Wolfram Pfreundschuh (10.10.2014)

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Zur politischen Kultur des Feudalkapitalismus
4. Teil: Die Freiheiten des Freihandels

Seit mindestens einem Jahrzehnt übt sich die Politik praktisch nur noch in Versprechungen, die Probleme, die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme, die der Zwang zum Wertwachstum aufwirft, zu lösen. Doch ihre Politik besteht de facto nur noch aus Täuschungen der Bevölkerung, die schon den Charakter eines Betrugs angenommen haben. Die Arbeitslosigkeit z.B. ist in Deutschland nicht von sechs auf drei Millionen Menschen gesunken, sondern lediglich statistisch herausgerechnet worden, indem man Arbeitslosigkeit umdefiniert hat. Arbeitslose, die krank geworden sind oder sich in sogenannten Umschulungsmaßnahmen befinden oder die Aushilfsjobber, gelten einfach nicht mehr als arbeitslos; die sogenannten Aufstocker, die Ein-Euro-Jobber und Billiglöhner, die bei ihrer Maloche praktisch nur noch als Befehlsempfänger von Behörden oder Subunternehmungen bei Fuß verfügbar sein müssen, die Ex-und-Hopp-Beschäftigten, die nach dem Hire-and-Fire-Prinzip unentwegt um ihre Existenz bangen müssen, sollen nichts mehr mit Arbeitslosigkeit zu tun haben, mal ganz davon abgesehen, dass ein großer Teil der ganz gewöhnlich beschäftigten Menschen mit ihrem Lohn auf einen immer schlechteren Lebensstandard gezwungen werden. Nimmt man hinzu, dass die sozialen und wirtschaftlichen Krisen längst nicht im nationalen Rahmen zu begreifen sind, so ist Arbeitslosigkeit, ganz besonders die Jugendarbeitslosigkeit zu einer Katastrophe geworden. Zu 55 % in Spanien, zu 48% in Italien, zu 20% in Frankreich, mal ganz abgesehen von den Frischen Beitrittsländern wie Kroatien, das mit 62 % Jugendarbeitslosigkeit in eine hoffnungslose Zukunft blickt. Und nirgendwo zeigt sich der Charakter einer Gesellschaftsform deutlicher als an den Chancen der Jugend.

Nimmt man noch hinzu, dass die Ausnutzung der Staatsbürgerschaft als Verstaatlichung einer willenlosen Bürgschaft der Bewohnern der Nationen für die praktisch irrationale Dimensionen der Staatsverschuldungen ausgeweitet ist, so wird eigentlich niemand mehr behaupten können, dass sich der Kapitalismus durch Neuinvestitionen, technologischen Entwicklungen und Ausdehnung der Märkte wieder ganz einfangen könnte, seine Krisen noch überwindbar wären. Die Gewalt der finanzpolitischen Glaubensmacht, der Kreditgeber und Staatenlenker ist gerade deshalb unermesslich geworden, ihre Glücksversprechen zum offenen Betrug an ihrer Bevölkerung geraten. Ihr Geld fungiert nur noch zu 5% seines Werts als reelles Kaufmittel, zum weitaus größten Teil als reines Schuldgeld der Staatsbanken, als reine Verpflichtung auf "Volk und Vaterland", das dem entsprechend immer häufiger zitiert wird. Die Verschuldung aller Staaten der Welt zusammengenommen beträgt über 300 Billionen Dollar. Das ist das 50fache des auf der ganzen Welt umlaufenden Geldes, des in Geld dargestellten Umsatzes des Warenhandels. Die Schulden bestehen einmal aus nur nominell ausgegebenen Geld, dessen Wert erst noch durch bloße Rechtstitel, durch Lizenzen, Pacht und Miete eingetrieben werden soll aus Zahlungsverpflichtungen in die Sozialkassen und aus deckungslosen Krediten, die auf Wertwachstum spekulieren. Aber vor allem sind es die Staatsverschuldungen, die den Geldwert eines fiktiven Kapitals halten müssen und für welche die Bürger zu bürgen haben und die weit über ihr nationales Vermögen hinausgehen, sehr viel weiter als in den Gründerjahren der EU erlaubt war. Wenn man alle Zahlungsverpflichtungen einschließlich der eingenommenen und schon zweckentfremdet ausgegebenen Rentenbeiträge zusammen nimmt, so beträgt die Verschuldung der USA z.B. bereits 17 Billionen Dollar, in Deutschland 2,5, in Frankreich 1,8 Billionen Euro. Es wäre auf sehr lange Zeit ein Vielfaches des jährlichen Sozialprodukts nötig, um diesen Betrag abzugleichen. Dabei sind noch nicht einmal Staatsbürgschaften z.B. Zahlungsverpflichtungen für den ESM und für NATO und EU berücksichtigt. Selbst die wissenschaftlichen Autoritäten der Volkswirtschaft glauben nicht mehr an eine Einlösbarkeit der gigantischen Zahlungsversprechen, die mit Schulden nun mal verbunden wird. Das Pulverfass der Verschuldung muss nicht unbedingt explodieren, es ist eher ein schleichender Schwelbrand, der in den Kellern der Wirtschaftskraft schon um sich greift, und er wird kaum durch das Vermögen der Menschen noch zu löschen sein.

Politik besteht im Grunde nur noch aus Versprechungen, nicht nur Zahlungsversprechen, sondern schon auch aus latenten Heilsversprechen, dass politische Vernunft und ihre Repräsentanten alles irgendwie durch kluge Tricks und Verträge wieder einrenken könnten. Sie sollen vor allem die Aussichtslosigkeiten des herrschenden Kapitalismus kaschieren, verdrängen, dass seine Versprechungen auf Reichtum für alle, Freiheit der Person und Gleichheit der Lebenschancen immer absurder werden. Das sogenannte Milleniumversprechen ist nur noch eine Farce, die Behauptung, man könne die Armut der Ärmsten bis zum Jahr 2015 halbieren eine bloße Camouflage des Reichtums, der sich nur noch auf den Finanzmärkten bewegt und ermächtigt. Die Armut der Ärmsten ist insgesamt nicht geringer geworden, sondern hat sich weiter ausgeweitet. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist tiefer denn je. Überall drohen die wirtschaftlichen Verhältnisse an ihren Wertmaßstäben, an der Konkurrenz ihrer Preisbildungen und Zinsen ↓(1) zusammen zu brechen. Es ist eine schlichte und bewusste Lüge, dass dies alles durch Sparpolitik und Haushaltung und Wirtschaftsverträge und Freihandelsverträge noch aufzulösen wäre. In Wahrheit wird Kapitalismus immer brutaler und greift in alle Ressourcen der Menschheit, in die Substanzen des Lebens überhaupt. Und es ist auch kein Wunder, dass gerade in den ärmsten Ländern eine Seuche sich rasant ausbreitet, wenn nicht mal das Pflegepersonal und die Leichengräber der Ebola-Toten aus ihrer Staatskasse noch bezahlt werden können.

Das Problem des modernen Kapitalismus ist, dass das, was ihn beflügelt hat, die Produktivität der Automation, den Produktwert so stark mindert, dass er nicht mal mehr durch Massenproduktion eingelöst werden kann. Solange Kapitalismus funktionieren soll, beruht er auf Mehrwertproduktion und muss den Wert der Arbeit von Menschen senken, ihre Ausbeutung verschärfen ↓(2). Die Entwertung der menschlichen Arbeit ist im Ganzen, also weltweit unübersehbar und die Erniedrigung der Menschen durch die Entwertung ihres Lebens und Aneignung ihrer Lebenszeit ist nichts anderes als die Vertiefung des Grundproblems des Kapitalismus, dass die Fortschritte der Technologie und Automation seine Verwertungsprobleme forttreibt, sie beständig zwischen Inflation und Deflation bzw. Rezession so weitgehend wie möglich politisch ausbalanciert und die Menschen über die Konkurrenz auf den Waren-, Geld- und Arbeitsmärkten gezwungen sind, ihr Leben hiernach auszurichten. Mit der Globalisierung der Finanzmärkte hat das Kapital die Nationalstaaten seinen Geldverhältnissen unterworfen und ist schlicht und einfach dem Marktgeschehen der Finanzmärkte subsumiert. Der Kapitalismus hat sich als Produktionsverhältnis durch Kapitalvorschuss längst selbst überholt und kann nur noch der Verschuldung dienen, die unentwegt billige Arbeit und Lebenskraft und Lebenszeit der Menschen einfordert, um das zu bleiben, was sie ist und zugleich das zu verlieren, was sie war ↓(3).

Und so wird nun auch schon mit der bloßen Hoffnung auf weiter reichendes wundersames Mehrwertwachstum durch Markterweiterungen, wo gar keine Märkte sind, mit schlichter Ausweitung der Macht der Spekulation Politik gemacht. Die so genannten Freihandelsverträge mit den USA und Kanada, die derzeit sich kurz vor ihrem Abschluss oder ihrer Ratifizierung befinden, sind wieder mal mit Versprechungen verbunden, die auch schon faktisch falsch sind: Sie sollen Märkte über das hinaus ausweiten, was bisher die politischen Grenzen der Lebenssicherheit betraf. Und Politikerinnen und Politiker versteigen in die allzeit parate Behauptung , sie würden Arbeitsplätze schaffen, obwohl sie vor allem die Zerstörung ganzer Arbeitsbereiche und Institutionen mit sich bringen. In Wahrheit sollen sie aber vor allem die Rechtsposition der Eigentumstitel und Kapitalinteressen, die Eingriffsmöglichkeiten in die regionalen Verhältnisse verabsolutieren und hierfür die bestehenden Rechtsverhältnis beugen.

