Roger Behrens (19.3.2012)

erschienen in http://www.opak-magazin.de/2012/03/ich-bin-doch-nicht-bloed/

“Ich bin doch nicht blöd!”
Zur Anatomie des Mitmachens

„Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.“ – Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“

„Zwei und zwei macht vier, das reicht. / Ja heißt ja und nicht vielleicht, / spricht der alte Bock, / meckert fest am Pflock.“ – Franz Josef Degenhardt, „Zwei und zwei“

1.

Niemand lässt sich gerne für dumm verkaufen. Und es gehört mittlerweile zu den Selbstverständlichkeiten der postbürgerlichen Ideologie, dass der Spießer jede Spießigkeit von sich weist. Kein Trottel glaubt, dass er der Trottel ist, und freut sich über jeden, dem offiziell die Trotteligkeit attestiert wird.

Das Kollektiv wird nicht mehr über soziale Uniformierungen gebildet, sondern durch vermeintliche Individualität. Als Racket oder Mob agieren die Menschen nur noch bei den ritualisierten Veranstaltungen der rudimentären Massengesellschaft und ihren regressiven Derivaten, beim Sport, bei Vergnügungsparaden, Volksfesten, im Krieg oder im Bierzelt. Aber auch hier gibt es für jeden schon genügend Chancen, sich individuell zu gerieren, um in die Rolle des nonkonformen Konformisten zu schlüpfen. Das Kollektiv ist in „persönliche, eigene Meinungen“ aufgelöst, die als Nachweis gehegt und gepflegt werden, eben nicht so angepasst zu sein „wie die anderen“.

Auf den ersten Blick scheinen die Menschen heute weniger integriert zu sein als früher (die sogenannte Integrationsdebatte kolportiert das parteipolitisch wie alltagsrassistisch). Doch der Schein trügt, und mehr noch – dieser Schein gehört bereits zur gegenwärtigen Form des kollektiven Mitmachens, das individuell als Eigenständigkeit, Freiheit und Selbstbewusstsein der Subjekte erlebt wird. Und darin unterscheidet sich das Mitmachen als soziales Gruppenverhalten von früheren Anpassungsleistungen: Mitmachen ist demokratischer Voluntarismus, geschäftiges Treiben im Modus von Spaß, Kreativität und Freiwilligkeit. Gleichwohl ist schon die Geschäftigkeit allein Ideologie, Mitmachen mitnichten Mitarbeit und erst recht keine Aufforderung zum Mitdenken. Mitmachen ist die Signatur des gegenwärtigen Gesellschaftscharakters, ist der psychologische Kitt, der die Subjekte innerhalb der Masse als Individuen handeln lässt, ohne die Ansprüche auf Individualität und Subjektivität als solche geltend zu machen.

Insofern ersetzt das Mitmachen die Sittlichkeit und gerinnt zu einem kategorischen Imperativ, das Handeln einem allgemeinen Gesetz zu unterwerfen, für dessen Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit man so wenig verantwortlich sei wie für die Konsequenzen; der Katechismus des Mitmachens kennt keine Maxime außer der, stets glauben zu können, sich keiner Maxime unterworfen zu haben. – Das Mitmachen beschreibt insofern eine Ethik im Konjunktiv, ein Handeln im Modus permanent-potenzieller Entschuldigung, das alles tut, außer Verantwortung zu übernehmen. „Hätte ich das gewusst …“ ist der Leitspruch des Mitmachens, das schon im vornherein die Ausrede parat hat, man würde selbstverständlich nicht noch einmal mitmachen.

2.

Historische Voraussetzung fürs Mitmachen ist paradox zweierlei, nämlich erstens eine bürgerliche Gesellschaft, die zweitens keine bürgerliche Gesellschaft ist. Sklaven, Bauern, Knechte und Proleten, zudem Frauen und Kinder, haben bis weit in die Periode des Hochkapitalismus nicht mitmachen müssen; sie hatten sich schlechthin unter eine Herrschaft zu fügen, die ihrem Leben weitestgehend äußerlich blieb. Mitmachen war eben gar nicht erforderlich, da die Menschen sowieso je schon eingespannt waren. Auch die Arbeiterbewegung, wo sie noch im offenen Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital operierte, machte nicht mit. Mitgemacht wird erst, seitdem Macht und Gewalt so weit in den Subjekten konstitutiv verinnerlicht sind, dass die antagonistische Struktur selbst dann noch als Normalität akzeptiert wird, wo sie ganz offensichtlich eine lebensbedrohliche Gefahr darstellt.

