Wo Wahrnehmung widersinnig wird, sich selbst widerspricht, wo sie ihre Wahrnehmungsidentität nicht mehr aus sich selbst heraus finden und empfinden kann, muss sie sich objektiv in Gefühlen für sich selbst erhalten und durch ihre Selbstgefühle frei machen, sich hieraus bestimmt verhalten, sich an objektivierten Gefühlen ausrichten, ihre Wahrheit in der Objektivierung von widersprüchlichen Gefühlen als Gefühl für sich, als Selbstgefühl aneignet und darin sich im Gefühl von eigener und eigentümlicher Wahrheit mit andern wahrmacht. Wahr machen bedeutet von daher zum einen Verwirklichung von etwas Wahrem außer sich, einer ausschließlichen Wahrheit, die niemals wahr sein kann (siehe hierzu auch Dogmatismus), zum anderen das Erzeugen einer Wahrheit, die für sich nur Gefühl ist, also nicht durch sich und für sich wahr sein kann, für sich also als unwirkliche Wahrheit bzw. unwahre Wirklichkeit verbleibt. Aber ohne eine wahre Beziehung auf anderes kann es keine Wahrheit für deren Inhalte geben. Es wäre das Einzelne unmittelbar allgemein, für sich als etwas Ganzes genommen, etwas Einzelnes zu einem unwahren Ganzen verallgemeinert. Dies wäre die vertauschte Wahrheit einer Empfindung, die als Wahrnehmung, als Teil enes Ganzen und also nur als Täuschung wahr sein könnte. Immerhin kann etwas dadurch wahrgemacht werden, dass es als das, was es in der Beziehung zu anderem ist, nicht für wahr genommen wird, aber als das, was es bewirkt, vertauschte - und also - Wahrheit ist (siehe objektive Subjektivität), eigene Wirkung durch fremde Wahrheit haben kann (siehe hierzu auch Ästhetik) - ein Widersinn in sich wäre. Dies wäre nur durch beständige Selbstvergegenwärtigung zu erreichen, die sich als Verhältnis der Selbstentfremdung nur wechselseitig ausdrücken und verfestigen kann und durch fremde Eindrücke, durch reizvolle Wahrnehmungen Eindruck auf andere machen muss. Dem geht voraus, dass es objektive Gefühle geben muss, welche die Wahrnehmung dem Inhalt nach bestimmen und dass sie diese Bestimmung durch Selbstwahrnehmung erfahren, dass sie ihre Wahrnehmung also erleben. Im Erleben vereinen sich Empfindungen und Gefühle auf eine ganz eigene Art und Weise. Ob gewollt oder nicht: Die Empfindung wird unmittelbar gefühlt und was ihr vorausgeht ist dabei völlig gleichgültig. Leben wird darin zu einem Ereignis, das aller Zusammenhänge enthoben zu sein scheint. Und das Lebensgefühl eines solchen Ereignisses bestimmt die Empfindung zum Inhalt des Gefühls. Es kehrt die Beziehung von Empfindung und Gefühl um zu einem Lebensgefühl, worin sich die Empfindungen der Erlebnisse verallgemeinern. Das macht aus den Gefühlen Reizungen ganz eigener Art: In ihnen verdoppelt sich der Sinn einer Beziehung in der Form einer Selbstbeziehung zur Sinnlichkeit eines Selbstgefühls, in welchem Empfindungen und Gefühle zu einer ästhetischen, innerlich scheinenden Kraft wahrgemacht werden, welche die Wahrnehmung als Ganzes aufreizt. Nicht mehr die Empfindungen verallgemeinern sich in den Gefühlen und nicht das Gefühl für einen Menschen oder eine Sache bildet das Gedächtnis der Menschen aus. Umgekehrt: Das Lebensgefühl im Erleben wird zur bleibenden Erinnerung im Gedächtnis der Menschen. Es macht ihr Selbstgefühl in einer Gesellschaft aus, deren Wahrnehmungen vor aller Erfahrung schon objektiv vermittelt sind, weil sie objektive Gefühle voraussetzen, worin ihre Empfindungen zu Selbstwahrnehmungen vertauscht sind. Und die sind ihnen vorausgesetzt, weil sie auf einer Beziehungswelt unendlicher Möglichkeiten des Empfindens, nämlich auf Kapital, auf reinem Geldbesitz gründen. Wahrnehmung kann in der Beziehung auf sich selbst nicht wahr sein; sie kann ihren Gegenstand für wahr halten, aber sie kann ihn nicht durch sich selbst als wahr erweisen, nicht wirklich beurteilen. Sie kann ihn nur in der Bestimmtheit wahrnehmen, wie sie ihn wahrhat, wie er also im Prozess der Erkenntnis für sie wahr ist. Hierdurch bleibt sie als Selbstgefühl für sich und hat ihre einzige Wahrheit in ihrem Lebensraum und nur darin, dass sie darin ihren Gegenstand wahrhat, dass sie also nur verspürt, in welchem Werden, in welchen Zusammenhängen er steht. Wo sie ihn nicht hat, aber für ihr Selbstgefühl einen Gegenstand der Wahrnehmung nötig hat, muss sie ihn sich wahr machen, muss sie ihn so wahrnehmen, wie er für die Wahrnehmung sein muss, wie er für ihr Gewordensein und Werden in ihrer persönlichen Identität da ist. Dies kann nur eine dem Gegenstand völlig äußerliche Wahrnehmung sein, eine Wahrnehmung, die sich nicht für ihn interessiert und keine Beziehung auf ihn hat. Es ist die Wahrnehmung, die nichts wahrhat außer sich und die sich daher selbst außer sich wahr macht, indem sie ihren Sinn als Sinn von sich veräußert. Dadurch, dass ich meinen Sinn als Sinn für mich wahrmache, hebe ich die Wahrheit der Wahrnehmung in mir auf, entziehe ich den Sinn, den ich darin wahrhabe, von seinem Gegenstand. Dies machen die Absichten, welche die somit entäußerte Wahrnehmung hervortreibt und die alle seelischen Bewegungen bestimmen und ausmachen. Ein Mensch macht sich wahr, indem er seine Selbstwahrnehmung, seine Selbstgefühle, Regungen und Erregungen zu einer Wirklichkeit der zwischenmenschlichen Beziehung macht. Indem er sich so zu einem Ganzen seiner Welt macht, macht er sich in der Welt wahr - selbst wenn er dabei lügt. Seine Wahrheit besteht aber nur in der Möglichkeit, wieweit er so leben kann, gründet also auf dem Verhältnis, das er wahrhat und das daher auch seine Wahrheit beschränkt. | ![]() |