"Ach, der Verstand ist noch in Unterhosen! Verstand kommt von "Verstehen" und ist von daher zunächst suchend, also subjektiv tätig. Er sucht den Inhalt seiner Empfindungen in der Beziehung zu Äußerungen in einer Welt außer sich, die durch sein Gespühr seine Aufmerksamkeit antreibt und nach Beweisen verlangt. Er ist daher auf etwas ihm Äußeres seiner Erfahrungen, auf objektivierbaree Wahrnehmungen bezogen, die er aus der Erinnerung ihrer Form aufzufassen sucht, wie sie z.B. auch in Erinnerungsbildern des Gedächtnisses verblieben ist. Das Gedächtnis liefert dem Verstand seine Inhalte. Ohne dieses kann er sich nicht bilden, nicht bewähren und nicht entwickeln. Ohne diese Rückbeziehung auf seine Quellen verliert der Verstand seine sinnliche Gewissheit und verfällt hierüber nach und nach in die Verwahrlosung seiner Urteilskraft (siehe auch tote Wahrnehmung). Verstand ist die natürliche Voraussetzung dafür, dass überhaupt aus den Kenntnissen der Wahrnehmungen Erkenntnis werden kann. Dieses Verstehen verlangt zunächst die Durchdringung ihrer Form vermittelst der eigenen Erfahrungen und Lebensinhalte innerhalb der Verhältnisse des eigenen Lebens aus dem Gedächtnis im Lebensraum ihrer Zeit (siehe z.B. Familie), den Bedingungen und Umständen, worin diese Erinnerungen entstanden waren (siehe auch Kultur). Verstand ist also die Beziehung auf Unbekanntes durch das Erinnerte vergangener Lebensinhalte (siehe Kenntnis), reine Empathie einer gesellschaftlichen bzw. vergesellschafteten Wahrnehmung (siehe auch Kommunikationsindustrie). Verstand entsteht also aus der Empfindung einer unmittelbar gesellschaftlichen Beziehung der Wahrnehmung, wie sie auf die Selbstwahrnehmung wirkt. Der Verstand staht daher schon vor jeder Logik und Vernunft und wird von daher zum Bestand in deren Dasein, worin er – noch bar jeder Vernunft – das Material des Denkens für die Begriffsbildung findet. Im gesellschaftlichen Verhältnis der ursprünglichen Akkumulatton des Kapitals hält der Gebrauchswert der Waren noch ihren gesellschaftlichen Sinn und Nutzen zusammen. Beides trennt sich erst durch den Geldbesitz über die Kreditwirtschaft einerseits über das Bildungsbürgertum für den Nutzen der Geldverwertung, andererseits als Sinn seiner Kultur, die sich zur Sicherung einer Staatskultur des Kapitals über das Kulturbürgertum verfestigt. Als gesellschaftlicher Wert für den Nutzen im Zweck seiner Verwertung in der Finanzindustrie als Existenzwert eines fiktiven Kapitals ist vor allem Verstand nötig, für die Fortbildung des Lebensstandards der Reproduktion des Lebens vor allem das Durchsetzen einer Vernunft der Kapitalistischen Kultur. Von daher ist das Betreiben Bildungsbürger von anderen Interessen als die der Kulturbürger angetrieben. Beide herrschen nebeneinannder. Wenn der Verstand sich durch Reize beeindrucken lässt, die er nicht durch Analyse mit Vernunft begabt, wird er blindligs einem ästhetischen Willen und einer ästhetischen Beurteilung nachgehen müssen – und wenn Vernunft sich dem Verstand entzieht, kann sie nur dogmatisch werden (siehe Faktenglaube). Erst nachdem aus dem Verstand durch Analyse deren Substanz objektiv erschließbar ist (siehe Begriffssubstanz), lässt sich darin auch eine Vernunft seiner Lebensverhältnisse als notwendige Substanz einer Beziehung erkennen, die ohne dies nur wesenlos - also unwesentlich – für sein Denken und die Freiheit seiner Meinungsbildung sein könnte (siehe auch Wählermeinung). Wo sie im Jenseits ihrer unmittelbaren Wahrheit keine Gefühle entwickeln konnte stirbt die Substanz ihrer Erinnerungen. Es verliert ihre Wahrnehmung an Eindrücklichkeit und Aufmerksamkeit – und so stirbt die Wahrheit der Wahrnehmung ab (siehe tote Wahrnehmung). "Nur der Verstand, so kalt und trocken, Der Verstand ist Voraussetzung und Resultat einer Verständigung, das Verstehen dessen, was zur Sprache kommt oder auch als Sache funktioniert. Er kann also zum einen funktional und vernünftig, also rein logisch sein, oder auch die Sprache oder Sache durchdringen, "dahintersteigen", was gemeint ist (siehe auch Meinung) oder gemacht wird. Er versteht somit eine standhafte Beziehung in ihrer Form und ihrem Inhalt. "Das Denken als Verstand bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere stehen; ein solches beschränktes Abstraktes gilt ihm als für sich bestehend und seiend." (G. W. F. Hegel, Einleitung der Logik) Jedem Verstand geht daher schon eine Kenntnis der Empfindung voraus, die es erst möglich macht, etwas anderes als sich selbst zu verstehen. Wovon man Kenntnis hat, da hat man Sinn für etwas, das einfach so da ist (siehe Dasein), wie es auch durch die sinnliche Tätigkeit der Menschen in und durch ihre Natur geworden war und also auch menschlich ist. Von daher ist diese Beziehung unmittelbar, ein Wissen um etwas, was man im Sinn hat, auch ohne dass es der Wahrnehmung schon wirklich gegenwärtig sein muss, dass alles letztlich natürlich ist, was wir empfinden und fühlen, was wir also durch die Natur unserer Sinne wahrnehmen können - eben weil und sofern wir dafür einen Sinn haben. Der Verstand betreibt mit seinem Verstehen eine nur stehende Beziehung, die nicht durchdringen kann, was deren Verhältnisse begründet, die dem Verstand vor alller weiteren Erfahrung schon vernünftig erscheinen (siehe hierzu auch Aufklärung). Er kann aber nur das verstehen, was ihm nötig ist (siehe auch Notwendigkeit), worauf er wirklich und also in Wirklichkeit steht, was er wissen will, weil er es wissen muss, und oft so gerne es im Vorhinein schon zu wissen glaubt (siehe hierzu auch Strukturalismus). Seine Grundlage ist sein Dasein, seine Klassenlage, die Gegebenheiten seines Raumes in seiner Zeit, die er nicht durchdringen und nicht überwinden kann, solange er nicht zur Kritik an seinen ihm fremden Lebensverhältnissen gereicht, nichts Ganzes darin, nichts außer sich erkennen kann. Der "Versteher" ist dennoch in Mode, denn man ist gerne verständig, versteht alles, und bleibt doch oder gerade deshalb dumm, weil es das Identische Sein als Identität des Verstehens voraussetzt. Von daher kann der Verstand nur verstehen, nicht begreifen und nicht erkennen. Aber er erinnert sich, bewahrt das Verstandene im Gedächtnis, das in der Wahrnehmung im Zusammenhang Aufgenommene und mit dem Wahrnehmen identische, - eben das Verstehbare, wie es erscheint (siehe Widerschein). Verstand gilt für Kant als "das Vermögen, Erscheinungen vermittels von Regeln spontan zu verbinden". Er setzt Erscheinung dem Verstand voraus. Notwendig für das Verstehen ist allerdings das vorurteilsfreie Aufnehmen von Gegebenem, wie es der Erfahrung entspricht, also dem Erfahrenen nicht widerspricht, sich aber nicht von selbst erklärt. "Es trägt Verstand und rechter Sinn Wenn wir etwas nur verstehen wollten, müssen wir es nicht unbedingt auch denken. Aber der Grund, warum etwas sich