Die Marxsche Methode der politischen �konomie
und die Bedeutung von Abstraktionen im allgemeinen
und konkretisiert am Marxschen Arbeitsbegriff
und den Kategorien von konkreter und abstrakter Arbeit*
Ich m�chte Euch zu Beginn meiner Ausf�hrungen mit einigen Auffassungen zu meinem Thema bekannt machen, mit denen ich mich auseinandersetzen will:
"Marxens wissenschaftliche Revolution besteht nicht in Krisenprognostik oder Bastelanleitungen zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, sondern in der 'Kritik der politischen �konomie' .... also einem destruierenden Verfahren. Dadurch hat Marx die Kategorien und Voraussetzungen der b�rgerlichen �konomie zerst�rt und so ein ganz neues wissenschaftliches Feld erschlossen. Gegen�ber dieser Pioniertat sind die Einzelanalysen, die Marx innerhalb dieses neuen Feldes versucht hat, weniger wichtig; da� sie zuweilen fehlerhaft sind, ist verschmerzbar. ... Aber Marx hat nicht immer konsequent mit den traditionellen Kategorien gebrochen, zum Beispiel ist seine Werttheorie noch durch Reste der b�rgerlichen National�konomie verunreinigt. Marx' Pr�misse ist unstrittig: Wertma�stab ist die in den jeweiligen Waren kristallisierte abstrakte Arbeit. Der Dissens beginnt da, wo Marx und Engels diese Arbeitsquanta physiologisch-naturalistisch bestimmen, etwa als die verausgabte Menge von 'Nerv, Muskel, Hirn'. Dies geht davon aus, da� der Warenwert schon vor dem Austauschproze� quantifiziert ist. Tats�chlich werden aber, wie Marx an anderer Stelle beweist, die Waren erst beim Austausch aufeinander bezogen und wertm��ig fixiert, und zwar durch das Geld. Die abstrakte Arbeitszeit ist demnach kein physiologisch bestimmbarer Begriff, sondern eine gesellschaftliche Determinante; gemessen wird sie nicht in Kalorien, sondern in Geld; Pr�fstand ist der Akt des Tausches." (J.Els�sser in: Wagenknecht/Els�sser, Vorw�rts und vergessen? Hamburg 1996, S. 63)
"Arbeit scheint auf den ersten Blick immer konkret zu sein, eine bestimmte T�tigkeit, und das Abstraktum 'Arbeit' nur der Allgemeinbegriff davon; Aber in warenproduzierenden Systemen wird 'Arbeit' schlechthin, ohne jeden bestimmten Inhalt, zur unmittelbaren materiellen Gewalt als Realabstraktion. Das Abstraktum, die Kopfgeburt, tritt dem Kopf in Gestalt des Geldes als buchst�bliche �u�ere Realit�t entgegen ... Der epigonale Marxismus verfehlt die Kritik der abstrakten Arbeit v�llig. Er hielt Arbeit in ihrem vorgefundenen Dasein f�r das ontologische 'Gute', das nur �u�erlich vom Kapital vergewaltigt worden sei, und las den Begriff der abstrakten Arbeit gedankenlos als positive Definition." (R.Kurz, Der Kollaps der Modernisierung, S.273, zitiert nach: ND vom 11./12.6.94, S.10)
"Durch die qualitative Gleichsetzung allen Reichtums als Wert gilt im Kapitalismus jede konkrete Arbeit, d.h. von Individuen zur Produktion von Gebrauchswerten verrichtete menschliche T�tigkeit, nur als abstrakte, als notwendige gesellschaftliche Arbeit. ... Der Widerspruch, da� sich konkrete Arbeit in abstrakte, da� sich Gebrauchswert in Wert zu verwandeln hat, nimmt auf beiden Polen (der relativen Wertform und der �quivalentform, AKG) unterschiedliche Formen an. Zur Herstellung der in relativer Wertform befindlichen Ware wurde konkrete Arbeit geleistet. Indem sich diese Arbeit in dem Produkt einer anderen konkreten Arbeit darstellt, erscheint sie als ihr Gegenteil, als abstrakte." (Andreas: Vom Tauschwert, Materialsammlung7.3 des OKF Hamburg)
