Globalisierung und die Krise des Sozialstaats

(aus isw - Forschungshefte 1, 01/2003)

von Leo Mayer und Fred Schmid

 

Wieder einmal wird die kapitalistische Wirtschaft von einer Krise erfasst. Aber ganz offensichtlich handelt es sich gegenw�rtig um mehr als um eine der "klassischen" zyklischen Krisen der kapitalistischen Wirtschaft. Unsicherheit, Armut und Arbeitslosigkeit haben globalen Charakter angendmmen. Wir erleben den erneuerten Zyklus von Krise, Krieg und Terrorismus und den �bergang zu autorit�ren Herrschaftsformen. Die Pleite des US-Energieriesen Enron, gro� geworden im Gefolge von Deregulierung und Privatisierung und Synonym f�r das Zusammenspiel von Politik, B�rse, Banken und Wirtschaftspr�fern sowie der Zusammenbruch Argentiniens, dem Mustersch�ler des IWF, stehen geradezu symbolhaft f�r den krisenhaften Zustand der Weltwirtschaft. Stellt man gleichzeitig in Rechnung, dass sich in einer wachsenden Zahl von L�ndern der Kampf der Arbeiterbewegung wieder belebt und sich mit dern Aufbruch einer neuen sozialen Bewegung vermischt, dann kann man zu Recht davon sprechen, dass das Konzept der kapitalistischen Modernisierung insgesamt, d.h. die kapitalistische Globalisierung in eine Krise geraten ist. Die durch die Globalisierung hervorgdrufenen gesellschaftlichen Verw�stungen r�cken zunehmend in den Vordergrund der Debatte.

Ernst Ulrich von Weizs�cker sagte als Vorsitzender der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, dass heute internationale Firmen weitgehend diktieren, wie der Staat sich zu benehmen habe. Er sieht zwar in der Globalisierung auch Vorteile wie Warenvielfalt und Preisstabilit�t, benannte jedoch die negativen Folgen, n�mlich zunehmende Armut und die Benachteiligung von Frauen, "bedr�ckend'. Weizs�cker warnte vor der wachsenden, unkontrollierten Macht der Multis und rief auf: "Wir m�ssen die Demokratie neu erfinden".

"Globalisierung der Armut" titelt der kanadische �konom Michel Chossudovsky sein Buch �ber die Folgen der kapitalistischen Globalisierung. Denn sie "f�hrt zur Verarmung der Menschheit und zur Zerst�rung der Natur. Sie erzeugt soziale Apartheid, bef�rdert Rassismus und ethnische Streitigkeiten, unterh�hlt die Rechte der Frauen und st�rzt L�nder in zerst�rerische Konfrontationen zwischen verschiedenen Nationalit�ten. Sie beeintr�chtigt die nationale Souver�nit�t und die Rechte der B�fger. Unver�u�erliche 'Rechte' sind an die weltgr��ten Banken und multinationalen Konglomerate �bertragen worden, die �ffentlichen Schulden sind explodiert, staatliche Institutionen zusammengebrochen, der Wohlfahrtsstaat ist in den meisten westlichen L�ndern zerst�rt, w�hrend der private Reichtum w�chst.”

Globalisierung - Mythos und Realit�t

Als der Begriff der Globalisierung Mitte der 80er Jahre das erste Mal auftauchte, war er noch positiv belegt und brachte in k�rzester Zeit eine wahre Bl�te unterschiedlichster Konzeptionen, Sichtweisen und Erkl�rungsmuster hervor. Schon der Begriff legt die Vorstellung wirklicher Globalit�t und den Mythos des 'gIobalen Dorfes' nahe. Die Realit�t jedoch verweist die von der Weltbank und den neoliberalen "Dienstleistungs-Intellektuellen" vertretene These von der zunehmenden Konvergenz zwischen Nord und S�d in das Reich der Fabeln, denn im 'gIobalen Dorf' herrscht die "giobale Apartheid", wie es Nitin Desai, Konferenz-Generalsekret�r auf dem UNO-Gipfel in Johannesburg, formulierte. In diesem "Welt-Dorf" lebe "eine menschliche Gesellschaft, gf�ndend auf Armut f�r viele und Reichtum f�r wenige, gekennzeichnet durch Inseln des Wohlstands, umgeben von einem Meer der Armut", sagte S�dafrikas Pr�sident Thabo Mbeki. W�hrend die Metropolen und die angeschlossenen Produktionsinseln der kapitalistischen Peripherie mit Glasfaserkabein vernetzt sind und die x-te Generation von Handys und Computern produziert wird, haben zwei Drittel der Menschheit noch nie einen Telefonh�rer abgehoben und weit mehr als 90 Prozent noch nie ein Bild oder einen Text aus dem Internet gesehen. W�hrend auf den M�rkten der entwickelten Industriel�nder die Wellness-Branche und die Sch�nheitsmedizin boomen, vergr��ert sich in den unterentwickelten L�ndern die Zahl der Kranken, die sich niemals ein Medikament werden leisten k�nnen, immer schneller. Die globale Verelenduhg hat ein bisher unbekanntes Ausma� erreicht: 1,2 Milliarden Menschen, ein F�nftel der Menschheit, m�ssen von einem Dollar pro Tag leben und sind zu einem Leben in extremer Armut verurteilt. Die Kluft wird gr��er, nicht kleiner. 1,6 Milliarden Menschen in den Entwicklungsl�ndern leben heute schlechter als vor 15 Jahren. Die zwischen den reichsten und den �rmsten L�ndern begtehende Einkommensdifferenz, die 1960 das 37fache betrug, betr�gt heute das 74fache. Vier B�rger der USA - Bill Gates, Paul Allen, Warren Buffet und Larry Eilyson - konzentrieren in ihren H�nden ein Verm�gen, das dem Bruttoinlandsprodukt von 42 armen L�ndern mit 600 Millionen Einwohnern gleichkommt. Das Verm�gen der 385 reichsten Personen �bersteigt das Jahreseinkommen der �rmsten 2,5 Milliarden Menschen, also fast der H�lfte der Weltbev�lkerung. In ihrer heutigen neoliberalen Form wurde die Globalisierung zu einem furchtbaren Alptraum f�r Millionen von Menschen: f�r die Opfer der Massenarbeitslosigkeit, f�r die in ungesch�tzte Arbeitsverh�ltnisse Abgedr�ngten, die sozial Ausge-grenzten oder die Armen trotz Arbeit. Wer z�hlt die Opfer der neoliberalen Strukturanpassungspolitik, die im S�den zu ungeheurer Armut gef�hrt hat und die sich im Norden als Zerst�rung der sozialen Sicherungssysteme und Privatisierung der �ffentlichen Dienstleistungen auswirkt?

Als M�rchen hat sich auch die These vom Verschwinden des Nationalstaates erwiesen. Die Zahl der Staaten hat zugen�mmen; nationalistische Sezessionsbewegungen breiten sich aus. Aber ebenso offensichtlich vollzieht sich ein tiefgehender Wandel in der Funktion'der Natibnalstaaten, der mit Verlust von wirtschaftlicher und sozialer Regulierungsf�higkeit und dem Abbau demokratischer Rechte verbunden ist. Die dominierenden Staaten werden unter der Hegemonie der USA aufgeWertet, w�hrencl die schw�cheren Nationalstaaten ihre nationale Souver�nit�t verlieren und sogar aufgel�st werden. Die m�chtigen Staaten, allen voran die USA, ersetzen das V�lkerrecht d�rch ihr "Recht auf Intervention" und einen neuen Kolonialismus.

Oft wird so getan, als sei die Globalisierung wie eine Naturkatastrophe �ber die Menschheit hereingebrochen. Dies trifft ebenso wenig zu, wie die These, dass es sich um ein g�nzlich neues Ph�nomen handelt. Schon das Entstehen der kapitalistischen Produktionsweise war untrennbar mit der Herausbildung des Weltmarkts verbunden. "Welthandel und Weltmarkt er�ffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals" schreibt Karl Marx. (3) In seiner weiteren Entwicklung werde sich dieser internationale Charakter weiter entfalten und es komme zu "neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die gro�e Industrie schafft"(4), denn der Weltmarkt bildet "die Basis und Lebensatmosph�re der kapitalistischen Produktionsweise"(5), schrieb der �konom und Philosoph aus Trier schon im Jahr 1860. Gegenw�rtig k�nnen wir erleben, dass sich dieser Internationalisierungsprozess nicht kontinuierlich, sondern in Sch�ben und Spr�ngen vollzieht.

So sehr sich die Globalisierung also als Feld der Mythenbildung erweist, so falsch w�re es, die realen Prozesse zu ignorieren. Die im 'Kommunistischen Manifest' vorhersehend beschriebene Vollendung des kapitalistischen Weltmarktes, wonach sich "Produktion und Konsumtion aller L�nder kosmopolitisch gestaltet,6 wird heute - getrieben von den transnationalen Konzernen, internationalen Institutionen unci der Staatengruppe der G-7 - unter dem Begriff "Globalisierung" t�glich mehr zur Realit�t.