Das Wertwachstum im Freihandel

Der Freihandel ist nicht nur eine Ideologie, sondern ein besonderes Machtverhältnis, das sich durch die schleichende Zerstörung der Bürgerrechte über die Globalisierung des Kapitals zu einer marktübergreifenden Weltmacht entwickelt hat. Die Politik der Nationalstaaten, ihre monetären und finanzpolitischen Aufgaben sind unter das Diktat der Finanzmärkte geraten, die inzwischen schon durch die Bewertung der Währungssysteme, mehr oder weniger direkt über die politische Selbsterhaltung der Nationen, ihre Entwicklungsmöglichkeiten und damit über die Lebensbedürfnisse der Menschen selbst bestimmen. Letztlich macht diese Bewertung aus, wie sich die inneren Verhältnisse der Nationen gestalten und welchen Wert sie auf den Exportmärkten zu bieten haben ↓(4). Die Nationalökonomie kann dieser Weltmacht im Wesentlichen nichts mehr entgegensetzen und muss den Sparplänen, Rettungsschirmen und Konkursverwaltungen folgen, sofern sie die Verschuldungspolitik der Weltmacht, also die Staatsverschuldung selbst noch anerkennt. Und um das geht es hier: Die Macht der Gläubiger gründet auf dem Glauben an eine übergroße Schuld und eröffnet ein praktisch willkürliches Verhältnis der Forderungen an die Schuldner. Und die bestehen inzwischen aus über 90% der Menschheit. Der Freihandel ist der Handel mit dem Leben schlechthin, der Handel mit den Ressourcen von Mensch und Natur, der sich neoliberal einkleidet und nichts anderes als die Diktatur einer absurden Glaubensmacht des Geldes darstellt, um die Politik eines Schuldgeldsystems, des Feudalkapitals zu betreiben.

Viele Menschen haben schon begriffen, dass wir uns in einer zeitgeschichtlichen Wende befinden. Was der Kapitalismus anfangs noch als geschichtlich begrenzte Phase der Menschheitsgeschichte gebracht hatte, die Bildung eines gesellschaftlichen Reichtums, der die Entwicklung eines fortschreitenden Lebensstandards, der Produktionsmittel, und die technische und organisatorische Qualifizierung der Arbeit und Forschung mit sich gebracht hatte, der eine gesteigerte Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft überhaupt ermöglicht und Religionen und ihre Götter in ihre Himmelssphären verwiesen, Religion und Staat voneinander geschieden hatte, hat begonnen, sich in sein Gegenteil aufzulösen. Die Götter der Geldvermehrung hausen nun in der Hölle der Lebenspflichtigkeiten als pure Gewalten über das Leben der Menschen und ihrer Kulturen. Das Leben wird nicht mehr wirklich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt, sondern zunehmend über das Maß der Lebensmittel selbst, über das Maß der Werte als Maß der Schuldigkeiten. Der Vorschuss an Geld, der in jener Gesellschaft nötig war, um die Produktion in Gang zu setzen, wird zunehmend als Vorschuss an Arbeit den Menschen abgedungen, durch welche das Geld sich nur noch in Wert hält, indem es als politische Gewalt aus den reinen Lebensnotwendigkeiten der Menschen deren Verpflichtungen zu einer Arbeit erpresst. Was sie am Leben hält muss natürlich produziert werden, auch wenn hierfür der Lebensstandard sinkt. Was aber die Fortbildung des Reichtums ausmacht, die Entwicklung und Differenzierung der gesellschaftlichen Bedürfnisse und ihrer Kultur, hat für die meisten Menschen immer weniger Sinn. Das Wertwachstum realisiert sich vor allem nur noch als ein mehr oder weniger bedrohliches Wachstum an Sinnlosigkeiten, einem Ramsch, für den die Käufer erst aufgereizt werden müssen, um ein Bedürfnis danach zu entwickeln. Vorwiegend ihre zwischenmenschliche Verhältnisse verschaffen ihnen den Sinn, der ihnen in ihren existenziellen Verhältnissen abgeht und werden zu Prothesen des Lebens in einer sinnlos scheinenden Welt, zu Lebensburgen, in denen eine allgemeine Egozentrik aufwächst, die ihre wirkliche Gesellschaft vergessen macht. Die ganze Welt wird zu einer Außenwelt der Menschen, die sich vor allem nur noch durch Forderungen für fremde Notwendigkeiten an sie wendet und politisch unerreichbar erscheint, weil sie für den einzelnen Menschen weit entfernt vermittelt wirkt.

Die bürgerliche Gesellschaft ist schon weitgehend aufgelöst, ihre politische Rechtsformen und die Ausgleichsfunktionen der Staaten sind fast wirkungslos geworden. Der Fortschritt des Kapitalismus hat eben seine Zeit und Form, die Funktionalität seiner Kapitalverwertung durch die kapitalistische Produktion, die Produktion von Kapital durch den Mehrwert an Gütern, überschritten. Die organische Substanz seiner Entwicklung ist zur eigenständigen Gewalt seiner Formbestimmungen geworden, die in ihrer Logik allerdings auch schon seit dem 19. Jahrhundert als Entwicklungsmotor der bürgerlichen Gesellschaft zu begreifen war. Dies konnte daher Karl Marx schon 1847 vorhersehen.

"Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt." (Manifest der Kommunistsischen Partei, 1847/48, Karl Marx und Friedrich Engels in MEW Bd. 4, S. 467f).

Der Kapitalismus ist nun gänzlich aus dem Ruder, weil er dieses Zuviel nicht mal mehr hinreichend vernichten kann. Daher richtet er sich gegen seine eigenen Grundlagen, gegen die Lebensgrundlagen der bürgerlichen Gesellschaft als Ganzes. Das ganze System der Marktwirtschaft funktioniert nicht mehr, weil die Produkte zu billig verkauft werden müssen, um mit Billiglohn noch absetzbar zu sein. Und sie stellen auch keinen Mehrwert mehr dar, weil die wachsende Produktivität und Automation die Arbeit der Menschen zunehmend entwertet hat. Der Markt hat sich auf einen verselbständigten Geldmarkt verlagert und beruht zum großen Teil auf Wertimporten aus den Währungsverhältnissen, dem Wertverhältnis von reichen und armen Ländern. Und deren Wert steckt nicht nur in den Produkten, sondern in den ganzen Infrastrukturen und Kulturen der davon abhängigen Länder, deren Verhältnis zu ihren Sitten, Ernährungsgewohnheiten und religiösen Selbstbezogenheiten und deren Erfahrungen mit Ausbeutung und Monokultivierung.

Ihre kulturellen Gewohnheiten entsprechen aber immer noch dem Stand ihrer Märkte. Das ist für ein globales Wertwachstum im Verschuldungssystem der Finanzwirtschaft eine noch vorhandene Beschränkung. Und die Spekulation auf Markterweiterung, die immer als Krisenlösung gesucht wird, verlangt daher hartes Durchgreifen. Die Lebensstandards der einzelnen Nationen, die Gewohnheiten der Ernährung und Gebräuche, deren Verständnis von Leben und Gesundheit stellt sich für die Verwertungsgier der internationalen Spekulation noch als ein verbliebenes Handelshemmnis dar, das sie überwinden wollen ↓(5).

Daher dringen nun die Agenturen der Gläubigermacht massiv in die Politik ein, die dem wohl mehr oder weniger auch folgen muss, um sich selbst zu erhalten, um ihre Existenzgrundlagen, die bestehenden Lebensbedingungen, die Verdingung des Lebens zu verewigen. Die Freihandelsverträge namens CETA und TTIP, die in den letzten sechs Jahren insgeheim in diversen Hinterzimmern ausgehandelten wurden, sollen die letzten Schranken der Marktwirtschaft, der staatlich garantierte Schutz des Lebens vor der Willkür der Verwertungsinteressen nieder reisen ↓(6). Die Agenten der Märkte wollen den Markt über die Schranken ihrer natürlichen Selbsterhaltung hinaustreiben. Das Recht auf ein gesundes Leben soll dem Verwertungsinteresse der Konzerne überantwortet werden, damit sie sich auch über die letzten verbliebenen Substanzen der Natur, der Rohstoffe und Gene, der Tier- und Pflanzenzucht hermachen können ↓(7).

Die Verwertungspanik des Kapitals und ihre Zuhälter

Das inzwischen allgemein diskutierte Vorhaben der "Transatlantic Trade and Investment Partnership" (kurz: TIPP), das seit über fünf Jahren in diversen Hinterzimmern der Parlamente und Lobbyisten entwickelt wird und im Jahr 2015 offiziell installiert werden soll, könnte die Globalisierung des Kapitals in eine unumkehrbare Zwangsjacke der gesellschaftlichen Entwicklungen in aller Welt wenden, wenn es zu seiner Ratifizierung durch das EU-Parlament und Schritt um Schritt dann auch von anderen Ländern kommen sollte ↓(8).

Erst mal hatte man es ja nicht so richtig glauben wollen, dass die "vom Volk gewählten Politikerinnen und Politiker" in der Lage sind, Welthandelsverträge zunächst im Geheimen gegen ihre Interessen und gegen das von ihnen permanent abgerufene demokratische Selbstverständnis der Bevölkerung zu entwickeln. Doch nicht alles darin ist wirklich neu. Längst kümmern sich die Marktgiganten nicht mehr um den so genannten freien Wettbewerb, längst teilen sie die Einflussbereiche in Reviere ihrer Macht auf, um sich nicht ins Gehege zu kommen, so wie es die Zuhälter auch machen, damit jeder sich optimal bereichern kann. Und längst sind die Märkte in Handelszonen vertraglich fixiert, so dass man auch meinen könnte, es handle sich bei den derzeit in Verhandlung stehenden und teilweise schon unterzeichneten Verträge (CETA und TTIP) nur um eine Erweiterung der längst ausgehandelten Reviere der Marktgiganten ↓(9). Und das ist vielleicht die Ursache, dass sie so unbefangen und ganz im Geheimen entwickelt werden konnten. Es gehörte wohl zum Konzept dieser Entwicklung, im Schlafmodus sich einzuschleichen und auch das politische Personal nicht so richtig wach werden zu lassen. ↓(10)

Doch viele Bürgerinnen und Bürger sind inzwischen aufgewacht. In einem Flugblatt der Aktion "Verkauft nicht unsere Zukunft!" wird das Vorhaben folgendermaßen beschrieben:

• TTIP höhlt Demokratie und Rechtsstaat aus: Ausländische Konzerne können Staaten künftig vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie Gesetze verabschieden, die ihre Gewinne schmälern.