Damit die „Menschen … für ihre Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil, und damit sie es nicht für eine Schande, sondern für die höchste Ehre halten, für den Ruhm eines Menschen Blut und Leben hinzugeben“, schrieb Spinoza in seinem 1670 anonym in Amsterdam veröffentlichten „Tractatus theologico-politicus“ („Theologisch-politischer Traktat“), setzten Monarchie und Religion auf „Täuschung“ und „Furcht“. Die krude Drohung der Repression und Strafe reichte noch aus, die Menschen bei der Stange zu halten. Mit der modernen Gesellschaft ändert sich dies, Angst und Aggression werden zu Parametern, nach denen die Einpassung in die Ordnung tatsächlich als je individuelles Interesse der Einzelnen erscheint. Psychologisch werden dabei die Individuen zunächst noch in der Masse zusammengeschweißt, die in der Moderne gerade dann ihren politischen Ausdruck in der Gewalt von Nation, „Rasse“ und Geschlecht findet, solange die Einzelsubjekte nach ihrer ökonomischen Situation in Klassen sich gegenüberstehen; in der voll entwickelten Konsumgesellschaft, der sogenannten Postmoderne, ist das Individuum seinem Begriff nach, wie Adorno einmal postulierte, „in entscheidenden Stücken außer Kurs gesetzt oder wenigstens durchlöchert“; das Individuum wird vielmehr zu einer bloßen Funktion innerhalb des Warentauschverkehrs, schließlich zu selbst einer Ware.

Mitmachen ist ein soziales Gruppenverhalten, dem die totale Integration des Individuums vorausgeht. Dafür muss die Gesellschaft selbst als homogenisierte Interessengemeinschaft erscheinen, die von Widersprüchen, vor allem dem Klassenantagonismus, bereinigt ist. Dieses Bild einer strukturell liberalen, gerechten und demokratischen Gesellschaft entsteht mit dem Fordismus in den zwanziger Jahren und wird mit der Ideologie und Realität des New Deal in den dreißiger und vierziger Jahren weiter ausgeschmückt, indem es gelingt, das abstrakte Kapitalinteresse – nämlich Profit um jeden Preis zu machen – in ein konkretes Individualinteresse zu verwandeln, und zwar ungeachtet der sozialen Stellung der einzelnen Subjekte innerhalb der kapitalistischen Produktion, des Marktes und der Politik. Das derart entstandene Bild, in dem die Gesellschaft sich spiegelt, zeigt die Konsumgesellschaft und die Individuen als die im Warentauschverkehr vereinigten Konsumenten.

Mitmachen orientiert sich an Verhaltensmustern aus Sport, Unterhaltung und Freizeit; die Sinn- und Ziellosigkeit von Mitmach-Beschäftigungen werden zum spielerischen Umgang mit der Wirklichkeit verklärt. Die Politik des Mitmachens ist eine Politik, die Spaß bringen soll. Junge Leute werden ermutigt, sich sozial zu engagieren, „weil es cool ist“ (wie es jüngst auf einem Hamburger Plakat für Pflegeberufe einer posierenden Auszubildenden in den Mund gelegt wurde). Je stumpfer, langweiliger und entwürdigender die Arbeit, umso beharrlicher wird auf die Freude am Mitmachen insistiert: „Dabeisein ist alles“ – und sei es auch nur das Praktikum oder die Aushilfe bei der Inventur.

3.

Die Referenz des Mitmachens ist die kapitalistische Warenproduktion, die sich wenn nicht in Bezug auf die Produktionsbedingungen, so doch in Bezug auf den Konsum endlich als Basis gemeinsamer sozialer Interessen erweist: „Ich bin doch nicht blöd!“ ist immerhin als Werbespruch in die Phraseologie der Gegenwart eingegangen und setzt gleichwohl die Blödheit (also wörtlich Blindheit) voraus, die Welt allein als Warenwelt von Sonderangeboten wahrzunehmen, immer schon im diffusen Einvernehmen mit der Tatsache, dass diese Welt eben durch die allgegenwärtige Warenproduktion zusammengehalten wird. Anders gesagt: Mitmachen heißt konsumieren; beziehungsweise ist der Konsum der gemeinsame Nenner, das Surrogat dessen, was die Soziologie einst in Abgrenzung zur anonymen Gesellschaft als lebendige Gemeinschaft bezeichnete.

