"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. die Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage." (Karl Marx, 2. These über Feuerbach, MEW 3, Seite 5) Wirklichkeit ist eine im Großen und Ganzen besttimmte Allgemeinheit von Lebensäußerungen in ihren gesellschaftlichen Bezogenheiten, das Wirken ihrer subjektiven Natur außer sich, ein allem gemeines Verhältnis des objektiven Verhaltens von Ursachen und Wirkungen, die aus Gründen erfolgen, die für die Menschen sich in ihrer selbständigen Ganzheit einer objektiv widersprüchlichen Einheit darstellen und entfalten. Im Widerspruch tritt die Unvernunft einer Abstraktion als widersinnige Einheit seiner Positionen auf. Die Wirkung von Abstraktionen (siehe auch Wirklichkeit) entsteht aus der "Eineit der Gegensätze" in widersprüchlichen Verhältnissen. Eine Abstraktion hat daher keinen anderen Inhalt als die Substenz der Entgegensetzung. Sie sieht also ab von den konkreten Unterschieden ihres Gegenstand reduziert ihre inhaltliche Beziehung auf ihre bloße Form und hebt hierdurch ihre Unterschiede ihrer Form nach auf, indem sie das nichtet, was diese inhaltlich begründet hatte. Was ihre Beziehung in Wahrheit ausmacht, wird dadurch zu Nichts, durch ihre Nichtung abwesend. "Nicht nur Marx und Hegel, sondern auch die mit der Bestimmung ihres Verhältnisses zueinander beschäftigten Theoretiker der verschiedensten Richtungen, stimmen darin überein, daß die philosophischen Wissenschaften seit ihren frühesten Anfängen die Wirklichkeit als Einheit von Sein und Denken, Natur und Geist, Körper und Seele, Substanz und Subjekt, Notwendigkeit und Freiheit usw. begreifen. Die Marxsche Theorie stellt innerhalb der Geschichte der Theorien einen epochemachenden Umbruch dar. Wenn dieser in einer Untersuchung des Verhältnisses von Marx zu Hegel näher bestimmt werden soll, muß gezeigt werden, daß Marx die Einheit von Natur und Geschichte prinzipiell anders faßt als die vorangegangenen Philosophen von Descartes bis Hegel." (Dieter Wolf, "Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft. Eine materialistische Kritik". Hamburg, 1980; Online zugänglich unter http://www.dieterwolf.net) Ein Ganzes ist der Zusammenhang vieler hieraus bestimmten Eigenschaften, die Identität der Gründe, aus denen sie sich verhalten, sich zu eigen sind, das eigentliche Wesen ihrer Wirkungen, was daran also auch wirklich wahr ist und was daher deren Wirklichkeit ausmacht, auch wenn deren Wahrnehmung in Wahrheit zerteilt ist (siehe Teilung der Wahrnehmung). "Die profane Existenz des Irrtums ist kompromittiert, nachdem seine himmlische oratio pro aris et focis >Gebet für Altar und Haushalt< widerlegt ist. Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte, nur den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo er seine Wirklichkeit sucht und suchen muß. Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat." (MEW 1, S. 378). In der Wirklichkeit ist alles so da (siehe Dasein), wie es wirkt und Wirkung hat, und als Inhalt von Empfindungen im Allgemeinen wahr ist. Sie ist die wirkliche und also wirksame Form des Seins: ein Dazwischensein, das durch seine Verhältnisse bestimmt ist, in denen Menschen sich in der Form ihrer Lebensinhalte, ihrer Lebensbedingungen geschichtlich verhalten, sich im Dasein ihrer Lebensverhältnissen wirklich, also mit Wirkung aufeinander beziehen. Aber als Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ist es das, was wesentlich dazwischen ist wo es ist und einem Anderssein, wo es eben mal nicht ist. Es ist immer da, solange es nicht verwest ist (siehe auch Tod) und also im Prozess seines Lebens in seinem Wesen ganz praktisch für wahr zu nehmen und zu begreifen ist, sofern die Wahrnehmung ihm nicht verschlossen wurde (siehe hierzu tote Wahrnehmung). "Daß der Mensch ein leibliches, naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ist, heißt, daß er wirkliche, sinnliche Gegenstände zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäußerung hat oder daß er nur an wirklichen, sinnlichen Gegenständen sein Leben äußern kann. Gegenständlich, natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegenstand, Natur, Sinn außer sich haben, oder selbst Gegenstand, Natur, Sinn für ein Drittes sein, ist identisch." (MEW 40, S. 578). Ein Urteil darüber, was Wahrheit oder Täuschung