Erschienen im ak Nr. 432, 18. November 1999
Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?
Die Philosophie r�stet auf.
Von Detlef Hartmann
Zum historisch-materialistischen Kontext der Sloterdijk-Debatte
Die Medien geizten nicht mit Pathos. Den "Kulturkampf" rief Roger de Weck im Titelbalken der Zeit aus und Christian Geyer sah eine "ultimative Gesamtdebatte" auf uns zurollen, die die "geistigen Grundlagen der Bundesrepublik revolutionieren" sollte. Ein philosophisches Fieber ergriff die Kulturnation und trieb die Erregung auf ein ungewohntes Niveau, Sloterdijk-Fieber, in dem "...etwas f�r das ganze Land Bedeutsames aufbricht". Die "Infektion" in den Worten des Philosophen Peter Sloterdijk war beabsichtigt und k�hl kalkuliert. Er hatte sie in einer den Philosophen Levinas und Heidegger gewidmeten Tagung im Juli auf Schlo� Elmau gesetzt. Unter dem Titel "Regeln f�r den Menschenpark" hatte er unter Berufung auf Platons und Nietzsches Z�chtungsgedanken einen Umbruch im Denken verlangt: weg von dem humanistischen Glauben an die freundschaftliche Z�hmung des Menschen durch Vernunft und Rede, hin zur Gewalt, zur Erkenntnis, da� "der Mensch f�r den Menschen die h�here Gewalt darstellt", hin auch zur erneuten �ffnung f�r Fragen der "Z�chtung", der "Menschenzucht", der �ffnung f�r Fragen der "Anthropotechniken", der "z�chterischen Steuerung der Reproduktion", "pr�natalen Selektion". Binnen Wochen entwickelte sich eine gigantische spekulative Blase hitziger Debatten mit Ausl�ufern nach Italien und Frankreich. Erbitterte Vorw�rfe faschistischer Gedanken und Rhetorik kontrastierten mit dankbaren Kommentaren f�r den erneuten Ansto� zur Bioethikdebatte. �berraschend viele Kommentare aus dem traditionell linken Spektrum wiegelten ab: die Bioethikentwicklung sei l�ngst gef�hrlich weiter, Sloterdijk sei eher harmlos, die Taz stellte gar eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus: "Belege f�r die gro�en Vorw�rfe gegen Sloterdijk sind im ver�ffentlichten Text nicht zu finden." Ganz anders die T�ne im rechten Spektrum: auf dem H�hepunkt der Erregung begriffen und begr��ten sie die Debatte als Offensive im "Kulturkampf" auf dem Weg zur "metahysischen Gr�ndung der "Berliner Republik". Derzeit ist die erste Fieberwelle abgeflaut, Sloterdijk scheint sich etwas aus der Rolle des Protagonisten zur�ckzuziehen und bereitet einen Folgekongre� f�r Dezember auf Schlo� Elmau vor. Faschismus oder harmlos? Revolutionierung oder belanglos? Schon in der Disparatheit der verbalen Eins�tze tr�gt die spekulative Aufwallung alle die typischen Merkmale eines Umbruchsdiskurses.
In historischen Umbruchssituationen wie der heutigen sind Diskurse Man�ver, in denen sich Einstellungen reorganisieren, Mentalit�ten transformieren, soziale und geistige Energien neu ausrichten. Es erscheint mir absurd, die Sloterdijk-Debatte aus sich selbst begreifen zu wollen oder gar die begrenzten philosophischen, bioethischen, geistesgeschichtlichen Horizonte der Beitr�ge zu akzeptieren. Nur im historisch-materialistischen Kontext des aktuellen Umbruchsprozesses l��t sich die Bedeutung der Debatte entziffern. Kapitalismus ist kein statisches System, sondern ein gewaltsamer Proze� sozialer Inwertsetzung. Wir stehen im innovativen Umbruch zu einer neuen Formation inwertsetzender Gewalt, deren Strategien nach allen gesellschaftlichen Dimensionen greifen. In einem Proze� "sch�pferischer Zerst�rung" brechen sie die gesellschaftlichen Bedingungen und Formen der Wertsch�pfung um, wie die jetzt wieder herrschende politische �konomie Schumpeterscher Prägung es formuliert. Es ist die Gesamtheit seiner ökonomischen, technologischen, sozialen, und kulturellen Kräfte, die in diesem Prozeß auf die Steigerung ihrer Aggressivität angewiesen sind. So sind auch philosophische Diskurse weder durch diesen Prozeß verursacht, noch sein bloßer Ausdruck oder gar auf legitimatorische Funktionen beschränkt. Vielmehr korrespondieren sie in der Herstellung von Einstellungen zum sozialen "Objekt" ihres Angriffs auf ihrer spezifischen Sinnebene mit den aggressiven Energien auf anderen Ebenen. Derzeit rüstet sich in den innovativen Schlüsselsektoren die aggressive Subjektivität von Unternehmern und ihren Funktionseliten aus Management, Technik (Arbeits-, Bio-, Sozialtechnologie etc.) zu völlig neuen Formen auf. Die Aufrüstung der philosophischen Selbstvergewisserung in einem neuen Willen zur Macht und die Durchbrechung der alten kritischen Resistenzen ist das Diskursprojekt, das Sloterdijk in diesen Prozeß einbringt. Die Elmauer Rede war nur eine begrenzte Offensive, eingeleitet mit kühlem diskurstechnischen Raffinesse und auf ein ganzes Feld korrespondierender Offensiven bezogen, nicht zuletzt die von Nolte, von Strauß, Walser etc. "Jeder Satz ein Funke von einem Willen zur Macht", propagiert Sloterdijk die Aufgabe des philosophischen Autoren.
In diesem ersten Teil werde ich zeigen, daß gerade der Bezug auf Nietzsche im Kern von Sloterdiks Offensive angesiedelt ist und daß sie gerade darin die Grenzen des rein Philosophischen sprengt. In der Zeit der Gründung der "Berliner Republik" spielt Sloterdijk Nietzsches historische Offensive zur Zeit der Reichsgründung nach, unter neuen Bedingungen. Auch damals ging es um die Durchbrechung der Barrieren kritischer Erkenntnis durch eine aggressiven Metaphysik des Willens. Aber viel wichtiger: auch damals sprengte sie die Grenzen der akademischen Philosophie, das Projekt des Willens zur Macht griff auch nach der politischen Ökonomie. Ein Exkurs zur Bedeutung Nietzsches für das Selbstverständnis der von ihm angestoßenen innovativen Eliten im fordistisch/tayloristischen Umbruch wird uns verstehen helfen, wie eng der Prozeß inwertsetzender Gewalt und der philosophischen Rekonstruktion des Willens zu Macht auch heute verzahnt sind.
