Siehe

Zum Thema siehe auch  => Finanzdiktatur als Feudalkapitalismus  => Das internationale Schuldgeldsystem  => Der tendenzielle Fall der Profitrate



Statement der Kulturkritik München am Tag des Urteilsspruchs zur Legitimität des ESM:

1. Einschätzung der Lage: Die Insolvenz der Finanzaristokratie hat sich umgekehrt in eine Finanzdiktatur

Der Urteilsspruch und das Verhalten der EZB und dessen Flankierung mit dem ESM erweisen sich als eine Art Insolvenzverfahren der parlamentarischen Demokratie durch die Finanzaristokratie, in welchem alles getan wird, um die EURO-Währung zu retten. Weder wurde hier gerichtet noch entschieden, weil es keine Alternativen mehr gibt. Und wo nicht mehr entschieden werden kann, gibt es auch keine Demokratie. Die Sache wird vollstreckt. Es ist der Endpunkt einer Entwicklung, die sich seit 40 Jahren mit der Globalisierung besonders im Geld- und Derivatenhandel entwickelt hat: Nämlich die Umkehrung der Waren- und Kapitalwirtschaft zu einer Finanzdiktatur. Das Finanzkapital bestimmt die Märkte inzwischen weitgehend unbeeinflussbar durch seine Eigentumstitel und Finanztechniken. Und seine Derivate, die Wetten auf die Warenpreise, Gebühren, Löhne und Arbeitszeiten sind zum finalen Instrument einer globalen Diktatur des Weltkapitals geworden. Der Kapitalismus der bürgerlichen Gesellschaft hat sich selbst überwunden. Es ist müßig zu fragen, ob eine Revolution nötig ist. Auf der Seite des Kapitals ist sie in vollem Gang, und zwar gegen das Leben fast aller Menschen.

2. Die Grenzen des Wertwachstums sind längst erreicht

Produktivität und Automation, wie sie der Kapitalismus selbst hervorgebracht hat, belässt im einzelnen Produkt einen immer geringeren Anteil an menschlicher Arbeit, wirft aber durch ihre Massenproduktion eine immer größere Wertmasse auf die Märkte. Diese ist immer schlechter abzusetzen, weil die Arbeitslöhne, die dem Wert ihres Lebensunterhalts entsprechen müssen, sich relativ zum Gesamtwert der Produkte verbilligen müssen und von daher immer weniger abkaufen können. Die unverkäuflichen Werte wandern daher ab in den Finanzmarkt. Und dieser setzt auf die Abschöpfung von Mehrwert aus Kredithandel und Aktien, also auf Spekulation, vor allem auf die Verpreisungen von reinen Eigentumstitel, auf die Ausbeutung der Lebensgrundlagen selbst. die sich aus einem weltweit verselbständigten Kreditsystem mit der Globalisierung von fiktivem Kapital entwickelt hat. Hierbei wurden die Nationastaaten unmittelbar dem Weltmarkt und dessen Wertverhältnissen unterworfen und haben ihre Märkte und Infrastrukturen nach den Gebotenheiten der Finanzindustrie zu bewirtschaften und zu verwerten.

Die Probleme mit der Wertrealisation, mit dem der Fall der Profitrate, hatte sich im Verlauf der Bankenkrisen wieder mal weltweit gezeigt, scheint aber innerhalb der bisherigen Formation der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Rechtsverhältnisses kaum mehr überwindbar zu sein. Die Finanzmacht der Banken ist mit zunehmendem Mißverhältnis von Einkommen und Einkäufe der Bevölkerungen und der Betriebe stark reduziert und Mehrwert war aus Zinsen für realwirtschaftliche Kapitalinvestitionen in zunehmend geringerem Umfang zu realisieren. Die mussten auch schon aus Staatsraison sich reduzieren, damit die Währung nicht kollabiert, keine Deflation eintritt und das Kapital noch finanzpolitisch funktionsfähig bleibt. Der Wertschwund des umlaufenden Geldes entwertet das reale Kreditsystem, das seine Risikoschwelle überreizen muss und selbst miskreditiert wird. Soweit die Nationalstaaten dessen Schulden übernehmen müssen und die Funktion des Geldeintreibers übernommen haben, mussten sie sich selbst übernational bei den Agenturen der Finanzindustrie und ihrem internationalen Netzwerk rückversichern. Doch dort wird nur mit fiktivem Kapital gehandelt, das aus reinen Zahlungsversprechen, also durch Versprechen auf Zukunft gesichert werden muss und dementsprechende Gewalt und deren Anwendung nötig hat.