ist, verlangt eine Analyse von dem, was seine Wirkung begründet. Wo eine Ursache als wesentlicher Grund wirklich da ist (siehe auch Dasein) und also substanziell als das da ist was wirkt, ist die Beziehung zur Wirkung sinnfällig. In einer Scheinwelt steht die Wirklichkeit Kopf, ist das, was aus dem Schein begründet ist, durch die sie wirkt (siehe auch Erscheinung), die ihre Wirkungen unmittelbar allgemein macht, sie verallgemeinrt, um von dem abzusehen, was sie begründet. Man spricht daher oft lieber von Realität als über Wirklichkeit, weil sich mit einem Fremdwort eine Entfremdung von Wesen und Erscheinung leichter verbergen lässt. Deren Erkenntnis verlangt nämlich zunächst eine Analyse dessen was ist, aber widersinnig zu sein scheint. Was nur scheinbar und was wirklich wahr ist, lässt sich nur durch seine körperliche Wirkung unterscheiden wo deren Ursache erkannt, wo ihr Grund entdeckt werden kann. Unwirklich ist das Abwesende, das zwar Wirkung hat, nicht aber wirklich wahr sein kann, weil es nicht für ein Drittes, für etwas Anwesendes, sondern durch ein Drittes in Abwesenheit wirkt (siehe zum Beispiel Wertform), das weder Ursache ist, noch wirklich körperlich da ist. Dieses hat also ein Dasein, das es nicht so sein lässt, wie es wirkt und deshalb auf seinen Begriff erst gebracht werden muss, um als unwirkliche Wirklichkeit erklärlich zu werden. Es betreibt irgendeine Wirkung durch einen für sich unwirklichen Grund, wirkt beliebig durch seine bloßen Ralationen in Verhältnissen, deren Beziehungen gleichgültig erscheinen weil sie allseitig gleich gelten und von daher auch wirklich widersinnig sind (vergleiche z.B. Tauschwert). Sie verweisen lediglich auf einen Zusammenhang, der im Allgemeinen zwar abstrakt, also abstrakt allgemein vorhanden ist (siehe Dasein), aber keine wirkliche Substanz hat (siehe hierzu auch Dialektik). Wirklichkeit ist zwar eine Beziehung von Ursachen und Wirkungen, das Verhältnis von dem, was wirklich ist, weil es Wirkung hat. Aber als diese gleichgültig ist, wo sie nicht wirklich wahr sein kann. Wirkungen sind Kräfte, die ihre Bestimmung durch materielle oder geistige Tätigkeiten, durch Lebensäußerungen in Raum und Zeit haben, also körperlich begründet sind, auch wenn sie sich oft nur geistig vollziehen. Eine Wirkung resultiert aus einer Ursache, ist selbst so sachlich wie auch ursächlich, wenn auch nicht sachlich bewirkt: Verhalten in körperlicher Gegenständlichkeit, wie sie für sich zu begreifen ist. Wirklickeit ist daher ein Wirkungsverhältnis des Machens im Gemachten: Macht der Menschen in der Gegenständlichkeit ihrer Naturmacht. Sie ist daher keine gegenständliche Gegebenheit, wie sie als verselbständigte Objektivität oft begriffen wird, sondern das Verhältnis von Wirkungen, die für einander wechselseitige Ursachen ihrer Objektivität sind, die ihren Grund im Subjekt außer sich haben, als äußere Gegenständlichkeit begründet sind. "Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder gegenständlicher Mensch wird. Dies ist nur möglich, indem er ihm als gesellschaftlicher Gegenstand und er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird. Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte, als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegenstände, d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegenstandes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr, und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch die eigentümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlich-wirklichen, lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht." (MEW 40, S. 541). Jenseits der Wirklichkeit ist alles noch im Werden, Tätigkeit oder Wille oder Vorstellung oder Glaube, Erwartung, Schmerz und Hoffnung. Darin aber bildet sich der Sinn einer Fantasie, eines Plans, einer Beziehung, einer Kultur und ist von daher subjektiv grundlegend für alles, was auch objektiv sein oder werden kann, also für die Sinnbildung überhaupt. Letztlich aber ist erst in der Wirklichkeit erkennbar, was wahr ist und was nicht. Was Wirkung hat, kann sich bewahrheiten oder als falsch erweisen, indem der Sinn der Äußerung sich wirklich oder unwirklich wahrmacht. Unwirklich erscheint er im Widersinn, als Unsinn, der sich gegen seine eigene Äußerung verwirklicht, ihr fremd wird und sich von