Sloterdijks Elmauer Rede f�ngt bieder an. In einer langatmigen und eher beh�big beschaulichen historischen Bebilderung legt er dar, was er als das Problem des Humanismus definiert. "Die �berzeugung, da� Menschen "Tiere unter Einflu� sind" und da� es deswegen unerl��lich sei, ihnen die richtige Art von Beeinflussung zukommen zu lassen...: die Schlacht um den Menschen, die sich als Ringen zwischen bestialisierenden und z�hmenden Tendenzen vollzieht." Der Humanismus in der europ�ischen Metaphysik, Christentum und Marxismus gleicherma�en, setzten auf die Definition des Menschen als "animal rationale", als vern�nftiges Tier. Sloterdijk w�hlt die Auseinandersetzung mit Heideggers "Humanismusbrief" aus dem Jahre 1946, um an der "Katastrophe der Gegenwart" zu zeigen, da� dies der Frage nach dem Wesen des Menschen nur ausweiche. Auch Heidegger wirft er Verharmlosung vor, wenn dieser das Wesen des Menschen in idyllischen Metaphern zum "Hirten" und "H�ter des Seins" mache, weil allein er aufgrund der Bewu�tseinsdifferenz zum Tier "Welt habe" und "in der Welt sei". Aber schon die Frage, wie der Nazi Heidegger vor 1945 das Sein seiner Mitmenschen - Juden, Roma, Slawen, Psychiatrisierte - geh�tet habe, l��t Sloterdijk in unversch�mt anst��iger Weise unber�hrt. Nicht nur das. Er bem�ht Heideggers Sicht, um das Publikum mit einer Art philosophischer Version von Ernst Noltes Thesen zu konfrontieren. Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus beschreibt er als drei konkurrierende "Kanditaturen f�r eine humantit�r verbr�mte Weltherrschaft", als "drei Varianten derselben anthropozentrischen Gewalt": "der Humanismus als nat�rlicher Komplize aller nur m�glichen Gr�uel". Er verwendet dies als Zwischenschritt seiner eigenen �berlegungen, bejahend. Denn an Heidegger kritisiert er nur den R�ckzug ins besinnliche Denken. Der habe sich 1946 mit dem Hirtenbild in die unhistorische Idylle verabschiedet und sich den historischen Aufgaben verweigert. Nicht ganz richtig, denn Heidegger hat sich ja schnell vom Schock des verlorenen Kriegs erholt und schon 1953 vorsichtig den Weg zu Nietzsches "�bermenschen" und seinem "Willen zur Macht" als "Ursein des Seienden" zur�ckgefunden. Und das im vollen Bekenntnis zur fundamentalen Bedeutung dieser gef�hrlichen metaphysischen Figur in der Wirkung f�r "uns", "Europa", die "ganze Erde", f�r "morgen", und nicht f�r oberfl�chliche Analysen historischer und soziologischer Konfigurationen. Sloterdijk lie� es unerw�hnt und unkritisiert, aber er konnte davon ausgehen, da� jeder im Saal das wu�te. Historisch unbelastet �berspringt er Heideggers zaghafte Restaurationsversuche und bombardiert das erschreckte Publikum seinerseits mit einer Breitseite eindeutiger Schockbegriffe aus Nietzsches Arsenal. In den Kern - und das ist besonders wichtig - stellt Sloterdijk die Denkfiguren und mythischen Bilder, mit denen Nietzsche die "Aufr�stung der Subjektivit�t" (so seine gelungene Formulierung) in der Metaphysik des Willens illustriert, im Willen zu Macht. Im Bezug auf Nietzsches Begriff von der Gro�z�chtung des Menschen, Zarathustra, dem �bermensch-Konzept etc., ruft er assoziativ das Klima von Nietzsches aggressiven Initiativen und Impulsen im Willen zu Macht wach, in einem geradezu millenarischen Bekenntnis: "Wenn Nietzsche vom �bermenschen spricht, so denkt er ein Weltalter tief �ber die Gegenwart hinaus. Er nimmt Ma� an zur�ckliegenden tausendj�hrigen Prozessen...". Erst dann wendet er sich - quasi exemplarisch und als Ausdruck einer grundlegend und zeiten�berspannend angelegten Willensmetaphysik - auch den biopolitischen Konkreta einer Propaganda der Notwendigkeiten der Menschenz�chtung zu, im Bekenntnis dazu, da� "...humanitas nicht nur Freundschaft des Menschen mit dem Menschen beinhaltet, sie impliziert auch immer - und mit wachsender Explizitheit -, da� der Mensch f�r den Menschen die h�here Gewalt darstellt". Platon bem�ht er dann zur Beantwortung der Detailfragen dieser h�heren Gewalt: Wo? "Im Betrieb des Menschenparks". Wie? Nicht demokratisch in der "turnusm��igen" Wahl des "H�ters", sondern in einer "Direktion aus Einsicht". Durch wen? Durch ein "Expertenk�nigtum" in der Anthropotechnik des "z�chterischen K�nigswissens". Platon aus der Perspektive des immer noch aktuellen Nietzsche, denn: "Wer hat Atem genug, sich eine Weltzeit vorzustellen, in der Nietzsche so historisch sein wird, wie Platon es f�r Nietzsche war?" Nietzsche als die personifizierte "h�here Gewalt" mit "Fernwirkung". "Es gen�gt, sich klarzumachen, da� die n�chsten langen Zeitspannen f�r die Menschheit Perioden der gattungspolitischen Entscheidung sein werden".
Aus dieser Gedankenf�hrung wird deutlich, da� Sloterdijk seine Schockpolitik fundamental in der Aufr�stung des Willens zu Macht im Verh�ltnis zu seinem sozialen Objekt anlegt und da� die beschr�nkte Kritik an der Aufforderung zu biopolitischer Verf�gung �ber das lebendige Objekt an der Oberfl�che des Details bleibt. In dieser Begrenzung mag sie manchen vergleichsweise harmlos erscheinen und ?wie Die Zeit es dankbar aufgreift- gar zur Anregung bioethischer Rechtfertigungspolitik taugen. Aber das macht Sloterdijk als Philosophiepolitiker umso gef�hrlicher und auch die plakativen Totalitarismusvorw�rfe unverantwortlich harmlos. Der Vorwurf, es ginge Sloterdijk um die Propaganda und Wiederbelebung nazistischer Denkmuster operiert mit reiztechnischen Schablonen und gibt Organen wie der Taz die willkommenen Gelegenheit zum Freispruch. So platt, unhistorisch und dumm ist Sloterdijk beileibe nicht. Es geht ihm nicht um die Wiederherstellung des Vergangenen, es geht ihm um die Gestaltung einer v�llig neuen �ra der Globalisierung aus den alten Wurzeln des "Willens zur Macht", offen f�r v�llig neue Formen einer politischen Philosophie, politischen Technologie und politischen �konomie. Es geht ihm um die "Fernwirkung", um das Morgen des "Willens zur Macht" f�r Europa und die Welt in Heideggers Sinn. Und darin kn�pft er exakt an Nietzsche an, um ihn "ein Weltalter tief �ber die Gegenwart hinaus" fruchtbar zu machen. Es ist ein Ausdruck der verkommenen Debattenkultur selbst, wenn dies nicht wahrgenommen wird. Soweit ich sehe, haben lediglich zwei Kommentatoren den Braten gerochen. Einer, Micha Brumlik, wenn er im Sloterdijk-Skandal in der Reihe der Nolte-, Botho Strau�-, Walserskandale den Umbruch in eine neue "konservative Revolution" ahnt, die - wie wir wissen - seit ihren Anf�ngen in Nietzsches letzten Lebensjahren den Weg in das Dritte Reich mitgebahnt hat. Der andere ist Lorenz J�ger, der als Kommentator der FAZ ziemlich nahe an der K�che ist, und - wie ich vermute - am Braten mitbr�t.
Um das zu begreifen, m�ssen wir uns von Marx�schen Impulsen �ber die erstarrten Orthodoxien hinwegtragen lassen und neue Gedanken zum Verh�ltnis von politischer �konomie, Philosophie und Technologie anstellen. Das tun wir unten. Aber zun�chst zu J�gers verbl�ffenden Fragen.
Reichsgr�ndung und Gr�ndung der Berliner Repuklik. Sloterdijks Schockstrategien in der Gefolgschaft Nietzsches.
Am Ende eines Artikels voll Hoffnung auf die Schockwirkung der Sloterdijk-Offensive gegen die "kritische Theorie" als die leitende humanistische Philosophie der Bonner Republik fragt Lorenz J�ger: "Ist es ein Zufall, da� die Debatte mit dem Umzug der politischen Institutionen nach Berlin zusammenf�llt? Kehren mit den Traditionen der Hauptstadt auch die Kulturtheorien von Leo Frobenius und Oswald Spengler zur�ck? Erleben wir die metaphysische Gr�ndung der Berliner Republik? Eines ist sicher: Auf der philosophischen B�hne hat �ber Nacht ein Szenenwechsel stattgefunden. Eine Auseinandersetzung wie die von Heine mit B�rne oder von Nietzsche mit dem "Bildungsphilister" David Strauss hat begonnen. Von ihr werden die n�chsten Jahre gepr�gt sein."