Die Geldverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft haben sich mit dieser Entfwicklung zu einem Schuldgeldsystem gewandelt, das sie in einer dem entsprechenden Austeritätspolitik fortgetrieben hat. Mit der hieraus begründeten Preisbestimmung von Ressourcen, Energie, Renten, Versicherungen, Mieten und Gebühren wird zu deren Wert auch Mehrwert direkt aus dem Lohn der für den Staatshaushalt bürgenden Staatsbürger erzwungen und mit Abgaben bezahlt. Eine solche Feudalwirtschaft benötigt die Warenproduktion nurmehr als einen Umstand ihrer Existenz, hat aber im Grunde kein realökonomisches Produkt mehr zu ihrer Fortentwicklung nötig. Wo diese aber stagniert und solche Ausbeutung mangels Einkommenslage der Bevölkerung nicht mehr gelingt, wird sie zu einer perpetuierlichen Staatsverschuldung.

Die Banken verkörpern ein Kreditsystem, das sich inzwischen weltweit nicht mehr wirklich tragen kann und sich selbst abbauen - das heißt in Staatsverschuldung wandeln - muss, weil es zu einem ungedeckten Schuldgeldsystem (mit weltweit uneinbringbaren 900 Billionen Dollar) geworden ist. Das wissen die meisten ihrer theoretischen Vertreter auch längst (vergl. Prof. Sinn u.a.) und initiieren deshalb auch solche Konstruktionen wie den ESM. Und mit dem Zusammenbruch des Kreditsystems erklärt sich dann auch erst, warum die Staaten Banken „retten“ müssen und sich zusätzliches „Frischgeld“ aus ihren Bürgern und anderen abhängigen Ländern wie z.B. Griechenland auspressen müssen, obwohl das ihrer Wirtschaft, die sie zugleich verantworten müssen, nicht gut tut. Sie sind einer internationalen Finanzidustrie unterworfen und müssen ihr auf diese Weise dienen, um überhaupt noch existieren zu können. So betreiben jetzt die Nationalstaaten das Geschäft der Absicherung eines Feudalkapitalismus einer politisch kapitalisiserten Staatsgewalt. Und die wenigen, die sich dabei wirtschaftlich halten können, werden zu Weltagenten des Feudalkapitals, das den Geldfluss der Welt schon weitgehend in Griff hat und kontrolliert. Doch das sind keine politischen Formationen der Wirtschaft mehr, sondern lediglich die Kontrolle der Märkte durch die Politik mit fiktiver Kapitalmasse, mit Aktiendeerivate in expotenzialer Logik.

Die Menschen wurden zu Figuren in diesem Spiel der Marktkräfte, die nicht mehr durch ihre Arbeit und nicht mal durch ihren Bedarf hierauf wirklichen Einfluss haben. Diese Kräfte entscheiden nach Maßgabe der Mehrwertbildung durch Handelbeschleunigungen, wo Armut und Reichtum entsteht. Die hierbei reich gewordene Staaten können weiterhin durchaus mit ihrer Industrie profitabel fortwirtschaften, die ärmeren werden durch Verarmung entvölkert, weil ihre Bewohner durch Flucht und Krieg reduziert werden, und dann durch Wanderarbeit oder Einwanderungspolitik der reichen Länder in politischer Knechtschaft zum Gesamtnutzen des weltweiten Geldverwertungssystems recycelt werden. Die dem adäquate Ideologie einer Überbevölkerung wird allen Menschen zum Damoklesschwert einer politischer Gewalt allgegenwärtig gemacht, die hierdurch über ihre tiefsten Lebensängste verfügen kann.

Der Teufelskreis ist nun endlos. Es gibt hiergegen nur noch eine mögliche Position: Die Eigentumsfrage. Wem gehört diese Welt, die Länder, die Wohnungen, die Rohstoffe, die Städte, die Gemeinden, das Wasser, die Kraft und die Erzeugnisse selbst?