• TTIP öffnet Privatisierungen Tür und Tor: Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen.

• TTIP gefährdet unsere Gesundheit: Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch ↓(11). Die bäuerliche Landwirtschaft wird geschwächt und die Agrarindustrie erhält noch mehr Macht.

• TTIP untergräbt die Freiheit: Es droht noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern. Exzessive Urheberrechte erschweren den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft.

• TTIP ist praktisch unumkehrbar: Einmal beschlossen, sind die Verträge für gewählte Politiker nicht mehr zu ändern. Denn bei jeder Änderung müssen alle Vertragspartner zustimmen. Deutschland allein könnte aus dem Vertrag auch nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt.“ ↓(12)

Im Vorfeld des Europäischen Aktionstags gegen TTIP, CETA & Co am 11. Oktober 2014 veröffentlichte auch die Informationsstelle Militarisierung (IMI) soeben die Studie "Geopolitischer Sprengstoff: Die militärisch-machtpolitischen Hintergründe des TTIP" (www.imi-online.de) . Ihr Autor Tim Schumacher beschäftigt sich darin mit den möglicherweise gravierenden friedenspolitischen Auswirkungen des Abkommens und schreibt: "Zu Recht steht die 'Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft' aufgrund vieler sozialer und ökologischer Gründe in der Kritik. Aber auch ihre friedenspolitischen Auswirkungen sind katastrophal."

Fünf Aspekte sind nach Aussagen der Studie dabei von besonderer Bedeutung: Erstens geht es ganz grundsätzlich um die Neuformierung und Stärkung des westlichen Machtblocks gegen Rivalen wie China oder Russland. Dieser westliche Block erhofft sich mit dem TTIP zweitens, neoliberale globale Standards zu setzen und zu stärken, um so das eigene Ordnungsmodell gegenüber dem angeblich grassierenden "Staatskapitalismus" der inzwischen zu mächtigen Konkurrenten gewordenen Länder besser in Stellung zu bringen. Als dritter Aspekt soll der Ausbau der transatlantischen Energiekooperation vor allem die Abhängigkeit der Europäischen Union von Russland reduzieren und so den Weg für eine noch konfrontativere Politik frei machen. Und schließlich soll das Abkommen eine Vertiefung der transatlantischen Rüstungskooperation und einen europäischen Rüstungsschub bewirken. All diese Auswirkungen des Abkommens fördern die ohnehin schon gefährlichen Tendenzen zu einer weiteren Blockbildung im internationalen System und leisten einer weiteren Militarisierung im Westen Vorschub. Aus der Sorge um diese Blockbildungen ist z.B. auch die Krise der Ukraine erklärlich. Aus diesem Grund muss dieses Abkommen auch in der Friedens- und Antikriegsbewegung künftig eine stärkere Beachtung finden.

Es hat den Anschein, dass wesentliche Teile des westlichen Machtblocks aus USA und EU in dem Abkommen ein Werkzeug sehen, um die geopolitische Weltkarte erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben. So heißt es in einem Papier der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft [...] ist nicht nur ökonomisch höchst wichtig, sondern kann potenziell auch die Weltordnung und das globale Handels- und Wohlfahrtssystem verändern.“ Peter van Ham bemerkt dazu:

„Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft wird eine entscheidende Rolle für die Zukunft der transatlantischen Sicherheit und Verteidigung spielen. [...] Im Versuch mit einem aufstrebenden Asien zu konkurrieren, anstatt auf globale normative Annäherungen zu vertrauen, folgt es einer geopolitischen Logik.“

Leider wird diese Dimension in der Kritik der TTIP meist verdrängt durch sehr vordergründige Darstellungen der Gefahrenlage. Es sind nicht einfach nur die amerikanischen Chlorhühner, die uns ins Haus flattern könnten; es ist das Konzept der Installation einer Zentralmacht des Kapitals, an der sich die Politik zunehmend weltweit auszurichten haben soll. Es geht um die Legalisierung einer realen Unterwerfung der Staatsmacht als politisches Instrument der Konzerne und Banken, um die Vollendung der globalen Deregulation durch die Aufhebung ihrer Kontrollmöglichkeiten schlechthin und schließlich um die Fixierung ihrer politischen und militärischen Ausrichtung auf das Verlangen der Spekulanten, die inzwischen durch diese Abhängigkeiten der Staaten vom Weltmarkt der Finanzen selbst mehr Gewicht erlangt haben, als alle Staatsbanken der Welt. Es geht um die Selbstverwertung des Geldes als politische Macht und das ist der Rettungsversuch eines Kapitalismus, der längst nicht mehr funktionieren kann, weil sein Blutkreislauf, das Wertwachstum, sein Lebenselixier permanent und immer folgenschwerer kollabiert, weil er an seinen inneren Widersprüchen scheitert, die ein Ausmaß erreicht haben, das wirtschaftlich nicht mehr einzuholen ist.

Das Wertwachstum ist seit jeher der allem zugrunde liegende Prozess des Kapitalismus ↓(13) und stand schon immer im Widerspruch zu seinem Wirtschaftswachstum, der Entwicklung seiner Produktivkräfte. Es ist sein unlösbares Problem, dass er über die Märkte alles Qualitative in einem Verhältnis quantifiziert, das Macht über sie hat, das als Geldmacht des reinen Geldes letztlich über alles verfügt und zugleich sinnlos wird, weil das Verfügte vom Leben der Menschen auch abhängig bleibt, ihre Bedürfnisse und Kraft nötig hat. Seine Krisen, seine Überproduktion, Inflation und Rezessionen wurden immer wieder durch eine von Mainard Keynes so genannte "produktive Zerstörung" wieder eingefangen. Man hatte das in Wirtschaftsphasen der Prosperität und der Krisenhaftigkeit eingeteilt und Vernichtung von daher als ein notwendiges Übel dieser Wirtschaftsform in Kauf genommen. Doch diese gelangt irgendwann eben auch an die Grenzen seiner Lebensorgane, findet ihr substanzielles Ende im Ganzen, wenn ihr der Stoff ausgeht. Alle Katastrophen der Welt offenbaren es.Weltkriege, Klimakatastrophen, Ressourcenknappheit und Gefährdung und Manipulation der Natur zeigen, dass es rein substanzielle Grenzen der Krisenbewältigung gibt. Und daher wird die politische Gewalt des Kapitals selbst zu einem kulturellen Monstrum, das sich nicht mehr ökonomisch einfangen lässt und über die stoffliche Gegebenheiten hinausschießt. Die Gläubiger der Geldverhältnisse finden nicht mehr so einfach in die Welt ihrer Anwendungen zurück, wenn und solange es dort nichts mehr zu verwerten gibt. Kredite können nicht mehr bezahlt werden, Banken lassen den Geldumlauf stocken und selbst auf den Finanzmärkten sorgt man sich immer mehr um die Zukunft, um die Substanz ihrer Glaubensbotschaft, der Illusionen über die Stabilität ihrer Verwertungssicherheiten ↓(14).

Von der Macht der Märkte zur Gewalt der Kulturen

In der bürgerlichen Gesellschaft waren die Menschen bisher gewöhnlich keiner persönlichen Gewalt ausgesetzt. Sie sollten und konnte ja dort ihre sachliche Existenz durch Einkauf und Verkauf von Waren und Arbeitskraft bewerkstelligen. Es war der Fortschritt der bürgerlichen Revolution gegen das Feudalsystem, dass kein Mensch Gewalt durch die Geburt seiner Persönlichkeit, durch Gottes Gnaden oder dergleichen inne haben soll. Die gesellschaftlichen Gewalten waren auf die Märkte verlegt und auf eine Politik, die vor allem deren Funktionen sicherstellen sollte und die Macht im Staat durch Gewaltenteilung kontrollierbar war. Durch die Märkte konnten die Menschen ihre Mittel zu Leben erstehen, einkaufen, wenn auch sie etwas zu verkaufen haben, und sei es auch nur ihre Arbeitskraft. Allerdings wurde in der Konkurrenz der Verkäufer auch entschieden, wer auf dem Markt bleibt und wer ausfällt ↓(15), wer gesellschaftlich wirksam wird oder abstürzt, aus dem Markt verschwinden muss in eine Randgruppe der Besitzlosen, der Arbeitslosen oder Kranken oder in die Müllgruben der Gesellschaft gerät. Wo er nichts mehr zu verkaufen hat, kann ein Mensch sein Leben nicht mehr reproduzieren, es muss Teile davon selbst verkaufen, sich prostituieren, um überhaupt noch leben zu können. Die existenzielle Gewalt der Marktwirtschaft wird hier zu einer Gewalt gegen sein Leben, das ihm substanziell genommen wird, weil er auf dem Markt nicht mehr adäquat einkaufen, sich nicht als Verkäufer am Leben halten kann. in dieser Wirtschaftsform hatte er seine menschliche Identität nur als Warenbesitzer erhalten. In der Prostitution zerbricht sie in der Selbstaufgabe, im Verlust seines gesellschaftlichen Vermögens und seiner gesellschaftlich wirksamen, also wirklichen Beziehungen. Konnte er in der Arbeit noch seine Kräfte äußern, seinen Verstand, seine Einfälle und seine Körperkraft als sein Geschick und seine Fähigkeiten in die gesellschaftliche Wirklichkeit einbringen, wenn auch nur als Sache, in dinglicher Form, so muss er in der Ausgrenzung hiervon seine Sinne selbst dienstbar für andere machen, um an Lebensmittel zu gelangen, einer Kultur nützlich sein, die in keiner Weise auf ihn zurückkommt, weil er sich darin nur verlieren kann, weil sie seine Sinne entwirklicht, seine Nichtung betreibt.