Wer das fragt, wei� mehr, wer das sagt, br�t mit. Denn wenige kennen heute noch David Strauss und Nietzsches Kritik. Und in der Tat. Diese Kritik ist ein wichtiger Schl�ssel zum Verst�ndnis von Sloterdijks politisch-philosophischer Offensive. Nietzsche hat sein philosophisches Leben als politischer Kampfphilosoph eingeleitet. In bewu�tem Bezug auf den deutschen Einigungs-Krieg von 1870 konzipierte er eine Offensive von philosophischen Kampfschriften als politisches Projekt einer neuen Willensmetaphysik. Es sollte ein komplexer Angriff einer Vielzahl von Schriften (13 bis 24) zu allen relevanten sozialen Bereichen werden. Herausgekommen sind dabei in kurzer Folge bis 1876 "David Strau�, der Bekenner und der Schriftsteller", "Vom Nutzen und Nachteil der Historie f�r das Leben", "Schopenhauer als Erzieher", "Richard Wagner in Bayreuth", "Die Geburt der Trag�die", "Der griechische Staat", einige erziehungs-("z�chtungs-")politische Schriften und Vortr�ge und ein Haufen Aphorismen. Herausgegeben als "unzeitgem��e Betrachtungen", denn sie zielten auf Fernwirkung und stie�en zun�chst auf Widerwillen in der philosophischen Zunft. Wenn Sloterdijk in seinem Vortrag von "Aufr�stungsgeschichte der Subjektivit�t" spricht, dann trifft er den Kern dieser "Willensmetaphysik". Es ist "in Abkehr von den Disziplinen kritischer Erkenntnis- der Wille, von dem aus die gesellschaftlichen und kulturellen Bewegungen reflexiv begriffen und gestaltet werden und zwar nicht mehr in der Bl�sse seines Ideengebers Schopenhauer, sondern schon jetzt erkennbar als "Willen zur Macht" oder besser als Willen zur "Bem�chtigung".
Diese Aufr�stung aggressiv gestaltender Subjektivit�t betreibt und reflektiert Nietzsche als Bewegkraft des historischen Prozesses von Handeln und Erkennen, die in den verschiedenen "Sph�ren" der Gesellschaft nur ihren unterschiedlichen Ausdruck sucht. Auch in sich selbst. "Ich tr�ume eine Genossenschaft von Menschen, welche unbedingt sind, keine Schonung kennen und "Vernichter" hei�en wollen: sie halten an alles den Ma�stab ihrer Kritik und opfern sich der Wahrheit. Das Schlimme und Falsche soll ans Licht. Wir wollen nicht vorzeitig bauen..." David Friedrich Strauss wurde dazu ausersehen, die "kritische Theorie" von damals zu treffen. Strau� hatte als sogenannter linker "Junghegelianer" 1835 mit "Das Leben Jesu" eine ungeheure Wirkung auf die ideologiekritische Analyse der Religion in der neuen Linken gehabt. Vor allem Friedrich Engels hat nie nachgelassen, sein Lob zu singen, weil er ihm in besonderer Weise die geistige Emanzipation aus den Fesseln seines Wuppertaler Pietismus verdankt. Strau� hatte eine gro�e Wirkung, sein "Leben Jesu" diente zeitweise als Lehrmaterial in poletarischen Zirkeln bis nach England hinein. Strau� ist unter dem dem Einruck des Einigungskriegs 1866 zu den Nationalliberalen abgerutscht (�hnlich wie Sloterdijkopfer Habermas in der Entdeckung der nationalen Frage und der philosophischen Zustimmung zum Kosovokrieg). Er war nur noch ein Schatten seiner alten emanzipatorischen Identit�t, eine leichte Beute f�r Nietzsches Angriffe. Schonungslos und voll zynischer H�me demontiert er ihn und die analytische Einstellung ("Nagetiere") im Dienst der Wende von der Ideologiekritik des Geistes zur Aufr�stung des deutschen Wesens und Willens.
Offener ist die vor allem antisemitische Feindkonstruktion seiner Willensmetaphysik im Schriftenkomplex zur "Geburt der Trag�die". Hier dient ein gebildeter kultureller Streifzug durch den Humanismus zum Aufweis, wie die "Metaphysik des Willens" sich in der "arischen Vorstellung...(als) die erhabene Ansicht von der aktiven S�nde als der eigentlich prometheischen Tugend" materialisiert, gegen den "semitischen S�ndenfallmythos" mit seiner "l�gnerischen Vorspiegelung" und "L�sternheit", die arisch-m�nnliche gegen die semitisch-weibliche. Es geht um die Wiedergeburt des deutschen Mythus aus dem Geiste der Musik. Nicht nur gegen das "Semitische", sondern auch gegen die Anspr�che der "Arbeitssklaven" auf W�rde und Gleichheit, gegen "Mitleid" und "Kultur des "Sklaventums" aus der Feder der Kommunisten, Sozialisten, der "wei�en Rasse der Liberalen". Das Schaffende sch�pferisch-kriegerischer Aggressivit�t wird hier der "liberaloptimistischen Weltbetrachtung" der "F�rchtenden" gegen�bergestellt, "jene(r) wahrhaft internationalen heimatlosen Geldeinsiedler", mit ihrer Vorstellung vom "Staat als Schutzanstalt egoistischer Einzelner". Dagegen ist das "...einzige Gegenmittel der Krieg und wiederum der Krieg". Die deutsche Einigung im Krieg von 187o/71 kritisiert er als unvollkommenen Gr�ndungsakt einer unerf�llten Bewegung "des Willens zur Herrschaft �ber Europa", der "Kraft zur F�hrung Europas" in �berwindung dieses Liberalismus.
Ich mu� nochmals betonen: die nietzscheanische Wende in der Politik der Philosophie zielte auf die Zerst�rung der liberalistischen Ideologie (markt-kommunikativen Handelns und Handels k�nnte man mit Habermas sagen, einschl. ihrer positivistischen Begleitphilosophien und ihrer "kritischen" Theorie) und auf den Umbruch zur Metaphysik des Willens: des komplexen Willens zur Macht in allen Sph�ren des Denkens und Handelns in der sch�pferischen Herstellung einer neuen Welt und der Emanzipation ihrer neuen Eliten als Herren eines neuen Europa. Die Gef�hrlichkeit des zerst�rerisch-sch�pferischen Herrengestus lag nicht in plumper Macht- und Raubgier, gegen deren Profanit�t sich Nietzsche immer verwahrte. Sie lag genau in der metaphysisch-grunds�tzlich verstandenen Emanzipation neuer aggressiver Ernergien und ihrer Avantgarden, deren Gewaltt�tigkeit sich darum jenseits von Gut und B�se, von Schuld bewegte. "An sich von Recht und Unrecht reden, entbehrt alles Sinns: an sich kann nat�rlich ein Verletzen, ein Vergewaltigen, Ausbeuten, Vernichten nichts "Unrechtes" sein...Man mu� sich sogar noch etwas Bedenklicheres eingestehn: da�, vom h�chsten biologischen Standpunkte aus, Rechtszust�nde immer nur Ausnahmezust�nde sein d�rfen, als teilweise Restriktionen des eigentlichen Lebenswillens, der auf Macht aus ist, und sich dessen Gesamtzwecke als Einzelmittel unterordnend: n�mlich als Mittel, gr��ere Machteinheiten zu schaffen."
Der �bermensch und die Arbeitssklaven.