Wir müssen uns auf eine lange und harte Auseinandersetzung hierüber vorbereiten. Und dazu gehört auch, dass wir uns selbst versorgen können, wenn die Machtverhältnisse implodieren, dass wir die Kraft haben, auf Kapital zu verzichten, dass wir über eine Subsistenzindustrie und über den nötigen Raum und die nötige Zeit verfügen können. Umwege und Illusionen beschränken unser Potenzial und die Zeit ist knapp.

3. Die Finanzmacht verleugnet ihre Bedingungen als Marktwirtschaft und lässt Glücksverheißungen über diese wieder aufblühen

Die Zeit wird uns nicht nur durch das Finanzkapital genommen. Sie entgeht dem Lebensalltag der meisten Menschen auf allen Ebenen der Marktwirtschaft durch überlange Arbeitstage, durch die Zeitdauer unbezahlter Arbeit. Doch es erscheinen die Finanzmärkte so mächtig, dass diese Form der Ausbeutung daran zunehmend relatierviert wird. Und so feiern gegen deren brutalen Luftnummern die relativ bodenständigen Glücksverheißungen der klassischen Marktwirtschaft wieder Urständ, die Fantasien vom Wohlstand durch gerechte Geldverteilung. Verleugnet wird darin ihre simple Existenzbedingung, die Konkurrenz der Produzenten von Geldwerten, das Risiko des Wertverhältnisses. Geld kann nicht gerecht, nicht edel und nicht gut sein, weil es nicht verteilt wird, sondern erdient werden muss, Unterwerfung verlangt. Illusionen können wir nicht mehr brauchen: Weder eine "Demokratie" staatlich kontrollierter Geldverteilung, noch eine Volksgenossenschaft eines rechtschaffenden Kapitals. Nötig sind neue politische Strategien und Organisationsformen für eine ökonomische Politik, die alle Geldverhältnisse in konkrete gesellschaftliche Beziehungen aufhebt. Meine Vorstellungen zielen auf eine internationale Kommunalwirtschaft, die als Vertragswirtschaft der Regionen denkbar ist.

Bedenkenswerte Ziele:

1. Die unmittelbar bestimmte wie bestimmende Lebensform der Menschen soll ihre Kommune sein mit einer kommunalen Rätedemokratie durch qualifiziertes Stimmrecht.

2. Die Subsistenz der Menschen muss durch eigene Grundversorgung, durch regionale Industrie, kommunalen Ressourcenbesitz und kommunales Grund- und Wohnungseigentum gesichert werden.

3. Kein Mensch und keine Insitution darf durch Privateigentum an Wohnraum, Lizenzen, Rohstoff und Energie sich bereichern.

4. Lokale Tauschbeziehungen werden durch ein zeitgebundes regionales Rechengeld in derselben Weise verträglich gemacht.

5. Die gesellschaftliche Entwicklung der Kommunen geschieht durch ihre internationalen Beziehungen auf andere Kommunen vermittels netzartiger Vertragspartnerschaften (siehe Vertragswirtschaft) über die Verrechnung von Arbeitszeiten und Rohstoffdichte pro Produktivität (siehe internationale Kommunalwirtschaft).

Zusammenfassung der "Diskussionen rund ums Geld"

1. Die bürgerliche Gesellschaft hat sich darin aufgehoben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die Produktion von Mehrwert durch produktive Arbeit in einem zur Werterhaltung des umlaufenden Geldes nötigen Ausmaß sicher zu stellen. Weder lässt sich die Ausbeutung der Arbeit im Verkauf ihrer Produkte wertmäßig adäquat realisieren, noch können die Eigentumstitel des Grundkapitals (Grundrente) weiterhin Wertanteile einer an sich unproduktiven Arbeit (z.B. Dienstleistung) in hinreichendem Ausmaß einnehmen, sodass die gesamte Realwirtschaft an ihre Verwertungsgrenze gelangt ist.

2. Die Folge ist, dass Ausbeutung de facto über die Verbürgungen der Bürger für das Kapital als Ganzes sich entfaltet, indem deren Lebensräume immer umfassender durch die politische Verschärfung und Ausweitung der Schuldverhältnisse bestimmt werden.