Im Zuge der Globalisierung ver�ndert sich das Kr�fteverh�ltnis zwischen Kapital und Arbeit. Welche Ma�nahme des Sozialabbaus und der Lohnsenkung, welches Steuergeschenk an die Reichen und Konzerne, welches antidemokratische Gesetz, das nicht mit den Zw�ngen der Globalisierung begr�ndet w�rde. Seit zwei Jahrzehnten stagnieren in den meisten Industriel�ndern die Masseneinkommen und werden die abh�ngig Besch�ftigten von der Teilhabe an den �konomischen Zuw�chsen ausgeschlossen. Schritt f�r Schritt werden erk�mpfte Zugest�ndnisse zur�ckgenommen und das "Soziale Netz” ausged�nnt. Soziale Risiken werden privatisiert und der Arbeitsmarkt dereguliert. Inmitten der Reichtumszentren entstehen wachsende "Drittweltsektoren".

Das "Phantom" der Globalisierung

In der Linken und in den Gewerkschaften wollten viele die neue Entwicklung lange nicht wahrhaben. So warnte Detlef Hensche zwar zu Recht vor der "Globalisierungshysterie", weil diesb die Sicht verneble und die Gewerkschaften l�hrne. Aber seine Aussage, dass zwar die Finanzm�rkte global sind, "die Arilage von Produktionskapital folgt dagegen anderen Gesetzen; auch morgen noch. Produktionsst�tten sind bodenst�ndig. ... Das Gespenst der Globalisierung erweist sich so realit�tsverbunden wie das Gespenst im Kohlenkeller" (7) ist nicht erst seit heute widerlegt. Auch f�r Ulrich Dolata war 'die Formel von der Globalisierung der Wirtschaft ebenso pr�gnant wie irref�hrend', clenn mit Ausnahme der Chemieindustrie "pr�sentiert sich die deutsche Internationalisierung �ber weite Strecken als wenig spektakul�re und keineswegs sprunghafte Europ�isierung des Handels und der Produktion.'

An sie gewandt schrieb Helmut Schauer, Tarifabteilung der IG Metall: Wanche wollen den Entwicklungsbruch noch nicht wahrhaben, Sie halten sich nach einem Vierteljahrhundert des Epochenwechsels noch an r�ckw�rts gewandte Zeitbegriffe wie der einer postfordistischen oder postkeynesianischen Entwicklungsphase. Sie sind noch nicht so ganz in der Gegenwart angekommen".(9) Er stimmte darin mit Revelli �berein: 'Die Linke hat die neue Epoche kapitalistischer Entwicklung in den letzten Jahren verschlafen."

Inzwischen stellt die Realit�t der Globalisierung kaum noch jemand in Frage. Millionen Globalisie-rungskritiker von Seattle bis Genua, von Porto Alegre bis ' Florenz jagen nicht einem "Phantom" hinterher, sondern k�mpfen gegen die zerst�rerischen Auswirkungen der kapitalistischen Globali-sierung. Mittlerweile herrscht weitgehende Einigkeit, dass die Globalisierung ein vieldimensionaler Vorgang ist, der das Leben und Arbeiten der Menschen ebenso ber�hrt wie er die �kologische Zerst�rung des Planeten und kulturimperialistische Erscheinungen einschlie�t. Sp�testens seit US-Pr�sident Bush den Ianganhaltenden "Krieg gegen den Terror" begonnen hat, stellen sich neoliberale Globalisierung und Krieg als die zwei Seiten der gleichen Medaille dar. Doch wenn es um die �konomische Triebfeder des Prozesses geht, unterscheiden sich die Sichtweisen. Umstritten ist nach wie vor, ob sich mit der Globalisierung eine neue Qualit�t der Internationalisierung des Kapitals verbindet und woran diese festzumachen sei.

Karl Georg Zinn, Wirtschaftswissenschaftler an der Technischen Hochschule Aachen sieht die Globalisierung durch zwei Komponenten charakterisiert: zum einen durch die seit langem laufende Expansion der au�enwirtschaftlichen Verflechtung der Volkswirtschaften - die also nichts Neues darstellt, - und zum zweiten durch die "irrsinnige Ausweitung der spekulativen Finanztransaktionen". Da diese aber erst dadurch m�glich wurde, weil die Regierungen die sinnvollen Regulierungen und Kontrollen auf den Finanzm�rkten abgebaut haben, spricht er denn auch nicht einfach von "Globalisierung", sondern wie der j�ngst verstorbene franz�sische Soziologe Pierre Bourdieu von der Tolitik der Globalisierung". (10)

J�rg Huffschmid konstatiert zwar, dass die au�enwirtschaftliche 'Verflechtung �ber Handel und Direktinvestitionen im Laufe der letzten 20 Jahre zugenommen hat, allerdings sei dies f�r die gro�en Zentren der Weltwirtschaft immer noch von vergleichsweise geringem Gewicht. Da sie zudem vorwiegend und zunehmend innerhalb der kapitalistischen Zentren Westeuropa, Nordamerika und S�dostasien" stattfinde, f�hre dieser Prozess "zu einer regionalen Blockbildung". Er vermutet, dass "eine weitr�umige Produktionsvernetzung vorwiegend auf wenige gro�e Konzerne beschr�nkt und keine verallgemeinerbare Tendenz kapitalistischer Entwirklung ist, und keine umfassende Zukunftsperspektive haben d�rfte". infolgedessen w�rde der Begriff der Globalisierung die sachlich und regional differenzierte Struktur kapitalistischer lnternationalisierung nicht angemessen wiedergeben." J�rg Huffschmid geht wie Rudolf Hickel davon aus, dass man von einer wirklichen Globalisierung nur in Bezug auf die Finanzm�rkte sprechen kann, w�hrend z.B. Elmar Altvater und Brigitte Mahnkopf die Entkoppelung von Finanzm�rkten und realer Wirtschaft in den Mittelpunkt der Globalisierungsdebatte stellen.

F�r Winfried Wolf hat sich wenig ver�ndert und er schreibt wider den "Mythos der Globalisierung"(11): "Die 200 gr��ten Konzerne dieser Welt kontrollieren heute rund ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandproclukts. Ihre Macht ist in clieser Hinsicht rund doppelt so gro� wie die Macht der 200 gr��ten Konzerne in den 1960er Jahren. Wichtig ist jedoch zu erkennen: biese Konzerne operieren zwar international; sie realisieren gelegentlich sogar den gr��ten Teil ihres Umsatzes im 'Ausland'. Doch es handelt sich nicht um 'transnationale' oder 'multinationale' Konzerne. Hinsichtlich ihrer Eigent�merstruktur blieben diese Konzerne vielmehr 'national' eingebunden in die 'nationale' herrschende Klasse des jeweiligen Landes."(13)

Und schlie�lich gibt es die These - die das isw in seinen Arbeiten zu begr�nden sucht -, dass die, Globalisierung der Ausdruck einer neuen Entwicklungsphase des monopolistischen Kapitalismus ist. Im Mittelpunkt stehen dabei die -Herausbildung transnationalen Kapitals und die Transnationalen Konzerne als das entscheidende Subjekt und Triebkraft der Globalisierung.

In der Literatur werden f�r international operierende Konzerne vielfach die Begriffe "internationale", "multinationale", "transnationale" oder "supranationale" Konzerne bzw. Unternehmen verwendet. Mit den unterschiedlichen Begriffen sollen Unterschiede im lnternatonalisierungsgrad der Konzerne gekennzeichnet werden. So unterscheidet z.B. das HWIWA - Hamburger Institut f�r Wirtschaftsforschung: (14)

1. Multinationale Konzerne mit Muttergesellschaft (Hauptsitz im Ursprungsland) und Auf- und Ausbau von eigenst�ndigen Tochtergesellschaften in der ganzen Welt, sog. Transplants, die entweder die gleichen Waren wie die Muttergesellschaft oder l�nderspezifische Produkte herstellen. Auf diese Weise wird in Auslandsm�rkte eingedrungen bzw. werden dort h�here Ums�tze erzielt. Die Steuerung der international zerstreuten Produktion und der Kapitalverwertung ist bei der Muttergesellschaft im Ursprungsland zentralisiert. Der Kapitalbesitz liegt zumeist bei der Bourgeoisie des Herkunftslandes.

2. Transnationale Konzerne, bei denen die gesamte Wertsch�pfungskette international organisiert ist. Es handelt sich um ein internationales Netzwerk von Fabriken, die einzelne Stufen, Komponenten oder auch die Endstufe eines Gesamtproduktes bearbeiten. Die bisherige Arbeitsteilung innerhalb der Fabriken wird verringert, in dem sie teilweise i n selbstst�ndige Einheiten aufgel�st und in andere L�nder verlagert werden. Gleichzeitig wird die Arbeitsteilung innerhalb des Konzerns, wie auch die internationale Arbeitsteilung vertieft. Das Kapitaleigentum wird von privaten und institutionellen Kapitalanlegern �ber die bisherigen nationalen Grenzen hinweg gestreut.