"Zu seinen S�tzen zehn bis vierzehn, widerspreche ich vor allem, da� abstrakte Arbeit das Gegenteil von konkreter Arbeit ist, denn jede Abstraktion entspringt aus konkreten Dingen. ... Was existiert zuerst, die Idee (die abstrakte Widerspiegelung) von der Realit�t, oder die Realit�t? Und wie kann das eine das Gegenteil vom anderen sein, wenn die abstrakte Widerspiegelung der Realit�t ohne Realit�t nicht m�glich ist? Wir halten also fest, da� die konkrete Arbeit in der Realit�t existiert, also greifbar ist, w�hrend die abstrakte Arbeit die Widerspiegelung eines Durchschnittswertes, einer Summe von konkreten Arbeiten der Menschen, durch das menschliche Gehirn ist." (J�rgen: Zum Beitrag von Andreas vom Tauschwert, Materialsammlung 7.3 des OKF Hamburg)
Allen vier hier zitierten Textpassagen ist anzumerken, da� sie erstens die Marxsche Methode nicht voll erfa�t haben und da� sie zweitens den Marxschen Arbeitsbegriff nicht verstanden haben, nicht erfassen, was konkrete, was abstrakte Arbeit meint und noch nicht unterscheiden k�nnen zwischen abstrakter Arbeit und gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit.
Deshalb will ich mich hier mit diesen beiden Themenkomplexen befassen.
I. Zur Methode:
J�rgens Antwort auf Andreas ist zu entnehmen, da� er den Begriff konkret den unabh�ngig vom Bewu�tsein ablaufenden realen Prozessen vorbehalten m�chte, w�hrend der Platz f�r Abstraktionen die Widerspiegelung im Bewu�tsein ist. Das ist zu einfach und in dieser Einfachheit falsch. Bei unserem Gegenstand kommt es darauf an, die objektiven gesellschaftlichen Prozesse und Gesetzm��igkeiten im Bewu�tsein zu rekonstruieren und das hei�t gerade: von den einfachsten abstrakten Bestimmungen ausgehend sich emporzuarbeiten zum Verst�ndnis des organischen Ganzen, zur konkreten Totalit�t, zum Gedankenkonkretum. H�ren wir hierzu Marx selbst:
"Es scheint das Richtige zu sein mit dem Realen und Konkreten, der wirklichen Voraussetzung zu beginnen, also z.B. in der �konomie mit der Bev�lkerung, die die Grundlage und das Subjekt des ganzen gesellschaftlichen Produktionsakts ist. Indes zeigt sich dies bei n�herer Betrachtung [als] falsch. Die Bev�lkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z.B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. Die Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhn. Z.B. Lohnarbeit, Kapital etc. Diese unterstellen Austausch, Teilung der Arbeit, Preise etc. Kapital z.B. ohne Lohnarbeit ist nichts, ohne Wert, Geld, Preis etc. Finge ich also mit der Bev�lkerung an, so w�re das eine chaotische Vorstellung des Ganzen und durch n�here Bestimmung w�rde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf immer d�nnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt w�re. Von da w�re nun die Reise wieder r�ckw�rts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bev�lkerung anlangte, diesmal aber nicht als einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalit�t von vielen Bestimmungen und Beziehungen. Der erste Weg ist der, den die �konomie in ihrer Entstehung geschichtlich genommen hat. Die �konomen des 17. Jahrhunderts z.B. fangen immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bev�lkerung, der Nation, Staat, mehreren Staaten etc. an; sie enden aber immer damit, da� sie durch Analyse einige bestimmende, abstrakte, allgemeine Beziehungen wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert etc. herausfinden. Sobald diese einzelnen Momente mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren, begannen die �konomischen Systeme, die von dem Einfachen, wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bed�rfnis, Tauschwert aufstiegen bis zum Staat, Austausch der Nationen und Weltmarkt. Das letztere ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode. Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Proze� der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und Vorstellung ist. Im ersten Wege wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verfl�chtigt; im zweiten f�hren die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Wege des Denkens. Hegel geriet daher auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden, und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, w�hrend die Methode vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art f�r das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als geistig Konkretes zu reproduzieren. Keineswegs aber der Entstehungsproze� des Konkreten selbst. Zum Beispiel die einfachste �konomische Kategorie, sage z.B. Tauschwert, unterstellt Bev�lkerung, Bev�lkerung produzierend in bestimmten Verh�ltnissen; auch gewisse Sorte von Familien- oder Gemeinde- oder Staatswesen etc. Er kann nie existieren au�er als abstrakte, einseitige Beziehung eines schon gegebenen konkreten lebendigen Ganzen. Als Kategorie f�hrt dagegen der Tauschwert ein antediluvianisches Dasein. F�r das Bewu�tsein daher - und das philosophische Bewu�tsein ist so bestimmt -, dem das begreifende Denken der wirkliche Mensch und daher die begriffene Welt als solche erst das Wirkliche ist, erscheint daher die Bewegung der Kategorien als der wirkliche Produktionsakt - der leider nur einen Ansto� von au�en erh�lt -, dessen Resultat die Welt ist; und dies ist - dies ist aber wieder eine Tautologie - soweit richtig, als die konkrete Totalit�t als Gedankentotalit�t, als ein Gedankenkonkretum, in fact ein Produkt des Denkens, des Begreifens ist, keineswegs aber des au�er oder �ber der Anschauung und Vorstellung denkenden und sich selbst geb�renden Begriffs, sondern der Verarbeitung von Anschauung und Vorstellung in Begriffe. Das Ganze, wie es im Kopf als Gedankenganzes erscheint, ist ein Produkt des denkenden Kopfes, der sich die Welt in der ihm einzig m�glichen Weise aneignet, einer Weise, die verschieden ist von k�nstlerischer, religi�ser, praktisch-geistiger Aneignung dieser Welt. Das reale Subjekt bleibt nach wie vor au�erhalb des Kopfes in seiner Selbstst�ndigkeit bestehn; solange der Kopf sich n�mlich nur spekulativ verh�lt, nur theoretisch. Auch bei der theoretischen Methode mu� daher das Subjekt, die Gesellschaft, als Voraussetzung stets der Vorstellung vorschweben." (Marx, Grundrisse, S. 21f)
Da� mit dieser Methode viele Schwierigkeiten haben, ist nicht neu. Im Nachwort zur 2.Auflage des "Kapital" konstatiert Marx: "Die im Kapital angewandte Methode ist wenig verstanden worden, wie schon die einander widersprechenden Auffassungen derselben beweisen", und er sieht sich gen�tigt, hier einige Erl�uterungen zu seiner Methode zu geben, indem er eine Rezension ausf�hrlich zitiert:
"'F�r Marx ist nur eins wichtig: dies Gesetz der Ph�nomene zu finden, mit deren Untersuchung er sich besch�ftigt. Und ihm ist nicht nur das Gesetz wichtig, das sie beherrscht, soweit sie eine fertige Form haben und in einem Zusammenhang stehn, wie er in einer gegebnen Zeitperiode beobachtet wird. F�r ihn ist noch vor allem wichtig das Gesetz ihrer Ver�nderung, ihrer Entwicklung, d.h. der �bergang aus einer Form in die andre, aus einer Ordnung des Zusammenhangs in eine andre. Sobald er einmal dies Gesetz entdeckt hat, untersucht er im Detail die Folgen, worin es sich im gesellschaftlichen Leben kundgibt ... Demzufolge bem�ht sich Marx nur um eins: durch genaue wissenschaftliche Untersuchung die Notwendigkeit bestimmter Ordnungen der gesellschaftlichen Verh�ltnisse nachzuweisen und soviel als m�glich untadelhaft die Tatsachen zu konstatieren, die ihm zu Ausgangs- und St�tzpunkten dienen. Hierzu ist vollst�ndig hinreichend, wenn er mit der Notwendigkeit der gegenw�rtigen Ordnung zugleich die Notwendigkeit einer andren Ordnung nachweist, worin die erste unvermeidlich �bergehen mu�, ganz gleichg�ltig, ob die Menschen das glauben oder nicht glauben, ob sie sich dessen bewu�t oder nicht bewu�t sind. Marx betrachtet die gesellschaftliche Bewegung als einen naturgeschichtlichen Proze�, den Gesetze lenken, die nicht nur von dem Willen, dem Bewu�tsein und der Absicht der Menschen unabh�ngig sind, sondern vielmehr umgekehrt deren Wollen, Bewu�tsein und Absichten bestimmen ... Wenn das bewu�te Element in der Kulturgeschichte eine so untergeordnete Rolle spielt, dann versteht es sich von selbst, da� die Kritik, deren Gegenstand die Kultur selbst ist, weniger als irgend etwas andres, irgendeine Form oder irgendein Resultat des Bewu�tseins zur Grundlage haben kann. Das hei�t, nicht die Idee, sondern nur die �u�ere Erscheinung kann ihr zum Ausgangspunkt dienen. Die Kritik wird sich beschr�nken auf die Vergleichung und Konfrontierung einer Tatsache, nicht mit der Idee, sondern mit der andren Tatsache. F�r sie ist es nur wichtig, da� beide Tatsachen m�glichst genau untersucht werden und wirklich die eine gegen�ber der andren verschiedne Entwicklungsmomente bilden, vor allem aber wichtig, da� nicht minder genau die Serie der Ordnungen erforscht wird, die Aufeinanderfolge und Verbindung worin die Entwicklungsstufen erscheinen. Aber, wird man sagen, die allgemeinen Gesetze des �konomischen Lebens sind ein und dieselben; ganz gleichg�ltig, ob man sie auf Gegenwart oder Vergangenheit anwendet. Grade das leugnet Marx. Nach ihm existieren solche abstrakte Gesetze nicht. Nach seiner Meinung besitzt im Gegenteil jede historische Periode ihre eignen Gesetze. Sobald das Leben eine gegebene Entwicklungsperiode �berlebt hat, aus einem gegebnen Stadium in ein andres �bertritt, beginnt es auch durch andre Gesetze gelenkt zu werden. Mit einem Wort, das �konomische Leben bietet uns eine der Entwicklungsgeschichte auf andren Gebieten der Biologie analoge Erscheinung. Die alten �konomen verkannten die Natur �konomischer Gesetze, als sie dieselben mit den Gesetzen der Physik und Chemie verglichen. Eine tiefere Analyse der Erscheinungen bewies, da� soziale Organismen sich voneinander ebenso gr�ndlich unterscheiden als Pflanzen- und Tierorganismen. Ja, eine und dieselbe Erscheinung unterliegt ganz und gar verschiednen Gesetzen infolge des verschiednen Gesamtbaus jener Organismen, der Abweichung ihrer einzelnen Organe, des Unterschieds der Bedingungen, worin sie funktionieren usw. Marx