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Rubrik Kultur: Drei Notizen zum 20. Todestag Michel Foucaults

von Roger Behrens

Erschienen: 2003
Als Schüler des Strukturalisten Althusser war Foucault an einer 'Korrektur des Marxismus' interessiert. Wegen der Diskriminierung von Homosexuellen ist er aus der französischen Kommunistischen Partei (KPF) ausgetreten. Seine Kritik zielte vor allem auf die Wahrheitsbehauptungen und Wirkung von Begriffen und Sprache als Mittel der Macht und der Machterhaltung. Hieraus hat sich ein umfangreiches Werk ergeben, das letztlich kulturkritisch angelegt war. Foucault sah die bürgerliche Kultur des Abendlandes als eine vereinseitigte, die sich selbst um die Erfahrungsbereiche brachte, die sie von sich absonderte und wegsperrte. Die Dekonstruktion ihrer Macht könne daher als Versöhnungsprozess in ihrem eigenen Interesse in einem freien Diskurs verlaufen, in welchem das Wissen und Bewusstsein in seinem emphatischen Sinne als Sprache ohne Macht zu sich finden kann. Die Dekonstruktion der Strukturen (z.B. der psychiatrischen Anstalten) würde verborgene Wahrheit von selbst freilegen und unnötige Trennungen (z.B. Wahnsinn und Gesellschaft) aufheben. Diese Archäologie entspricht dem Wahrheitsverständnis eines Skeptizismus, wie er nicht nur von den griechischen Skeptikern, sondern in der Neuzeit auch von Nietzsche vertreten wurde. Als Zweck gesellschaftlicher Komunikation verstanden wird die Skepsis zu einer erkenntnisleitenden Idee, die sich auch in Sprachkritik (und vor allem dort) übt.
In den 70ger und 80ger Jahren war auch die deutsche Linke mit den Problemen dogmatischer Denkweisen befasst und hatte zum Teil besonders auf kulturkritischer Ebene (Antipsychiatrie, Feminismus) die dekonstruktivistischen Ziele von Foucault übernommen. Gut vorbereitet durch die kritische Theorie wurde die Ablösung der Sprache von der wirklichen Bewegung der Geschichte zu einem Machtkampf der Sprechenden, der oft in Selbstauflösung, Sprachlähmung und Denkverbot mündete – genau das eben, was emanzipatorisch mit Hilfe von Foucaults Denken überwunden werden wollte.
Es wird hier untersucht, was den Dekonstruktivismus von Foucault positiv wie negativ ausmacht und wie er letztlich die Funktionalität der sozial Berufenen totalisiert und genau dort Sprachgewalt selbst erzeugt, wo er sie zu bekämpfen vorgibt. Wer nur gegen Macht als solche angeht, der streitet eben auch um sie - das heißt: Will Macht haben, wenn auch in anderer Form. Sprachgewalt funktioniert aber nur im Vertrauen auf die Lebensbedingungen, die ihr vorausgesetzt sind, deren wirkliche Begründetheit darin aber geleugnet ist. Was so als radikale Kritik bestehender Herrschaftsstrukuren erscheint, ist daher zugleich eine radikale Anpassung an sie, an die Gesellschaft der Besitzer des Vertrauten, der Reichhaltigkeit abstrakter Sinnlichkeit, des Guten und des Schönen. Im Kern verbleibt auch hier der Kulturelitarismus Nietzsches als Denkmuster der subjektiven Betroffenheit ohne wirklichen Betreff (vergl. hierzu auch 'Rückblick auf Nietzsche' von Stefan Steinberg).

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