Andere Untersuchung en verstehen unter Transnationalen Konzernen solche, die ihrem Kapital nach im wesentlichen national sind, aber deren Aktivit�tsbereich durch Waren- und Kapitalexport und durch Auslandsproduktion international ist; "solche Monopole, die ausgehend von einem Zentrum in einem bestimmten Land ihre Operationen auf andere L�nder ausdehnen, wo sie Unternehmen gr�nden oder die bestehenden erweitern und Abkommen mit lokalen Kapitalisten �ber die gemeinsame Beteiligung abschlie�en und so ihre �konomische Macht vergr��ern" (15). Unter Multinationa.len Konzernen werden dann solche verstanden, die in internationalem Ma�stab Kapital vdrwerten und deren "Ausgangsbasis Kapital aus mehreren (in der Regel zwei oder drei) Staaten ist" (16).

Die UNCTAD definiert ein Unternehmen als Transnatiohales Unternehmen, wenn es neben der Muttergesellsch�ft �ber Auslandst�chter verf�gt. Als Auslandstochter wird ein Unternehmen im Ausland gewertet, auf dessen Management die Muttergesellschaft auf Grund ihrer Kapitalbeteiligung (mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals oder eine vergleichbare Gr��enordnung bei nichtb�rsennotierten Unternehmen) einen dauerhaften Einfluss hat. Mit dieser Definition z�hlt die UNCTAD 65.000 Transnationale Unternehmen mit �ber 850.000 Auslandst�chtern. (17)

Ankn�pfend an Arbeiten von �konoffien aus der DDR (18) verwenden wir die Bezeichnungen Multinationale Konzerne (Multis), Transnationale Konzerne (TNK) und Internationale Konzerne synonym. Denn in der Wirklichkeit treten die international operierenden Konzerne in so vielf�ltigen Kombinationen und Variationen auf, dass die �berg�ngevon dem einen zum anderen Internationalisierungsgrad mehr oder weniger zu einer Ermessensfrage wird. Au�erdem "kommt es nicht so sehr darauf an, die nationale oder multinationale Herkunft des Kapitals nach den herk�mmlichen politischen Unterscheidungen zu bestimmen, als vielmehr die unwiderlegbare Tatsache festzustellen, dass die Expansionskraft des Monopols dieses veranlasst hat, die Grenzen der Nation zu �berschreiten, das Nationale seiner Bewegung unterzuordnen". (19)

1. Neue Stufe der Internationalisierung ab Mitte der 70er Jahre

Zweifelsohne haben sich ab 1989/1990 mit dem Niedergang und Zusammenbruch der Sowjetunion und der sozialistischen L�nder Osteuropas einschneidende Ver�nderungen in der weltpolitischen Entwicklung der zur�ckliegenden Jahrzehnte vollzogen. Ungehemmt konnte nun das Kapital expandieren und die zu eng gewordenen Verwertungsgrenzen hinausschieben.

Aber die Z�sur in der kapitalistischen Weltwirtschaft w�r schon Mitte der 70er Jahre erfolgt, meist als Yrise des Fordismus" bezeichnet. "Die Weltwirtschaft ist seit 1973 in eine neue Phase eingetreten", stellt Eric Hobsbawn im R�ckblick fest. Zu dieser Zeit wies z.B. die DDR-�konomin Katja Nehls bereits auf die beginnenden Ver�nderungen hin, weil "der Spielraum, den der staatsmonopolistischen Kapitalismus f�r die Bewegung des relativen Kapital�berschusses setzte, sich zu ersch�pfen beginnt". (21) Es muss, f�hrte sie Weiter aus "um die Verwertungserford'ernisse der internationalen Korizerne durchzusetzen, der staatsmonopolistische Kapitalismus st�rker internationalisiert werden".

 

Neue M�rkte 

Um den Stagnationstendenzen auf den Binnenm�rkten entgegen zu wirken, hatten die Gro�un-ternehmen ab Ende der 60er Jahre verst�rkt auf Weltmarktexpansion gesetzt. Die Hoffnung auf zus�tzlichen Absatz auf dem Weltmarkt wurde zu einem erstrangigen Motiv f�r Investitionen. Mitte der, 70er Jahre kam es aber dann doch zur ersten weltweiten �berproduktionskrise nach dem Zweiten Weltkrieg; mit ausgel�st und versch�rft durch die "Olkrise". Im Gefolge der Krise entstand wieder eine "industrielle Reservearmee", die jedoch infolge des beschleunigten Rationalisierungstempos f�r den folgenden Aufschwung hicht mehr in Besch�ftigung gesetzt wurde ("Jobless Growth"). Sie fungierte fortan als Druckmittel zur R�ckverteilung des Volkseinkommens zug�nsten der Unternehmer. 1975 wird mit 66,1 Prozentpunkten die h�chste Lohnquote erreicht, die ab dann kontinuierlich f�llt.

Zu dieser Zeit hatten die rasant anwachsende Staatsverschuldung und das Preisdiktat der Monopole die inflation�re Entwicklung beschleunigt. In Anwendung der antizyklischen Konjunktur- und Haushaltspolitik hatte sich der Staat im Abschwung verschuldet, um �ber Investitionsprogramme die Konjunktur zu beleben. Nach der Theorie h�tte die Staatsverschuldung dann im konjunktureilen Aufschwung durch die H�herbesteuerung der Unternehmensgewinne wieder abgebaut werden m�ssen.

In der Praxis aber verhinderte die Macht der Monopole die Umverteilung von den privaten Gewinnen zu den �ffentlichen Haushalten. Dazu kamen die Lasten permanenten Auf- und Wettr�stens. Mit dem steigenden Stellenwert des internationalen Konkurrenzkampfes um Absatzm�rkte erfolgte eine H�hergewichtung der Risiken einer inflation�ren Entwicklung durch das Kapital. Eind�mmung der Inflation wurde zum Gebot der Politik. Spiegelbildlich zur gewachsenen Staatsverschuldung hatte sich eine neue Kaste von Besitzern vdn Geldverm�gen formiert, die auf steigende Re�lverzinsung ihres Geldkapitals dr�ngte. Regierung und Notenbank schalteten um - von antizyklischer Wirtschaftspolitik auf Exportf�rderung und inflationsbek�mpfung. Das keynesianische Regulationsmodell hatte sich ersch�pft. "Alle Gr�nde, die in den 50er und 60er Jahren eine konsumtive Endnachfrage verursachten, kehrten sich nach und nach um; Die nachfragepolitische Reaktionsweise von Staat und Kapital bestand mehr und mehr darin, die strukturelle Binnennachfrageschw�che hinzunehmen und statt dessen auf'eine Modernisierungsstrategie mit aggressiver Weltmarktorientierung bei hohen Leistungsbilanz�bersch�ssen zu setzen." (22)

So markierte die Krise 1974/1975 den "Bruch im Entwicklungsmuster von Profirate und Akkumulation". Bis zu diesem Zeitpunkt war im Vordergrund gestanden, die fallende Durchschnittsprofitrate d�rch beschleunigt steigende Profitmassen zu kompensieren. Die Akkumulation war angetriebeh worden durch steigende Nachfrage aus Expansion von L�hnen und Staatsausgaben. Die sozialstaatliche Regulierung - "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." (Artikel 20, Absatz 1 des Grundgesetzes) - hatte neben der sozialpolitischen Aufgabenstellung (Absicherung in Notf�llen und Abschw�chung sozialer Gegens�tze) so auch eine �konomische Funktion: Die Sicherung der Masseneinkommen auch in konjunkturellen Schw�cheperioden verhinderte eine st�rkere Absenkung der Akkumulationsdynamik und erm�glichte eine z�gige Ausbreitung einer der fordistischen Massenproduktion entsprechende Lebens- und Konsumweise.

Dieser Akkumulationstyp geriet in die Sackgasse der Stagflation (Stagnation bei gleichzeitiger Inflation) und war kontraproduktiv zur forcierten Weltmarktorientierung.

Internationale Konkurrenzf�higkeit

Ab Mitte der 70er Jahre nahm der triaden�bergreifende Au�enhandel und die Konkurrenz mit Unternehmen aus den USA und Japan zu, so dass der Faktor "internationale Konkurrenzf�higkeit" an Bedeutung gewann. Zur F�rderung der Exportf�higkeit erfolgte ein wirtschaftspolitischer Wechsel zu staatlich unterst�tzter Kostensenkung f�r die Unternehmen. Senkung der L�hne und Unternehmenssteuern, Einschnitte in das System der sozialen Sicherung, massive staatliche F�rderung von Forschung und Entwicklung standen fortan im Vordergrund. Dazu kam die Priorit�t der Inflationsbek�mpfung und die Politik einer unterbewerteten DM zur Exportf�rderung.