leugnet z.B., da� das Bev�lkerungsgesetz dasselbe ist zu allen Zeiten und an allen Orten. Er versichert im Gegenteil, da� jede Entwicklungsstufe ihr eignes Bev�lkerungsgesetz hat. Mit der verschiednen Entwicklung der Produktivkraft �ndern sich die Verh�ltnisse und die sie regelnden Gesetze. Indem sich Marx das Ziel stellt, von diesem Gesichtspunkt aus die kapitalistische Wirtschaftsordnung zu erforschen und zu erkl�ren, formuliert er nur streng wissenschaftlich das Ziel, welches jede genaue Untersuchung des �konomischen Lebens haben mu�. Der wissenschaftliche Wert solcher Forschung liegt in der Aufkl�rung der besondren Gesetze, welche Entstehung, Existenz, Entwicklung, Tod eines gegebenen gesellschaftlichen Organismus und seinen Ersatz durch einen andren, h�heren regeln. Und diesen Wert hat in der Tat das Buch von Marx.' Indem der Herr Verfasser das, was er meine wirkliche Methode nennt, so treffend und, soweit meine pers�nliche Anwendung derselben in Betracht kommt, so wohlwollend schildert, was andres hat er geschildert als die dialektische Methode? Allerdings mu� sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren innres Band aufzusp�ren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun. Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. F�r Hegel ist der Denkproze�, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbst�ndiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine �u�ere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und �bersetzte Materielle." (MEW 23, S.25 ff)
Dies ist nun wirklich etwas v�llig anderes, als Els�ssers Marx unterstelltes destruierendes Verfahren, die angebliche Zerst�rung der Kategorien der b�rgerlichen politischen �konomie. Marx hat die Kategorien der politischen �konomie nicht zerst�rt, sondern einer Kritik unterzogen, hat sie sich angeeignet und in seinem Werk aufgehoben, im Sinne von bewahrt, relativiert, vergenauert. Und die Einzelheiten seiner Analyse sind keineswegs nebens�chlich, will man die Gesellschaft als Gedankenkonkretum reproduzieren.
Nehmen wir zur Frage des abstrakten und konkreten ein unverf�ngliches Beispiel, das Abstraktum "Tisch". In der Realit�t, in unserem t�glichen Leben, haben wir es erstmal nicht mit dem Abstraktum "Tisch", sondern mit einer gro�en Anzahl verschiedenartigster Tische zu tun, Tische, an denen wir zum Essen sitzen, an denen wir schreiben, auf denen B�cher liegen, Computer stehen, oder Tapeten eingekleistert werden. Bei jedem einzelnen Tisch, den wir sinnlich konkret wahrnehmen, handelt es sich um einen konkreten Tisch: mein Tapeziertisch, dein Schreibtisch, Gro�mutters K�chentisch usw. Alle diese Gegenst�nde fassen wir gedanklich in Gruppen zusammen, indem wir von bestimmten konkreten Eigenarten dieser Gegenst�nde absehen, indem wir abstrahieren. Je nachdem, wovon wir abstrahieren, verbleibt den Gegenst�nden ein gr��eres oder kleineres Ma� an gemeinsamen Eigenschaften, bekommen wir unterschiedliche Abstraktionen: auf eine Weise bekommen wir den K�chentisch, den Schreibtisch, den Tapeziertisch usw., in anderer Weise abstrahiert k�nnen wir zum Holztisch, Glastisch usw., oder zu Gruppierungen wie alten, neuen, runden und eckigen, gro�en und kleinen, deinen und meinen Tischen kommen. Wenn wir nun von all den hier noch vorhandenen Unterscheidungen absehen und nur das allen Tischen Gemeinsame festhalten, erhalten wir das Abstraktum Tisch.
