"Die charakteristischen Formen ..., worin das Wucherkapital in den Vorzeiten der kapitalistischen Produktionsweise existiert, sind zweierlei. Ich sage charakteristische Formen. Dieselben Formen wiederholen sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, aber als bloß untergeordnete Formen. Sie sind hier nicht mehr die Formen, die den Charakter des zinstragenden Kapitals bestimmen. Diese beiden Formen sind: erstens, der Wucher durch Geldverleihen an verschwenderische Große, wesentlich Grundeigentümer; zweitens, Wucher durch Geldverleihen an den kleinen, im Besitz seiner eignen Arbeitsbedingungen befindlichen Produzenten." (MEW 25, Seite 608) Wucherkapital ist eine vorkapitalistische Kapitalform, die durch Ausnutzung einer speziellen Notlage durch das Borgen von Geld mehr Geld einfordert und von daher profitiert. Es begründet sich also alleine auf einem einzelnen subjkektiven und unmittelbaren Mangel an Zahlungsfähigkeit in Situationen einer absoluten Bringschuld des Geldes. Solches Verhältnis mag es auch immer wieder im Kapitalismus geben, aber es ist nicht wesentlicher Bestandteil desselben. Der Kapitalismus beruht auf der allgemeinen Geldform der Marktwirtschaft, welche als ausschließliche Form der gesellschaftlichen Vermittlung eine allgemeine Notwendigkeit bestimmt, Geld als Zahlungsmittel und Kaufmittel zu erwerben, um leben zu können und die gesellschaftliche Entwicklung zu betreiben. In solchen Verhältnissen gibt es zwar auch die Gier nach Geld, doch bestimmt diese nicht das Geldverhältnis, sondern lediglich das subjektive Verhalten von Charakteren, die den Geldbesitz zu ihrer Selbstveredelung nutzen; dies ist ein kulturelles Phänomen des Kapitalismus, das seine politische Ökonomie voraussetzt. "Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Produzent durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem letzten Roman, den "Paysans", stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu bewahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeitslohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit vom eignen Feld fortschreitend ruiniert, tiefer und tiefer in das Fangnetz der Wucherspinne." (MEW 25, Seite 49) Mit dem Begriff Wucherkapital ist eine Theorie verbunden, die das Kapital inur aus der Raffgier der Geldbesitzer begründet sieht, also aus einer Ansammlung eines subjektiven Aneignungsstrebens als "raffendes Kapital" versteht. Indem Kreditgebern ein ausschließliches Interesse an Wucherei unterstellt wird, wird die Marktwirtschaft selbst als Wirtschaftsform des "ehrlichen Geldverdienens" unterstellt und das Wertwachstum lediglich der Bosheit persönlicher Eigenschaften überantwortet. Damit wird dem Warenfetischismus das Wort gesprochen und die Kapitalbildung als Verstoß einzelner Subjekte hiergegen aufgefasst (siehe auch Kapitalfetischismus). Die Bildung von Mehrwert als Maßgabe der kapitalistischen Reichtumsbildung im Verwertungsinteresse des Geldes wird mit seiner Preisform, dem Profit verwechselt und kulturalisiert. "Der Gedanke, daß die Profite von den Konsumenten gezahlt werden, ist sicher v�llig absurd. Wer sind die Konsumenten?" (G.Ramsay, "An Essay on the Distribution of Wealth", zitiert nach Marx in MEW 23. S. 176, Fußnote 28) Die g�ngige Vorstellung vom Wucher ist, dass er eine blo�e Raffgier verwirklichen k�nne, weil der Profit selbst schon Wucher w�re, weil er �ber den Kostpreis der Produktion hinausgreife und der Kostpreis schon der eigentliche Warenwert sei. "Die gedankenlose Vorstellung, da� der Kostpreis der Ware ihren wirklichen Wert ausmacht, der Mehrwert aber aus dem Verkauf der Ware �ber ihren Wert entspringt, da� die Waren also zu ihren Werten verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis gleich ihrem Kostpreis, d.h. gleich dem Preis der in ihnen aufgezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Scharlatanerie als neuentdecktes Geheimnis des Sozialismus ausposaunt worden. Diese Reduktion des Werts der Waren auf ihren Kostpreis bildet in der Tat die Grundlage seiner Volksbank." (MEW 25, Seite 40) Hieraus wurde zudem der Antisemitismus begründet, denn es waren im Mittelalter mehrheitlich Juden, denen die Teilnahme am Zunftwesen untersagt war. Sie wurden aus dem wirklichen Kapitalverhältnis abgesondert und als bloß subjektive Schädlinge behandelt, damit das Kapitalverhältnis als Geldform der Marktwirtschaft freigesprochen ist (siehe Proudhonismus). Dies versteckt vor allem den objektiven Ausbeutungscharakter des Kapitals hinter bösen Subjektformen, deren Ausschluss aus der Gesellschaft schon das "schaffende Kapital" von dem "raffenden Kapital" befreien würde und von daher die Ausbeutung der Arbeit, die Nutzung der notwendigen Arbeit zur Aneignung unbezahlter Arbeit, als Notwendigkeit der Schaffenskraft des Kapitalismus mystifiziert (siehe Kapitalfetich). Man bezeichnet dieses dann gerne als Leistungsträger der Gesellschaft und verkehrt seine Privatform (siehe Privateigentum) zu einer gesellschaftlichen Eigentümlichkeit aller Arbeit schlechthin und verzaubert den Mehrwert zu einem reinen wertneutralen Mehrprodukt, zu einer natürlichen Gestalt des menschlichen Reichtums und Fortschritts. | ![]() |