In den Betrieben begann zu dieser Zeit die "systemische Rationalisierung": Die Neuorganisation des gesamten betrieblichen Ablaufs und die Kombination moderner Technologien und Produktionsmethoden mit neuen Management- und Organisationskonzepten (Stichworte: mikroelektronische Datenvearbeitung, just-in-time-Produktion, lean production, lean company, st�ndiger Verbesserungsprozess "Kaizen" zur Verk�rzung der Durchlaufzelten und Steigerung der Qualit�t, indirekte Steuerung) setzteri bislang ungeahnte Rationalisierungspotenziate frei. Diese Ma�nahmen bedeuteien zugleich eine Reaktion auf die Krise 1974/75, eine Anpassung des Produktionsniodells. Die fordistische Produktionsweise hatte auf hohe Losgr��en orientiert und einen hohen Austastungsgrad cler Kapazit�ten verlangt, um in die Gewinnzone zu kommen. Das verst�rkte die Tendenz zur �berproduktionskrise. Kennzeichnend f�r diese Krise waren hohe �berkapazit�ten, Halden- und Lagerbest�nde, die riur langsam in und nach der Krise abgebaut wurden. Mit dem �bergang auf "lean production" entstanden flexiblere Anpassungsm�glichkeiten an konjunktureile Schwankungen. Die Gewinnschwelle wurde nun bereits mit deutlich niedrigerer Kapazit�tsauslastung er reicht.

Im "Krieg der Konzerne” um Weltmarktanteile gewann die Technologiekonkurrenz an Bedeutung, d.h. die schriellere Einf�hrung neuer Produkte und Verfahren, das schn�lleres Umsetzen von Wissenschaft,in Technik und Produktion, die Verk�rzung der Umschlagzeit des Kapitals. Daraus folgt ein h�heres Gewicht des technologischen Vorsprungsgewinns gegen�ber den Konkurrenten im Verh�ltnis zum normalen Durchschnittsgewinn, der sich nach Verallgemeinerung neuer Technologien in der Branche ergibt. Der Zwang der Technologiekonkurrenz f�hrte zum technologischen Umbau �berkommener Monopolstrukturen; das alte Produktivkraftsystem wurde revolutioniert. Vor diesem Hintergrund konnten die Technologiekonzerne zu den Hauptakteuren bei der Durchsetzung eines neuen Akkumulationstyps werden, der im Laufe der 70er Jahre Schritt f�r Schritt erfolgte. Es vollzog sich ein �bergang von der vorwiegend profitmassenorientierten zu einer st�rker profitratenorientierten Akkumulation: Durch die Einsparung von Kapital - konstantem (Maschinen) und variablem (L�hne) - soll eine Steigerung der Durchschnittsprofitrate erreicht werden. Hand in Hand ging der Wechsel, von einer nachfrage zur angebotsorientierten Wirtschaftspolitik; denn nur diese passte zum neuen Akkumulationstyp. Im Ergebnis gelang die Stabilisierung und Erh�hung der Profitrate, doch dies war begleitet von niedrigem Wirtschaftswachstum, einer chronischen Nachfrageschw�che und struktureller �berproduktion. Zus�tzliche Arbeitskr�fte wurden nur noch in geringem Ma�e ben�tigt; die Massenarbeitslosigkeit geriet zur Dauererscheinung.

Die Produktivkr�fte sprengen alle Grenzen

Die f�hrenden Manager der Deutsche Aerospace AG (DASA), M�nchen, und der Boeing Company, Seattle, sind sich einig: Der geplante Riesen-Jumbo ... sprengt alle Dimensionen." So ein Flugzeug "kann kein Flugzeughersteller der Welt mehr allein entwickeln und bauen", (24) meldete die S�ddeutsche Zeitung im Septernber 1993. Noch in den fr�hen 80er Jahren hatte die europ�ische und amerikanische Luftfahrtindustrie mit einem Entwicklungsaufwand von gut zwei Milliarden Dollar f�r einen neuen Verkehrsjet kalkulierte. Die Entwicklung des Airbus A340/330 kostete dann schon um die 3,5 Mrd. Dollar. F�r den Gro�raumjet A3XX, der nach den Planungen ab 2005 ausgeliefert werden soll, veranschlagt das europ�ische Airbus-Konsertium Entwicklungskosten von zehn bis zw�lf Mrd.Dollar. F�r den Anfang der 90er Jahre geplanten Riesen-Jumbo, der von Jahr zu J�hr verschoben worden ist, hatten die Experten bereits damals mit Entwicklungskosten von 25 Mrd. Dollar gerechnet.

Die "Mega-�bernahme am US-Pharmamarkt" durch den Chemiekonzern Hoechst Mitte der 90er Jahre erkl�rte die S�ddeutsche Zeitung ebenfalls "mit den davonlaufenden Forschungskosten". "Neue Medikamente verschlingen vor der Markteinf�hrung mittlere dreistellige Millionenbetr�ge. Neuheiten m�ssen, was den Zwang zur Gr��e unterstreicht, weltweit angeboten werden. Wer nur national neue Pr�parate vertreibt, kann seihe Entwicklungs-und Forschungskosten nicht verdienen."(25) Der Prozess der Kapitalzentralisation hat in den 90er Jahren massiv auch auf die Saatgutindustrie �bergegriffen. Je forschungsintensiver die neuentwickelten Produkte werden, desto gr��er ist der Kapitalbedarf und desto gr��er muss der Markt werden. Gab es vor zehn Jahren in den L�ndern der Triade noch ca. 300 Firmen, die am Saatguthandel beteiligt waren, so teilen sich heute die ersten 10 Konzerne wie Monsanto, Pioneer, Limagrain oder Kleinwanzlebener Saatzucht 75 Prozent des Weltmarktes auf.

Nahezu im Wochentakt stellt die Chip-Industrie neue Joint Venture-Firmen und strategische Partnerschaften f�r die Entwicklung oder die Produktion vor. H�rteste Konkurrenten schlie�en sich zumindest zeitweise zusammen, denn die Entwicklung der Technologie in der Halbleiterbranche ist so rasant und verschlingt so viel Geld, das k�nnen die Unternehmen kaum allein schaffen". (26) J�ngst veranschlagten ST Microelectronics und Philips 1,4 Mrd. Dollar f�r die Entwicklung der Produktionstechnologie f�r einen neuen Prozessor. Zu viel f�r die beiden, obwohl sie die Nummer eins und drei in Europa sind. Also holten sie den US-Konzern Motorola ins Boot. Motorola ist aber auch Partner - und sch�rfster Konkurrent - von Infineon, die in einem Dreierverbund mit der amerikanischen Firma Agere einen neuen Prozessor f�r Mobiltelefone entwickeln.

Dieser Zwang zur Gr��e und zum globalen Gesth�ft gilt auch f�r andere High-Tech-Bereiche, wie den Computer- und Kommunikationssektor, die Automobilindustrie und Bahntechnik, den Medien- und Energiebereich. Gerade in diesen lndustrie- und Dienstleistungssektoren wird das innovationstempo - bei progressiv ansteigenden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen - immer weiter beschleunigt, was wiederum die Lebenszyklen verk�rzt und infolgedessen auch die Amortisierungszeitr�ume. Ein Markteintritt sechs Monate nach der Konkurrenz kann bedeuten: wegen Preisverfall und dann bereits bestehenden Uberkapazit�ten k�nnen nicht einmal die Entwicklungskosten hereingeholt werden. Geschwindigkeit und �ro�e Marktanteile werden zur Maxime im �berlebenskampf der High-Tech-Konzerne. Steigende Entwicklungsaufwendungen und schneller Auf- und Umbau von Produktionskapazit�ten erfordern Kapitalvorsch�sse, die nur noch kapitalstrotzende Konzerngiganten erbringen k�nnen. Und auch die nur, wenn sie am Tropf staatlicher FUE-Subventionen h�ngen. (27)

Aber selbst gr��te L�nder sind heute nicht mehr in der Lage, die von der wissenschaftlich-technischen Revolution hervorgebrachten Produktivkr�fte f�r sich alleine oder vorwiegend auf national er Basis zu bew�ltigen.

