"Für alle Lebewesen, die keine Verträge darüber abschließen konnten, sich gegenseitig nicht zu schaden noch schaden zu lassen, gibt es weder Recht noch Unrecht. (Diogenes Laertius X, 150.) Ebenso aber ist es auch bei den Völkern, die die Verträge darüber nicht abschließen konnten oder wollten, sich gegenseitig nicht zu schaden noch schaden zu lassen. Gerechtigkeit ist nicht etwas an sich Seiendes, sondern im gegenseitigen Verkehr, an welchem Ort auch immer, werde ein Vertrag abgeschlossen, sich nicht zu schaden noch schaden zu lassen." (Karl Marx, MEW 40, S. 343) Ein Vertrag soll ein verträgliches Verhältnis garantieren, also die formale Regeln in der Auseinandersetzung verschiedener Interessen um das Verhältnis zur Sache zu konstituieren. Er regelt also ein sachliches Verhältnis in der Form, worin sich die Vertragspartner in ihren unterschiedlichen Interessen über die Vertragsdauer hinweg einigen, und ist somit die Form, worin Menschen gesellschaftlich und zeitlich aufeinander bezogen sind, weil und sofern sie einander ergänzen oder nützen, ganz gleich, was sie als stoffliches Maß hierbei verwenden. Von daher ist der Vertrag immer schon ein gesellschaftlicher Kontrakt, eine Einigung, die durch die verfasste Gewalt einer Verbürgung - der Gewalt der Bürger im bürgerlichen Staat - versichert sein muss. Ein Vertrag regelt also das Verhältnis unterschiedlicher Interessen innerhalb eines allgemeineren rechtlichen Verhältnisses, das seine Bedingungen gewährleistet. Er formuliert daher ein politisches Verhältnis, das je nach der gesellschaftlichen Form dieses Verhältnisses eine verträgliche Beziehung regelt, die eine allgemeinere Gültigkeit und Verlaufszeit (Stetigkeit) hat, als die unstetigen Einzelinteressen. Von daher ist ein Vertrag immer reine Form, die von den Inhalten in ihrem Zeitverlauf abhängig ist, die damit in ein stetiges Verhältnis unterschiedlicher Interessen gesetzt sind. Ein Vertragsrecht bezieht sich lediglich auf die Einhaltung entsprechend vereinbarter Aufwände als Vertragsverpflichtung. Es kann ein solches Verhältnis weder erzwingen, noch bestrafen. "Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben. Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham! Denn jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. Die einzige Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihrer Privatinteressen. Und eben weil so jeder nur für sich und keiner für den andren kehrt, vollbringen alle, infolge einer prästabilierten Harmonie der Dinge oder unter den Auspizien einer allpfiffigen Vorsehung, nur das Werk ihres wechselseitigen Vorteils, des Gemeinnutzens, des Gesamtinteresses." (siehe MEW Band 23 Seite 189f). Ein Vertrag kann nur auf eine positive Wechselseitigkeit hin ausgerichtet sein, die sich aus der Verbindlichkeit für seinen Erfolg durch die Wechselseitigkeit des Ergänzens begründen. Ein Vertragsbruch resultiert aus einem endlos gewordenen Zweifel an diesem Erfolg. Es kann eine Erfolglosigkeit nicht sanktionieren, weil diese selbst schon den Vertrag in seiner Begründung auflöst. Eine "Vertragsstrafe" wäre die Verkehrung seines Zwecks, wie sie in der Marktwirtschaft üblich ist, um Geldvorschüsse ins Verhältnis zu setzen, also um abstrakte "Erfolge" (siehe hierzu auch Profit) zu garantieren. Wo sich der einzelne Inhalt von dieser Form der Einigung in einer abstrakten Allgemeinheit entfremdet, wird der Vertrag zur Form einer Entfremdung - zum Beispiel, wenn er ein abstrakt allgemeines Mittel wie Geld als Maßstab verwendet. Er ist unbedingt wechselseitig und also nur in Verhältnissen wahr, wo er keine aus selbstbezogenen Interessen hervorgehenden Bestimmungen verallgemeinert und enthält, bzw. unterschiebt (impliziert) oder selbst eine Formbestimmung darstellt. Verträge entstehen in einem Einigungsprozess um ein Vorhaben und beziehen sich auf eine gesellschaftliche Wirklichkeit und Verwirklichung, sind also politische Formen eines Vorhabens, durch welche seinem Scheitern entgegengewirkt wird. Darin können auch Gewohnheiten oder kulturelle bzw. sittliche Grundlagen eines Verhältnisses versichert werden, wodurch Verträge zu einer unmittelbaren Rechtsform werden - zu Gesetzen bestimmter, durch ihre politische Form eingegrenzter Verhältnisse. Von daher lassen sie sich auch als demokratische Rechtsgrundlage auffassen, wenn sichergestellt ist, dass der von der Vertragserfüllung betroffene gesellschaftliche Bereich hierfür auch gesetzgebend ist. Vertragsverhältnisse kommen zwar auch in der Marktwirtschaft vor; umgekehrt sind sie aber nicht deren wesentliche Form sondern vermitteln dort nur eine ihrem Inhalt widersprechende Formbestimmung (z.B. als reines Wertmaß einer Beziehung). Weil ein Vertrag nur auf Verträglichkeit, nicht auf Formbestimmung, sondern auf Übereinkunft beruht, kann er auch selbst Form eines bestimmten Inhalts sein. Übereinkommen geht eben wesentlich aus bestimmten Verhältnissen und in deren Maß hervor und es ist deshalb nicht notwendig durch eine abstrakte Allgemeinheit, einer Durchschnittsgröße des Arbeitsaufwandes, einer Wertgröße bemessen. Ein Vertrag hat kein anders bestimmtes Maß nötig als das, worauf man sich konkret, also in unmittelbarer Beziehung zur Sache und zwischen Bedürfnis und Aufwand einig sein muss, wenn die Beziehung gelingen soll. Dies sowohl einzeln wie auch in Gesellschaft, also als Grundübereinkunft der Reproduktion zum Beispiel oder der Entwicklung, Erfindung, Sonderleistung usw. Das macht die Freiheit im Notwendigen aus. Natürlich bleibt die Notwendigkeit dabei grundlegend, nicht aber die Formbestimmung eines Vertrags, sondern der Vertrag selbst. Alle Freiheit ist die Creation, wie das Notwendige gestaltet und entwickelt wird: Bildung von Reichtum. | ![]() |