Das Dr�hnen der Fehlinformationen
Der US-amerikanische Publizist und Verleger John R. MacArthur im ND-Interview
John MacArthur ist Autor des Buches "Second Front" (Schlacht der L�gen) �ber Medienzensur w�hrend des Golfkrieges gegen den Irak. Er ist Herausgeber der seit 151 Jahren bestehenden Intellektuellenzeitschrift "Harper's Magazine" mit einer Auflage von 220 000 Exemplaren.
Weshalb betreiben die meisten bekannten US-Fernsehjournalisten offene Werbung f�r den Krieg?
Als Erkl�rung in Kurzform l�sst sich ein ber�hmter Aphorismus zitieren: Die Freiheit der Presse ist denen garantiert, die ihre Eigent�mer sind. Man sollte deshalb nicht die einzelnen Reporter f�r die Kriegshetze verantwortlich machen, es gibt wenigstens noch Ausnahmen. Dem Nachrichtenkonsumenten bleibt eigentlich nur noch das Ausschalten. Ein Beispiel: Kurz nach Kriegsbeginn war ich in Bull o' Reillys Talkshow in "Fox TV" eingeladen. O'Reilly. das muss man dazusagen, steht weit rechts und betreibt grunds�tzlich nur Journalismus mit Schaum vorm Mund. Ich schlug vor, statt der Fahne die Unabh�ngigkeitserkl�rung aufzuh�ngen, denn daf�r k�mpfen wir ja offiziell. 0' Reilly �berging meinen Kommentar einfach und zog weiter �ber die Linken her. Am n�chsten Tag bekam ich mehr als 100 Hate-E-Mails. Schade, dass ich nicht im WTC gewesen sei, als die Flugzeuge kamen, und so weiter, hie� es.
Der Afghanistan-Krieg weise Parellelen zum Golfkrieg vor 11 Jahren auf, hej�t es in manchen Kommentaren. Stimmen Sie dem zu?
Es w�re besser, den Afghanistan-Krieg trotz der geographischen N�he zu Irak nicht mit dem Golfkrieg zu vergleichen, obwohl teilweise dieselben Typen im Wei�en Haus hocken und von dort aus Bilder von sauberen Bombenteppichen, und chirurgischen Eingriffen um die Welt schicken. Ich w�rde den Krieg auch nicht mit Panama, Grenada oder Vietnam vergleichen, sondern mit unserer "humanit�ren Mission" in Somalia. In Afghanistan operieren irregul�re Truppen auf der Basis von St�mmen, die bestens in der Lage sind, einen mit US-Spezialeinheiten vollgestopften Helikopter abzuschieBen. Wir haben den "Freiheitsk�mpfern", die jetzt "Terroristen" hei�en, schlie�lich die Raketen geliefert. Ich erinnere an die Rangers, die 1993 in Mogadischu beim Einsatz abgeschossen worden sind. Und ich erinnere an das Foto von dem toten Ranger, der von triumphierenden Somalis durch den Dreck geschleift wurde. Ein Bild von einem toten US-Soldaten, und die US-Au�enpolitik lag in Tr�mmern! Verstehen Sie jetzt, weshalb Wei�es Haus und Pentagon auf strengster Pressezensur bestehen? Ich glaube. dass es h�ssliche Konfrontationen geben k�nnte zwischen USamerikanischen Reportern, falls welche tapfer genug sind, nach Afghanistan zu gehen, und der US-Armee, wenn sich beide begegnen.
Was halten Sie von der Berichterstattung von "National Public Radio"" NPR, das immerhin den Anspruch auf Objektivit�t erhebt?
Ich versuche, NPR so wenig wie m�glich zu h�ren. Es ist wie mit der "New York Times". Wenn man sich das angew�hnt, gew�hnt man sich an das Dr�hnen der Fehlinformationen. Bei NPR herrscht so eine ausdruckslos-h�fliche Leere. Wenn man nach Bushs Kriegsrede NPR einschaltete, klangen die Journalisten-Kommentare wie sowjetischer Agitprop vor 30 und 40 Jahren. Als der Moderator am Schluss fragte, ob es denn an Bushs Rede irgendetwas zu kritisieren gebe, meinte einer der "Kritiker" nein, Bush habe genau das gesagt, was habe gesagt werden m�ssen. Und die anderen schwiegen.
Woher beziehen Sie ihre Informationen?
Von BBC, aus der franz�sischen "Le Monde" oder von den britischen Zeitungen "The Guardian" und "The Independent". Deren Auslandsberichterstattung ist ausf�hrlicher und die Reporter sind besser informiert als die amerikanischen. Die US-Medien sind vermutlich die am meisten auf sich selbst bezogenen der Welt. Immer, wenn es im Medienbereich Fusionen gibt, dann werden als erste Ma�nahme die Auslands-Nachrichtenabteilungen ausgetrocknet. "Erkl�rt" wird das von den Besitzern damit, dass die Amerikaner am Ausland angeblich kein Interesse h�tten.
Sehen Sie in der Medienpolitik einen Unterschied zwischen Bush Vater und Bush Sohn?