Die besondere Brisanz von Sloterdijks Propaganda, Nietzsches Offensive paradigmatisch f�r den aktuellen Umbruch zu erschlie�en, ergibt sich aus ihrer politisch-�konomischen Reichweite. Hier materialisiert sich der "�bermensch" aus der Gewalt der Arbeitsunterwerfung als progressiver technokratischer Herrentypus, und zwar im Proze� der Globalisierung zur "Wirtschafts-Gesamtverwaltung der Erde", im �konomisch-technischen Griff nach der Weltmacht. "Ich versuche eine �konomische Rechtfertigung der Tugend. - Die Aufgabe ist, den Menschen m�glichst nutzbar zu machen und ihn, soweit es irgendwie angeht, der unfehlbaren Maschine zu n�hern: zu diesem Zwecke mu� er mit Maschinen-Tugenden ausgestattet werden..." "Auf jenem ersten Wege entsteht die Anpassung, die Abflachung, das h�here Chinesentum, die Instinkt-Bescheidenheit, die Zufriedenheit in der Verkleinerung des Menschen...Haben wir erst jene unvermeidlich bevorstehende Wirtschafts-Gesamtverwaltung der Erde, dann kann die Menscheit als Maschinerie in deren Diensten ihren besten Sinn finden: -als ungeheures R�derwerk von immer kleineren, immer feineren "anzupassenden" R�dern; als ein immer wachsendes �berfl�ssig-werden aller dominierenden und kommandierenden Elemente; als ein Ganzes von ungeheurer Kraft, dessen einzelne Faktoren Minimal-Kr�fte, Minimal-Werte darstellen. Im Gegensatz zu dieser Verkleinerung und Anpassung der Menschen an eine spezialisierte N�tzlichkeit bedarf es der umgekehrten Bewegung, der Erzeugung des synthetischen, des summierenden, des rechtfertigenden Menschen, f�r den jene Machinalisierung der Menschheit eine Daseins-Vorausbedingung ist, als ein Untergestell, auf dem seine h�here Form zu sein sich erfinden kann." "..er steht auf ihnen, er lebt von ihnen,..ein Maximum der Ausbeutung des Menschen..." "Mein Begriff, mein Gleichnis f�r diesen Typus ist, wie man wei�, das Wort "�bermensch"". "Um sich aus jenem Chaos zu dieser Gestaltung emporzuk�mpfen - dazu bedarf es einer N�tigung: man mu� die Wahl haben, entweder zugrunde zu gehen oder sich durchzusetzen. Eine herrschaftliche Rasse kann nur aus furchtbaren und gewaltsamen Anf�ngen emporwachsen. Problem: wo sind die Barbaren des zwanzigsten Jahrhunderts? Offenbar werden sie erst nach ungeheuren sozialistischen Krisen sichtbar werden und sich konsolidieren, -es werden die Elemente sein, die der gr��ten H�rte gegen sich selber f�hig sind, und den l�ngsten Willen garantieren k�nnen."
Nun ist die Objektivierung und Verlagerung des sozialen Kommandos �ber die Arbeitskraft in die technologische Befehlsform der Gesamtmaschinerie der strategische Kern des tayloristisch/fordistischen Unterwerfungsangriffs auf die Arbeiterklasse und die Gesamtgesellschaft. Ein Projekt der politischen Technologie des Kapitals. Meinte Nietzsche das? Genau das meinte er. Lassen wir uns von der Metaphorik der Sprache nicht t�uschen. Im Gegensatz zu vielen seiner Epigonen wie etwa Oswald Spengler (ein anderer von Sloterdijk wiederbelebter Exponent der "konservativen Revolution"), hat Nietzsche einen souver�nen formal-logischen Begriff der technologischen Seite. Unter dem inhaltlichen Titel "Der Wille zur Macht als Erkenntnis" handelt er die Axiomatik der zweiwertigen Logik (das ist die Logik, die die Maschinenprozesse beherrscht) mit l�ssiger Kennerschaft ab. Aber, und das ist entscheidend: nicht als Logik des Vorgefundenen, des Seienden, sondern als Logik der Bem�chtigung, der Unterwerfung, des Willens zur Macht, die sich selbst in Form der Ontologie als philosophisches System nur vorspiegelt, sie h�tte es vorgefunden.
Damit wird eine politische Technologie als Klassenkrieg von den H�hen des technisch-logischen Kommandos her entworfen. Die funktionalen Zerlegung und maschinen-logische Zucht seiner lebendigen Maschinenpartikel definiert sich als Akt sozialer Gewalt, als Emanzipationsbewegung neuer Eliten und zugleich als Grund der synthetischen Erkenntnisleistungen. Angesichts solcher progressistischer Entw�rfe erscheint die Verharmlosung Nietzsches zum lebensphilosophischen Antimodernisten ihrerseits als ein sehr zweifelhaftes philosophiepolitisches Man�ver.
Die Schockinszenierung zur Erregung des Transformationsdiskurses
Sloterdijk hat seine Rezepturen der Skandalinszenierung zum Zweck eines umfassenden Mentalit�tsumbruchs schon vor Jahren entwickelt - aus der Analyse des Botho-Strau�-Skandals und im offenen Bezug auf Nietzsche. Die barbarische Volley nietzscheanischer Geschosse auf sein zivilisiertes philosophisches Publikum in Elmau zur schockartigen Erregung eines Umbruchsdiskurses war nur die politische Umsetzung, offenbar im Windschatten des durch den Kosovokrieg ausgel�sten Barbarisierungsschubs. Der anschlie�ende Angriff auf Habermas als Gallionsfigur der "kritischen Theorie" verk�ndete in der Balken�berschrift seines offenen Briefs in "Die Zeit" vom 9.9.99 das politisch-philosophische Kriegsziel: "Die Kritische Theorie ist tot". Es war eine Offensive, die die zivilisierten Umgangsformen der Gebildeten schamlos und verletzend aufk�ndigte. H�mische Intrigen in Telefonaten mit Hamburg und Jerusalem wirft er ihm vor. �ffentlichen "terreur", in dem anklagen auch schon liquidieren hei�t, "jetzt da hocheffiziente Massenmedien Aufputschungen in Realzeit bewirken k�nnen "selbst das NS-Regime war technisch langsamer..)". "Ihre liberale Maske zerf�llt." Habermas Jakobinismus, "eine sozialliberale Version der Tugenddiktatur" sei am Ende.
Assheuer in der "Zeit" wei� zu berichten, da� Sloterdijk engster Berater von Suhrkamp-Chef Siegried Unseld (der auch Walser zu seinen engsten Freunden z�hlt) ist und seinem auf drei B�nde angelegten "Sph�ren-Projekt" eine besondere Bedeutung zukomme, "an der Grenze zum Totalit�ren". So stellt sich die Frage, wer es denn �berhaupt ist, der hier die Skandalinzesnierung und die Positionen von Skandalopfer und -t�ter besetzte? Sloterdijk allein? Der neue nietzsche-orientierte philosophiepolitische Berater des Verlagschefs Unseld verk�ndet dem alten Verlagsflaggschiff der kritischen Theorie auf dem H�hepunkt des bundesweiten Kulturkampfs den "Tod der kritischen Theorie". Ohne Unseld vorher zu fragen? Es erscheint schwer vorstellbar, da� dies keine Inzenierung aus der Verlagsspitze selbst ist.