Kultur wird auf diese Weise selbst zu einem Machtfaktor, wenn sie personelle oder nationale Identitäten zu beherrschen versteht. Da zählt dann der wirtschaftliche Nutzen eigener Arbeit und Bildung nichts mehr, sondern nurmehr bloße Plünderung im Überlebenskampf. Die gebrochene kulturelle Identität entfaltet sich mit der sinnlichen Ausbeutung der Menschen, in ihrer Prostitution für den bloßen Selbsterhalt. Kulturelle Macht ist immer total, weil sie sich nur durch Gewalt durchsetzen kann, körperliche Macht darstellt und totale Ohnmacht erzeugt und potenziert. Und die Erzeugung einer totalen Ohnmacht ist Terror, der durch Zerstörung von Lebenszusammenhängen seine Gewalt ernährt und mit ihr zugleich die Ohnmächtigen zu allem zwingt, was ihnen ihr Leben zerteilt und zersplittert, um es insgesamt für sich zu nutzen.

Im Terrorismus der Ohnmächtigen spiegelt sich das von der Seite des Todes, reflektiert es sich gegen den kulturellen Terrorismus der Mächtigen. Die Geschichte hat gezeigt, wie sich dies entwickelt, zunächst nicht durch offene Gewalt, sondern durch den Missbrauch ganzer Kulturen für die Machtkämpfe des Welthandels. Es waren ihre Widerstandskämpfer gegen die Okkupation der einen, die Mudschahedin, die von den anderen gestützt, bewaffnet und versorgt wurden. Die afghanischen Widerstandskämpfer gegen die russische Besatzung wurden von den USA bewaffnet und auch noch als Taliban bestens versorgt. Sie wurden weiterhin benutzt, um die Verhältnisse der Warlords aufzulösen und die religiösen Konflikte aufzureiben. Und selbst im Iran dienten sie dazu, durch die inneren Kämpfe das Land insgesamt zu schwächen. Sie wurden mit den Waffen ausgestattet, die heute in den Händen der Kämpfer für einen islamischen Staat sind und derzeit gegen Kurden im Irak gerichtet werden. Das Land, das so viele Schätze birgt, sollte nicht zur Ruhe kommen. Sein politischer Zusammenhalt durch Hussein wurde bewusst vernichtet. Bin Laden war als einflussreicher Widerstandsheld bis kurz vor seinem Angriff auf die USA noch Hofgast der amerikanischen Politik und Lobby, wurde sogar noch während des Attentats auf das World-Trade-Center von amerikanischen Militärärzten medizinisch versorgt und hatte bis dahin ein umfangreiches Waffenarsenal mit amerikanischer Unterstützung, mit Geld und Waffen aus den USA aufgebaut. Er sollte die chaotischen Verhältnisse der afghanischen Bauern und Opiumlieferanten für den Einfluss der US-Ölindustrie ordnen und den Bau einer Pipeline zum Meer sichern. Als er die Gefahr für die Entwicklung seines Landes und seiner Kultur erkannte, richtete er die Waffen gegen seine Sponsoren. Die religiösen Konflikte im Irak wurden von den USA zielstrebig zugunsten der Salafisten aufgemischt, um einen Krieg gegen Saddam Hussein vorzubereiten, der ihnen zu mächtig geworden war. Und dass dieser Krieg mit reinen Lügen auf Besitz von Massenvernichtungswaffen begründet wurde und dass dieser Krieg eine Perversion westlicher Habgier auf Einfluss in den Regionen der größten Erdölreserven der Welt war, weiß heute jedes Kind.

Aber auch nachdem er genau so absurd zu Ende gekommen war, ging die Geschichte dieses Terrors dennoch immer weiter, weil die Konflikte im Land nicht gelöst waren und nun als Gesinnungskämpfe sich fortbestimmten. Bis es schließlich zu einer kulturellen Katastrophe im Nahen Osten kam, zu einem Krieg, der sich nur noch religiös begründen ließ. Doch es ist im Wesentlichen, also in seinem innerste Gründen kein Religionskrieg, kein bloßer Machtanspruch einer Religion, eines wahren Islam der aus rein religiösen Gründen einen islamischen Staat zu errichten hätte. Hiergegen wehren sich die Muslime ja selbst. Es ist im Wesentlichen immer noch ein Abgrenzungskrieg, ein Krieg der anderen Seite um die Grenzen kultureller Souveränität, die als Grenzen gegen die Reviere und Einflussbereiche der neoliberalen Zuhälter verstanden werden, im Grunde also ein Krieg gegen die ganze Westkultur. Inzwischen wendet er sich innerhalb der betroffenen Länder selbst als religiöse Gemeinschaft gegen die nationale Gemeinschaft mit Andersgläubigen oder Ungläubigen, die als Verräter im eigenen Land bekämpft werden, um dessen Heil es dem religiösen Menschen nun geht, der seine Nichtung nur noch durch Gott aufgehoben sieht. Vom Standpunkt eines jenseitigen Heils hat sich eine Position gegen die Vernichtungskraft des Westens entwickelt, die ihre realen Wurzeln gänzlich verlassen hat und sich nur noch massenpsychologisch wie ein Todestrieb Ausdruck verschafft, - so hatte das Sigmund Freud mal bezeichnet, als er die Keimformen des nationalsozialistischen Faschismus zu interpretieren versuchte, die mit der Heilserwartung einer Endlösung ziemlich schnell alle Potenziale des Verstandes und der Verständigung zerstäubt hatte. Diese Logik ist zwar absurd, weil sie unendlich ist, eine schlechte Unendlichkeit hat. Sie ist aber zugleich so total, wie die Resultate dieser Geschichte es durch ihren Totalitarismus mit sich gebracht haben. Politische oder esoterische Religion oder beides in einem erscheint dann als letztes Bindemittel zerbrochener Identitäten und setzt zugleich die innere Zerstörung durch religiös begründete Barbarei fort.

Enteignet die Enteigner!

Ob nun TTIP noch zu verhindern ist oder nicht, oder in irgend welchen Modifikationen durchgesetzt werden kann, wird die Geschichte zeigen. Aber schon allein das Ansinnen eines solchen Vorhabens zeigt die Gewalt, die errichtet werden soll, um die Geldverwertung noch zu retten, ohne welche die Macht des Geldes ihre Substanz verliert. Die Unfähigkeit des Kapitalismus, die Qualität seiner Erzeugnisse in einer ihr entsprechenden Quantität der Reichtumsbildung zu entwickeln, hat sich gegen das Leben der Menschen selbst gewendet, indem es dessen Substanz, Energie und Materie bis in die feinsten Poren aufzehrt und Lebenszeit und Lebensraum, ja, den ganzen Planeten für ein immer absurderes Wertwachstum verbraucht. Es entzieht der Natur die Ressourcen des Lebens für ein unsinniges Wertwachstum und belastet sie mit ebenso unsinnig begründeten Abgasen. Dieses Wachstum entspricht keiner natürlichen Notwendigkeit und hat nichts mit Überbevölkerung und dem Rückgang einiger Ressourcen zu tun. Die Menschen haben immer wieder Entdeckungen zur Lösung ihrer Probleme gefunden und sind auch hier intensiv tätig und eröffnen Möglichkeiten, die noch vor 20 Jahren undenkbar waren. Inzwischen hat das Wertwachstum auch fast nichts mehr mit einem Wachstum des Lebensstandards zu tun. Es beruht fast nur noch auf der der politischen Gewalt des Geldes, auf der Feudalgewalt eines Verschuldungssystems, gegen das der Feudalismus von einst fast noch human erscheinen kann. Es kann nur aufhören, wenn das Wertmaß der Geldverwertung entrechtet wird, wenn die Eigentumsmacht des Kapitals, die Reservoire seiner Werte, die inzwischen fast nur noch bloße Eigentumstitel sind, in das aufgelöst werden, was sie in Wahrheit sind: nämlich Nichts. Sie selbst sind immateriell, bloßes Recht, die Menschen, die Natur und die Ressourcen, den Lebensreichtum des ganzen Planeten zu plündern ↓(16), deren Folgen wir in ihrer ganzen Ausweitung von Klimakatastrophe, Hunger, Krankheit bis Krieg nun zur Genüge kennen.

Das Übel der Geschichte steckt in der Überproduktion eines für die Menschen zunehmend unbrauchbaren Reichtums, also durch die politische Macht eines Geldes, das eine Mehrwertproduktion nötig hat, um seine Macht durch die Vertiefung der Abhängigkeit der Menschen von sinnlos gewordenen Lebensverhältnissen zu verstärken. Sie beruht auf der Verwertung ihrer Armut und bestärkt sich in der Vertiefung ihrer Armut. Dieser so gebildete Reichtum kann daher auch nicht aus wirklichen Bedürfnissen und den ihnen entsprechenden Aufwendungen entstehen; er besteht ja praktisch nur noch aus Schuldgeld, aus Geld, das nicht mehr durch entsprechenden Wert an Produkten gedeckt ist und wird von daher auch nicht als Vorschuss, als reale Investition in die Arbeit eingesetzt, sondern benutzt die Arbeit der Menschen selbst als Vorschuss für seine Wertproduktion, die Einlösung von Schulden. Das hat die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft betrieben und sie in einen Feudalkapitalismus gewendet. Geld besteht hier aus der politischen Gewalt eines nicht vorhandenen Geldwerts, dem die Menschen verpflichtet sind, weil sie Geld zum Leben brauchen, weil sie in einer Gesellschaft leben, die es ihnen nicht mehr als Preis für ihre Arbeitskraft bezahlt, sondern ihnen unmittelbar durch ihre Gewalt Arbeit über den Wert ihrer Reproduktion hinaus zur Schuldentilgung abverlangt, weil darin ein Reichtum produziert wird, den die Menschen nicht mal mehr wirklich für ihre gesellschaftlihe Entwicklung verwenden können, weil sie ihm kein wirkliches Eigentum abgewinnen können, weil es nurmehr immateriell aus bloßen Eigentumstitel besteht. Sie können Geld nur als Zirkulationsmittel des Kapitals haben, als teil habendes Geld, das sie nur ausgeben können, um die Verfügungmacht der Geldbesitzer zu vermehren, den Willen ihrer Produktion zu befolgen und ihre eigene Armut zu vergrößern ↓(17).