In beiden Kriegen handelt es sich um eine kontrollierte Versuchsanordnung, die wesentlichen Faktoren sind dieselben: ein Krieg, den die USA au�erhalb ihres Territoriums f�hren, das Starren der politischen Elite auf die Umfrageergebnisse und damit einhergehend der Versuch, jegliche Berichterstattung �ber den Krieg unter Kontrolle zu halten. Eine Ausnahme gibt es in der Versuchsanordnung aber doch: die noch schlafferen und unterw�rfigen Journalisten. Bush Senior manipulierte besser, weil die Nachrichtenmedien damals noch ein bisschen kritisch waren. Bush Junior hat es viel einfacher.
Waren die Medien bereits w�hrend des Golfkrieges so unkritisch?
Es ist mir ein v�lliges R�tsel, weshalb man heutzutage noch ein Magazin wie "Newsweek" lesen, darin arbeiten oder dieses Unternehmen f�r Journalismus halten kann. Im Herbst 1990, als die USMilit�rmaschine ihre Apparate und Soldaten an den Golf verlegte, meinte "Newsweek" zum Beispiel, Pr�sident Bush habe Schwierigkeiten, der Bev�lkerung die Angriffsgr�nde f�r den Irak zu vermitteln. "Newsweek" beschloss also, "dem Pr�sidenten seine Seiten zu �ffnen". So, als h�tte der Chef der gr��ten PR-Agentur der Welt, des Wei�en Hauses, in den USA ein Vermittlungsproblem. Heraus kam ein "Essay" von Bush, unterlegt war es mit Fotos von ihm, wie er schwitzend �ber dem Manuskript sitzt. Es wurde wirklich der Eindruck erweckt, als schreibe der US-Pr�sident selbst. Geschrieben war das Essay �brigens von Richard Haass vom Nationalen Sicherheitsrat, der auch heute in der Bush-Cheney-Cique wieder mitmischt. Ich betone, es war nicht das Weisse Haus, das dem Magazin die Story aufgedr�ngt hat, es war das Magazin, das die Story unbedingt so haben wollte. Ich habe f�r mein Golfkriegs-Buch mit Dutzenden von Reportern gesprochen, und viele sagten, sie h�tten es als ihre wichtigste Aufgabe angesehen, die Message des Pr�sidenten unters Volk zu bringen. Ich dachte damals, schlimmer k�nne es nicht werden.
Welche Rolle spielen Geheimdjenstinformationen als Quellen in der Berichterstattung und f�r die Politik?
Als Antwort nur ein Beispiel: Als Vorwand, US-Truppen nach Saudi-Arabien zu schicken, dienten damals Geheimdienst-"Informationen", dass irakische Truppen innerhalb des bereits besetzten Kuweit massiv an der Grenze zu SaudiArabien aufmarschiert seien, um in das Land einzumarschieren. Diese "Informationen" wurden lanciert, bevor der USKongress die Genehmigung f�r die Entsendung von US-Truppen nach SaudiArabien erteilte. Satellitenfotos einer neuen privaten russischen Firma, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemacht worden waren, zeigten nichts dergleichen. Mehr als zehn gro�e Nachrichtenorganisationen von "ABC" �ber die "Chicago Tribune" bis zur "Los Angeles Times" kannten die Bilder, lie�en sie von Satellitenexperten verifizieren, weigerten sich aber, sie zu ver�ffentlichen. Das zeigt, dass das Politikund Mediensystem in den USA kollaboriert. Man ist bereit, Falschinformationen von Geheimdiensten einfach stehen zu lassen und zu verbreiten. Von Kontrolle konnte keine Rede sein.
Was halten Sie von der Berichterstattung �ber das World Trade Center und die Anthrax-F�lle?
Die News-Medien waren zwar ziemlich gut am Tag der Anschl�ge und in den ersten beiden Tagen danach. Aber bei der grundlegenden Polizei-Berichterstattung, beim investigativen Journalismus, haben sie v�llig versagt. Das Verhalten meiner Kollegen ist in der Beziehung wirklich peinlich. Dies hat damit zu tun, wie Journalisten heute ihren Beruf sehen. Viele identifizieren sich nicht mehr mit den Opfern, nicht mit ihren Lesern. So haben wir es in den USA mit Journalisten zu tun, die entweder dar�ber jammern, dass Polizei und Geheimdienste ihnen zu wenig Informationen liefern, oder sie warten auf die Public-Relations-Leute, die ihnen ihre Sichtweise nahe legen.
Halten Sie die Behauptung, die Anthrax-F�lle k�nnten bewusst zur Kriegstreiberei lanciert worden sein, f�r stichhaltig?
Wir wissen nicht, ob Agents provocateurs dahinter stecken. Aber ich sage Ihnen: Diese Leute sind zu Vielem in der Lage. Ich erinnere wieder an den Golfkrieg. Da wurden die Brutk�sten erfunden, aus denen die Irakis angeblich kuwaitische Babys warfen. Das ist nie passiert. Aber alle glaubten es, von den Nachrichtenagenturen �ber den UN-Sicherheitsrat bis zu Amnesty International. Diese Leute gehen sehr, sehr weit, um ihre "Message" in die �ffentlichkeit zu bringen. Verglichen mit dem Bem�hen der Friedensbewegung, im Mainstream geh�rt zu werden, ist das wie ein Berg gegen�ber einem Sandkorn. Im �brigen muss ich sagen, dass mich die mediale Infantilisierung mehr beunruhigt als jede Milzbrand-Gefahr.
Fragen: Max B�hnel, New York