Damit steht diese Skandalinszenierung als letztes Glied einer ganzen Kette gleichgerichteter Diskursinszenierungen, von denen mit Historikerstreit und nachtr�glicher Goldhagendebatte, L�beckskandal, Walserskandal mit anschlie�ender hochgiftiger Demontage des gutm�tigen Ignaz Bubis, Kriegsdiskurs am Kosovokrieg nur die wichtigsten benannt sind. Es sind von rechts geradezu technisch vorgetragene Diskursoffensiven zur Anstachelung eines Mentalit�tsumbruchs. Sie alle haben eins gemeinsam. Sie bearbeiten spezifische Diskursfelder im Gesamtprojekt einer "konservativen Wende" nach historischem Muster. Der technisch eingeleitete Diskursproze� ist das Medium zu Erschlie�ung eines Reservoirs schlummernder historischer Energien, die sie zu erwecken und wieder geschichtsm�chtig zu machen suchen: die Rehabilitierung der nazistischen Energien aus der Notwehr gegen den Bolschewismus im Historikerstreit; die Entfesselung der Jugend von der moralischen Last des deutschen Mordens zu neuer Freiheit im Walserskandal (Unseld-Freund Walser sagt dazu, "das Mi�verst�ndnis habe er riskieren m�ssen wie jetzt Sloterdijk); die Einbeziehung des "deutschen Wir" in die Normalit�t des neofaschistischen T�tens im L�beckdiskurs; das moralische Recht zum kriegerischen T�ten f�r den Fortschritt im Kosovodiskurs. Wir haben die Techniken der Inszenierung von kollektiven Mentalit�tsumbr�chen schon im L�beckdiskurs genauer analysiert. Auch sie tragen alle Z�ge der Sloterdijkschen Inszenierung des "Metaskandals". "Objektiv" ging es um den Brand eines Hauses, in dem Fl�chtlinge ums Leben gekommen waren. Trotz Indizien f�r rechte T�terschaft und inmitten des Wachstums rechter Ha�taten wurde von Anfang an ein emotionalisierter Diskurs gegen die plausiblen Annahme rechter T�terschaft gef�hrt. Auch sie stilisierte "uns Deutsche" als Opfer antinazistischer Hypermoral. Aus der Taz, dem ehemaligen Forum der kritischen Linken und Organ der neuen gr�nen Mittelschichten, wurde der Diskurs offen mit dem Ziel des "Mentalit�tsumbruchs" gef�hrt, in dem "wir Deutsche" uns der moralischen Hypothek des Verdachts entfesseln k�nnten. Wir haben ihn schon damals, schon vor dem Kosovodiskurs als Man�ver der ehemaligen Linken zur Einleitung einer neuen "konservativen Wende" analysiert, zu einer Nazifizierung in neuer Unschuld.
Theorie und Praxis der deutschen Innovationsoffensive vor 1914 als Ausdruck der politischen �konomie der "sch�pferischen Zerst�rung" und des nietzscheanischen Impulses soll uns im zweiten Teil als Sprungbrett in die Darstellung der aktuellen Innovationsoffensive und des von Sloterdijk ausgel�sten Diskurses dienen.
Die Aufr�stung der Philosophie im Klassenkrieg
In seiner Skandalinszenierung hat Sloterdijk - das war der Inhalt des ersten Teils meines Aufsatzes - Nietzsches Offensive der 7oer Jahre des letzten Jahrhunderts nachgespielt. Diese zielte im Kern auf die umfassende Aufr�stung aggressiver Energien im "Willen zu Macht". Gegen alle lebensphilosophische Verk�rzung Nietzsches haben wir das Schwergewicht auf seine "materialistischen" Bem�hungen gelegt, den Klassenkrieg als Feld der Metaphysik des Willens zur Macht zu begreifen, einer technologisch begr�ndeten Macht neuer Globalisierungselitenin der "unvermeidlich bevorstehenden Wirtschaftsgesamtverwaltung der Erde". Als Prophet dieser komplexen Metaphysik des Willens wurde er nicht nur zum internationalen philosophischen Impulsgeber des rechten Aufbruchs, sondern auch des deutschen "Griffs nach der Weltmacht", des Anspruchs deutscher Innovationseliten auf eine hegemoniale Rolle im damaligen Proze� der Globalisierung. Wenn wir Sloterdijks Strategien begreifen wollen, so m�ssen wir dies kurz nachzeichnen.
Die Kr�fte dieser Globalisierung waren die neuen Avantgarden, die den Durchbruch durch Klassenwiderstand und Verwertungsstagnation der sogenannten "gro�en Depression" in einer innovativen Offensive suchten. Sie hatten ihren Kern in einem neuen aggressiven Unternehmertum vor allem aus den innovativen Schl�sselindustrien. Seine herausragenden Exponenten orientierten sich im Kult des "heroischen Unternehmers" und der H�rte seiner neuen Rationalit�t bewu�t an Nietzsche, flankiert von den Funktionseliten der neuen politischen Technologie der Arbeitsrationalisierung im beginnenden "Taylorismus". Die politisch-�konomische Fundierung erhielt sie durch Theorien des aggressiven Ungleichgewichts und der "sch�pferischen Zerst�rung" vor allem bei Josef Schumpeter, die soziologische in der Strategie umfassender sozialer Rationalisierung. Diese damalige "neue Mitte" entwarf und emanzipierte sich im Umbruch zur "Weltpolitik" von den 90er Jahren bis zum ersten Weltkrieg zu Herren innovatiover Gewalt in einer enormen Dynamik, die ihre Parallele im aktuellen Umbruch findet. Wichard von Moellendorff und Walter Rathenau von der AEG waren hierf�r exemplarisch. Die AEG war der innovative "Upstart" der neuen Technologien, vergleichbar mit "Microsoft" oder "Cisco" heute, die wenige Jahre vor dem Krieg im ersten Weltkartell mit General Electric den globalen Anspruch auf Verwertung vertraglich regelte. Moellendorff war leitender Techniker bei der AEG. Ganz im Sinne der "Metaphysik des Willens" verstand er seine Arbeit als Vergesellschaftung und Globalisierung des Diktats aus den technokratisch-unternehmerischen Initiativen des modernsten tayloristischen Konzernmanagements zur "Erdwirtschaft", vom "Willen des Germanen" "beseelt...wie ein taciteisches Germanendorf."
Sein Mitarbeiter Rathenau betrieb seine Revolte gegen die Welt des alten verstaubten Bildungsb�rger- und Unternehmertums als begeistertes Mitglied einer hei�en Nietzsche-Fan-Gemeinde um die Zeitschrift "Die Zukunft" (�ber die Moellendorff zur AEG fand). Bis in die Diktion, Bilder und Metaphorik �bernimmt Rathenau Nietzsches Ansatz. Die politische Technologie materialisiert sich bei ihm zum Projekt der "Mechanisierung der Welt", dessen Akteure das "Heer" der neuen Funktionseliten in Management, B�rokratie und Technologie sind, die damals "neue Mitte". Sein Unternehmerbegriff ist Nietzsches �bermenschenfunktion im Kontext des Mechanisierungsprozesses nachgebildet. Er sieht sie als Ausdruck des germanischen "Mutmenschentums", das er mit den Rassismen Gobineaus, Lagardes etc. aufl�dt). Der Unternehmerbegriff ist (mit typisch nietzscheanischer Angriffstier-Metaphorik ausgeschm�ckt) kompromi�los angebotsorientiert, wie er in seinem ber�hmten Brief an Mei�ner plastisch zum Ausdruck bringt. Er beschreibt die Elektroindustrie aus der Erfahrung der AEG, industrieller Schl�sselsektor des innovativen Umbruchs, als Kern einer "Umgestaltung eines gro�enteils aller modernen Lebensverh�ltnisse, die nicht vom Konsumenten ausging, sondern vom Produzenten organisiert und gewisserma�en aufgezwungen werden mu�te." Sein neuer Nationalismus, sein Rassismus waren als Ausdruck der Innovationsherrschaft gegen die r�ckst�ndigen Gesellschaften und "Rassen" "modern". Sie operierten nicht mit Begriffen von rassischem "Wesen" und v�lkischer "Substanz", sondern von Differenzen sozialer, technischer und geistiger Entwicklung, die im Aufprall der Anpassungsimperative aus den neuen innovativen Industrien auf die r�ckst�ndigen Gesellschaften ihre historischen Erscheinungen hervorbringen. Germanisch-nordische F�hrerschaft und die Gefolgschaft der schwarzen Rassen sah er nur als historische Zeitbildungen. Man kann dies als technokratischen "Entwicklungsrassismus" bezeichnen. Als Avantgarde deutscher managerialer Eliten organisierten Moellendorff und Rathenau gleich zu Beginn des ersten Weltkriegs die Kriegsrohstoffabteilung. Aus dieser zentralen Position betrachteten und betrieben sie den Krieg als Medium umfassender Modernisierung Mitteleuropas mit der Mark als Leitw�hrung in der Auseinandersetzung mit dem Dollar-Raum.