Dieses Abstraktum erscheint zuerst als reines Gedankenprodukt. Doch gerade in dieser Abstraktion tritt die wesentliche Eigenschaft aller konkreten Tische offen zutage, die jeden Tisch erst zum Tisch macht: ein hergestellter Gegenstand zu sein, mit einer ebenen Fl�che in einer bestimmten H�he �ber dem Fu�boden, auf der Gegenst�nde plaziert und T�tigkeiten durchgef�hrt werden k�nnen. Wenn ein Gegenstand diese Eigenschaft nicht aufweist, ist's kein Tisch, und wenn einem Tisch diese Eigenschaft genommen wird, ist er mal ein Tisch gewesen. Verst�ndige gedankliche Abstraktionen reflektieren also real vorhandene Wesensmerkmale der sinnlich wahrgenommenen Realit�t, machen die tats�chlichen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Dinge erst begreifbar. Diese Realit�t, die verst�ndigen Abstraktionen zugrunde liegt, erm�glicht es uns, die Abstraktion Tisch nicht nur als Gedankenprodukt zu begreifen, sondern sie auch in den realen Tischen wiederzufinden. Jeder Tisch ist zugleich konkreter und abstrakter Tisch; konkreter Tisch in seiner Einmaligkeit, mit seinen speziellen Ecken und Kanten, abstrakter Tisch im Hinblick auf seine reale Gleichartigkeit mit allen anderen Tischen.
Nun zur Arbeit:
Im 5. Kapitel des "Kapital" betrachtet Marx die Arbeit als Produktion von Gebrauchswerten zun�chst unabh�ngig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form:
"Die Arbeit ist zun�chst ein Proze� zwischen Mensch und Natur, ein Proze�, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegen�ber. Die seiner Leiblichkeit angeh�rigen Naturkr�fte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer f�r sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur au�er ihm wirkt und sie ver�ndert, ver�ndert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kr�fte seiner eignen Botm��igkeit. Wir haben es hier nicht mit den ersten tierartig instinktm��igen Formen der Arbeit zu tun. Dem Zustand, worin der Arbeiter als Verk�ufer seiner eignen Arbeitskraft auf dem Warenmarkt auftritt ist in urzeitlichen Hintergrund der Zustand entr�ckt, worin die menschliche Arbeit ihre erste instinktartige Form noch nicht abgestreift hatte. Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschlie�lich angeh�rt. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers �hneln, und eine Biene besch�mt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, da� er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht da� er nur eine Formver�nderung des Nat�rlichen bewirkt; er verwirklicht im Nat�rlichen zugleich seinen Zweck den er wei�, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen mu�. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Au�er der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckm��ige Wille, der sich als Aufmerksamkeit �u�ert, f�r die ganze Dauer der Arbeit erheischt, und um so mehr, je weniger sie durch den eignen Inhalt und die Art und Weise ihrer Ausf�hrung den Arbeiter mit sich fortrei�t, je weniger er sie daher als Spiel seiner eignen k�rperlichen und geistigen Kr�fte genie�t." (MEW 23, S. 192f, kursive Hervorhebungen nach der Auflage von 1867) "Der Arbeitsproze� wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckm��ige T�tigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Nat�rlichen f�r menschliche Bed�rfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabh�ngig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam. Wir hatten daher nicht n�tig, den Arbeiter im Verh�ltnis zu andren Arbeitern darzustellen. Der Mensch und seine Arbeit auf der einen, die Natur und ihre Stoffe auf der andren Seite gen�gten." (MEW 23, S. 198f)
Wie jeder Tisch konkreter Tisch und gleichzeitig Tisch abstrakt ist, so ist auch die menschliche Arbeit immer zugleich konkrete und abstrakte Arbeit. Marx untersucht nun den Zusammenhang, der zwischen diesen beiden Momenten der Arbeit in einer bestimmten - der kapitalistischen - Form der gesellschaftlichen Produktion, und dem durch die Arbeit erzeugten Produkt entsteht.
Das Arbeitsprodukt liegt in der kapitalistischen Gesellschaft nicht in der Form des einfachen Gebrauchsgegenstandes vor, sondern als f�r den Austausch produzierter Gebrauchsgegenstand, als Ware, als Gebrauchsgegenstand f�r andere. Seinen unmittelbaren Gebrauchswert als Gebrauchsgegenstand hat es nicht f�r den Produzenten, sondern f�r den Verbraucher, zu dem es erst durch den Austausch gelangt. F�r den Produzenten hat sein Produkt einen anderen, zus�tzlichen Gebrauchswert, den Gebrauchswert, austauschbar zu sein, Mittel zu sein zur Erlangung von anderen Arbeitsprodukten, Tr�ger von Tauschwert zu sein.
