseits übergeschichtlich (siehe hierzu auch Abstraktionskraft), indem er sie aus einem natürlichen Gattungsbegriff begründet verstand, der zugleich durch seine praktische Gegenwärtigkeit unentwegt hinterfragt und transzendiert werden müsse. Mit den marxistischen Grundlegungen des historischen Materialismus wurde das Begreifen selbst aus seiner geschichtlichen Grundlage, aus dem konkreten Sein der geschichtlich entwickelten Lebensverhältnisse der Menschen heraus als deren geschichtlich bestimmtes Bewusstsein verstanden. Im Prozess einer Analyse soll ein Urteil diesen abschließen und zur Entscheidung darüber kommen, was sich daraus als ihr Ur-Teil substanziell ergeben hat. Urteile werden gesprochen, weil und sofern sich die Teile nicht in ihrem wirklichen Zusammenhang erkennen lassen und eine Ur-Teils-findung im Ganzen ihrer Interpretationen und Gewohnheiten nötig haben. Darin soll sich die Wahrheit ihrer Beziehungen erweisen, die im beliebigen Nebeneinander der Meinungen oder Auffassungen zur Bewertung ihres Gegenstands geäußert werden. Es sind dies nicht nur die Beziehungen, sondern auch die Ereignisse in den Verhältnissen der Menschen, die als scheinbar unabhängige Gegebenheiten nebeneinander geschehen. Urteile werden zu einer Frage des Rechts, wenn und wo diese einen Konflikt erzeugen und sie deshalb politisch bewertet werden müssen, wo das eine das andere ausschließt und es dennoch zu einem Schluss kommen muss. Das verlangt den Beweis, dass sie unterscheidbare Gründe haben, deren Bewertung den Abschluss ihrer Konflikte und die Widersprüche des Meinens und Dafürhaltens bewirken soll. Solches Beurteilen nimmt die Sache eben nur als ihren Umstand wahr und muss ihr äußerlich bleiben, kann selbst nicht unmittelbar aus ihr hervorgehen, denn die Sache ist gesellschaftlich, die Meinung hierüber privat. Und schließlich kommt die Notwendigkeit einer Beurteilung ja auch nicht von dieser. Sie entsteht aus dem Widerspruch ihrer privaten Form in ihrer gesellschaftlichen Beziehung. So ist das Urteil immer schon in diesem Widerspruch der Form zu ihrem Inhalt bestimmt und notwendig subjektiv, so objektiv es auch in einer Beziehung auf seine Formbestimmung hin gesprochen sein mag und Wirkung aus der Schlussfolgerunng hierüber bezieht. Dadurch erst verliert sich die Meinung über ihren Verhalt - nicht jedoch aufgehoben im Urteil, sondern abgesondert, entsozialisiert in einer Vernunft des Dagegen- und des Dafürhaltens. Wo Wissenschaft das Dilemma dieses Widerspruchs auflösen und ihn aus dem gesellschaftlichen Widerspruch seiner Form herausheben müsste, wird das Urteil zu einem politischen Kompromiss zwischen privater Ursache und gesellschaftlichem Grund. In einer Analyse erschließt dann ihr Urteil aus dem Ur-Teil selbst den Schluss, der als Ur-Sache, als substanzieller Grund einer bestimmten Wirkung hergenommen wird. Um als Schlussfolgerung wahr zu sein, muss es sich lediglich auf das Unteilbare eines Teils beziehen, das im Ganzen begründet ist, "am Anfang alles war", selbst aber nicht Grund, doch als Form einer Substanz da ist, die im Ganzen wirkt und ohne dies nicht wirklich da ist, wenn nicht sein kann, was ist, sich das Ganze also lediglich als zufällige Erscheinung erklären lässt, wenn es nur zum Gefallen da ist. Das Ur-Teil will Klarheit darüber verschafft, was es in Wahrheit ist, was das Wesen in seiner existenziellen Form, in seiner Elementarform verstehen und erklären lassen soll. In der Philosophie sollen Urteile wertfrei sein und über bestimmte Aussagen vermittelst ihres ganzen Zusammenhangs, in dem sie stehen befinden, sie als Ur-Teile desselben in Beziehung setzen. Hierbei geht es dann wesentlich um den Begriff dieses