Der Nietzscheaner Max Weber, die deutsche Vorzeigebl�te des modernen aufgekl�rten Rationalismus, war da noch weit b�sartiger. Er garnierte seinen propagandistischen Entwurf des deutschen Griffs nach der Macht im Umbruchsjahr 1895 (die ber�hmt-ber�chtigte Freiburger Antrittsvorlesung) mit einem giftigen Rassismus gegen die slawische Flut und vor allem der r�ckst�ndigen Polen, der seinesgleichen sucht. Dieser Rassimus, den er nie aufgab, ist nicht etwa ein Flecken auf der sauberen Weste, sondern ein Systemmerkmal eines nietzscheanischen Soziologen und Sozialpolitikers, in dem Elite und Masse sich gegeneinender konstituieren. Er war Mitbegr�nder des durch und durch rassistischen und imperialistischen Alldeutschen Verbandes, von vielen als Vorl�ufer der NSDAP betrachtet. Die Logik der Mechanisierung verfolgt er nicht nur in der Arbeitspsychologie, sondern auch in den b�rokratischen Rationalisierungsstrategien. Seine Religionssoziologie und Charismaforschung (vor allem des kriegerischen F�hrers) sind die Felder, in denen er die kreativen Kr�fte dessen untersuchte, was Nietzsche im "�bermenschen" konzipiert hatte. Aus seiner einflu�reichen Position betrieb er den Krieg als verantwortungsethischen Auftrag der modernsten Nation im Griff nach der Weltmacht.
Die Theorie einer nietzscheanischen politischen �konomie ist in allen ihren aggressiven Potenzen in Schumpeters Begriff des innovativen Unternehmers als Herr eines Prozesses "sch�pferischer Zerst�rung" verk�rpert. Schumpeter - inzwischen wieder zum f�hrenden Impulsgeber der heutigen "neuen Wachstumstheorie" avanviert, in den USA wie in Deutschland - wird oft verharmlosend mit der kreativen Rolle der Unternehmerfunktion vorgestellt, in der Regel schlagwortartig. Wohlweislich. Denn sein grundlegendes Werk, die 1911 erschienene "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" setzt die Akzente der Akkumulationstheorie unmi�verst�ndlich auf Zwang und Gewalt. Sie stellt die soziale Aggressivit�t der Unternehmerfunktion derart radikal ins Zentrum kapitalistischer Akkumulationsdynamik, da� man geradezu von einer politischen �konomie unternehmerischer Gewalt und zerst�rerischer Aggressivit�t sprechen kann. Als "F�hrer" und "Feldherr" im "Kraft�berschu�" seines "Siegerwillens" und im Ausbau seiner "Herrenstellung" setzt setzt der Unternehmer Innovationen gegen den sozialen Widerstand und Gegendruck durch. "Ohne Schonung, bis zur ultima ratio der v�lligen Vernichtung der mit hoffnungslos Unangepa�tem verbundenen Existenz". So ist es konsequent, da� er am Schlu� seines Buchs die "bewu�te Politik der Rassenhygiene" zur paradigmatischen Leitvorstellung organisierter Innovationspolitik erkl�rt. Demonstrativ bekannte Schumpeter, wo er sich selbst politisch verortete. Obwohl er der katholischen Bourgeoisie �sterreichs entstammte, annoncierte er das Buch pers�nlich in der deutschen "Zukunft". Sie war inzwischen zum f�hrenden Organ der aggressiven Avantgarde deutscher innovativer Eliten und der damaligen "neuen Mitte" avanciert.
Auch damals war die Eugenik und Rassenhygiene von einem Modernisierungsdiskurs geleitet, der den Willen zur Macht im Proze� der "sch�pferischen Zerst�rung" auf einem wichtigen Teilgebiet von Innovation und Akkumulation zum Ausdruck brachte und auch vorantreiben konnte, aber nicht in seinem Kern angesiedelt war. Das Paradigma der Verf�gung �ber den unterworfenen Menschen im biotechnischen Zugriff war - wie auch bei Sloterdijk - Ausdruck einer viel grunds�tzlicheren paradigmatischen Wende des wertsch�pfenden Willens zur Macht.
Es war die innovative Aggressivit�t aus den Kernen der neuen Schl�sselindustrien, vor allem Elektro und Chemie, die ma�geblich die komplexe Dynamik in den ersten Weltkrieg antrieb: die Wachstumsdynamik, mit der sich nur noch das amerikanische Kapital messen konnte; die Dynamik imperialistischer Aggressivit�t, denn sie war in ihrem Durst auf periphere Arbeitswerte nicht nur auf die Herrschaft in Europa angewiesen (die Wellen von Exportoffensiven in Handel und Investition vorangetrieben wurde), sondern auch auf die Globalisierung der "sch�pferischen Zerst�rung" in noch unerschlossene Gesellschaften; die korrespondierende Dynamik eines Rassismus im Aufprall auf "r�ckst�ndige" Strukturen, eines Sexismus in der Feier m�nnlicher Innovationsenergien (wie sie bei den k�nstlerischen Avantgarden am deutlichsten zutage traten und ihr internationales Sprachrohr im protofaschistischen Manifest der Futuristen fand), eines Sozialimperialismus in der Einbeziehung der reformistischen Arbeiterbewegung und Klassensegmente in diese volksgemeinschaftlich propagierte Aggressivit�t bis hin zur der Dynamik der Philosophie in der Barbarisierung des erkennenden und gestaltenden Geistes der "Bem�chtigung" im nietzscheanischen Sinne.
Soziologisch gesehen war der treibende Kern dieser Dynamik in den progressistischen "neuen Mittelschichten" angesiedelt: neuen Technikern, Management, b�rokratische Funktionseliten vor allem in den modernen industriellen Giganten der neuen Schl�sselindustrien Elektro und Chemie. Es kann inzwischen gegen die alten Geschichtsmythen (zu deren Blindheit auch die am deutschen Reformismus orientierte Fischerschule leider nicht wenig beigetragen hat) durch gr�ndliche Studien der letzten 20 Jahre als gesichert gelten, da� es diese neuen Mittelschichten waren, die in erster Linie in den Krieg zur Organisation des Durchbruchs ihrer Modernisierungsstrategien getrieben haben. Sie bem�chtigten sich des Kriegs als blutiges Medium gesamtgesellschaftlicher Innovation und transformierten ihn zum m�rderischen "Ingenieurkrieg" (Lloyd George), in dem Deutschland sich als erste Industriemacht Europas best�tigte. Inzwischen gibt es gen�gend Studien dar�ber, da� sie es auch waren, die sich zur treibenden Kraft des Nationalsozialismus weiterentwickelten. Die "neue Mitte" auf dem H�hepunkt der Barbarei, die "Barbaren des 20 Jahrhunderts". Detailliertere Ausf�hrungen hierzu w�rden den Rahmen dieses Beitrags sprengen, sie bleiben einer sp�teren Arbeit vorbehalten.
Sloterdijks Beitrag zur "sch�pferischen Zerst�rung"
Wenn wir Nietzsches und Sloterdijks Rolle begreifen wollen, m�ssen wir von den noch idealistisch gepr�gten Vorstellungen Abschied nehmen, die das Verh�ltnis von Produktionssph�re und Kultur nach Art einer K�sesahnetorte als Verh�ltnis von Basis und �berbau konstruiert. Das Kapital und seine Theorie ist heute weiter, wenn es innovatorische Energien und Qualifikationen - nicht nur in Technologie, sondern bis in Human- und Ethikkapital hinein- praktisch in seine Strategien (moderne Innovationstheorie) und theoretisch in den Kapitalbegriff hineinnimmt, "endogenisiert". In diesem Sinn waren schon Nietzsche, Weber, Rathenau, aber auch Pareto und sogar Marshall "modern", wenn sie die Dynamik des Kapitalismus in seinen aggressiven Potenzen zur sch�pferischen Zerst�rung und inwertsetzenden Unterwerfung von Arbeit und Gesellschaft sahen. Nicht allein im Betrieb produktiver technologischer Gewalt, sondern in allen gesellschaftlichen Dimensionen bis in Kultur und Philosophie. Von daher m�ssen wir die Dynamik der Kapitalakkumulation als Ausdruck einer komplexen Offensive "sch�pferischen Zerst�rung" begreifen, in deren Kern Strategien der Zurichtung und Unterwerfung von Arbeit angesiedelt sind und die sich in gleichgerichteten kulturellen Strategien bis in die Philosophie hinein ihren korrespondierenden Ausdruck suchen, ja, diese Korrespondenzen in �bergreifenden Diskursen organisieren.
