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Rubrik Politik: Grundprobleme marxistisch begründeter Politik

von W. Pfreundschuh

Erschienen: 24.9.2005
Keine Theorie hat sich so dauerhaft als Erklärung der Probleme ihrer Zeit erhalten und bewahrheitet, wie der Marxismus. Aber auch keine Theorie hat so viele ihrer eigenen Probleme verschleppt und fortgetragen wie er. Das liegt vielleicht an seiner Komplexität und Grundsätzlichkeit, die von denen, die daran arbeiteten, nicht zu bewältigen war. Probleme des Marxismus zu analysieren ist aber auch vor allem deshalb schwierig, weil es 'die Probleme des Marxismus' nicht als solche, nicht als klar auszuweisende Fehler einer Theorie gibt, sondern nur als Probleme einer politischen Praxis, die nun schon weit über 100 Jahre auf dem Buckel hat und von verschiedenen Phasen der Marx-Rezeption sehr abhängig war, in denen die politische Umsetzung schon in der Rezeption von Marx verfehlt und zugleich voller praktischer Fehler war, die auf einem fehlerhaften Verständnis von praktischer Politik gründeten.

Zusammenfassung der 'Probleme des Marxismus'
Man kann die vielen Aspekte im oben aufgeführten Text als Gesamtproblematik des Marxismus darin zusammenfassen, dass er ein Missverständnis von Emanzipation enthält. Dieses lässt sich in drei Momente gliedern:
Die Arbeiterbewegung war bisher nur als eine politische Bewegung aufgetreten, welche Ökonomie durch Politik bestimmen wollte. Es geht aber umgekehrt darum, die bürgerliche Ökonomie als Politik eines Besitzstandes anzugreifen, um eine wirtschaftlich arbeitende Gesellschaft zu erreichen, in welcher Arbeit Sinn für die Menschen hat und bildet. Weder Arbeit noch Proletariat kann bestimmend für eine Gesellschaft sein. Gesellschaftsbildung und -entwicklung ist der Prozess der Kulturbildung in einem Gemeinwesen, worin Arbeit ihr wichtigstes Mittel und Kultur der Ort ihrer Auseinandersetzung ist.
Der Arbeitsbegriff als Erzeugungsbegriff für menschlichen Reichtum kann nicht hinreichen, um das Bedürfnis nach menschlicher Emanzipation zu artikulieren, weil Reichtum sich nicht aus Aufwendungen erklärt, sondern aus der Entfaltung menschlicher Sinnlichkeit. Diese ist zwar in ihrer Negation tätig, wenn sie die Formen der Beherrschung und Aneignung von Arbeit und Kultur angreift. Sie muss zugleich aber auch als Sinnfrage die Auseinandersetzungen der Menschen erfüllen und sich darin entwickeln, um die Beschränktheiten und Selbstbeschränkungen der bürgerlichen Ökonomie und Kultur auch wirklich zu überwinden. Kultur und Ökonomie werden nur durch dies beides zu einem neuen Gemeinwesen gelangen und in der Bewegung dahin eins.
Alle Gedankenformen politischer Identität bleiben Interpretationen von Geisteshaltungen, die ihren Willen darin verbergen und naturalisieren. Solange sie sich nicht in ihrer Wirklichkeit erkennend verhalten und beweisen, bleibt ihr praktisches und theoretisches Interesse eine politische Formation dieses Willens. Marxistische Politik besteht ganz wesentlich aus der Kritik des politischen Willens selbst und damit aus der Aufhebung von Politik. Unabhängig von den Inhalten kommunaler Kulturen kann keine politische Entscheidung wirklich menschliche Geschichte begründen. Politik muss daher durch Wissenschaft und Arbeit ersetzt werden, die sich auf ihr Gemeinwesen beziehen und darin ihren Sinn erweisen und beweisen und sich also einfach darin bewahrheiten, dass sie zu einer freien Beziehung von Individuum und Gesellschaft verhelfen.

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