Ganzen (siehe auch Totalität), in welchen sie gestellt werden. Das philosophische Urteil ist eine Schlussfolgerung aus dem Verhältnis von Teil und seiner Ganzheit. Von daher sind ihre Urteile immer Reduktionen, eidetische Reduktionen, Ausfluss einer phänomenologischen Beziehung, die in einer politischen Rechtsform nur begründen ist durch das, was ein Richter darin wahrnimmt. Nicht was es ist, sondern wie es wirkt wird durch das Urteil erschlossen und damit auch der Grund eröffnet, bzw. entdeckt, der ohne das Urteil unwirklich, so widersinnig bliebe wie er ist. Jenseits einer Analyse ist ein Urteil aber nicht nur selbst eine Aussage, sondern auch die Befindung über eine Aussage und bezieht sich in ihrer Wirklichkeit immer auf deren Wahrheit, also auf das Ganze der Aussagen und Beziehungen, die es betrifft. Meist werden solche Urteile durch einen Maßstab, einen gesellschaftlich anerkannten Wert gesprochen und sind implizite Werturteile, die letztlich auch nur deren Ideologie darstellen. Wo eine Aussage Objektives betrifft, müsste das Urteil auch objektiv begründet sein. Diese Begründung ist für den Menschen allerdings selbst nur im Begriff der Sache möglich, drückt also auch immer eine Beziehung zu ihr aus und muss ihre subjektive Wahrheit darin aufgehoben haben. Von daher würde das objektive Urteil die vollständige Erkenntnis der Sache und ihrer Beziehung zum Menschen verlangen. Die Beurteilung eines Sachverhalts kann nur mit dem vollständigen Begriff eines Sachverhalts wahr werden, wenn sie sich in ihrer Wirklichkeit als wahre (zutreffende) Schlussfolgerung erweist. Andernfalls hat der Begriff einen Fehlschluss erbracht und müsste als unwahr verwiesen werden. In der Rechstform eines politischen Urteils ist sie eine allgemein gültig gemachte Aussage über eine Ursache, welche auf ein Subjekt Wirkung hat. Es ist das objektive Urteil des ihm unterworfenen Subjekts über die Verursachung: Das Ur-Teil der Ur-Sache, die eidetische Deformation (Reduktion) einer Erkenntnis des Wesens einer Wirkung. Solches Urteil überwindet den Ort der Wirkung, ihren Lebensraum, und sucht ihren Anlass in der Sache (oder dem Menschen) als den eigentlichen Grund der Wirkung, die hierfür Wirkkraft erweisen soll, die zu beweisen wäre. Ist die Wirkung beispielsweise eine Empfindung, so enthält sie noch immer auch den reinen Eindruck auf das Subjekt, also ein Gefühl (siehe Gefühlsurteil). Es wird aus einer rein willkürlichen Beziehung zu einer objektiven Gewissheit, meist aus dem Eindruck, den ein Gutachter macht, bezogen. Solches Urteil kann seinem wirklichen Gegenstand nicht entsprechen. Es setzt sich nur formal über den Eindruck hinweg und beschreibt die äußerliche Begründetheit, welche die Quelle des Eindrucks sein soll. Ohne dies bliebe es ja auch nur ein Wahrnehmungsurteil und darin nur Selbstbestätigung, moralisierendes Empfinden (Selbstgerechtigkeit), Willkür (s.a. Wille). Die Wahrheit eines solchen Urteils könnte nur im Wissen über eine Sache oder einen Menschen bestehen, das seiner gewiss ist, - also nur wissenschaftlich und im Streit um ihre Gewissheiten sein. Ein Fehlurteil besteht fort als schlechtes Gewissen (s.a. Schuldgefühl) und verbreitet sich in den sozialen und psychischen Konflikten, die es hervorruft. Die Basis aller Urteile sollte daher der wissenschaftliche Streit in seiner damit verbundenen Geschichte, der Geschichte um Schuld und Sühne des Wissens und seines Bewusstseins sein. Dieses wäre schließlich zwangsläufig revolutionär, weil es nicht nur einen Sachverhalt als Ereignis, sondern mit ihm den Zwang der Verhältnisse aufzuklären hätte, in denen das Leben sich verhält. |
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