Die sprunghafte Entwicklung der Produktivkr�fte stellt neue weitreichende Anforderungen an den Internationalisierungsprozess, an die �konomische Integration der nationalen Wirtschaften. Sie verlangt "eine Zentralisation der Entscheidungen �ber Produktion und Verteilung, �ber die Verwendung der Akkumulationsquellen im internationalen Ma�stab". (28) Um die wachsenden Kapitalvorsch�sse wieder einzuspielen und eine angemessene Profitrate zu erzielen, m�ssen Produktion und Absatz enorm ausgeweitet werden. Inlandsmarkt und selbst ein Regionalmarkt der Triade reichen dazu in der Regel nicht mehr aus. Produktion und Absatz m�ssen global, m�glichst in allen Triadeteilen, expandieren. Im Bereich Telekommunikation gilt ein Weltmarktanteil von 15 Prozent als "kritische Gr��e" f�r die �berlebensf�higkeit. Heute steht diese Branche vor der Herausforderung, die Dienste des Telefon-Sprachnetzes ohne Qualit�tseinbu�en �ber eine auf Internet-Technologie basierenden Infrastruktur abwickeln: "Weltweit sind nur f�nf Konzerne in der Lage, diese Konvergenz zu, realisieren. Einer davon ist Siemens, je zwei sind im �brigen Europa und in Nordamerika zu Hause", meint der Direktor des Fraunhofer-Institutes f�r Systeme der Kommunikationstechnik. (29)

Nat�rlich beschr�nkt sich die Internationalisierung des Kapitals nicht auf die High-Tech-Branchen. Transnationale Konzerne gibt es z. B. auch in der Mineralwasser-Branche. Aber anders als etwa bei Limonaderi-Herstellern ist bei High-Tech-Branchen �ie internationale Dimehsion zunehmend eine Voraussetzung, um �berhaupt produzieren und am (Welt-)Markt pr�sent bleiben zu k�nnen. Im Mineralwasserbereich gibt es Unternehmen lokaler Gr��enordnung und Weltunternehmen. In der Chipindustrie, der Telekommunikation, der Luftfahrt- oder Automobilindustrie kann es nur noch international - in allen drei Bereichen der Triade - agierende Unternehmen geben.

So hat die sprunghafte Entwicklung der Produktivkr�fte die Globalisierung erzwungen und gleichzeitig - vor allem durch die revolution�ren Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (Computerisierung und Daten�bertragung/Internet) sowie im Transportwesen (Containertransport) - die internationale Organisation der Produktion, die "betriebswirtschaftliche Globalisierung" erm�glicht. Mittels globaler Produktionsnetzwerke organisieren die Multis die 'globale Fabrik'.

 

Das Ende von Bretton Woods

Schlie�lich ist ein weiteres Ereignis von Bedeutung: der Zusarnmenbruch des W�hrungssystems von Bretton Woods. Am 15. August 1971 hob die Nixon-Regierung die Parit�t des Dollars zum Gold, die im Jahr 1944 in Bretton Woods festgelegt worden war, einseitig auf. Der Krieg gegen Vietnam hatte ein gigantisches Haushaltsdefizit hervorgerufen, das durch die gesteigerte Ausgabe ungedeckter Dollars und die Erh�hung der Zinsraten kompensiert worden war. Dies trug zur weltweiten Inflationslawine bei und schw�chte die Position der US-W�hrung gegen�ber dem japanischen Yen und der deutschen Mark. Zudem hatte schon Mitte der 60er Jahre die Verringerung des traditionellen Handels�berschusses der USA begonnen. 1971 wiesen die USA ein Handelsdefizit aus. Bei ausl�ndischen Banken hatten sich zu diesem Zeitpunkt Unsummen von US-Dollar angesammelt. Bevor diese eingel�st werden konnten, hob die US-Regierung die Golddeckung ihrer W�hrung auf.

Ein neues W�hrungssystem, das auf "flexiblen Kursen" beruht, trat an die Stelle der fest gekoppelten Wechselkurse. Damit verbunden war der Beginn der schrittweisen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzm�rkte. Jetzt erst erhielt das Finanzkapital bei Devisenoperationen den richtigen internationalen Spielraum und machte die spekulative Anlage in Devisen und sp�ter in deren Derivaten zu einem lukrativen und expandierenden Zweig des Finanzkapitals. Nicht nur die Staatsverschuldung konnte nun international finanziert werden; da Kapitalpapiere ebenfalls international leichter zu �bertragen waren, f�rderte dies die Ausdehnung von Tochterfirmen der Multis durch den Aufkauf schon bestehender Unternehmen ohne wesentliche stoffliche Neuinvestitionen.

 

2. Krise des "Sozialstaats" und Sieg des Neoliberalismus

Mitte der 70er war eine Konstellation entstanden, die von R. Cervantes Martinez und Ko-Autoren wie folgt beschrieben wird: "Der nationale staatsmonopolistische Kapitalismus mit seinen gro�en 'fordistischen' Konglomeraten erwies sich als zu eng f�r die geschaffenen Produktivkr�fte, f�r das erreichte Niveau der Arbeitsproduktivit�t, f�r den Mangel an M�rkten f�r seine Produkte. Nicht die Produktivkr�fte waren ersch�pft, sondern unmittelbar die M�rkte, dem Wesen nach die Produktionsweise." (30) Ersch�pft hatten sich auch die bisherigen Mittel der direkten staatsmonopolistischen Regulierung, die mit der �ffnung der M�rkte dann zunehmend entwertet wurden.

 

Auslaufmodell "Sozialstaat" 

"Neoliberalismus" nennt sich das neue Wirtschaftsund Gesellschaftskonzept, mit dem ab Mitte der 70er Jahre dem mehr oder weniger ausgepr�gten keynesianischen Regulierungs- und Wohlfahrtsstaat in alleh kapitalistischen Metropolenl�ndern und den Projekten der nachholenden Entwicklung in den Entwicklungsl�ndern der Garaus gemacht wurde. Die Kampfansage bestand bereits seit larigem. "Der Weg zur Knechtschaft" hatte Friedrich Hayek im Jahr 1944 eine seiner Kampfschriften gegen den Keynesianismus getitelt. Doch es war nicht der Neoliberalismus, sondern der so genannte Wohlfahrtsstaat, der in der Nachkriegszeit den Erfordernissen des Kapitals und der staatsmonopolistischen Regulierung entsprach. Trotzdem war die Beziehung zwischen Kapital und "Sozialstaat' irnmer konflikttr�chtig, denn es ist das Ziel der sozialen Sicherung, durch sozialstaatliche Regulierung die Arbeitskraft sowie die Lebensbedingungen der arbeitenden Bev�lkerung in einem begrenzten Ma�e von den kapitalistischen Marktgesetzen abzukoppeln. Dies bringt das Kapital um einen Teil seiner Macht, denn Armut und Unsicherheit disziplinieren. Aber die Existenz starker gewerkschaftlicher und politischer Organisationen der Arbeiterbewegung und der Druck durch die Systemkonkurrenz hatte in der Nachkriegszeit auch b�rgerlich-konservative Kr�fte zu der Einsicht gezwungen, dass Staatsinterventionismus und ein sozialer Kompromiss zum Erhalt der inneren Stabilit�t erforderlich und der �konomischen Entwicklung n�tzlich sei. Der Grundkonsens der bundesdeutschen Gesellsdhaft nach dem Zweiten Weltkrieg - aber im Grunde gilt dies f�r alle kapitalistischen Zentren - basierte auf dem stillschweigenden Einvernehmeri zwischen Kapital und Arbeit, dass beide Seiten an den Fr�chten des Wachstums teilhaben sollen. Fixiert wurde dieser soziale Kompromiss �ber - durchaus auch harte - Verteilungskonflikte. Im Ergebnis entstand ein ganzes Geflecht von Tarifvertragssystem, Sozialsystemen, Sozialgesetzgebung, Betriebsverfassungsgesetz, etc., das der institutionellen Absicherung dieses sozialen Kompromisses und zur Entsch�rfung von Klassenkonflikten diente. Dieses "Konsens-Modell" legt �ber die Steigerung der individuellen Reall�hne und die Abfederung sozialer Risiken und Ungleich-heiten, �ber die Entwicklung der Kaufkraft im Gleichschritt mit der Produktivit�t, �ber antizyklische wirtschaftliche und geldpolitische Interventionen des Staates und �ber die Regulation der Arbeitsbeziehungen die Grundlagen f�r den Erhalt des "sozialen Friedens" und f�r den erfolgreichen Aufschwung.

Basierend auf st�rkerer Binnenrnarktorientierung und staatlicher sozialer Regulierung, durchgesetzt und vermittelt durch den gewerkschaftlichen Kampf, und nicht zuletzt der Systemkonkurrenz bestand ein Zusammenhang zwischen Produktivit�tsfortschritt und sozialem Fortschritt. Mit der ungehemmten Weithiarktkonkurrenz zerbrach dieser Zusammenhang. Dieses Modell wurcle nun zu einem Hemmnis f�r die Expansion des Kapitals. Nur die "Entfesselung der Marktwirtschaft" k�nne den "neuen Wohlstand der Nation" garantieren. So der Chef�konom der Deutschen Bank, Norbert Walter, in Anlehnung an den Urvater des Liberalismus, Adam Smith. B�rgerrechte, demokratische Mitspracherechte bei Planungsverfahren, aber seien "b�rokratische Hemmnisse", die sich l�hmend auf die Vitalit�t der Marktwirtschaft auswirken w�rden.

