Siehe

Zum Thema siehe auch  => Warenwert als Begriff der Entfremdung des Menschen von seiner Gesellschaft  => Ergänzen statt Ausbeuten! (V) Grundzüge einer synergetischen Vertragswirtschaft



Auf dem Markt ist nichts wirklich so, wie es erscheint. So bunt die Waren dort die Menschen locken, so reich die Vielfalt der Angebote dort auf die Bedürfnisse des einzelnen Käufers treffen, so allgemein und abstrakt ist zugleich das Maß der Beziehung von Angebot und Nachfrage. Weil Geld allgemein deren Preise vergleicht und die Werte der Waren ins Verhältnis setzt, erscheint es als deren allgemeines Wertmaß. Das ist es allerdings nicht durch seine Relationen in den Tauschverhältnissen, als ihr relativer Tauschwert. Es verselbständigt sich zu einem Maß als Gesamtwert der bloßen Masse einer Warensammlung, als absoluter Wert, in welchem der Reichtum der Gesellschaft als bloßes Quantum für sich erscheint. In dieser Selbständigkeit wird diese Masse zum allgemeinen Subjekt der Verhältisse und bemisst nicht nur die Werte aneinander, wie es der Zweck eines Zahlungsmittels wäre. Es relativiert die einzelnen Beziehungen von Kauf und Verkauf in der Preisbildung an der Wertmasse des Warentauschs, wirkt also als der Maßstab der Preise, worin die Tauschwerte sich aneinander messen. Geld ist von daher nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern zugleich ein allgemeines Wertmaß, worin sich die Preise relativieren, auch wenn das durch ihre Preisschilder wie ihr eigenes Maß erscheint, wofür Geld ein bloßes Zahlungsmittel sein soll. Aber Geld hat zugleich als allgemeines Maß der Werte die Funktion, Maßstab der Preise zu sein und hat seine Macht als die gesellschaftliche Existenzform der Produkte, in welcher alle menschlichen Beziehungen zu ihren Sachen als Wert auch für sie maßstäblich werden. Von daher sind ihre menschlichen Beziehungen, wie sie im Geld versachlicht sind, zugleich als dessen Macht wirksam, die nur durch ihre Aufsummirung auf dem Markt entsteht, an der sich ihre Arbeit und ihre Bedürfnisse relativieren. Durch die Art und Weise ihrer Quantifizierung als eigenständiges gesellschaftliches Mittel, das zugleich allgemeines Maß, also Mittel und Zweck in einem ist, erwerben die Produkte eine Sachgewalt, die sich nicht aus der Arbeit und den Bedürfnissen, sondern lediglich aus dem Marktverhältnis ergibt und den Menschen als fremde Macht ihrer eigenen Arbeit, als abstrakt menschliche Arbeit entgegen steht.

Die Marktwirtschaft ist also wesentlich nicht ein nettes Miteinander in frei erscheinenden Tauschverhältnissen, sondern ganz allgemein das Verhältnis einer Produktmasse, an der sich die einzelnen Waren zu messen haben und durch die sie allgemein bestimmt sind. Als diese allgemeine Wertform ist Geld völlig gleichgültig gegen die besonderen Inhalte des Tauschs. In seiner Gleichgültigkeit bezieht es alles in abstrakter Quantität als qualitative Nichtigkeiten aufeinander und isoliert zugleich alles, was sich darin zueinander in ein hiervon völlig abgetrenntes qualitatives Verhältnis in seinem je einzelnen Nutzen für je einzelne Menschen versetzt. Das richtige Wrtmaß, die Gerechtigkeit des inhaltslosen Vergleichens ist also allgemein gleichgültig gegen die wirklichen und konkreten Lebensverhältnisse der Menschen, soweit sie sich darin als Besitzer von Waren oder Geld verhalten. Ihre Einhait haben sie nur durch das Wertsein ihrer Besitztümer und nicht aus deren Nützlichkeit, die in völlig getrennte Verhältnisse zerfällt, besonders in die Welt der Arbeit und die Welt der Bedürfnisse.

