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Rubrik Psychiatrie: Sprechervertragsentwurf zur Auflösung der Irrenhäuser (BRD)

von W. Pfreundschuh

Erschienen: 1984
Aus dem TÜRSPALT Nr. 11: Bericht vom Bundesarbeitskreis »Gesundheit und Soziales« der GRUNEN (1.12.84) in Berlin
Der Bundesarbeitskreis der Grünen am 1.12.84 war der erste, wo alle betroffenen Menschen zum Thema Psychiatrie zusammenkamen, von den Reformern bis hin zu den vollständigen Gegnern institutioneller Maßnahmen: Die Diskussion von Bundesgrünen, DGSP, Vertretern der Sozialpsychialrie und Initiativen und Offensiven (Gale-Leute aus Dänemark, Graue Panther, AK »Ohne Psychiatrie« der AL Berlin, Irrenoffensive, einzelne Betroffene und der TÜRSPALT) sollte den GRÜNEN Forderungen an die Politik vermitteln, die sich aus den konkreten Erfahrungen der Betroffenen und der in der Psychiatrie arbeitenden ergaben. Obwohl die DGSP und andere Vertreter der Sozialpsychiatrie bis zuletzt mit allen Tricks der Stimmungsmache und Diskussionsverfremdung dagegen arbeiteten, kam es zum ersten Mal zu einer Zusammenstellung weitgehender Forderungen gegen die Psychiatrie, die im wesentlichen von der Irrenoffensive und dem TÜRSPALT vorgelegt worden waren und vom Plenum schließlich verabschiedet wurden.
In der Nachbearbeitung dieses antipsychiatrischen Konsens ergab sich der Entwurf des hier abgedruckten »Sprechervertrags«, der vom TÜRSPALT ausgearbeitet wurde und mit Ergänzungen der Irrenoffensive, der Indianerkommune und der Zustimmung der Grauen Panther schließlich zur Plattform für die Weiterarbeit gegen die Psychiatrie wurde.
Es waren dies die fortschrittlichsten Forderungen an deutsche Politiker, die jemals gestellt wurden, wie z.B. die gesetzliche Verankerung von der Finanzierung von Weglaufhäusern. Aber obwohl die GRÜNEN einst wie heute sich offenen hierfür zeigten, waren in der Umsetzung ihre Kräfte wie verflogen, als es darum ging, solche politischen Forderungen parlamenarisch verträglich zu machen. Natürlich war uns dies schon vorher klar, dass die Wählerstimme weitaus mehr wiegt, als das für die Menschen nötige; dennoch wollten wir den Konflikt der GRÜNEN so gestalten, dass hierbei das politische Dilemma der Antipsychiatrie progressiv sichtbar werden konnte: Das bürgerliche Parlament funktioniert vorwiegend zum Zwecke der Selbstlähmung fortschrittlicher Politik. Seitdem hat sich weder daran, noch an der Psychiatrie etwas Wesentliches geändert. Im Gegenteil: Selbst die Forderungen der Psychiatrie-Enquete sind sang und klanglos im großen Magen der Sozialpsychiatrie verschwunden.

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