Die Tradition der toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen. Die soziale Revolution (…) kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft. Sie kann nicht mit sich selbst beginnen, bevor sie allen Aberglauben an die Vergangenheit abgestreift hat. Die früheren Revolutionen bedurften der weltgeschichtlichen Rückerinnerung um sich über ihren eigenen Inhalt zu betäuben. Die Revolution (…) muss die Toten begraben lassen, um bei ihrem eigenen Inhalt anzukommen." (MEW Bd.8, S. 115). Der Volkskörper ist zunächst die Ideologie einer völkischen Kulturalisierung von Körper, das als Körpergemeinschaft gedachte Volk, wie es dem gemeinen ästhetischen Willen der Selbstbehauptung im Gemeinsinn einer Gesinnung in deren Fiktion entspricht. In diesem Sinne ist dies die Grundlage der Rassentheorien, die eine Volksgesundheit als Reinheit dieses "Körpers" anstreben und zum Teil auch durch beispiellose Vernichtungsaktion des "lebensunwerten Lebens" (siehe Euthanasie) und mit Zwangssterilisation betrieben hat. Die Möglichkeit solcher Ideologie resultiert zum einen aus der Verelendung und dem Zusammenbruch organischer Zusammenhänge in Krisenzeiten des Gesellschaftssystems, die immer auch Krisenzeiten des Sozialsystems und der Gesundheitsfürsorge sind. Hiergegen entzieht sich der Staat und seine Funktionäre der zunehmenden Anfälligkeiten durch Krankheit und Verwahrlosung und ihrer "wirtschaftliche Belastung" mit solcher Ideologie als Apell an die eigene Gesunderhaltung zum Wohle des Volksganzen und der Überantwortung der Fürsorge an Eigenleistung und Disziplinierung (z.B. Volkssport, Hygienediktatur). Von daher ist die Ideologie vom Volkskörper eine Reaktionsbildung aus sozialen und wirtschaftlichen Interessen, die in der Behauptung eines heilen "Volksorganismus" sich darstellt als allgemeinmenschliche Notwendigkeit, um daraus entsprechenden Zwang gegen die Krankheiten und ihre "Verursacher" abzuleiten. Meist wird hierin schon definiert, was gut und was schlecht und auch was artig und abartig für diesen Volkskörper sei. Solcher Körperkult ist somit durch einen überindividuellen Körper, durch den verstaatlichten Körper zum allgemeinmenschlicher Körper begründet, der den Rationalitäten einer entsprechenden Volkswirtschaft, den Notwendigkeiten der Ersparnis, der Vernunft des Wirtschaftsfunktionalismus gehorcht und sich den Menschen überstellt. Zum anderen veräußert diese Ideologie individuelle Subjektivität, wie sie auch in der Idolbildung anzutreffen ist als Idealisierung körperlicher Allgemeinheit, als Kulthandlung einer gemeinschaftlichen Masse (z.B. in der Fanatisierung von Volkssport). Darin versammelt sich eine Übereinkunft körperlicher Gemeinschaftlichkeit, wie sie sich aus allgemein gewordener zwischenmenschlicher Bezogenheit zu einer Ganzheit entwickelt, die sich darin gegen sinnliche Isolation wendet und deren implizite Lebensangst aufhebt. In der Form einer solchen Gemeinschaftlichkeit wird eine Befriedigung untergegangener Individualität gesucht, die sich hiergegen wendet und diese auch zugunsten dieser Allgemeinform aufgibt und vergisst (siehe auch Selbstverleugnung). So wird eine Ansammlung von sich selbst relativ gleichgültigen Menschen, eine Menschenmasse, als Hintergrund der Selbstbehauptung, zur entäußerten Selbstbehauptung notwendig, durch welche Angst aufgehoben ist. In diesem Sinne dient der Volkskörper ihrer Genesung, ihres Heils, welchem das Selbstverständnis unterworfen wird. In solchem allgemeinen Körperkult wird der Sinn aller Beziehungen zum Gemeinsinn kultiviert, der als praktische wie auch unmittelbar politische Notwendigkeit für jedes Individuum der hierin definierten Gemeinschaft zu gelten hat, als Gesinnung schlechthin. Hierdurch wird Selbstbezogenheit zur Selbstaufhebung, Egoismus zu Altruismus, der Mensch zur genesenden Körpermasse. Jede individuelle Subjektivität wird - wo es nötig erscheint - durch das behauptete Wohlergehen der Masse gebrochen, Selbstbezogenheit in und durch Masse, welche im Körper ihren Willen wie eine allgemeine Körperseele haben soll. Der Volkskörper ist die politische Subjektivierung einer Kulturmasse, ein absurdes Sinnbild einer abstrakten Allgemeinheit von Menschen als Gesamtmasse eines Kulturkreises genommen. Der Begriff wird von faschistoiden Politikern und Wissenschaftlern verwendet, die in den Menschen nur das Material ihrer politischen Vorstellungen sehen. Wo die Selbstentleibung der Menschen fortgeschritten ist, können sie sich auch selbst unter einem solchen Begriff subsummieren und hierauf ihre Meinung von sich bilden und entsprechend reaktionäre Sympathien entwickeln. Populistische Politiker nutzen dies zu ihrer Wahlpropaganda und sind bei entsprechender Korelation in der Lage, aus einer bürgerlichen Demokratie einen faschistischen Staat zu errichten. Solch scheinbarer Interessensgleichheit von Bürger und Staat geht eine Phase der Selbsttäuschung auf der Basis einer Krise der ökonomischen Lage vorraus, die Lebensgemeinschaften als Krisenreaktionen hervorbringt, Scheinwelten unabhängiger Natürlichkeiten, welche Ursprungssehnsüchte befriedigen und seelische und körperliche Isolation überwinden (siehe Volksseele). Der Sport hat hierbei oft eine tragende Funktion, sowohl für solche Verbundenheiten wie auch für ihre Propaganda. | ![]() |