Gebrauchswert hat eine Ware durch ihre sinnlich-materiellen Eigenschaften, die sie f�r eine bestimmte Art des Gebrauchs geeignet machen und die durch die konkrete Form der sie erzeugenden Arbeit hervorgebracht werden; ein Tisch kann nicht als Kleidungsst�ck dienen und auch nicht durch Schneiderarbeit hergestellt werden. Und doch kann die Schneiderarbeit als warenproduzierende Arbeit zur Erlangung eines Tisches dienen. Denn eine bestimmte Menge von Kleidungsst�cken l��t sich gegen einen Tisch tauschen.
Der Tauschwert erscheint hier als das quantitative Verh�ltnis, in dem unterschiedliche Gebrauchswerte gegeneinander ausgetauscht werden k�nnen. Dieses Verh�ltnis �ndert sich zwar mit Ort und Zeit, ist aber dennoch offensichtlich nicht v�llig willk�rlich; Bedingungen, unter denen sich gegen ein Kaugummi ein Mercedes Benz eintauschen l��t, sind schwer vorstellbar. Also m�ssen alle Waren etwas Gemeinsames in gr��eren oder kleineren Anteilen enthalten, das die Grundlage ihres Austauschverh�ltnisses zu anderen Waren, ihres Tauschwertes, bildet. Dies Gemeinsame wird Wert genannt. Das Gemeinsame kann offensichtlich nicht der Gebrauchswert, ja �berhaupt keine materielle Eigenschaft der Waren sein, da sich die Waren hierin ja gerade voneinander unterscheiden.
Um das Gemeinsame Dritte der Waren zu finden, m�ssen wir also von ihren Gebrauchswerteigenschaften, ja von allen ihren stofflichen Eigenschaften abstrahieren. Was bleibt, ist die gemeinsame Eigenschaft aller Waren, Arbeitsprodukt zu sein. Mit der Abstraktion von der sinnlich konkreten Beschaffenheit der Arbeitsprodukte, von ihrer bestimmten N�tzlichkeit, m�ssen wir jedoch auch von den konkreten Formen der Arbeit abstrahieren, sie reduzieren auf gleiche menschliche Arbeit, auf abstrakt menschliche Arbeit, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in welcher Form auch immer. Mathematisch ausgedr�ckt ist die warenproduzierende Arbeit eine gedoppelte Implikation:
•Die konkrete Arbeit erzeugt den Gebrauchswert der Ware
•Die abstrakte Arbeit erzeugt den Wert der Ware
Die abstrakte Arbeit ist ebenso wie der abstrakte Tisch keine blo�e Gedankenabstraktion, sondern ist reales Moment menschlicher Arbeit, ist tats�chliche "produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw." (MEW 23, S.58) von bestimmter Zeitdauer, nur unter Absehung von der konkreten Form der Arbeit als Tischler-, Schneiderarbeit o.�..
Die abstrakte Arbeit hat zwei Bestimmungen, eine qualitative und eine quantitative:
Qualitativ ist sie bestimmt als zweckgerichtete Verausgabung menschlicher Arbeitskraft unabh�ngig von der konkreten Form der Verausgabung und vom konkreten Zweck, sehr wohl also eine Bestimmung mit "physiologisch-naturalistischer" Grundlage. Da der Mensch ein gesellschaftliches Wesen, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft eine Gesellschaft voraussetzende Angelegenheit ist, hat die Bestimmung der abstrakten Arbeit - ebenso wie die der konkreten Arbeit nat�rlich auch ein gesellschaftliches Moment. Bei der konkreten Arbeit liegt das gesellschaftliche Moment darin, da� die Ausdifferenzierung der Arbeit in verschiedenste konkrete Arbeiten mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung erst richtig hervorgetrieben wird, ebenso wie ihre Reduktion auf einfachste mechanische Verrichtungen, auf eine blo� formelle T�tigkeit. Bei der abstrakten Arbeit liegt das gesellschaftliche Moment darin, da� die Arbeit des einen soviel gilt, wie die Arbeit des anderen, da� die Menschen einander formal gleichgestellt sind; dies ist nun tats�chlich eine Errungenschaft menschlicher Zivilisation, die nicht wieder hintergangen werden darf.