nicht im Verstand selbst schon aufklärt, ist denkwürdig, denkbar, weil es einen Widersinn verbergen muss. Es ist irgendwie "unlogisch", verlangt das Nachdenken über die Formen, worin es widerscheint. Daraus erst kann eine vernünftige Erklärung, Vernunft entstehen. Der Verstand hat damit nur soweit zu tun, als Verstehen die Voraussetzung rationaler Urteile ist, die sich auf die Fakten, auf die so genannte Empirie beziehen. Aber ohne schlussfolgerndes Denken - im blanken Realismus von Wirklichkeitsbehauptungen (siehe auch Erkenntnistheorie) - entsteht diese Voraussetzung selbst erst mal in einer Wahrnehmung von Wirklichkeit, die durch ihre Selbstwahrnehmung, durch ihre Selbstbezüglichkeit schon verkehrt ist. Der kühle Realist ist schon verrückt bevor er seine Wahrheit ausspricht, die Wahrheit der herrschenden Aneignung durch Benutzung aller gesellschaftlich gebildeten Sinne für sich selbst, für sein absolutes Geltungsbedürfnis (siehe hierzu auch abstrakt menschlicher Sinn). "Die Deutschen sind so besonnene Realisten, daß alle ihre Wünsche und ihre hochfliegendsten Gedanken nicht über das kahle Leben hinausreichen. Und diese Wirklichkeit, nichts weiter, akzeptieren die, welche sie beherrschen. Auch diese Leute sind Realisten, sie sind sehr weit von allem Denken und von aller menschlichen Größe entfernt, gewöhnliche Offiziere und Landjunker, aber sie irren sich nicht, sie haben recht, sie, so wie sie sind, reichen vollkommen aus, dieses Tierreich zu benutzen und zu beherrschen, denn Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff, hier wie überall." ((MEW 1, S.339) Als bloßes Verständnis wird der Verstand zum Vollstrecker einer "Banalität des Bösen" (Hannah Ahrendt), eines allgemeinen Nutzens, zu einer Affirmation der bloßen Wahrnehmung der herrschenden Wirklichkeit, identifiziert sich im Gefühl der Masse - im Massengefühl - mit seinem Objekt und bleibt im Augenschein der Ereignisse und des Erlebens verhaftet. In solchem Verständnis wird er zur Staatsraison, hebt sich der Verstand von selbst in einem Gemeinsinn auf, wie er z.B. sich im Faschismus totalisiert. Es setzt sich außer Zweifel und steht der Erkenntnis im Wege. Solange es die Bedingungen der Wahrnehmung nicht begreifen kann, kann es die Vernunft der Wirklichkeit über alle Erkenntnis stellen, wenn sie entsprechend in Not ist und von daher zweifelsfrei, also unbedingt sein soll. Verstand ist letztlich Wahrnehmung im umfassenden Sinne, Empathie, also das, wie ich die Welt verstehe, ihre Tatsachen (Empirie) und Evidenzen in ihrer Wahrheit durchdringe und als das für mich geltend mache, wie es für mich sein kann. Verstand wird zwiespältig, wo das Verstandene zugleich um Verständnis heischt, selbst also nur für sich sein und bleiben soll. In diesem Sinne kann Verstand auch in Widerspruch zu dem treten, was ich wahr habe und des Schicksal der Wahrnehmung als entäußerte Form von Erkenntnis teilen. In zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen sie Menschen als Subjekte zugleich Objekte ihrer Verhältnisse sind, wird Verständnis leicht zu einem Vorurteil im Zwischenmenschlichen, das nur für dieses sich mitteilt. Der Verstand verliert seine Empathie, sobald er nichts mehr fühlen kann, sobald er nämlich von einem objektiven Gefühl bestimmt ist. Von daher kann man seinen Verstand verlieren, wenn er von einer Wahrheit bedrängt ist, die er nicht verstehen kann (siehe Verrücktheit). |
![]() |
|