Armut und Reichtum mag über Geld vermittelt sein; das hängt aber nicht wirklich vom Geld ab, sondern von der Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben, auch wenn diese Gesellschaft auf Geld gründet. Am Geld lässt sich zwar auch quantitativ Unrecht erkennen, wenn das Einkommen der Menschen sich für denselben Aufwand stark unterscheidet. Aber durch Geld kann keine Gerechtigkeit entstehen, weil es selbst nicht gerecht sein kann, weil es eben auf den Bewertungsverhältnissen der Märkte, auf den Gebotenheiten von quantitativen Verhältnissen beruht. Auf Dauer kann auch ein Mehr an Geld nichts wirklich ändern, weil es immer wieder für das ausgegeben werden muss, was damit bewertet und als Wert bestärkt und immer ausschließlicher wird. Höhere Löhne finanzieren früher oder später nur höhere Mieten, höhere Steuern die Verluste der Geldbesitzer, höhere Einnahmen eben immer auch höhere Ausgaben. Das Geldverhältnis selbst stellt die Macht der Marktwirtschaft dar, das quantifizierte Verhältnis der Nöte und Notwendigkeiten ihrer Teilhaber, die hierfür in beständiger Konkurrenz existieren müssen. Und diese Wirtschaft ist durch die Subsumtion der Staaten unter die Zwecke des internationalen Kapitals übermächtig geworden. Das hat die inneren Verhältnisse der nationalen Geldwerte zugunsten der internationalen gekippt. Dies hatte den Wechsel des Kapitalismus in ein Schuldgeldsystem gebracht. Die Forderungen nach Geld sind nur noch Bittstellungen um Almosen. Das kann es nicht sein. Letztlich geht es inzwischen um die Qualität des Lebens selbst, um die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen, die Geld nicht bringen kann. Es ist der Widerspruch des Kapitals selbst, der sich darin nur noch bewegt, in seinen Kreisen zirkuliert, ohne wirklich noch etwas Lebendiges zu bewegen. In dieser Konfrontation befinden wir uns so oder so. Der sich vollziehende Zeitenwechsel macht Angst, weil die Menschen um ihr Leben und ihre Gesundheit und Natur bangen. Er birgt aber auch die große Chance, die Sinnlosigkeit des Kapitals gegen es selbst zu wenden, denn es muss auf die Verwendbarkeit seiner Eigentumstitel setzen. Und die kann durch die Nutzer auch umgekehrt werden.

Die Menschen können mit dem vorhandenen Material an Produktions- und Lebensressourcen ohne weiteres ihr Leben als Individuen in einer sich fortbildenden Gesellschaft selbst gestalten, wenn das Enteignungsrecht der Geldbesitzer politisch aufgehoben ist und an seine Stelle wirkliches Eigentum und die politischen Auseinandersetzungen hierüber treten. Diese werden schon auf der ganzen Welt geführt. Es geht um die Aufhebung überkommener gesellschaftlicher Formationen, um eine Politik, die keine Repräsentanten vorschieben und keine existenziellen Ängste einsetzen kann, um eine unsinnige, eine völlig abstrakte Form des gesellschaftlichen Reichtums zu bewahren. Ohne einen Kampf um eigene Rechte, einen Kampf gegen die Enteigner wird es nicht gehen. Und zugleich sind Strukturen nötig, Organisationsformen der Arbeit und Kommune, die eine Fortführung des bisher erreichten Lebensstandards gewährleisten. Insgesamt geht es also nur darum, die Formbestimmungen des Kapitals aufzulösen und die Lebensverhältnisse der Menschen in ihren Kommunen, Regionen und Ländern wirtschaftlich sinnvoll aufeinander zu beziehen. Es geht hierbei um die Rechtsform des Eigentums schlechthin. Wem gehört die Stadt, die Wohnung, das Wasser, die Wege, die Energie, die Arbeit, der Grund und Boden und dessen Naturschätze?

Eigentum beruht auf Eigenem, auf Zugehörigkeit. Im Grunde geht es darum, dass die Eigentumstitel dem Menschen oder der Gemeinschaft oder der Kommune zugesprochen werden, die damit auch wirklich leben, sie nutzen und ihren Sinn finden. Eigentumstitel auf Wohnungen und Arbeitsstätten, die nicht von ihrem Eigner jenseits von Gelderträgen genutzt werden, müssen kommunalisiert werden, Naturressourcen gehören denen, die sie bewirtschaften, Produkte denen sie sie erzeugen und nutzen usw.. Es ist dies ja alles längst bekannt. Nicht überall erkannt aber ist die wirkliche Notwendigkeit, diese Verhältnisse zu stürzen, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (MEW 1, S. 385). Kurz gesagt: Sobald wir beginnen, dieses natürlichen Eigentumsrecht umzusetzen, verwirklichen wir den Untergang des Kapitalismus, in dem er sich sowieso schon befindet. Wir vollziehen nur, was geschichtlich möglich und menschlich nötig ist. Und nötig ist eine Gesellschaft, in der der Lebenserhalt ohne Existenzangst und die Fortbildung des Lebensreichtums ohne Gewalt gewährleistet ist. Und das geht nur, wo die Konkurrenzverhältnisse um Lohn und Geldwerte sich auflösen lassen.

Das Vorhaben ist alt und immer wieder an den Illusionen der Mächtigen und ihrer Anhänger gescheitert, die sich durch die gesellschaftliche Ohnmacht von Menschen durchsetzten und weder Existenzsicherheit ohne ideologischen Zwang, noch Reichtumsbildung ohne politischen Druck bewirken konnten. Beides in einem zu erreichen ist die zeitpolitische Notwendigkeit der Veränderung. Die Fehlentwicklungen der Geschichte haben es manchmal aussichtslos erscheinen lassen, diesen Weg noch zu gehen. Aber wer sich dem Rechtsglauben der Gläubiger des Geldes beugt, hat sich auch vor seinem Untergang verbeugt. Die Illusion, dass der Kapitalismus noch eine Zukunft verheißen könnte, die alle Maße der Gegenwart sprengt, ist einfach nur verrückt. In den Kommunen, in vielen Gemeinschaften und Organisationen von Menschen wächst das Bewusstsein, dass es nur den Weg der Menschen selbst geben kann, die in ihrer Auseinandersetzung über diese Welt eine neue gründen werden, nicht als eine schlechthin andere, nicht als eine bloß transformierte und nicht als eine Restauration, als Neuform des Alten. Es wird eine Welt sein, die sich aus den Bestehenden Verhältnis ergibt, weil sie darin schon latent existiert. Wird die Geldform selbst herabgesetzt auf das, was sie nur sein kann, nämlich eine Berechnungsformel für Aufwendungen verschiedenster Art (siehe Rechengeld), dann wird sich der Schlüssel zur weiteren Entwicklung auch aus diesen Verhältnissen ergeben.

Man könnte an dieser Stelle durchaus auch den "Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft" aufgreifen, der auf der Kulturkitik-Website näher erläutert ist. Basis hierfür ist die Sicherung der Reproduktion aller Menschen und ihre Beteiligung an ihrer gesellschaftlichen Entwicklung. Die Veränderung beginnt im Kopf und die Diskussionen hierzu sind längst in Gang und sowohl lokal wie auch im Internet weit gefächert. Sprache und Bewusstsein sind ihr wesentliches Mittel. Beteiligen wir uns möglichst intensiv hieran. Lasst uns alle miteinander reden! Und zeigen wir durch entsprechende Aktionen, welche Macht auch ein Bewusstsein über diese Verhältnisse haben wird. Zeigen wir uns in aller Öffentlichkeit, an die sich die Politik ja liebend gerne und meist ungeschoren wendet. Beteiligen wir uns morgen, am 11. Oktober am Widerstand mit über 250 Organisationen aus ganz Europa ↓(18) gegen die Anmaßungen der Kapitalinteressen in ihren ausgeklüngelten Freihandelsverträgen namens CETA und TTIP und folgende. Verhindern wir deren Zustandekommen! Bloccupy Frankfurt. Bloccupy this System!

 

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↑(1) Auf dem Blog zum "ganz normalen Wahnsinn" heißt es hierzu:

"Die niedrigen Zinsen der EZB ebenso wie der reichlich vergebene Kredit sollen erstens den Banken Liquidität zu Verfügung stellen. Die „Stresstests“, die seinerzeit durchgeführt wurden und inzwischen aus guten Gründen aus der Mode gekommen sind, haben nämlich erwiesen, daß die meisten Banken Europas, die ganz dicken Brummer eingeschlossen, jederzeit krachen können. Also wurde mit reichlichem und billigem Kredit den Banken ein dicker Polster verschafft. Die Niedrigzinspolitik ist also ein Teil der Bankenrettung.

Zweitens sollte damit Konjunkturpolitik betrieben werden. Die Idee war, den Banken billigen Kredit zu geben, um ihre Kreditvergabe an Unternehmen zu beleben und dadurch Investitionen und Wachstum anzukurbeln.

Diese Politik ist gescheitert.

Denn „die Kreditvergabe in Europa“ wird „nicht durch den Mangel an Liquidität begrenzt, sondern durch zu geringe Nachfrage von potenziellen Kreditnehmern mit guter Bonität.“ (NZZ, 5.6.) Auf gut Deutsch: Die Firmen kriegen deshalb keinen Kredit, weil Firmenkredite den Banken zu riskant sind. Und diese Einschätzung beruht auf dem Umstand, daß die Zahlungsfähigkeit in Europa dermaßen geschrumpft ist, daß die Firmen auf ihren Waren sitzenbleiben werden und dadurch ihre Kredite nicht bedienen können.

...

Drittens war das allerwichtigste Motiv bei der Geldschwemme vor zweieinhalb Jahren, den Banken Geld zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die Staatsanleihen der Krisenstaaten aufkaufen sollten. Vor allem Spanien stand damals ziemlich an der Kippe zum Ramsch-Status. Als Mittel der Euro-Rettung hat sich die Niedrigzinspolitik also bewährt. Vor allem verschaffte es den Banken dadurch Einnahmen, weil die Anleihen der Krisenstaaten höher verzinst waren und sind, als diese für die Euro-Kredite hinlegen müssen.

Das ist auch der Grund, warum die Niedrigzins-Politik beibehalten wird. Würden die Leitzinsen der EZB hinaufgesetzt, so blieben die Staatspapiere Spaniens, Italiens usw. liegen und die Eurokrise würde zurückkehren. An den wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieser Länder hat sich nämlich nichts geändert, zumindest nicht zum Besseren.