Entscheidend ist, dass die Konsumenten nicht nur die Warenzirkulation bedienen und insofern teilnehmen, sondern dass sie sich selbst als Ware in den Kreislauf einfügen, eben mitmachen. Konsumieren ist die Arbeitskraft der Konsumenten. Nicht allein geht es darum, Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die Befriedigung selbst zu einem tauschbaren Bedürfnis zu machen. Dadurch gelingt es, Elemente des Leistungsprinzips mit dem Lustprinzip zu verkoppeln und die Waren ebenso wie ihren Konsum zu emotionalisieren. (Likes and dislikes mit dem Genuss von Waren zu verbinden, gehört zu den bahnbrechenden PR-Strategien der Frühzeit des Pop – bereits in der Eingangsszene der ersten Folge der Serie „Mad Man“ wird das am Beispiel der beliebten „Lucky Strike“-Zigaretten aufgegriffen; Carl Perkins Rock ’n’ Roll-Schlager „Blue Suede Shoes“ oder der Erfolg von Coca-Cola sind weitere Beispiele. Heute ist das grammatikalisch beigebogene „I’m lovin’ it“ von McDonalds ebenso normal und banal wie der Reklamespruch einer Partnervermittlung „Liebe ist, wenn’s passt!“) Das Modell für solche Emotionalisierung der Waren – und vice versa Kommodifizierung der Emotionen –, wonach ideologisch die Konsumsphäre mit der Produktionssphäre rückgekoppelt wird, ist die Prostitution. Und es kommt wohl nicht von ungefähr, dass die prädestinierten Bereiche des Mitmachens wahlweise durch Übersexualisierung oder durch exzessive Überschreitungen der Integrität oder durch beides, sex and violence, bestimmt sind – jede Castingshow funktioniert mittlerweile nach diesem Prinzip.

4.

„Vergnügtsein heißt Einverstandensein“, heißt es in der „Dialektik der Aufklärung“ von Adorno und Horkheimer 1944/47. Das galt für die Entwicklung der modernen Entertainment-Kultur seit den zwanziger und nachfolgenden Jahren. Seit den fünfziger Jahren, mit Pop und Postmoderne, gilt nunmehr ebenso umgekehrt: Vergnügtsein kann auch heißen, nicht einverstanden zu sein. Guy Debord hat schon 1967 in seiner „Gesellschaft des Spektakels“ auf „die einfache Tatsache“ hingewiesen, „dass die Unzufriedenheit selbst zu einer Ware geworden ist, sobald der wirtschaftliche Überfluss fähig wurde, seine Produktion bis auf die Bearbeitung eines solchen Rohstoffes auszudehnen“. Mehr noch – die verwaltete Welt schafft ihre Spielräume, in denen sich die Unzufriedenen abreagieren dürfen und beschweren können. Mitmachen heißt hierbei: So lange alles im Rahmen bleibt, darf es ruhig etwas frech, laut und aufmüpfig sein, wenn der Aufstand geübt wird. Den Regeln des Mitmachens folgend, wird so die Politik nach Gesten inszeniert, die, ursprünglich dem bürgerlichen Schauspiel entlehnt, von der subversiven Theatralik der Subkulturen adaptiert wurde: Es sind mithin große Gesten, die um so größer erscheinen, je bescheidener und konsequenzenloser ihr Gehalt ist. Die Popstars, die gerne einmal die Revolution proklamieren, unterscheidet vieles von den im Bankenviertel campierenden Occupy-Aktivisten, die im Zelt und mit bizarrer Weltanschauung behaupten, sie seien The 99 Percent, unterscheidet auch vieles von den Management-Monaden aus Politik und Wirtschaft, die irgendwie auch für Revolution sind und irgendwie auch neunundneunzig Prozent – was sie jedoch eint ist, unabhängig von ihrer möglichen gesinnungsmäßigen Wahlverwandtschaft, dass sie bedingungslos mitmachen.