daher als fremde Kraft darstellt (siehe auch Entfremdung). Wirkungen sind wirkliche Kräfte, die ihre Bestimmung durch materielle Tätigkeit haben, hierdurch also körperlich begründet sind, auch wenn sie sich geistig vollziehen. Wiewohl Wirklichkeit als eigenständiges Verhältnis von Ursachen und Wirkungen erscheinen mag, so kann sich Wirklichkeit doch nicht selbst bestimmen - etwa als eigenständige, vom Menschen unabhängige Realität, die wie ein physikalisches Gesetz funktioniert. Schon die Tatsache der Reflexion beeinflusst sie und macht evident, dass sie sich jeden Augenblick durch menschliches Tun verändert, dass sie nicht unbedingt einer Logik folgt, wie etwa der Energieeerhaltungssatz oder die Relativität von Masse und Energie, soweit sie wirklich bestimmt und also auch begründet ist und hierdurch Geschichte macht. Wo aber Grund und Ursache auseinanderfallen, kann sie auch unbestimmt sein, sich also nur durch Abstraktion begründet verhalten, etwas grundlos Scheinendes verursachen. Von daher kann Wirklichkeit auch unwirklich werden. Zwar ist die Grundlage aller Wirklichkeit letztlich immer, dass Mensch und Natur etwas bewirkt haben, dass Geschichte sich ereignet hat und sich ereignet, wie sie positiv zu verstehen ist. Von dieser Seite her ist Wirklichkeit geschichtliches Dasein. Zugleich bestimmt sich Wirklichkeit aber selbst auch als ein Verhältnis, worin ihre Geschichte sich nicht unbedingt wirklich ereignet, sondern bei sich bleibt. In solchen Seinweisen und Zuständen, welche der Positivismus leugnet, herrscht Wirklichkeit über die Geschichte, ist anachronistisch und entwickelt sich selbst unabhängig von ihrer Grundlage, dem Verhältnis von Mensch und Natur, ist in sich abstrakt bestimmt. Und deshalb kann diese Abstraktion auch im Bewusstsein überhaupt vielerlei Nebelbildungen besorgen, viele Täuschungen und Selbsttäuschungen - wie z.B. Religion - auslösen. Deshalb steht die Kritik der Mythologisierung vor aller Erkenntnis der Wirklichkeit. Aber: "Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume bräche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege." (MEW 1, Seite 379) Die Erkenntnis, ob Wirklichkeit konkret oder abstrakt bewirkt ist, entsteht im Zweifel über ihren Sinn: Was kann eine unwirkliche Wirklichkeit überhaupt sein? Wo der Zweifel seinen Zwiespalt offenbart, wird eine abstrakt begründete Wirkung bloßgelegt, die Substanz einer Abstraktion, die aus sich selbst nur zu begreifen ist, einen Begriff für sich hat (siehe Begriffsubstanz). Es ist die Entdeckung dieses Begriffs die Erkenntnis, wovon in der Wirklichkeit vom Menschen abgesehen wird, wo er also selbst darin zur Wirkung kommt und wo er bewirkt wird, reduziert wird auf ein Objekt der Wirklichkeit, die also als eine fremde Kraft wirkt. Dies macht die Erkenntnis entfremdeter Wirlichkeit. Wirkungen haben Ursachen in ihrer Substanz und einen Grund, dem sie folgen, weil sie aus ihm wesentlich bestimmt sind. Die bewirkte Substanz reflektiert die wirkende. Von daher ist Wirklichkeit immer unmittelbar sinnlich und bestimmt, eine Beziehung, die für sich selbstverständlich ist, auch wenn sie grundlos scheinen kann. Ihr Grund liegt dennoch in ihrem Sinn, der ihre Bestimmung in der Fortbestimmung von Grund und Folge als dessen Notwendigkeit enthält. Wenn Wirklichkeit durch sich selbst vermittelt ist, also ein Mittel enthält, das keinen Grund für sich hat, dann entfaltet sie sich als eine doppelte Beziehung von Ursachen und Wirkungen zu einem eigenen Zweck, zu einer Eigenwelt (Welt), die eine selbständige Logik als ihre Vernunft hat und in der eine Wirkung dieser Vernunft folgend zur Verursachung anderer Wirkungen ohne konkrete Wirklichkeit wird. Diese Logik folgt einem Prinzip der Entwirklichung, in welcher ein der Wirklichkeit fremder Grund, eine von der Wirklichkeit absehende Abstraktion, eine Realabstraktion, notwendig erscheint (z.B. bewirkt der Tausch den Vergleich der Güter bestimmter Herkunft und der Vergleich selbst bewirkt Geld, dem diese Herkunft gleichgültig ist und das zu einem ausschließlichen Wirkungsmittel des Tausches wird, in welchem sich der nun abstrakte Grund des Verhältnisses als Wert durchsetzt, weil er die ausschließliche Allgemeinheit des Verhältnisses geworden und so zu Kapital wird, zu kapitalistischer Wirklichkeit). | ![]() | |