"Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine "forces propres" ["eigene Kräfte"] als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht." (MEW 1, S. 370) Wesensnot ist die Not eines Wesens, die nach einer Notwendigkeit der Veränderung seines Wesens verlangt, das durch seine Formbestimmung in einen Widerspruch zwischen seiner Form zu ihren Inhalten geraten ist, sich zu einem widersprüchlichen Ganzen entwickelt hat (siehe Wesenslogik), und von daher sich nicht mehr durch einzelne, sondern nur noch durch eine ganz allgemeine Veränderung des Lebens aufheben lässt. Um dem Substanzverlust infolge seiner Formbestimmung zu entgehen, um den Widerspruch seiner Lebensformen in seinen Lebensverhältnissen aufzulösen, verlangt dies eine inhaltliche Erneuerung durch die Überwindung ihrer anachronistischen Form, durch den Rekurs auf die Natur des darin entwickelten Wesens (siehe hierzu auch Revolution). Bedeutend ist der Begriff durch die Kritik an Hegel, die Marx mit einer Neufassung seines Verständnisses von Entfremdung über dessen Philosophie hinaus führte. Weil für Marx nicht der Begriff einer Idee das Sein bestimmen kann (siehe Feuerbachthesen), sondern sich das Sein durch eine Realabstraktion sich in einer Iealität des abstrakt Allgemeinen Daseins ermächtigt, durch die sich die Geschichte fortbilden, verwirklichen könne. Damit kehrte er das Hegelsche Wesen als bloß abstrakt Allgemeines einer Idee um zum Wesen der entfremdeten Wirklichkeit des Kapitalismus, das nach Hegel zum absoluten Geist strebt und daher in eine schlechte Unendlichkeit versetzt wird. Marx bezog aus der gesellschaftlichen Vermittlung des des produzierten Reichtums einer Gesellschaft, die ihre Elementarform in der Ware hat, einen Widerspruch von allgemeiner Form einer Abstraktion zu den einzelnen Inhalten der darin gebildeten Bedürfnisse, der notwendig in einer Macht der Abstraktionskraft eines fremden Wesens als Formbestimmung der Gesellschaft durch ihre Wertform aufgeht. Was dann deren Wesensnot ausmacht, ist der Selbstwiderspruch ihres menschlichen Lebensverhältnisses das unmenschlich bestimmt wird. Es ist ein Widerspruch, in welchem das Subjekt seines Lebens objektiv fremdbestimmt existieren muss. Und dies hat sich in der bisherigen Geschichte auch im Fortschreiten der Naturmächtigleit der Menschen bis heute im Verhältnis ihrer Produktivkraft zu ihrer ihrer Arbeit, zur Erzeugung ihrer Sache entwickelt. In ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit beziehen sich die Menschen im Allgemeinen schon immer gegenständlich auf sich und ihre Sache, sind sinnlich hierüber immer schon durch diese gesellschaftlich vermittelt. So sind zwar die Menschen sachlich durch den Gegenstand ihres Lebens und durch ihre Sache zugleich menschlich, also immer auch durch ihre Subjektivität bestimmt, sind aber objektiv zugleich nur durch sie gesellschaftlich, ihr auch unterworfen, von ihr abhängig (lat. subjectum: das sub=darunter-jektum=geworfene im Sinne von Zugrundeliegendem). Sie sind bestimmend. weil sie darin ihr Leben geäußert und veräußert haben und außer sich finden und zugleich in einer bestimmten Beziehung durch ihr Produkt, darin bestimmt. Als gesellschaftliches Subjekt sind sie in der Beziehung auf ihre Produkre, auf den Reichtum ihrer Gesellschaft bestimmend und bestimmt zugleich. Aber sachlich erkennen sie sich nur durch die gesellschaftliche Form, in der diese für sie da ist. Wo diese aber nicht mehr wirklich für sie da ist, das Dasein dieser Form nicht dem gesellschaftlichen Inhalt ihrer Sache, dem Reichtum ihrer Beziehungen entspricht, wird Gesellschaft zu einer Form des Mangels an Sinn für ihre Sache und diese als hiervon getrenntes gesellschaftliches Produkt, das als fremde Form gleichgültig, bestimmt und gleichgültig gegen ihre Bestimmtheit ist und von daher ihre gesellschaftlicher Lebensäußerung durch ihr gleichgültiges, ihr gleich geltendes Dasein bestimmend und für sich selbst mächtig wird: Sie wird zur Formbestimmung ihrer Entfremdung, in der diese nur in einer abstrakten Beziehung rein persönlich und privat für sie da ist, ganz gleich, wie und warum die Menschen als Personen mit Menschen gesellschaftlich oder gemeinschaftlich zwischen sich und anderen verkehren, ganz gleichgültig, wie sie sich gegenständlich oder zwischenmenschlich darin finden und erkennen. Als einen grundlegenden Fehler des Marxismus wird gerne von soziologischer Seite hervorgehoben, dass dem historischen Materialismus vorzuwerfen sei, mit dem Begriff des Klassenkampfs und der Notwendigkeit seiner Aufhebung in einer klassenlosen Gesellschaft ein Geschichtsobjektivismus, eine geschichtliche Teleologie (siehe auch Ontologie) betrieben würde, welche die Menschen von ihrer individuellen Emanzipation ablenken und damit ihre Verallgemeinerung zu einer gesellschaftlichen Fortentwicklung behindern würde. Von daher war auch die Kritik von Adorno am hegelschen und marxistischem Verständnis von der Wahrheit eines Ganzen als totalitäres Geschichtsverständnis und