Das Mitmachen repräsentiert gleichsam eine ideologische Versicherung über die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde, wo die Gesellschaft in ihrer brutalen Logik von Inklusion und Exklusion zu unsicher geworden ist; darin ähnelt das Mitmachen dem Gottvertrauen im christlichen Glauben (ohnehin ist Mitmachen ein religiöses Derivat des Christentums, insbesondere des Protestantismus, und wird offensiv bei den Evangelikalen praktiziert). Annulliert wird jener fundamentale Zweifel, mit dem die neuzeitliche Philosophie einst anhob – das cogito ergo sum („ich denke, also bin ich“) wird ersetzt durch den einfachen Appellativ „Mach mit!“. Aufklärung als Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist damit ebenso verstellt wie jede weltverändernde Praxis suspendiert: Jede Möglichkeit der Großen Weigerung wird auf den kommenden Aufstand vertagt, jeder sozialen Phantasie radikaler Transzendenz im Jargon der Revolte widersprochen.

„Die Menschen erkennen sich in ihren Waren wieder; sie finden ihre Seele in ihrem Auto, ihrem Hi-Fi-Empfänger, ihrem Küchengerät. Der Mechanismus selbst, der das Individuum an seine Gesellschaft fesselt, hat sich geändert, und die soziale Kontrolle ist in den neuen Bedürfnissen verankert, die sie hervorgebracht hat“, diagnostiziert Marcuse schon 1964 in seiner Studie „Der eindimensionale Mensch“. Die Integration vollzieht sich nicht mehr als einfache Anpassungsleistung, sondern, so Marcuse weiter, als „Mimesis: eine unmittelbare Identifikation des Individuums mit seiner Gesellschaft und dadurch mit der Gesellschaft als einem Ganzen.“ Bis in die siebziger Jahre hinein blieb diese Mimesis noch weitestgehend auf den Mainstream der Mehrheitsgesellschaft beschränkt, verstreute sich aber gesellschaftlich im Zuge der postmodernen Individualisierung seit den späten Siebzigern und in den frühen Achtzigern. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Subkulturen in dieser Zeit hat daran ihren Anteil, mithin auch dahingehend, dass das Mitmachen um vermeintlich subversive und dissidente Strategien ergänzt wurde. Damit gelang es, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Warenwelt als Lebenswelt zu erschließen. Nunmehr kann Mitmachen gleichzeitig beides heißen: konform als auch nonkonform zu sein.

Nachverfolgen lässt sich das ikonografisch an der Bilderordnung in der Reklame, die mit der Kommodifizierung einhergeht: Im Vergleich zu den Werbe-Images und -Clips, die sich im Verlauf der siebziger Jahre etablieren, wirken Menschen in älterer Reklame immer ein wenig wie anteilnahmslos hineingestellt, behäbig, distanziert und mitunter argwöhnisch dem Produkt gegenüber: Sie müssen überzeugt werden. Dagegen tritt nun der Mitmach-Charakter in der Werbung immer offensiver auf, und das Mitmachen selbst wird zu einem Element der Public Relations. Langsam verschwindet nun die spröde wie sonore Männerstimme aus dem Off, die zumal der Hausfrau erklärt, um was es hier eigentlich geht, bis die Konsumenten sich selbst in der Werbung als Akteure wieder entdecken können: Sie werden nicht einfach nur zum Produkt befragt, sondern verschmelzen mit ihm, indem die Ware zu einem scheinbar immer schon vorhandenen Teil des Alltags wird.

5.

„Das Negative war das Positive, dieses Bewusstsein des Nichtmitmachens, des Verweigerns; die unerbittliche Analyse des Bestehenden, soweit wir jeweils dafür kompetent waren, das ist eigentlich das Wesen der kritischen Theorie.“ – Leo Löwenthal, „Mitmachen wollte ich nie“

Praxis, so wie die kritische Theorie sie fasst, zielt als „revolutionäre“ und „menschlich-sinnliche Tätigkeit“ (Marx) auf Veränderung im Sinne wirklicher Bewegung und Geschichte. – Mitmachen hingegen passt sich ins Bestehende ein und kapriziert sich auf die Verbesserung des gegebenen Zustands, und mitnichten auf seine Veränderung. Die gegenwärtige gesellschaftliche Ordnung wird dabei als alternativlos vorausgesetzt: Bei allen Mängeln und Unzulänglichkeiten erscheint der Kapitalismus nicht nur als sein eigener Zweck perfektionierbar, sondern zugleich auch als einziges Mittel der Perfektionierung. Mitmachen als Verbesserung des Lebens kann dabei nur heißen, sich an der kapitalistischen Verwertungslogik auf allen Ebenen – Produktion, Reproduktion, Konsum – in der Weise zu beteiligen, dass jeder eben diese Logik in seinem individuellen Denken, Handeln und Fühlen fortsetzt.