Die Kritiker der EZB sind sich nicht ganz einig, was jetzt an Draghis Politik falsch ist. Die einen meinen, er versuche mit dieser Art von Politik die Wirtschaft in den südeuropäischen Ländern mit billigem Kredit wieder in Fahrt zu bringen und sie dadurch zu bevorzugen. Die anderen mokieren, daß das bis jetzt eben nicht gelungen ist und weiterhin nicht gelingen wird. Sie deuten mit dem Finger darauf, daß diese Politik des billigen Kredits kein wirkliches Wachstum hervorbringt. Den Grund dafür benennen sie allerdings nicht. Der billige Kredit schafft nämlich keine „Nachfrage durch Schuldner mit guter Bonität“. Die Verarmung von Millionen von EU-Bürgern, die steigende Arbeitslosigkeit, geplatzte Immobilienblasen und die restriktivere Handhabung der Vergabe von Konsumentenkrediten haben den Markt schrumpfen lassen, und darunter leidet die „Realwirtschaft“, also diejenigen Unternehmen, die Waren erzeugen – und nicht unter fehlendem Kredit.

Etwas näher an dem, was die EZB mit ihrer Geldpolitik verursacht, ist die Kritik des deutschen Sparkassen-Chefs Fahrenschon.

Erstens, so meint er, „werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört.“ Er spielt darauf an, daß die ganze Euro-Rettung und Krisen„bewältigungs“-Politik die Vermögen des Mittelstandes angreift bzw. aufzehrt, was nichts gutes für die Entwicklung der Kaufkraft verheißt; daß „Sparen“ seine Bedeutung verloren hat, wenn man das Geld nur mehr aus Sicherheitsgründen in der Bank und nicht in der Matratze verstaut, und daß dadurch die Grundlage des ganzen europäischen Bankensystems wackelt, deren Kreditvergabe irgendwie immer noch auf dem Volumen der Einlagen beruht.

Noch interessant ist aber sein zweiter Hinweis: „Das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten.

Die Niedrigzinspolitik hat nämlich zur Folge, daß die Investoren genötigt sind, nach Anlagemöglichkeiten mit hoher Rendite Ausschau zu halten. Das betrifft nicht nur die Banken selbst, die ihre Anleihen bedienen müssen und sich deswegen nach höher verzinslichen Wertpapieren umschauen. (Deswegen waren seinerzeit die Hypo AA-Anleihen so begehrt, weil ihr Zinssatz über dem marktüblichen für Bankpapiere lag.) Das betrifft Pensionsfonds, Versicherungen und Kommunal- und Regionalbehörden. Sie alle sind genötigt, in das große Casino „Finanzmärkte“ zu gehen, um die Ansprüche ihrer Kunden befriedigen zu können. Dazu kommt, daß diesen „Finanzdienstleistern“ von den regulierenden Behörden Anlagen oberhalb eines bestimmten Ratings vorgeschrieben sind. Die gut gerateten Papiere werfen aber wenig Rendite ab, weil ihre Aussteller sich die Anlagenot zu Nutze machen. Also sind die Anleger genötigt, sich in riskante Geschäfte zu flüchten, die in den Reglements gar nicht erwähnt werden, und auch nicht geratet sind.

Die Gemeinden und Provinzen müssen ebenfalls in riskante Geschäfte einsteigen, um denjenigen Teil ihrer Aufgaben finanziell abzudecken, der vom Bund in ihre Kompetenz ausgelagert wurde, ohne dabei jedoch die entsprechenden Mittel aus dem Bundesbudget zur Verfügung zu stellen. Damit wurde ja schließlich Budget-Kosmetik getrieben und die Staatsverschuldung gesenkt." (aus: "Der Triumph des abstrakten über den konkreten Reichtum" auf http://nestormachno.blogsport.de/2014/06/06/der-triumph-des-abstrakten-ueber-den-konkreten-reichtum/)

↑(2) Die Umschlagzeiten des produktiven Kapitals lassen sich bei der bestehenden Rechtslage nicht mehr weiter beschleunigen und die Ausbeutung menschlicher Arbeit durch Arbeitszeitbestimmungen und Billiglöhne lässt sich unter dieser Bedingung nicht weiter vertiefen. Die Ausbeutungsrate schwindet, weil Profite eher aus Übervorteilungen durch Geldmacht gezogen werden können, als durch produktive Arbeit und ihrer Verwertung. Das oberste Ziel in dieser Situaltion ist die Ausweitung der Ausbeutungsverhältnissse und die Förderung von Investition durch billiges Geld. Aber billiger als mit einem Leitzins von 0,01% geht es nicht. Investitionen müssen auf "Teufel komm raus" beschleunigt werden. Und so wird die Ausschaltung des nationalstaatlichen Schutzvorkehrungen gegen Gesundheitliche Gefährdung durch Massenproduktion zu einem nötigen der Investitionsschutz erklärt. Die Radikalisierung der Ausbeutung von Mensch und Natur, die politischen Schranken gegen die Barbarisierung der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Tierhaltung müssen fallen. Nichts anders sollen diese Verträge bewirken. Investitionsschutz heißt nichts anderes als der Schritt in eine völlig freigelassene Ausplünderung von Mensch und Natur, die Vollendung der Plünderung des Planeten, wie sie schon seit 1975, seit den Erkenntnissen des "Club of Rome" und dem hierauf beruhenden Buch von Gruhl themaisiert ist. Es hatte zur Gründung der Partei der Grünen geführt, die auf parlamentarischen Weg diesen Prozess aufhalten wollte. Heute stehen sie selbst auf der Seite der sogenannten Realpiolitik, die nichts anderes will, als die bestehenden Verhältnisse durch kurzfristige Erfolge in Arbeitsbeschaffung und Investitionssicherheiten zu verfestigen, die insgesamt eben genau das vertiefen, was sie abwenden wollen. Wo die Lebensbedingungen zerstört werden, wird Leben immer teuerer und Geld immer mächtiger werden. Aber Geld wird immer weniger Nutzen für immer weniger Menschen haben.Vielleicht wird es sich nur noch mit der Entwicklung der Militärindustrie und Computertechnologie lohnen, wenn nur noch Waffen die Verhältnisse der Menschen regeln und Computer ihre Steuerung verwalten und organisieren.

↑(3) Die Welt sei aus den Fugen geraten, hat der Außenminister Steinbrück angesichts der barbarischen Kriege im Nahen Osten gesagt, sie sei außer Kontrolle, weil ihre Ordnung gestört worden wäre, die Ordnung eben, wie sie der Politischen Klasse vor Augen steht, die Ordnung, die durch politisches Management immer wieder eingependelt, durch entsprechende Reaktionen des Staates immer wieder herstellbar sein soll. Er glaubt vielleicht selbst noch an die "alte Ordnung", die damit beschworen wird. Die damit gemeinten "Störungen" dieser Ordnung wären lediglich ein paar politische Fehler, die er schon immer angemahnt hätte und die jetzt auch auf der ganzen "Weltbühne" wie man das eben so nennt, bedauert werden, etwas, was sowieso niemand wirklich gewollt hätte.

Doch damit kann das das wirkliche "Problem" auf Dauer nicht wirklich geleugnet werden, schon garnicht, wenn man die nächsten "Probleme", wie das so schön genannt wird, bereits vorbereitet, die Freihandelsverträge, die Verwertung der Infrastrukturen, der Ausverkauf von Sozialgüter und Grund und Boden. Aber das ist ja auch kein wirkliches Problem. Es ist die Gewalt, die im feudalkapitalistischen System selbst schon steckt, weil unter dem Druck der Spekulanten, der Gläubiger eines fast nur noch fiktiven Kapitals, die Verwertung von Eigentumstitel, von Grund und Boden und den darin vorhandenen Schätzen, erzwungen und ersteigert wird. Deren Wert, der ursprünglich ein Äquivalent des Mehrwerts aus der Produktion war, wird dadurch selbst fiktionalisiert, dass er nur noch Schulden und persönliche Abhängigkeiten zu bedienen hat, gigantische Staatsverschuldungen, die in Wirklichkeit längst unbezahlbar sind.

↑(4) Wo Märkte nicht mehr funktionieren, da funktioniert natürlich auch die Gesellschaft, die darin verkehrt nicht mehr. Sie verliert ihre bürgerlichen Grundlagen aus denen sie in geschichtlicher Notwendigkeit entstanden und zugleich auch schon entwachsen ist. Mit der Entbürgerlichung des Bürgers durch dessen Verwendung als Bürger einer systemischen Wette um die Werte des Kapitals werden Schattenexistenzen gezeugt, die mit Zuhälterei und Prostitution vergleichbar sind. Die Menschen müssen alles tun, nur um ihr Leben zu erhalten, das in Wahrheit nichts mehr mit den in ihren Grundgesetzen verfassten Rechten zu tun hat, für das Grundrecht eben einfach nur noch anachronistisch, reine Ideologie der Herrschenden ist.

↑(5) Wo die Märkte sich nicht mehr im Ausgleich verhalten, wo das Geben und Nehmen keine Äquivalenz mehr findet, weil Geld keinerlei Realität mehr zur Grundlage hat, wo also Arbeit de facto keine ihr entsprechende Realität mehr findet, da werden die Verhältnisse nurmehr durch die innere Not der Menschen bestimmt und da herrscht diese auch als verinnerlichte Not. Solche Gesellschaft verwahrlost durch die Unwirklichkeit ihrer Verhältnisse, der Wirkungslosigkeit und Ungegenständlichkeit der Beziehungen. Sie bestehen durch die Abwesenheit ihres wirklichen Vermögens nurmehr als Versprechung einer Einlösung als Erlösung, als ein bodenlos gewordenes Zahlungsversprechen. Die Bedürfnoisse der Menschen finden keine wirklichen Beziehung mehr, wandeln sich in eine bloßen Getriebenheit, in eine pure Abstraktion, die alles auf seine abstrakter Substanz reduziert, die als Trieb, als bloße Gier, als totaler und ebenso unbestimmter Hunger auftritt und sich durch Gewalt äußert und ihre Lebensverhältnisse barbarisiert.