Die Entfesselung eines solchen Diskurses, auf die Sloterdijks Skandalschock abzielt, definiert sich in eine zyklenhistorisch analoge Situation hinein: den Umbruch in den postfordistischen Zyklus. Der Grund f�r die Parallelit�t ist einfach: Wir befinden uns historisch in einer analogen Phase des Take-offs, der ersten Umbruchsphase in einen neuen Gro�zyklus wertsch�pfender Gewalt, den wir etwas platt mit "Globalisierung" etikettieren. Es ist leicht, sie in ihre einzelnen Str�nge aufzuschl�sseln: Im Kern die aggressive �berakkumulation in den innovativen Sektoren der neuen Schl�sselindustrien, von denen aus das Kapital der r�ckst�ndigen Welt ihre Diktate sch�pferischer Zerst�rung aufherrscht. Den Kult der unternehmerischen Aggressivit�t. Die neuen technologischen Innovationen, deren angebotsorientierte Aggressivit�t diejenigen des Kaiserreichs als gem�tliche Veranstaltung erscheinen l��t. Die rasante Entwicklung der Expertensysteme, in denen die "Neue Mitte" ihre hegemonialen Strukturen und ihr soziales Selbst erfindet und von denen aus sie ihre Life-Styles zelebriert. Die lokalen und imperialistischen Public-Private-Partnership-Projekte (PPP), mit denen sie ihre neuen Internet-vernetzten Kommandostrukturen der mittleren Ebene im Vorgriff auf eine neue transnationale Verfassungswirklichkeit einzieht (im Kaiserreich waren die St�dtetage das parastaatliche Tummelfeld der neuen Funktionseliten).
Die Anma�ung eines weit schonungsloseren verantwortungsethischen Universalismus, der im Kosovokrieg das T�ten und die Vernichtung der hoffnungslos r�ckst�ndigen Existenz gerade frisch einge�bt hat.
Schumpeter ist inzwischen wieder prominent als Impuls- und Ideengeber der modernen Wachstumstheorie etabliert. Unter seinen Begriff der "sch�pferischen Zerst�rung" wird heute wieder die innovatorische Aggressivit�t der aktuellen Wachstumsstrategien subsumiert, die im Aufprall auf r�ckst�ndige Sozialstrukturen die Welt umpfl�gt und ihre Anpassungsimperative globalisiert, die Unterworfenen aus den alten Strukturen "herausbricht, ob sie wollen oder nicht" (Sloterdijk) und sie einem neuen und intensiveren Zugriff wertsch�pfender Gewalt unterwirft. Der R�ckgriff auf Schumpeter n�hert seine Diktion allm�hlich an die Aggressivit�t des Meisters an. So propagiert beispielsweise der Bochumer Arbeits�konom Staudt in der FAZ f�r den Aufbruch der "innovativen Kr�fte" im Proze� der "sch�pferischen Zerst�rung" "Partisanenstrategien", mit denen die "Partisanentrupps" von "Ausgew�hlten" die hemmenden Hindernisse aus "runden Tischen" und Konsensbed�rfnissen durchbrechen k�nnen.
Es ist daher kaum �berraschend, mit welchem historisch-materialistischen Verst�ndnis im Sinne Nietzsches und einer konservativen Revolution von oben Sloterdijk seine Initiativen als korrespondierende Strategie in die aktuelle kapitalistische Offensive hineindefiniert. Sloterdijk war philosophisch im Dunstkreis der "kritischen Theorie" gez�chtet worden und hatte die Positionen linker M�ndigkeit unter der "Einstrahlung" seines "spirituellen Meisters" Baghwan verlassen. In ihrem Licht suchte er wie viele die Heilung aus dem Stre� des krisenhaften Zerfalls der fordistischen Gesellschaft und seiner Identit�ten. Im Bann seiner charismatischen Autorit�t stillte er die Sehnsucht nach neuer Gemeinschaft und neuem -zun�chst esoterischem- Sinn. Von Baghwan fand er zu Nietzsche. Auf diesem Weg lud er sich mit der Aggressivit�t eines neuen Willens zu Macht auf und stellte sie in den Dienst eines innovativen kapitalistischen Gro�zyklus.
Grunds�tzlich sagt er hierzu in einem Gespr�ch mit Hans-J�rgen Heinrichs: "Es geht im Augenblick doch darum, da� Menschen aus ihrer kleinr�umigen aus ihrer regionalen und nationalen Bewu�tseinsverfassung herausgebrochen werden - ob sie wollen oder nicht. Die Seelenformen des B�rgertums und Kleinb�rgertums in der ersten Welt werden aktuell umformatiert...von einem humanistisch-nationalistischen Welthorizont auf einen �kologisch globalen. Oder zumindest auf einen, der sich einl��t auf die Synchronwelt des Kapitals, des globalen Waren- und Informationsverkehrs, also auf das, was man Weltwirtschaft nennt. Wir...suchen nach Formen von Subjektivit�t, die in dieser aktuellen Globalwelt verkehrsf�hig bleiben. Genauso wie Platon mit der Gr�ndung einen Menschentypus evoziert und erzogen hat, der verkehrsf�hig wurde in der Gro�welt der sich abzeichnenenden gro�hellenischen Kultur...Damals wurden Seelenformen herangezogen, die im neuen imperialen Horizont verkehrsf�hig werden sollten. Und wir erleben heute, da� die Wirklichkeit von uns... eben wieder eine solche Umformatierung, eine Gr��erformatierung abverlangt, eine Verkehrsf�higkeit mit allen koexistierenden Kr�ften in einem jetzt globalisierten Gro�raum".
In solchen �berfl�gen reproduziert Sloterdijk Nietzsches und Spenglers welthistorische Visionen aus dem "Willen zur Macht". Wir d�rfen daher Sloterdijks Projektphantasien der imperialen Horizonterweiterung in einen historisch neuen "Gro�raum" ruhig beim Wort nehmen und am historischen Vorlauf zum nazistischen "Gro�raum Europa" messen. Jeffrey Herf hat Spenglers Beitrag zu Hitlers Projekt in "Reactionary Modernism" intelligent in den Kontext eines lang angelegten historischen Prozesses ger�ckt. Aber: "Gro�raum" als Projekt der Globalisierung, nicht als Realit�t, als Proze�projektion, nicht als System, als komplexes Projekt einer neuen Generation nietzscheanischer Herrens�hne.
Wie Nietzsche organisiert Sloterdijk seinen Beitrag zu dieser Gr��erformatierung auf den neuen imperialen Horizont" hin seit Jahren als Propaganda aggressiver Selbsterregung zu einem neuen Willen zur Macht. Im "R�ckgriff", "Renaissance", "R�ckbesinnung" auf das "Motiv der "konservativen Revolution"" ist die nazistische Tendenz unverkennbar. Aber bei aller Eindeutigkeit tut er dies nicht als Projekt, sondern in einer Mischung aus Analyse, Beschw�rung und propagandistischer Selbsterregung ihrer historischen Kr�fte, deren Behandlung er unsystematisch und assoziativ �ber seine verschiedenen Publikationen verteilt. Propagandistisch-didaktisch wie methodisch sind daher "Erregung" und "Selbsterregung", "Schwingung", "Vibration", "Evokation", "Psychoakustik", "transzendentales Fl�stern" zentrale Begriffe f�r einen neuen Modus propagandistischer Entfesselung aggressiver Energien. Der Grund f�r die mythische und assoziative Darstellungsweise liegt in der Einsicht in das Unsystematische der historischen Formierung der aggressiven Kr�fte, Energien und Mythen selbst. In Nietzsches Nachfolge formuliert er philosophische und historische Erkenntnis in Figuren einer Dialektik der Gewalt: von Mann gegen Frau/Mutter, Eliten(vornehme) gegen Masse (Niedrige), H�rte und funktionale Grausamkeit gegen Weichheit, Wille zur Durchdringung gegen Passivit�t, Aufr�stung von Subjektivit�t im Willen zur Macht - soziale Umgebung/Welt.