 

Der Siegeszug des Neoliberalismus

Das Konzept des Sozialstaats hatte aber auch in breiten Kreisen der Bev�lkerung an Glaubw�rdigkeit und Unterst�tzung verloren. Die sozialdemokratischen Regierungen waren dem Konflikt mit dem Kapital aus dem Weg gegangen, der unausweichlich gewesen w�re, wenn sie die notwendige Umverteilung zur Senkung der Staatsverschuldung und zur Finanzierung des Sozialstaates h�tten durchsetzten wollen. Stattdessen belasteten sie die Lohneinkommen mit steigendeh Steuern und Abgaben und begannen gleichzeitig mit Einschniiten in das soziale Netz. Was in Tarifkonflikten m�hsam durchgesetzt worden war, ging an den Staat verl�ren. Das untergrub das Vertrauen in die Zukunftsf�higkeit des Sozialstaates und lie� die Neoliberalen punkten, die eine Senkung der Abgaben versprachen. Gewichtig war zudem die Inflationsfrage. Hier konnte sich der Neoliberalismus mit seiner manetaristischen Inflationstheorie, nach der die Inflation nur durch Geldmengensteuerung uhd Senkung der Staatsausgaben bek�mpft werden k�nne, erfolgreich ins Spiel bringen.

Zu den politischen Faktoren, die den Herrschenden "neue" L�sungswege im Sinne der "neoliberalen Revolution" er�ffneten, z�hlten, dass sich in Deutschland trotz fortbestehender Massenarbeitslosigkeit keine politischen Radikalisierungstendenzen abzeichneten. In Frankreich scheiterte die Linksregierung mit ihren binnenwirtschaftlichen und antimonopolistischen Ans�tzen, weil diese Ma�nahmen infolge der inzwischen erreichten Weltmarkt-Integration durch Kapitalflucht und das internationale Finanzkapital k�nterkariert wurden. In England brach der Streik der Bergarbeiter zusammen, weil er nicht zum Impuls einer nationalen oder europaweiten Solidarisierung der Arbeiterbewegung wurde. Der Weg f�r die neoliberale Politik der Thatcher-Regierung war frei.

1979 �bernahm in Gro�britannien, im Heimatland von John M. Keynes, die Konservative Partei mit Margaret Thatcher an der Spitze die Regierung. 1980 leitet Ronald Reagan in den USA die "Neue konservative Revolution" ein. 1982 begann dann in der Bundesrepublik Deutschland mit Helmut Kohl die "moralisch-geistige Wende". W�hrend die Thatcher-Regierung in Gro�britannien die neoliberale Angebotspolitik rigoros umsetzte, kam es in den anderen L�ndern zu �bergangs- und Mischformen, wie z.B. in der BRD durch die "sozial-liberale" Schmidt-Regierung. Auch w�hrend der Regierungszeit Helmut Kohls wurde in Deutschland, im Vergleich zu Gro�britannien, eine gem��igte Form des Neoliberaiismus und der angebotsorientierten, Politik etabliert. Der "rheinische Konsenskapitalismus" blieb zumindest in Teilen erhalten. Erst die SPD/Gr�nen-Regierung verhalf der neoliberalen Politik zu neuer Nachhaltigkeit und Schwung. Selbst die "Reaganomics" in den USA in den 80er Jahren stellte keine rein neoliberale Wirtschaftspolitik dar. Die Angebotsorientierung war gekoppelt mit einem gigantischen rechts-keynesianischem Deficit-spending, �ber das Totr�stungs- und Krieg der Sterne"-Programm der 80erJahre. Neoliberalismus pur wurde vor allem den L�ndern der kapitalistischen Peripherie als allgemeing�ltiges Modell aufgezwungen.

Einige Jahre bevor der Neoliberalismus in den Metropolen seinen Siegeszug begonnen hatte, war Chile zum neoliberalen Experimentierfeld gemacht worden. Der Wechsel war nicht durch die!'unsichtbare Hand des Marktes" (Adam Smith), sondern durch die "blutigen Hand der Milit�rdiktatur" herbeigef�hrt worden. Am 11. September 1973 st�rzte General Augusto Pinochet in einem blutigen Milit�rputsch die demokratisch gew�hlte Regierung S�lvador Allendes. Die "Chicago, boys", Sch�ler von Milton Friedman, besetzten Schl�sselpositionen in der Milit�rdiktatur und verordneten dem Land einen "�konomischen Schock'. Die L�hne wurden eingefroren, um "wirtschaftliche Stabilit�t und die Abwehr inflation�ren Drucks" zu sichern, w�hrend die Lebensmittelpreise explodierten. Der Brotpreis wurde �ber Nacht um 264 Prozent angehoben. Von einem Tag auf den anderen wurde die gro�e Mehrheit der Bev�lkerung in die Armut gest�rzt. 85 Prozent cler chilenischen Bev�lkerung gerieten unterhalb die Armutsgrenze. Der sogenannte "freie Markt" erwies sich als ein gut organisiertes instrurnent der wirtschaftlichen Unterdr�ckung.

 

Die Theorie des Neoliberalismus

Der Neoliberalismus (31) ist mehr als nur eine Politikvariante des Kapitalismus. Er pr�sentiert sich gleicherma�en als Theorie und universelles gesellschaftliches Konzept. Die Forderung nach uneingeschr�nkter Autonomie f�r die Verm�gensbesitzer wird vom Neoliberalismus als Forderung nach allgemeiner Freiheit vertreten. Damit die individuelle Freiheit als oberstes Ziel einer Gesellschaft m�glich ist, m�ssen sich alle Mitglieder der Gesellschaft allgemeinen Verhaltensregeln unterwerfen: Sie erkennen das Privateigentum an, akzeptieren den Markt und den Wettbewerb als Organisations- und Entwicklungsmethode, weil diese der Politik �berlegen seien, bejahen die Vertragsfreiheit �nd unterwerfen sich der Vertragsvollstreckung. Aufgabe des Staates ist es dann, diese allgemeinen Verhaltensregeln notfalls auch mit Zwang durchzusetzen. Einen dar�ber hinausgehenden Zweck hat dieser "schlanke" Staat nicht. Das Wettbewerbsprinzip und der Markt sollen nicht nur die wirtschaftlichen Aktivit�ten, sondern vor allem das gesellschaftliche und politische Zusammenleben bestimmen. "Der Staat muss sich eines gro�en Teils seiner Aufgaben entledigen und sie sozusagen seinen B�rgern zur Selbstorganisation in der Wirtschaft zur�ckgeben. Die soziale Vollversicherung zum Beispiel ist nicht seine Sache. Das kann der Markt besser. Von der Polizei und der Armee abgesehen, liefert der Markt fast alles kosteng�nstiger - und Arbeitspl�tze dazu." (32)

Soziale Gerechtigkeit kann es in diesem System nicht geben, weil sie nicht definierbar ist. Friedrich von Hayek, der Hohepriester des Neoliberalismus, fordert statt dessen die uneihgeschr�nkte Verf�gungsautonomie durch die Eigent�mer bis zur v�lligen Vertragsfreiheit ein. Der daraus resultierende "finanzielle Gewinn", Reichtum und soziale Ungleichheit sind nicht nur zu tolerieren, sondern zu begr��en. Hayek: "Ungleichheit ist nicht bedauerlich, sondern h�chst erfreulich. Sie ist einfach n�tig." (33) Denn der individuelle Wohlstand und Reichtum sei "die Grundlage der Anerkennung durch andere" und sporne so als sichtbarer Erfolg, "als unpers�nliches Signal" zum Nacheifern an. Nach Auffassung der Neoliberalen ist es "offensichtlich, dass in unserer Mitte gro�es Elend gegeben sein muss, welches das normale Ergebnis von Fehlverhalten ist und von diesem nicht getrennt werden sollte". (34) Lediglich solche Personen, die .'aus verschiedenen Gr�nden ihren Lebensunterhalt,nicht auf dem Markt verdienen k�nnen, wie etwa die Kranken, die Alten, die physisch und geistig Behinderten, die Witwen und Waisen" (35) sollen eine soziale Mindestabsicherung erhalten. Daf�r war selbst Hayek: "Es gibt nat�rlich keinen Grund, warum eine Gesellschaft, clie so reich ist wie die moderne, nicht au�erhalb des Marktes f�r diejenigen, die am Markt unter einen gewissen Standard fallen, ein Minimum an Sicherheit vorsehen sollte. ... Gerechtigkeits�berlegungen (aber geben) keine Rechtfertigung f�r eine Korrektur' des Marktergebnisses" (36) ab. Dies schlie�t Unternehmerbeit r�ge zur Sozialversicherung aus 'und legt den Schwerpunkt auf freiwillige Almosenvergabe und Wohlt�tigkeit, was zudem �ber gemeinn�tzige Einrichtungen Steuern spart.