3. Wir befinden uns nicht in der Phase eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs, sondern eines Übergangs in einen Feudalkapitalismus, in dem die Austeritätspolitik zur tragenden Einnahmequelle der Finanzwirtschaft durch die Staatsverschuldung wird, also durch die Totalisierung der Einflusssphären des Finanzkapitals vermittels der Politik der bürgerlichen Staaten, die sich objektiv gegen ihre Bevölkerungen richtet, und von daher zunehmend faschistisch strukturiert sein wird.

4. Die Bekämpfung der Menschen durch deren Ausbeutung in Arbeit und Lebensraum hat globale Dimensionen, der sich alle nationalen Strukturen verfügbar halten müssen, um die Fiktionen einer relativ kleinen Glaubensgemeinschaft, die ihnen als Gläubiger gegenübersteht, zu bedienen.

5. Dem Totalitarismus einer hieraus bestimmten politischen Gewalt können sich die Menschen nur aus der Kraft ihres ganzen Lebensverhältnisses entgegenstellen, als Bürger der Staaten und Staatenbündnisse, als Einwohner eines Verwertungsmittels, für die sie verbürgt wurden. Der Bruch ihrer Bürgschaft muss sich daher in den hieraus bestimmten Lebensverhältnissen verwirklichen und wird zunehmend mit der Staatsgewalt des Finanzkapitals konfrontiert sein.

6. In ihren Lebensverhältnissen besteht das Material der Subsistenz weiterhin neben der politischen (rechtlichen ) Macht über diese. Dieses muss zum Träger der Kraft hiergegen werden, um sie disfunktional zu machen. In den Kommunen und Regionen müssen alle Infrastrukturen von der Bevölkerung verteidigt und weiter entwickelt werden, bis sie deren Selbsterhalt im Ganzen sicherstellen, deren Verhältnisse uneinnehmbar machen.

7. Hieraus wird sich eine neue Gesellschaft fortentwickeln können, wenn sie alle politischen und ökonomischen Mittel für sich selbst in einem organischen Verhältnis zu gestalten und zu verwirklichen vermag. Deren Grundlage werden die Wirtschaftskreisläufe der regionalen Verhältnisse sein, weil nur dort ein bestimmtes Verhältnis von Produktion und Konsumtion politisch bestimmt sein kann. Aus der Kritik der politischen Ökonomie wird eine wirtschaftliche Politik für die Menschen herausgebildet werden, wenn es ihnen gelingt, eine politische Form der Auseinandersetzung zu finden, die ihrer Wirtschaftsweise entspricht.

8. Diese Form muss sowohl inhaltlich wie substanziell begründet sein und in ihrer Allgemeinheit auch das Einzelne dem adäquat darstellen. Zugleich muss deren geschichtliche Dimension durch wissenschaftliche Mediation darin einbezogen werden, denn Wissenschaft verarbeitet die substanzielle Beziehungen von Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, soweit sie deren historische und aktuelle Materialien begriffen hat. Zur Beschlussfassung verlangt dies ein qualifiziertes Delegationsverhältnis (siehe qualifizierte Delegation), in welchem sich diese Beziehungen sowohl bestimmen als auch vermitteln lassen.

9. Es wird ein Rätesystem hierzu notwendig sein, in welchem Menschen mit hohen Vermittlerqualitäten eine Auseinandersetzung führen, die in ihrer Ausgangslage von den Menschen bestimmt und in ihrem Ergebnis von ihnen auch bestätigt wird und politisch wie wissenschaftlich einen wirtschaftlichen Fortschritt bestimmen kann, der im Nutzen eines Gemeinwesens steht. Wirtschaftlicher Fortschritt kann nur heißen, dass immer weniger Aufwand für immer sinnvollere Produkte aufgebracht wird. Gesellschaftlicher Fortschritt kann also nur sein, wenn etwas gänzlich Subjektives - Sinn - sich mit etwas gänzlich Objektivem - dem Nutzen - vereint hat.

Genaueres hierzu siehe

Diskussionen rund ums Geld - Teil IX: Die Aneignung der entwendeten Zeit

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