seinem Vorschlag entstanden, ihn durch den Begriff der Unwahrheit, der Täuschung zu ersetzen, die schließlich zu seinem Konstrukt einer negativen Dialektik gegen totalitäres Denken geführt hatte. Doch auch eine Individuelle Emanzipation bezieht sich immer schon auf die Notwendigkeit einer Befreiung, ebenso wie die gesellschaftliche als Ganzes, als die Wendung einer ganzen Not, die durch die gegenwärtige Gesellschaft im Allgemeinen - und damit eben auch im Ganzen - schon gegeben ist. Fortschritt lässt sich eben nur im Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit formulieren und nicht relativieren. Und schon bei Adorno lässt sich zeigen, wie die Leugnung einer ganzen Notwendigkeit als Not im Großen und Ganzen durch deren Substanzlosigkeit zu einem weit sublimeren Totalitarismus führt - nämlich der Behauptung eines "richtigen Lebens" führen muss, die gegen ein "falsches Leben" zu positionieren wäre. Ein Wesen ist das, was im Ganzen vieler Eigenschaften deren Zusammenhang ausmacht, weil es sich in allem, worin es erscheint, zeigt und erweisen lässt (siehe Allgemeinheit) und über diese hinweg als ihre subjektive Substanz (siehe auch Subjekt) Bestand hat. In seiner Anwesenheit ist es konkret, in seiner Abwesenheit nur abstrakt da. Es ist immer schon notwendig objektiv da, weil es "seine Natur außer sich hat". Es wird in dem und durch das wachsen, durch das es bestimmt ist und kann durch den Zuwachs an bestimmtem Sein, durch seinen ihm eigenen Antrieb, durch seine Natur und durch die natürliche Intelligenz seiner organischen Geschichte mit und durch seine Substanz sich verändern, solange es nicht verwest ist. Es kann aber wesentlich auch anders werden, wenn etwas wesentlich Anderes daraus hervortritt (siehe Emergenz). Ein Wesen das nur abstrakt existieren kann, ist nicht wirklich ganz, daher unwirklich da. Sein Zusammenhang ist ungewiss, die Einheit der Bestimmungen eines Seins in seinem Dasein gebrochen, weil es seine Seinsbestimmung nur in seiner Not, also nur unwirklich erfahren kann und es daher als bloße Notwendigkeit seines Daseins leben muss. Sein Wesen bleibt in einem wesentlichen Unterschied zu allem, was da ist; sein Dasein erscheint zugleich als sein Verlust. Alles Wesentliche steht im Zweifel, weil es nur zwiespältig da ist, sowohl das eine wie das andere, das in seinem Doppelcharakter sich an seiner Erscheinung zermürbt, immer widersinniger wird. Im Wesen lässt sich die Erscheinung nicht wirklich aufklären, weil es abwesend bleibt, unwirklich und nur im Gedanken sich erklären lässt, seinen Grund, nur im Zirkel seiner Notwendigkeiten erkennen lässt. Nach Hegel ist das Wesen "die Beziehung auf sich selbst, nur indem sie Beziehung auf Anderes, das aber unmittelbar nicht als Seiendes, sondern ein Gesetztes und Vermitteltes ist." (Enzyklopädie § 112) Aber nach seiner Logik ist dem das Dasein vorausgesetzt, weil dieses bestimmungslos ist. Dies jedoch erschwert dessen begreifen ungemein, weil damit etwas schon da ist, ohne bestimmtes Wesen zu haben, und Wesen wird, nur um bestimmt zu scheinen. Wie kann es etwas sein und doch nur "ein Scheinen in sich selbst" (ebd.)? Doch nur dadurch, dass der Schein selbst sowohl Widerschein des Seins, wie auch Schein für sich wäre, also Unsinn. Es macht einen Zirkel der Hegelschen Logik, welcher zeigt, dass Wesentliches bei Hegel nicht sein kann ohne schon da zu sein. Dies liegt am reinen Denken Hegels, dem Fortbestimmen des Logischen als Idee der Welt, nach welcher das Leere die Fülle bestimmt, das Abstrakte das Konkrete. Dies aber stimmt nur für die schon ausgesonderte Abstraktion, für die aus dem Dasein erschlossene Abstraktion. Aber Hegels Denken macht Analyse dann überflüssig, wenn sie einmal zur Logik gekommen ist. So wird zwar ein logisches Denken gepflegt, aber die Logik haut in Wirklichkeit nicht hin, weil sie Wesenslogik sein will, ohne ein wirkliches Wesen haben zu können. Doch "ein unwirkliches Wesen ist ein Unwesen" (Marx). Das Denken in dieser Logik führt zur Fixation des Gedankens als solchen, zur logischen Idealität. Ein Wesen ohne Wirklichkeit, ein Wesen, das Wirkung hat, ohne wirklich zu sein, ist ein abstraktes Wesen (siehe Realabstraktion). Aber ein abstraktes Wesen kann nur das Wesen einer Abstraktion sein, als Wesen sein, das keinerlei Existenz hat, sondern nur darin existiert , worin es erscheint, wo es als Bestimmung einer Form, also Formbestimmung ist. Es macht die Substanz eines Begriffs aus, der sich in den Erscheinungen einer wesentlichen Abstraktion entfaltet. Das Wesen war als Substrat der Erscheinungen durch Analyse erschlossen, bevor es sich als Begriff der Erscheinungen, als Substanz des Mannigfaltigen beweisen lässt. Erst damit wird etwas als Erscheinung von etwas anderem, als Reflexion gewusst und kann in seinem hintergründigen Zusammenhang mit anderem begriffen werden (siehe hierzu auch die Unterschiede zwischen dialektischem Materialismus und historischem Materialismus). |
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