Gruppen dagegen, die mehr "soziale Gerechtigkeit fordern, verhindern, dass die "fruchtbare Energie der Ungleichheit' freigesetzt wird, wiel es der Reaganomicer George Gilder formulierte.'Die .'grunds�tzliche Unmoralit�t allen Egalitarismus", wie Hayek diese Forderung qualifiziert, l�hme die Gesellschaft, blockiere deren eVolution�re Entwicklung. Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit sei demnach ein historischer R�ckschritt, ein Anachronismus und zudem, vom Standpunkt eines h�heren Zivilisationsstandes, amoralisch. Aber wegen des allgemeinen Wahlrechts m�ssten sich die Parteien der Unterst�tzung der Schlechtesten und der �konomisch Ineffizienten versichern. Der Staat sei zur Beute organisierter Interessen, allen voran der Gewerkschaften geworden. Hayek: "Monopolistische Praktiken, die heute das Funktionieren des Marktes bedrohen, sind seitens der Arbeiter viel gravierender als seitens der Unternehmer, und ob es uns gelingt, diese wieder zu beschr�nken, wird f�r die Erhaltung der Marktordnung entscheidender sein als irgend etwas sonst." Deshalb m�ssten die Kompetenzen des Oarlanients so eingeschr�nkt werden, dass der von den Schlechtesten angestrebte Egalitarismus als institutioneller Zugriff auf das Privateigentum unterbunden, ihre Position als Mehrheitsbeschaffer unbedeutend wird. Gegen EinmIne und Gruppen, die sich diesen Regeln nicht freiwillig unterwerfen und mit ihren Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit die Autonomie der Eigent�mer einschr�nken und so die Evolutionsf�higkeit der Gesellschaft gef�hrden, sind dann auch Zwangsma�nahmen des Staates gerechtfertigt.

Die neoliberale Offensive richtet sich aber nicht nur gegen die parlamentarische Demokratie, sondern auch autorit�re Regimeis in den Entwicklungsl�ndern geraten in das Visier des Neoliberalismus. Allerdings nur, wenn sie das Ziel nationaler Souver�nit�t betonen und sich nicht uneingeschr�nkt in den Weltmarkt integrieren und ihre M�rkte f�r die Multis �ffnen.

 

Theorie im Angebot

'Revitalisierung' des Kapitalismus durch mehr Marki und "weniger Staat hei�t die Zauberformel des Neoliberalismus. Das wirtschaftspolitische Pendant dazu ist die "Angebotsorientierung". Sie ist auf die Verbesserung der Produktions- und Wachstumsbedingungen und die Verbesserung der internationalen Konkurrenzf�higkeit gerichtet. Die Stimulierung der lnvestitionsf�higkeit steht im Mittelpunkt. Dem sollen Steuer- und Kostensen-kungen diennen. Gefordert werden Verringerung der Staats- und Sozialausgaben zur Finanzierung dieser Steuersenkungen und Erhaltung der Geldwertstabilit�t. Nicht mehr die gesamtwirtschaftliche Nachfrage oder gar die Massenkaufkraft, sondern die Unternehmensgewinne werden zur zentralen Gr��e. Nach der simplen Forderung, je h�her die Gewinne, desto h�her die Investitionen, desto mehr Arbeitspl�tze und desto bessere L�hne, soll die Marktwirtschaft durch Effizienz- und Gewinnsteigerung im Selbstlauf Wachstums-, Besch�ftigungs- und Verteilungsfragen gleichzeitig l�sen.

 

"Terror der �konomie" 

Zwangsl�ufige Folge neoliberaler Politik ist die beschleunigte Konzentration von Einkommen und Verm�gen bei einer kleinen Elite und damit die versch�rfte Polarisierung zwischen Nord und S�d, zwischen Reich und Arm. Meoliberalismus, das ist Reaktion auf der g�nzen Linie. "Der Neoliberalismus verspricht zwar Freiheit und Nicht-Einmischung des Staates. Tats�chlich aber handelt es sich um ein Konzept, das den autorit�ren Staat legitimiert. Neoliberalismus bedeutet das Ende von Volkssouver�nit�t, von gleichem und allgemeinem Wahlrecht, von wirklicher Demokratie. Neoliberalismus ... ist der erkl�rte Gegner der europ�ischen Aufkl�rung", (38) res�miert der Wirtschaftswissenschaftler Herbert Schui.

Es ist kein Zufall, dass der Siegeszug des Neolibe-ralismus in den kapitalistischen Metropolen mit der verst�rkten Internationalisierung des Kapitals zusammenf�llt. Er liefert dem iratisnationalen Ka-pital die ideologische Rechffertigung, um letzte nationale Schutzmauern, etW� in den Entwicklungs- und Schwellenl�ndern 'niederzurei�en und die Deregulierung und Liber�i�ierung der G�ter- und Finanzm�rkte weitweit durchzusetzen. "Der Terror der �konomie" das Dik-tat des Weltmarktes soll die letzten Winkel der Erde gelteln. Denn aufdem Markt werden nicht nur Waren getauscht", gondern �ber den Markt wird auch die Macht der St�rksten reproduziert. Deshalb werden Protektionisrhus und nationale Entwicklungswege als wachstums- und entwicklungshemmend diffamiert. Nur die "�ffnung der M�rkte" garantiert angeblich Wohlstand. Die Souver�nit�t der Nationalstaaten wird untergraben. Sie fallen unter die K�ntrolle einer superprivi-legierten Elite, die mit dem internationalen Finanzkapital assoziiert ist. Insofern isf, wie Osvaldo Martinez sagt, "der Neoliberalismus nicht einfach eine Wirtschaftspolitik, die man wechseln kann, sondern er ist eine organische Notwendigkeit des transnationalen Kapitalismus in einem bestimmten, Moment. ... Gleichzeitig ruft er tiefe, f�r das System sehr zerst�rerische Widerspr�che hervor. Zerst�rerisch nicht nur f�r die Volkskr�fte, f�r die Linke, f�r das Volk, f�r die arbeitende Klasse, sondern auch f�r das eigene System." (39)

 

Neoliberalismus und "entfesselter" Kapitalismus 

Aber auch auf die Gefahr hin, dadurch die Krisenpotenziale zu vervielfachen, sind die Multis gezwungen, gleichsam in einer "Revolution von oben" alle Kr�fte zur "Niederrei�ung der nationalen Schranken, Herausbildung der internationalen Einheit des Kapitals, des Wirtschaftslebens �berhaupt, der Politik, der Wissenschaft usw." einzusetzen. Nach der erfolgreichen Konterrevolution, in der die Staaten des, Realsozialismus Osteuropas aufgerollt wurden, blieb das Kapital nicht bei der Restauration der alten Verh�ltnisse stehen. Mit dem Projekt des Neoliberalismus ergriff das transnationale Kapital die Initiative zu einer weltweiten Transformation der gesellschaftlichen Verh�ltnisse, bei der es die Macht und die Hegemonie - zumindest bisher - fest in den H�nden behielt. (41)

Mit dem Verschwinden der Systemkonkurrenz war der Weg frei geworden, um alle Fesseln zu 'sprengen. Das Kapital konnte in gro�em Ma�stab expandieren und die zu eng gewordenen Verwertungsgrenzen hinausschieben: Es erfolgte eine "�u�ere" und "innere Landnahme": �bernahme der DDR und Transformation der ehemals sozi�listischen L�nder Osteuropas, Destruktion nationaler Entwicklungswege und �ffnung der M�rkte (Indien, S�dkorea, Indonesien, Brasilien, Jugoslawien). Zwar glaubte der Liberale Rolf Dahrendorf noch "Jetzt sind wir endlich so frei, in einer offenen Gesellschaft so viele Spielarten des Kapitalisrnus zu entwickeln, wie wir nur wollen", (42) aber die Realit�t im transnationalen Kapitalismus ist eine andere. Weltweit setzt sich der "Shareholder Value Kapitalismus" nach angels�chsischem Vorbild durch. Die Multis und die Weltfinanzm�rkte diktieren den Staaten die Bedingungen. Internationaler W�hrungsfond, Weltbank, Welthandelsorganisation verfolgerl �berall identische Zielstellungen. Als Folge kommt es zu absolut gleichen Entwicklungen bzgl. Arbeitspl�tze, Arbeitslosigkeit und prek�rer Besch�ftigung, Privatisierung des �ffentlichen Sektors und sozialer Bereiche wie Gesundheit, Rente, Bildung, Privatisierung des Wassers,letc. Der Sieg neoliberalerWirtschaftspolitik er�ffnete dem Kapital auch neue Dimensionen.der inneren Landnahme. Mit der Deregulierung und Privatisierung von Post und Telekommunikation, Energi'eversorgung und dem Transportwesen; mit der Privatisierung des sozialen Sicherungssysteme Rente und Gesundheit erschlie�t sich das Kapital neue Verwertungsr�ume. Sowohl diese �u�ere wie auch die innere Landnahme, allem.voran die Privatisierung der gro�en staatlichen-Monopole, verst�rken den Internationalisierungsschub des Kapitals.