↑(6) Verschiedene kommunale Spitzenverbände – darunter der Deutsche Städtetag – warnen bereits vor TTIP und den anderen Abkommen. Auch etliche kommunale Gremien haben kritische Stellungnahmen verabschiedet, darunter Bremen, Erkrath, Fürth, der Kreis Groß-Gerau, Marburg, Kassel, der Main-Kinzig-Kreis, der Oder-Spree-Kreis, Oldenburg, Potsdam und der Landkreis Roth. Lokale Attac-Gruppen sind in vielen weiteren Kommunen aktiv, um dort ebenfalls eine Auseinandersetzung mit TTIP anzuregen. Vorbild für die Kampagne "10.000 Kommunen TTIP-frei" ist Frankreich, wo sich bereits zahlreiche Kommunen und Regionen gegen das Abkommen positioniert haben..

↑(7) Ausgerechnet ein kanadisches Unternehmen zog das Bundesland Hessen im letzten Jahr vor das Verwaltungsgericht Kassel, weil es der Erdgasfirma nicht die Erlaubnis gegeben hatte, in Nordhessen Schiefergasvorkommen aufzusuchen. Wäre das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA bereits in Kraft, könnte die kanadische Firma BNK stattdessen vor einem außerstaatlichen Schiedsgericht auf Schadenersatz klagen, weil es keine Genehmigung für das umweltschädliche Fracking erhält. Unter derzeitigen Rechtsverhältnissen ließ sich das verhindern. Die hessische Umweltministerin Priska Hinz versicherte, es werde für Fracking in Hessen keine behördliche Genehmigung geben. Doch gab sie auch zu, dass es aktuell noch keine allgemein gültige Rechtslage gibt, die Fracking dauerhaft ausschließt. Dazu ist ein bundesweites Gesetz notwendig, das Fracking über das Bundesbergrecht und das deutsche Wasserrecht verbietet. Doch auch das wäre hinfällig, wenn das EU-Parlament den Freihandelsvertrag mit Kanada zustimmt. Hierdurch wären alle diesbezüglichen nationalen Rechtsverhältnisse durch Europarecht gebeugt.

↑(8) Wird es Gesetz, so drohen die gleichen Schiedsgerichtsverfahren wie mit TTIP – durch die Hintertür. Die nationale Gesetzgebung würde zum Spielball internationaler Konzerne werden. Auch internationale Konzerne könnten dann schon über ihre kanadischen Tochterfirmen klagen, wenn Regeln zum Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutz ihre Gewinne schmälern. Geheim tagende, private Schiedsgerichte dürften Milliardenstrafen verhängen, die wir aus Steuergeld zu begleichen hätten. Konzernnahe Anwaltsfirmen stellen zugleich Richter, Kläger und Verteidiger in diesen Verfahren. Damit käme das geplante Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA schon mal durch die Hintertür. So geraten bei uns Gesetze in Gefahr, die Gentechnik auf unseren Feldern verbieten und die Verschmutzung unseres Trinkwassers durch Fracking verhindern. Auch die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

↑(9) Im ISW-Report wird dieser Bestand auf Seite 4 dokumentiert:

"Die EU-Kommission ist selbst eine der treibenden Kräfte dieser Zonen-Bildung. Ende März 2014 hatte die EU 48 solcher Verträge über Handel und Investitionen abgeschlossen, darunter vor allem mit Ländern in Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten und dem Balkan. 82 weitere Verträge stehen kurz vor dem offiziellen Abschluss, u.a. mit Kanada (CETA), Japan, Brasilien und den USA (TTlP). Ein spezielles Investitionsabkommen mit China wird ebenfalls gerade verhandelt.

Das Ziel all dieser hundert- und tausendfachen Verhandlungen ist es, den internationalen Verkehr von Waren und Kapital so multilateral wie möglich freizügig und "politikfrei" bzw. demokratieresistent zu machen. Politische Entscheidungen nach den Vertragsabschlüssen sollen die Investitions- und Profitpläne, auch wenn die neuen politischen Regeln demokratisch zustande kommen, nicht stören dürfen.

Da die WTO vor allem von den Schwellen- und Entwicklungsländern blockiert wird, sucht man sich Koalitionen der Willigen zusammen. So gibt es seit 1998 den Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT), den 51 Länder unterzeichnet haben und der bindende ISDS-Regelungen enthält. Die USA und Kanada haben den Vertrag nicht unterzeichnet, Deutschland hingegen schon, weshalb es jetzt von Vattenfall in Sachen vorzeitiger Atomausstieg auf rund 4 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt wird. Ein weiteres multilaterales Projekt ist TISA (Trade in Services), zu dem im April 2014 in Genf die Verhandlungen von den "Wahren, guten Freunden von Dienstleistungen" aufgenommen wurden. So bezeichnen sich die 50 teilnehmenden Staaten, darunter die USA, Kanada, Japan, Australien und natürlich die EU. Sie wollen das GATS ausweiten, das noch Ausnahme- und Schutzklauseln für Dienstleistungsbereiche enthält, die von hohem öffentlichen Interesse sind. Diese Klauseln sollen verschwinden ebenso wie die im GATS enthaltene Möglichkeit, Privatisierungen wieder rückgängig zu machen. "Auch die GATS-Regeln, die nationalen Arbeits- und Sozialgesetzen, Umwelt- und Verbraucherschutzbestimmungen bislang noch Vorrang vor einem deregulierten globalen Dienstleistungsmarkt einräumen, sollen gestrichen werden."

↑(10) Am 4. August wurde für eine Sendung der ARD mit dem Titel "Der große Deal - Geheimakte Freihandelsabkommen" immerhin der Stil der Verhandlungen verdeutlicht. Ein Reproterteam versuchte, den EU-Handelskommissar Karel de Gucht zu interviewen:

(AUDIO) "Wir wollen mit ihm über TTIP reden, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Wir haben eine Studie über die Auswirkungen von TTIP auf die Wirtschaft dabei - von de Gucht selbst in Auftrag gegeben. Er ist der Chefunterhändler für das Freihandelsabkommen und behauptet öffentlich, dass das Abkommen 120 Milliarden Euro zusätzliches Wirtschaftswachstum bringen wird. Eine stolze Zahl? Als wir ihn im Interview darauf hinweisen, dass seine Studie gerade mal 0.05% Steigerung der Wirtschaftsleistung pro Jahr durch TTIP errechnet hat, bricht er das Interview erstmal ab. Der Kommissar rechnet nach, dann wird er unwirsch: "Let's not argue with numbers. Ich sage ihnen, wir werden die meisten Handelshemmnisse abschaffen."

Auch Wirtschaftsminister Gabriel erfuhr den Umfang und die Tragweite des Vorhabens eigentlich erst durch ein Interview, wo er um seine Position hierzu befragt wurde.

(AUDIO Gabriel)

↑(11) Das Interesse an der Unterwanderung der Umweltschutzauflagen und Nahrungsschutzverordnungen ist enorm. Auch Kanada selbst ist schon Opfer eines solchen Falls: Das kanadische Unternehmen Lone Pine verlagerte seinen Sitz in die USA, um gegen ein Verbot von Fracking in der kanadischen Provinz Quebec zu klagen. Auch Deutschland wurde aufgrund anderer Verträge schon zwei Mal vor ein solches Tribunal gezerrt. Vattenfall erstritt, dass Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg zurückgenommen werden. Der schwedische Energiekonzern verklagt derzeit ebenso Deutschland auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg. Wenn das zur Regel und schon im Voraus durch Verträge und Gesetze legitimiert wird, so ist tendenziell jede eigenständig wirtschaftspolitische Entscheidungsfähigkeit bedroht, de facto auf relativ unwesentliche Bereiche beschränkt. Die ökonomische Krise des Weltkapitals versetzt auf diesem Weg die Nationalstaaten daher auch rechtlich in ein Dilemma: Wollen sie auf dem Weltmarkt konkurrieren bzw. konkurrenzfähig bleiben, so müssten sie sich den Freiandelsverträgen anschließen, weil ihre Produkte ansonsten zu einseitig und zu teuer wären. Nur eine mächtige Marktposition kann daher dies verhindern, z.B. wenn die EU das einfach noch nicht nötig hätte. Wie weit die Entwicklung ist, werden wir an den Vertragsabschlüssen sehen.

↑(12) Seit sechs Jahren wurde über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA verhandelt. Es gilt als Schwellenbrecher auch für das im kommenden Jahr anstehende TTIP. Am 25. September soll es vom EU-Parlament ratifiziert werden. Die EU-Kommission hat sich mit ihren Vorstellungen von weitgehenden Investitionsschutzklauseln durchgesetzt und wird dann sofort rechtswirksam. Wenn das geschieht, können Kanadische Konzerne die EU, ihre Mitgliedsstaaten und Bundesländer auf Schadensersatz verklagen, wenn demokratische Gesetzesänderungen, rechtsstaatliches Handeln von Behörden oder Gerichtsentscheide ihre Gewinne schmälern. Auch kanadische Tochterfirmen US-amerikanischer oder sogar europäischer Konzerne können dann diese Klauseln nutzen. Und auch wenn die Bundesrepublik tatsächlich beschließen sollte, Fracking bin zum Jahr 2021 zu verhindern, wird das Europäische Gericht oder diverse Schattenjuristen sie zwingen können, ausländischen Firmen das Bohren hierzulande zu erlauben, weil deren "Wettbewerb" sonst geschmälert wäre. Es einfach unglaublich

Und von daher und gerade deshalb ist der Druck auf die Umsetzung der Verträge enorm. Der Protest einer großen europäischen Bürgerinitiative "Stopp TTIP", einem Zusammenschluss aus aus 250 Nichtregierungsorganisationen und Parteien aus ganz Europa, wurde gerade mal von der EU-Kommission ausgehebelt, ihre Registrierung zur Anhörung vor der Kommission abgelehnt, die sehr wohl die Lobbyisten zu Wort kommen lässt. Man kann diese Öfffentlichkeit einfach nicht brauchen. Schließlich werden alle Lebensbereiche, besonders auch die in den Kommunen betroffen sein. Das Abkommen hätte Einfluss darauf, welche Dienstleistungen Kommunen weiter selbst erbringen dürfen und welche sie in einem internationalen Wettbewerbsverfahren ausschreiben müssen. So hat die EU in ihrem Verhandlungsmandat für TTIP festgelegt, dass nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Justiz, Polizei oder der Strafvollzug von einer Liberalisierung ausgenommen werden sollen, nicht aber Bildung, Kultur, Wasser und Abwasser. Gerade die Privatisierung der Wasserversorgung könnte so durch die Hintertür erzwungen werden. Auch die Investitionsschutzregelungen des TTIP würden die Entscheidungsfreiheit der Kommunen weiter einschränken, da diese – etwa im Fall von Umweltauflagen – Schadensersatzansprüche von Konzernen befürchten müssten. Der Privatisierungsdruck würde massiv zunehmen.