Das grundsätzliche Problem der Marktwirtschaft steckt darin, dass die Arbeitsprodukte nicht nur unmittelbare Gegenstände der Bedürfnisbefriedigung sind, dass sie nicht einfach nur der Reproduktion und Entwicklung der Menschen zukommen, sondern als erstes durch die Zweckhaftigkeit ihrer Vermittlung einen Reichtum an Sachwerten bilden, welche die Tauschbeziehungen beherrschen, dass sie also keine menschlichen Beziehungen darstellen, sondern einen Wert bilden, durch den ihre Gesellschaft und Kultur allgemein bestimmt ist. An Stelle der darin verwirklichten menschlichen Lebensverhältnisse herrscht auf dem Markt deren Entwirklichung, eine allmächtige Wertform, die nur ein abstraktes Quantum darstellt, das qualitätslos ist und Geld zum Fetisch macht, der seine Herkunft mystifiziert, der Warenfetisch, der alle menschlichen Beziehungen in die Rationalität des Geldes, in die Vernunft des bezahlbaren Lebens verwandelt. Das bezahlte Leben bestimmt das wirkliche Leben, die Sache der Menschen wird zu einer vermenschlichten Sache, die sich als allgemeines menschliches Verhältnis darstellt und sich seiner bemächtigt, weil sie sein Leben durch die Verfügung über Geld bestimmt.

Sachen können Macht über Menschen nur haben, weil sie von Menschen gemacht sind. Und sie haben Macht über Menschen als Dinge, die nicht für Menschen existieren. Geld wird zu einer leeren und sehr mächtigen gesellschaftlichen Form, worin sich das Privatrecht der Einzelnen politisch verallgemeinert und die Politik durch dieses Recht auf das Einzelne beschränkt. Politik, die sich eigentlich gesellschaftlich begründet, reduziert sich auf das allgemeine Verhältnis isolierter Einzelheiten. Darin wird die Verkehrung von Politik und Ökonomie, die aus den Verhältnissen der Menschen ein Verhältnis von Sachen macht, zu einer verkehrten Welt, weil ihre allgemeine Form nur Wertform sein kann, weil alle inhaltlichen Beziehungen im Kapitalismus nur als Wertform existieren können und Politik sich aus der Ausschließlichkeit dieser Form ableiten muss, sich aus dem Palaver aufsummierter Einzelheiten gerade so ergibt, wie sich die Sachzwänge darin als Sachgewalten aufsummieren.

Das Warenkapital stellt aber nicht nur dar, was Menschen zu ihrem Erhalt und zur Verbesserung ihres Lebensstandards benötigen, sondern auch das, was als Mehrprodukt bei einer Arbeit entsteht, die vor allem Wert produziert. Dieser Wert wird teils als Mehrprodukt auch reinvestiert, um die Produktivität der Arbeit zu erhöhen, mit anwachsender Produktivität aber mit immer größer werdender Wertmasse teils zu Kreditgeld, zum Geldhandel, zum Finanzmarkt, der zum Geldvorschuß nötig ist, und wird schließlich auch zum Kapital einer Risikokalkulation, eine Spekulkation auf Gewinne, die nur aus den Möglichkeiten entstehen, die überschüssiges Geld hat. Das Finanzkapital ist ein zwingendes Resultat der Marktwirtschaft, geht direkt aus dem Warenkapital hervor, aus dem eben, was nicht im praktischen Verhältnis der Menschen gebraucht wird, aber politische Macht über sie hat. Es ist das aus ihr herausgeschwitzte Geld, das sich nicht unmittelbar auf dem Markt, also aus dem Warentausch realisieren lässt und nur als Anlagevermögen der Spekulation, als reines Kreditgeld eines fiktiven Kapitals eine hervon getrennte Macht erwirbt. Es macht aus Geld ein Versprechen, das sich zwar immer noch auf den Warenmarkt bezieht, aber eben nur als Glaube an dessen Verwertungsmacht wirksam ist. Und als dieses wird die Geldmacht selbst zu einem Glaubensverhältnis des Bankenwesens und der Börsen, die inzwischen selbst zu dieser Weltmacht geworden sind, einem Weltkapital, das seine Schätzungen schon automatisiert hat und einen Markt der Spekulationen bedient, bewertet und als Wette ausrichtet und die Geldwerte, also die Währungen hierdurch mitbestimmt. Durch das Konzert der Notenbanken, die ihre Basis in den eigenen Nationen aufgegeben haben, weil sie dem Weltkapital folgen müssen, ist nun jede Marktwirtschaft hiervon bestimmt. Dennoch entstehen die Grundlagen hierfür schon auf dem Warenmarkt, der niemals einfach nur ein Sachverhältnis sein kann, weil die Sachen dort sich tatsächlich nicht wirklich im Zweck der Menschen verhalten können und Geld zur zwingenden Hauptsache machen. Die Globalisierung des Kapitals ist nichts anderes als die Konsequenz aus solchen Verhältnissen.

Wolfram Pfreundschuh