 

Globalisierung - eine neue Phase der Internationalisierung des Kapitals

Getrieben von der Entwicklung der Produktivkr�fte und der Jagd nach Profit und organisiert durch die Politik, vollzieht sich ein qualitativ neuer Sprung der Internationalisierung des Kapitals in seinen drei Aspekten:

1. Internationalisierung des Handelskapitals: Der Welthandel wuchs in den vergangenen Jahrzehnten weit schneller als das Welt-Sozialprodukt, wodurch der Anteil des Exports in Bezug auf die Weltwirtschaftsleistung rasch zunahm (siehe auch Grafik auf Seite 17). Wichtige Voraussetzungen dazu waren der Abbau der Zoll- und Handelsschranken und die Etablierung des GATT- bzw. NTO-Regimes. Dadurch konnte sich ein weitgehend einheitlicher, echter Weltmarkt herausbilden.

2. Internationalisierung des zinstragenden Kapitals: Mit dem Zusammenbruch von Bretton Woods und der nachfolgenden Deregulierung und Liberalisierung der nationalen Finanzm�rkte ab Mitte der 70er Jahre, konnten sich die Finanzm�rkte global vernetzen. Es entstand ein Welt-Kapitalmarkt. Geldverm�gensbesitzer, institutionelle Anleger �nd Investmentinstitute k8nnen nun uneingeschr�nkt in globalem Ma�stab operieren. Dadurch werden Zinsen, Renditen und Profitraten weltweit vergleichbar und n�hern sich einer globalen Durchschnittsprofitrate an. Mit dem Welt-Kapitalmarkt wurden auch die Grundlagen f�r die Entstehung eines globalen Marktes f�r Unternehmen gelegt.

3. Herausbildung transnationalen Kapitals undglobaler Wertsch�pfungsketten: Den Kern der kapitalistischen Globalisierung stellt die wechselseitige kapitalm��ige Durchdringung und Verflechtung der L�nder und Regionen dar, die zur Herausbildung transnationalen Kapitals in Form transnationaler Unternehmen und transnationater Konzerne f�hrte. Dieser Prozess vollzog sich ab den 90er Jahren in besonders raschem Tempo. Die massenhafte Formierung transnationaler Konzerne mit Tausenden von ausl�ndischen, Tochterunternehmen, f�hrte beim produktiven Kapital, aber auch beim Handels- und Dienstleistungskapital zur Zerlegung der Wertsch�pfungsketten und zum Aufbau globaler Produktions-, Dienstleistungs- und Handelsnetzwerke.

In diesem Sinne verstehen wir unter den Begriff aler Globalisierung den Zusammenhang von technologischer Entwicklung, Konzentration und Zentralisation des Kapitals, Bewegungsform des relativen Kapital�berschusses und der Jagd nach Profit �ber den ganzen Globus mit allen Folgen f�r Produktion und Konsumtion, f�r Politik und Staat, Krieg und Frieden. Dieser Prozess erfasst und ver�ndert alle Lebensbereiche der Menschen wie Arbeit und Freizeit, Lebensstil "Bildung und Kultur. In diesem Verst�ndnis wird mit dem Begriff "Globalisierung" keine neue Kategorie oder grundlegend neue Tendenz der Org�nisation der gesellschaftlichen Beziehungen der kapitalistischen Produktionsweise kreiert, sondern eine qualitative Ver�nderung, eine neue Phase im historischen Internationalisierungsprozess des Kapitals gekennzeichnet. Die Multis sind sowohl Resultat als auch entscheidende Triebkraft dieses Prozesses.

 

 Literatur

1) Vorstellung des Schlussberichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bunddstages "Globalisierung der Weltwirtschaft' am 27.6,20022) Michel Chossudovsky, The Globalization of Poverty Ottawa, 2001

3) Karl Marx, Das Kapital, 1. Band, in MEW Bd. 23, S. 161

4) ebenda, S. 468

5) Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, MEW Bd. 25, S. 120

6) Marx/Engels, Manifest der kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 466

7) Detfef Hensche, V 2/97

8)

9)

10) Ulrich Dolata, "Das Phantom der Globalisierung", Frankfurter Rundschau, 30.1.1997

Helmut Schauer, "Sozialismus" Supplement 6, S. 29 Gespr�ch mit Georg Zinn, -Die Globalisierung ist politisch gemacht', Junge Welt, 29,6.200211) J�rg Huffschmid, Globalisierung - das Ende von Wirtschaftspolitik, aus 'Wege zu einem anderen Europa", 1997

12) Winfried Wolf, Fusionsfieber, K�ln 2000, S. 15f

13) Winfried Wolf, Rede am 22.5.2002 anl�sslich des Besuchs von US-Pr�sident Bush in Deutschland.

14) vgl.die HWWA-Schriften: H�rte V.Jungnickei, Grenz�berschreitende Produktion und Struktumandel, Baden-Baden 1996 und Maye 0charrer, Internationale Unternehmensstrategien und nationale Standortpolitik, Baden-Baden 1999

15) Eduardo de Llano, Ti impetialismo: capitalismo monopolista', Editorial ORBE, Havanna, 1976

16) Multis - Proletariat- Klassenkampf, Berlin, 1981 .

17) World Investment Report 2001-, United Nations, New York and Geneva, 2000

18) z.B. Katja Nehls, Internationale Konzerne, IPW-Forschungsheft 1/1973, Berlin, 1973

19) R. Cervantes Martinez, F. Gil Chamizo, R. Regaldo Alvarez, R. Zardoya Loureda 'Transnacionalizaci�n y Desnaclunalizai6n - Ensayos sobre el capitalismo contempor�neo"; in deutsch erschienen im Neue impulse Verlag unter dem Titel "Imperialismus heute - �ber den gegenw�rtigen transnationalen Monopolkapitalismus", Essen, 2000

20) Katja Nehls, "Internationale Konzerne- Monopolmacht - Klassenkampf', IPW Forschungshefte, Heft 1/1973, Berlin, 1973, S. 20

21) ebenda,5.63

22) Jan Priewe, Krisenzyklen und Stagnationstenc[enzen in der Bundesrepublik Deutschland", K�ln, 1988, 5. 267

23) ebenda, S. 268

24) S�ddeutsche Zeitung, 12.1.1993

25)S�ddeutsche Zeitung, 2.3.1995

26) Andrew Nomaod, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner, nach Financial Times Deuuchland, 8.8.2002

27) So wurde z.B. in den 80er Jahren das von Staat und Industrie getragene "Ein-Megachip-Projekt' gestartet, um den technologischen R�ckstand bei Mikrochips gegen�ber den japanischen und US-Konzernen aufzuholen. Gleiches gilt f�r die Programme der Europaischen Union und ihrer Mitgliedsl�nder zur F�rderung der Computerindustrie und neuer Informations- und Kommunikationstechnologien.

28) Katja Nehl, Internationale Konzerne - Monopolmacht- Klassenkampf, IPW Forschungshefte, Heft 1/1973, Berlin, 1973, S. 22

29) Prof. Dr.-Ing. Ingolf Runge, Direktor des Fraunhofer-Institutes f�r Systeme der Kommunikationstechnik, nach S�ddeutsche Zeitung, 3.7.2002

30) Martinez/ Chamizo/ Alvarezi Loureda , a.a.O. 2000, S. 4531) Literatur: Friedrich von Hayek, Freiburger Studien. Gesammelte Aufs�tze, T�bingen, 1969/ Herben Schui, Die politische �konomie des Wohlfahrtsstaates und der Neoliberalismus, in "Kapitalismus am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts", Hamburg, 1997 /Herbert Schui u.a., Wollt ihr den totalen Markt', M�nchen, 1997/ Herben Schui, "Neoliberalismus - Der Versuch, die Konzentration von Einkommen und Verm�gen zu legtimieren, in "Geld ist genug da", Heilbronn, 1996

32) S�ddeutsche Zeitung, 9.2.1996

33) Friedrich von Hayek, Winschaftswoche, 6.3.1981

34) Herbert Spencer, Men versus State, nach 'Wollt ihr den totalen Markt', M�nchen, 1997, S. 79

35) Friedrich von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Band 3, M�nchen, 1980, S. 83

36) Friedrich von Hayek, Grunds�tze einer liberalen Gesellschaftsordnung", Freiburger Studien. Gesammelte Aufs�tze, T�bingen, 1969, S. 123

37) ebenda, S. 125

38) Herben Schui, in "Geld ist genug da", Heilbronn, 1996, S. 122

39) Gespr�ch mit Osvaldo Martinez, Direktor des Forschungszentrum f�r Welminschaft in Havanna, Zeitschrift "Cuba Socialista, Nr. 10, Havanna, 199840) Lenin, Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage, Bd. 20, S. 12

41) "Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverh�ltnisse, also s�mtliche gesellschaftlichen Verh�ltnisse fortw�hrend zu revolutionieren. Unver�nderte Beibehaltung def alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenzbedingung aller fr�heren industriellen Klassen. Die fortw�hrende Umw�lzung der Produktion, die ununterbrochene Ersch�tterung aller gesellschaftlichen Zust�nde, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen anderen aus." Marx/Engels, Manifest der kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 465

42) Rolf Dahrendorf, nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.3.1997