Damit CETA in Kraft tritt, müssen das Europäische Parlament, das kanadische Bundesparlament und die Parlamente der 28 Mitgliedsstaaten der EU zustimmen. Lehnt nur ein einziges Parlament davon den Vertrag ab, ist CETA Geschichte. Doch mit dem daran anschließenden TTIP-Abkommen zwischen den USA und der EU könnten auch Monsanto und Exxon europäische Staaten auf Milliardensummen verklagen, weil diese Gen-Food oder Fracking verbieten. Die Verhandlungen sind geheim und völlig undurchsichtig. Es entscheiden keine unabhängigen Richter, sondern private Anwälte von Wirtschaftskanzleien. Sie verdienen kräftig an den Verfahren – und stellen Richter, Kläger und Verteidiger. Eine Berufung ist nicht möglich. Verliert der Staat, zahlen die Bürger/innen mit ihren Steuergeldern.

Auf der Einladung für eine ISW-Veranstaltung zu den Entwürfen des Transatlantischen Abkommens (TTIP) vom 25.9.2014 in München wird das Vorhaben der Handelsverträge noch in dem zusammengefasst, was die bestehenden politischen Verhältnisse betrifft. Da heißt es unter anderem:

"TTIP wäre das Ende gewerkschaftlicher Tätigkeit, wie wir sie kennen. In den USA und der EU sollen die selben Handels-, Investitionsschutzund Arbeitsnormen gelten. Die USA aber haben grundlegende Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation nicht ratifiziert.

TTIP will vorschreiben, bisher öffentlich produzierte Güter internationalen Investoren zu überlassen und das Rückgängigmachen von Privatisierungen unterbinden.

TTIP würde die Konfliktlinien in der Welt weit aufreißen.

Zutreffend nannte Hillary Clinton TTIP "die ökonomische Nato". Die gegenüber den Schwellenländern zurückfallenden "alten Metropolen" wollen ihre globale Führungsstellung halten und wieder ausbauen. Die ökonomische und die militärische Nato würden sich in ihren aggressiven Rollen gegenseitig stützen."

↑(13) Mit der Entwicklung der Geldverhältnisse war es möglich, mit dem Einkauf wertbilder Arbeitskraft und dem Verkauf ihrer Produkte Mehrwert zu gewinnen. Doch notwendig wurde Wertwachstum durch die Konkurrenz der Verkäufer, durch den Durchsatz der Wertform des Mehrwerts auf den Märkten. Die Konkurrenz treibt die einen unter Wert und lässt sie untergehen. Die anderen ernten einen Mehrwert, der über dem Durchschnittswert der Arbeit liegen muss. Allgemein resultiert hieraus der Druck auf alle, einen möglichst hohen Mehrwert zu erzielen, um das Risiko der eigenen Existenz zu mindern. So stellt sich nach jedem Durchgang des Geldes durch die Produktion im Durchschschnitt eine wachsende Profitrate heraus, soweit es gelingt, die Auspressung der eigenen oder einer fremden Arbeitskraft zu verschärfen. Gegenläufig allerdings ist hierzu das Anwachsen der Produktivkraft, die Intesivierung der Arbeitstechnologie, durch welche die Arbeitskraft entlastet wird. Mit dem Anwachsen der Produktivkraft fällt die Profitrate in den Zeitinterwallen der daraus folgenden Überproduktion und das Geld wandert als eigenständiger Wert auf das Parkett der Finanzmärkte und in ihre Kasinos, um sich im Jackpot der Gewinner als nurmehr fiktives Kapital in Wert zu halten, im Wert der Spekulationen, die sich in künftigen Investitionen wieder verwertbar machen sollen. Doch genau das funktioniert nicht mehr so recht.

↑(14) Die Spekulationen drehen sich um sich selbst. Sie haben sich auf die Spekultation von Geldwerten verselbständigt, sind zu einem eigenständigen Geldmarkt geworden, auf dem immer weniger Sachwerte als Investition in die Produktion finanziert werden, aber um so mehr gewettet wird um Geldwerte, also um die Verwertung von Geld durch das Banken- und Kreditsystem. Kurzfristig bringt das weit mehr, als es Geldanlagen in der realen Wirtschaft noch erzielen können. Doch es bringt den Verlust an Zukunft. Ohne Investitionen stockt der Geldwert und mit ihm schließlich auch die ganze Wirtschaft. Nicht Inflation ist dann zu befürchten, sondern Rezession, Und das führt zum Zusammenbruch der Märkte, zum Zusammenbruch des Kapitalismus überhaupt. Wo nicht mehr in eine Erwartung von Mehrwert investiert werden kann, weil dieser realökonomisch schlicht an seiner Grenze, an der Schranke des Wertwachstums angelangt ist, da endet auch die Verwertung des Kreditwesens und der Kreditversicherungen, die sich nicht mehr rentieren lassen. Da endet überhaupt die Äquivalenz der Werte, die auf den Märkten gehandelt werden und im Allgemeinen in einer wertgerechten Geldform existieren sollten.

↑(15) Wer aus dem Markt herausfällt erfährt ganz unmittelbar eine übermächtige Gewalt gegen seine persönlichen Freiheiten, z.B. durch die Not des Selbsterhalts, die in der bürgerlichen Gesellschaft nur durch staatliche Bedingungen, durch Agenturen oder Behörden des Staates, verfolgt wird und befolgt werden kann. Wer nicht mehr in der Lage ist, zur Arbeit zu gehen oder Arbeit zu bekommen wird persönlich unter Druck gesetzt, um in das Marktverhältnis zurückzukommen, sei dieser sachlich durch Entzug von Lebensstandard und Lebensmittel, oder politisch durch die Auflagen der Sozialbehörden.

↑(16) "Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik ist ein im September 1975 erschienenes Sachbuch des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl. Nachdem der Club of Rome die „Grenzen des Wachstums“ auf unserer Erde aufzeigte, fragte Gruhl in diesem Buch nach den übriggebliebenen Möglichkeiten unseres Wirtschaftens." (Wikipedia)

"Herbert Gruhl suchte in seinem 1975 erschienenen Buch nach den Ursachen der Plünderung der ökologischen Lebensgrundlagen der Menschheit, die er in der Wachstumsideologie (sowohl des Kapitalismus als auch des Kommunismus) sah, und empfahl Verzicht und Maßhalten anstelle einer Konsumorientierung. Eine große Bedeutung für die Plünderung des Planeten maß Gruhl zudem dem weltweiten Bevölkerungswachstum bei. Für umweltpolitische Maßnahmen wie etwa eine ökologische Steuerreform wurden hier Anstöße gegeben. Den technischen Umweltschutz und andere umweltpolitische Maßnahmen zu forcieren werde für sich allein genommen aber unzureichend bleiben. Es bedürfe einer „planetarischen Wende“, das heißt, der Mensch müsse „von den Grenzen der Erde ausgehend denken und handeln“." (Wikipedia)

"Herbert Gruhl stellte sein Buch am 25. September 1975 der Presse vor und erklärte dabei, die weite Zeithorizonte umfassende Produktionsweise der Natur von der „kurzfristigen Produktion des Menschen“ zu unterscheiden, welche mit ihren „gigantischen Erfolgen“ ihre eigenen „Niederlagen“ schaffe und damit eine „Schreckensbilanz unserer Politik“ notwendig mache. Die vorherrschende Politik bediene sich eines Wachstumsbegriffes, welcher zur Beschreibung der anorganischen Produktionsweise völlig unzureichend sei. Gruhl gab sich sicher, mit seiner Schrift „wie ein scharfes Messer den empfindlichen Nerv der heutigen Zeit“ zu treffen." (Wikipedia)

↑(17) Der Besitz wird auf seine ursprüngliche Bedeutung verwiesen: Besetzung. Und es ist diese neue Substanz einer politische Macht an sich, die totale Macht über das Eigentum schlechthin, ganz gleich, für welche Produktion er nötig sein kann und welche Sache er überhaupt noch darstellen könnte. Tendenziell könnte es einfacher sein, die Produkte einfach zu verteilen und dafür nur noch über den Lebensraum der Menschen zu verfügen, um ihre Lebenszeit für den Geldbesitz und seines Machterhalts zu nutzen. Von daher war das bedingungslose Grundeinkommen auch schon mal eine Idee der neoliberalten Avantgardisten. Der Pferdefuß war damit aber die totale Bestimmung der Arbeitszeiten der Arbeitsmittel und damit des Lebens der Menschen überhaupt. Es wäre dann eben die Welt des großen Bruders, wie wir ihn schon von Orwell kennen.

↑(18) Die Initiative "Stop TTIP" fordert die EU-Kommission auf, dem EU-Ministerrat zu empfehlen, das Verhandlungsmandat über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) aufzuheben und auch das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) nicht abzuschließen. Hinter der Initiative stehen knapp 150 Organisationen aus 18 EU-Mitgliedsländern. In Deutschland koordinieren Attac, Campact, der BUND, Mehr Demokratie e.V., das Umweltinstitut München und der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) die EBI. Auch Brot für die Welt, der Deutsche Kulturrat und die GEW gehören dem stetig wachsenden Bündnis an.