Fangen wir mit der "Selbstgeburt des Mann-Menschen" als Agens der "historischen Welt" an. Zum "Bauherr eigenerWelten" wird durch die "Aufrichtung eines phallischen Eigenwillens gegen die Diktatur der M�tter", der "die Bereitschaft zum Furchtbaren" als "Sporn der Selbstintensivierung", zur "Willensb�ndelung" zur "Zusammenfassung aller Partialtriebe in einem einzigen Willensstrahl" nutzt. "Ontopolitik" und "ontologisches Schlachtfeld" sind die existenziellen Verortungen dieses Gewaltmythos. Wenn er die Volksgemeinschaft auch noch als "Scho�gemeinschaft" bezeichnet, so legt er die Assoziation des Verh�ltnisses m�nnlicher F�hrer zur weiblichen Masse in Hitlers "Mein Kampf" nahe. Sloterdijk, der seine Erregungspolitik spielerisch-assoziativ organisert geht frivol ganz nah ans historische Vorbild, wenn er die historische Produktivit�t der aggressiv-m�nnlichen Subjektivit�t wie folgt charakterisiert: "Diese Energien (der Selbstgeb�rer, D.H.) sind es, die Geschichte machen. Alles, was in diesen spezifischen Sinn Subjekt ist, schreibt mit an dem gro�en Welttext, der unter dem Titel Mein, Dein, Sein, Unser, Euer, Ihr Kampf (kursiv) erscheint." Nicht nur "Mein Kampf" offenbar. "Mein Kampf" als "Unser Kampf".
In der Charakterisierung des Verh�ltnisses neuer aggressiver m�nnlicher Eliten zu Masse der verkleinerten, der Niedrigen, geht Sloterdijk wenig �ber das Vokabular und die Metaphorik Nietzsches hinaus. "Prometheus", "Menscheningenieur", Vornehme, unternehmerisches Leben bezeichnen den kleinen "geschichtm�chtigen Teil der Menschheit, der "andere Menschengruppen bewirtschaftet".
Das gilt auch f�r die Charakterisierung der geschichtsm�chtigen Aggressivit�t. "Wille zur H�rte", "Schicksal, hart werden zu m�ssen", "gewollte bajahte H�rte", "Grundh�rte der j�ngeren M�nner", die in der hochkulturellen Subjektbildung die "unentbehrliche H�rte" "in eigener Regie herstellen". Es ist dieses existenzielle Niveau, auf dem Sloterdijk den "Tiefenweltkrieg" ansiedelt: "Vor uns liegt ein Weltalter, in dem der Unterschied zwischen Siegern und Verlierern wieder mit antiker H�rte und vorchristlicher Unbarmherzigkeit an den Tag tritt", den man fr�her mit "Sozialdarwinismus" bezeichnet habe. "Tiefenweltkrieg" ausdr�cklich bezogen auf den gegenw�rtigen kapitalistischen Angriff im Klassenkrieg: "S�mtliche Themen, die f�r sterbliche Wesen wichtig sind au�er dem sozialen Netz...Dazu geh�rt die Erfahrung, da� die Befriedigung ausweicht, die Entdeckung, da� die Initiative der Nerv des Krieges ist, und da� schon zum schlichtesten Leben Unternehmertugenden geh�ren." In diesem Kontext wird die "funktionale Grausamkeit" zur "Bewirtschaftung von Menschengruppen" ebenso beschworen wie die "Angriffskultur" und "strukturelle Aggressivit�t" im Proze� der Globalisierung.
Auch in Vergemeinschaftungsmythen sucht Sloterdijk Selbsterregung und Erregung des Wir, in deren historischer Kette er auch die "Volksgemeinschaft" ansiedelt. "Horde", "Wesenshorde", "Sozial-Uterus", "Scho�gemeinschaft" sind die Erregungsmetaphern, deren er sich bedient. Und es wird nicht verwundern, da� er sich auch hier auf Johann Gottlieb Fichte als "Urheber einer modernen prophetischen Anthropologie" bezieht. Wir wissen, da� Fichte schon in seinen Fr�h-Schriften �ber die franz�sische Revolution seiner Judenfeindschaft einen krassen Ausdruck verliehen hat, wenn er des Judentum als "Staat im Staat" bezeichnet, das "auf dem Ha� des ganzen menschlichen Geschlechts aufgebaut" sei und nur ein Mittel gegen sie sieht: "in einer Nacht ihnen allen die K�pfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine j�dische Idee sei" oder sie alle "in ihr gelobtes Land...zu schicken". Franz Neumann w�rdigt ihn zurecht als Vorl�ufer des v�lkischen Nationalismus und erkl�rten Antisemiten.. Ausgerechnet in einer Rede zum 9.November stellt Sloterdijk Fichte in seinen Reden an die Deutsche Nation aus dem Jahre 1808 als "Agenten des nationalen Erwachens" in die deutsche Geschichte der Erregung des "v�lkischen Selbst", als ersten Agenten der "Selbsterregung des phantastischen akustischen Nationalk�rpers", der "Erregungs-Gemeinschaft der modernen Nation", der "Nation als Arbeits-, Kampf- und Schicksalsgemeinschaft". Feinde und "Feindstre�" braucht die Nation zur "Volkserzeugung aus der autogenen Resonanz" und so reiht er auch die "omin�se Reichs-"kristall"nacht" in die "Magie des 9. Novembers" und in die Geschichte der v�lkischen Selbsterzeugung ein. "Im selben Boot", "Der starke Grund, zusammen zu sein" sind Kampfschriften, die aus den aggressiven Urgr�nden dieser historischen Kr�fte neue wenn auch andersartige Synthesen der Vergemeinschaftung gleichsam prophetisch hervorlocken wollen. Wer Gesinnung und Methode dieses geschw�tzigen Philosophen im Westentaschenformat kennenlernen will, kann sich auf Brosch�ren "Boot" und "starker Grund" beschr�nken.
Sloterdijk hat eine Diskursoffensive er�ffnet, die er selbst als philosophischen Beitrag in den Kontext der aggressiven Globalisierung stellt. Wenn er Habermas in der Zeit vom 9.9.99 die "freiere Generation" entgegenh�lt, da nun "die �ra der hypermoralischen S�hne von nationalsozialistischen V�tern ausl�uft", dann meint er den "Willen zur H�rte" neuer junger M�nner auf dem Weg einer neuen konservativen Revolution. Es ist die Sprache derer, die den Kosovokrieg wie Schr�der als "Gr�ndungsakt", wie Fischer als Probe zur "H�rtung" der Gr�nen, die Berlin im Mythos der "Berliner Republik" als Metropole eines neuen Gro�raums Europa feiern und die aggressiven Energien in ihrer ganzen Breite - technologische, �konomische, soziale, kulturelle - zu erregen suchen, die sich schon einmal zu Triebkr�ften einer barbarische �ra entfesselt haben. Ihre Antwort kann die revolution�re Linke nur im Kampf gegen die ganze Breite der Offensive suchen. Ideologiekritik reicht nicht und mit dem orthodoxen Glauben an Fortschritt von Technologie und Vergesellschaftung ist sie schnell auf der anderen Seite. Wer Lust hat, auch �ber die Rolle der Philosophie zu diskutieren, soll sich beim ak melden.
Erschienen im ak Nr. 432, 18. November 1999
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