Quantitativ ist die Arbeit bestimmt durch die Zeit, die sie dauert. Damit ist auch die Wertgr��e einer Ware bestimmt durch die unter gegebenen Bedingungen zu ihrer Herstellung im Durchschnitt notwendigen Arbeitszeit.
Sarah Wagenknecht weist zurecht darauf hin, da� Els�sser in der eingangs zitierten Passage die qualitative und die quantitative Seite der Wertbestimmung der Ware durcheinanderschmei�t: "J�rgen Els�sser springt, wie ich finde, allzu sorglos mit den �konomischen Kategorien um. Das beginnt bei der Nichtunterscheidung von Wertsubstanz und Wertgr��e. Marx' Pr�misse ist keineswegs: 'Wertma�stab ist die in den jeweiligen Waren kristallisierte abstrakte Arbeit.' Die abstrakte Arbeit bildet die Wertsubstanz. Ma�stab der Wertgr��e ist die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit." Soweit so gut. Doch Wagenknecht weiter: "Eine spezifisch gesellschaftliche Kategorie ist die abstrakte Arbeit insofern, als die menschliche Arbeit eben erst unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen den Doppelcharakter von konkreter und abstrakter Arbeit annimmt, n�mlich sofern sie f�r den Austausch produziert, d.h. sofern der Zusammenhang der arbeitsteiligen Produktion sich allein �ber den Austausch realisiert. Dies vorausgesetzt, entsteht der Wert jedoch keineswegs erst in der Zirkulations-, sondern bereits in der Produktionssph�re: eben durch die Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, unabh�ngig von allen konkreten Bestimmungen dieser Arbeit." (Wagenknecht, ebenda S.65)
Den Doppelcharakter von konkreter und abstrakter Arbeit hat die Arbeit unter allen m�glichen gesellschaftlichen Bedingungen, nicht nur sofern f�r den Austausch produziert wird. Was allerdings erst mit der Produktion f�r den Austausch auftritt, ist, da� die Arbeit, die der Warenproduzent leistet, eben nicht als das was sie ist erscheint, nicht direkt als gleiche menschliche Arbeit, als Bestandteil der menschlichen Arbeit �berhaupt, als gesellschaftliche Beziehung des Produzenten. Die gesellschaftliche Relevanz der Arbeit erweist sich erst im Nachhinein, erscheint als sachliche Eigenschaft des Produkts, wenn es auf dem Markt mit anderen Waren zusammentrifft, im Tauschwert, oder in den Wertformen - was das gleiche ist. Da� der Wert der Ware erst auf dem Markt im Wertverh�ltnis zu anderer Ware seinen Ausdruck bekommt, bedeutet keineswegs - wie Els�sser meint -, da� der Wert erst hier entsteht. Das ist der gleiche Irrtum, wie wenn man meinen w�rde, die Schwere von einem Sack Reis entst�nde erst auf der Wage.
Letztlich laufen sowohl Els�ssers Behauptung, die Waren w�rden erst beim Austausch wertm��ig fixiert, als auch Wagenknechts Meinung, erst mit der Warenproduktion n�hme die Arbeit den Doppelcharakter von konkreter und abstrakter Arbeit an, auf das gleiche hinaus: Eine arbeitsteilige gesellschaftliche Produktion, die keine Warenproduktion ist und dennoch eine �konomie der Zeit erm�glicht, wird undenkbar.