Das verlangt allerdings paradox, dass die individuellen Interessen einer – wie es bereits der Soziologe Georg Simmel vor über einem Jahrhundert beobachtete – „unbarmherzigen Sachlichkeit“ und einem „verstandesmäßig rechnenden wirtschaftlichen Egoismus“ unterworfen werden. Vernunft wird ihrer Objektivität – in der die Idee des Menschen selbst aufbewahrt ist – entkleidet und zu einem reinen Werkzeug kalkulierten Handelns, und somit zur instrumentellen Vernunft (Horkheimer) beziehungsweise technologischen Rationalität (Marcuse). Seinen deutlichsten Ausdruck hat das im Zusammenspiel von Technifizierung und Kommodifizierung des Lebens. Schon in den Anfängen moderner Bürokratie wurde jede Spontaneität einem kybernetischen Regime unterworfen, das individuelle Fähigkeiten und Vermögen ebenso standardisierte wie das gesellschaftliche Alltagshandeln; die verwaltete Welt beginnt mit dem Schulsystem und der Unterrichtsplanung, der Mechanisierung des Straßenverkehrs und den Versicherungen und Kapitalgesellschaften. Unter der Maßgabe ökonomischer Effizienz erfordert das vom Einzelnen Leistungen, die immer auch Anpassungsleistungen sind: Mitmachen.

Gerade mit voranschreitender Ersetzung des Menschen durch die Maschine bekommt das Mitmachen in der verwalteten Welt eine merkwürdig menschlichere Gestalt und verliert scheinbar das Unmenschliche, das den alten, „analogen“ Bürokratien anhaftet: Kaum noch erwecken die computergesteuerten Überwachungssysteme Misstrauen, obwohl sie weitaus lückenloser funktionieren als ein stalinistischer Parteiapparat. Auch in dieser Hinsicht erweitert Mitmachen die selbst kontrollierte Integration in die bestehende Ordnung, wenn es darum geht, via Facebook und Youtube alle möglichen Trivialitäten wie Intimitäten preiszugeben.

Die entscheidende Entwicklung dahin vollzog sich einmal mehr in den siebziger Jahren, als aus Büromaschinen – den Rechen- und Kommunikationsanlagen – auf einmal Personal Computer wurden und die Informationstechnologie mit der Unterhaltungselektronik konvergierte. Entscheidend ist diese Entwicklung auch insofern, als dass eben diese vermeintliche mikroelektronische Revolution sich von vornherein auf der Basis kapitalistischer Warenproduktion vollzog (anders etwa als noch die Erfindungen des 19. Jahrhunderts, man denke an die Fotografie oder die Glühlampe). Jede technische Neuerung konnte sofort über den Konsum in den Alltag eingespeist werden – als technische Erweiterung des Mitmachens. Wobei jedes Gerät, gleich ob Spielzeug oder Arbeitsmittel, gleich ob Hardware oder Software, immer schon als Ware fungiert, deren technischen Gebrauchswert-Eigenschaften mit den kommodifikativen Tauschwert-Eigenschaften letztendlich synonym sind: Notebooks und Smartphones, iPads und iPods, Google und Twitter sind keine technologischen Errungenschaften an sich, sondern funktionieren nur innerhalb der kapitalistischen Konsumgesellschaft, in der die augmented reality und Virtualität ebenso dasselbe sind wie soziale Netzwerke und das Internet.

Konsequent gehört der Werbespruch „Ich bin doch nicht blöd!“ zu einem Unternehmen, das schon im Namen (Media Markt) Technologie und Ökonomie vereinigt. Mitmachen triumphiert in der Pointe der Kampagne, dass gerade die größten Blödiane dann nicht blöd sein sollen, wenn es um die konsumistische Befriedigung der aufs Technische reduzierten Bedürfnisse geht.

Sich allenthalben dafür einzusetzen, dieses System zu verbessern, setzt fakultatives Mitmachen ebenso voraus wie es Mitmachen als obligates Resultat der gegenwärtigen sozialen Verhältnisse bestätigt. Eine solche Welt indes zu verändern, hieße allerdings, auf der Großen Weigerung und der rücksichtslosen Kritik des Ganzen radikal zu insistieren.