Der rechte Nietzsche im Bauch eines linken trojanischen Pferds
Der Wille zur Gewalt im sozialen Krieg...
"Moral f�r �rzte. -Der Kranke ist ein Parasit der Gesellschaft. In einem gewissen Zustande ist es unanst�ndig, noch l�nger zu leben. Das Fortvegetieren in feiger Abh�ngigkeit von �rzten und Praktiken, nachdem der Sinn vom Leben, das Recht zum Leben verloren gegangen ist, sollte bei der Gesellschaft eine tiefe Verachtung nach sich ziehn. Die �rzte wiederum h�tte die Vermittler dieser Verachtung zu sein, -nicht Recepte, sondern jeden Tag eine neue Dosis Ekel vor ihrem Patenten...Eine neue Verantwortlichkeit schaffen, die des Arztes, f�r alle F�lle, wo das h�chste Interesse des Lebens, des aufsteigenden Lebens, das r�cksichtsloseste Nieder- und Beiseite-Dr�ngen des entartenden Lebens verlangt — zum Beispiel f�r das Recht auf Zeugung, f�r das Recht, geboren zu werden, f�r das Recht zu leben." "Was ist gut? —Alles, was das Gef�hl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen erh�ht. Was ist Schlecht? —Alles, was aus der Schw�che stammt. Was ist Gl�ck? —das Gl�ck davon, da� die Macht w�chst, da� ein Widerstand �berwunden wird. Nicht Zufriedenheit, sondern mehr Macht; nicht Friede �berhaupt, sondern Krieg; nicht Tugend, sondern T�chtigkeit (Tugend im Renaissance-Stile, virt�, moralinfreie Tugend) Die Schwachen und Mi�rathenen sollen zugrunde gehen: erster-Satz unserer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen." "Jene neue Partei des Lebens, welche die gr��te aller Aufgaben, die H�herz�chtung der Menschen in die H�nde nimmt, eingerechnet die schonungslose Vernichtung alles Entartenden und Parasitischen, wird jenes Zuviel von Leben auf Erden wieder m�glich machen, aus dem auch der dionysische Zustand wieder erwachen mu�."
Klare Worte protonazistischer Vor�bung, eines "nazistischen Experiments", wie der amerikanische Philosophiehistoriker Kurt Fischer es genannt hat? Eine verzeihliche Entgleisung? Wie denn sollten die philosophischen Verdienste beschaffen sei, um solche S�tze vergessen zu machen? Aus dem Zusammenhang gerissen? Aus welchem Zusammenhang d�rfen denn solche Gedanken gerissen sein, damit wir uns mit ihnen anfreunden k�nnen? Nichts von alledem. Vernichtung geh�rt zum Kern der Philosophie Nietzsches, die Propagansa der Vernichtung der Entarteten ist keine Entgleisung, sondern ihr konsequenter Ausdruck.
Der Zusammenhang: G�tzen-D�mmerung, der Antichrist und Ecce Homo sind Schriften des Jahres 1888. Gesch�pft sind die ersten beiden aus den Vorarbeiten zum gro�en 1887 in "Zur Genealogie der Moral" pathetisch ank�ndigten Werkprojekt "Der Willen zur Macht", Ecce Homo als biographischer Aufri� des Gesamtwerks. Georgio Colli, dem mit Mazzino Montinari das Verdienst zukommt, die auch hier benutzte kritische Gesamtausgabe von Nietzsches Werken und des Nachlasses besorgt zu haben, sieht diese sp�ten Schriften in der Logik des gesamten Werks, ohne Abstriche f�r die zitierten Stellen (ebenso Deleuze, Kornberger findet darin gar den "Kristallisationspunkt" ). Er folgt damit Nietzsches Selbstdarstellung in "Ecce Homo", die in der Tat aus der Gesamtschau von Werk, Briefen und nachgelassenen Schriften gut nachvollziehbar ist. Ihre Radikalit�t erkl�rt er aus dem zugesch�rften Bewu�tsein der "Unzeitgem��heit", "quasi das Leitmotiv seines Denkens", dem er zu ersten Mal in seinen "Unzeitgem��en Betrachtungen" der Jahre 1873-76 auch literarisch zum Motto erhob. Der Wunsch zu direktem Eingreifen, der sich schon im prophetischen Ton des Zarathustra ausdr�ckte, dr�ngten zur gegenseitigen Durchdringung von Denken und handelnder Person, zum autobiographischen Bekenntnis und zur propagandistischen H�rte.
Wir fragen uns daher: Wie ist Nietzsches methodologischer Zugriff auf den Lebensproze� und die Welt angelegt, wenn er eine nietzscheanische Rechte entfesseln half und —wie Seibert meint- zugleich eine nietzscheanische Linke inspirieren konnte, erkl�rte Linke in seinen Bann zog und sich auf der historischen Achse dar�berhinaus zu politischen Umschriften in neue politische Bestimmungen verwendbar machte?
Nietzsche hat sich gegen jede Verk�rzung auf Schulphilosophie, Psychologie, Logik, �konomie, Geschichte und Politik verwahrt. All diese thematischen Bereiche behandelt er als Felder f�r das Wirken der aggressiven Energien des "Willens zur Macht", des Willens zur "Bem�chtigung", zur "Aneignung", "�berw�ltigung", "Vergewaltigung", wie er auch sagt: "Und wi�t ihr auch, was die Welt ist?...Diese Welt ist der Wille zur Macht - und nichts au�erdem". Der "Wille, Herr zu sein" bleibt f�r ihn (und da gibt es wenig Widerspruch in den Gemeinden seiner J�nger und Gegner), die zentrale Kraftquelle der komplexen Ausdrucksformen des Lebens und der "Weltauslegung". Das hei�t: von Handeln, Erleben und Erkennen zugleich, sie lassen sich nicht voneinander trennen. Notwendig und unentrinnbar schlie�en sie das "erkennende" Subjekt und alle seine "theoretischen" Bem�hungen in den praktischen Kontext des "Willens zur Macht" ein. Es gibt keinen archimedischen Punkt der "Erkenntnis". Dies ist wichtig, weil ein gro�er Teil der poststrukturalistischen Nietzsche-Rezeption das Schwergewicht auf Erkenntnis und Darstellung gelegt hat und (sogar Foucault) das Problem der Selbstinklusion oft vernachl�ssigt hat. Nietzsche formuliert den Willen zur Macht immer im Spannungsfeld des Gegensatzes in einer Radikalisierungsskala, die von "Distanzen aufrei�en", "Gegensatz" gegen "Widerstand", "Spannung", �ber "Kluftaufrei�ung", "Durst nach Feinden", "Feindschaft", bis zum "Krieg", zum "Todkrieg" reicht. Aber nicht als systemischen und strukturellen, dialektischen Gegensatz in Bezug auf das "Wesen" des Seins oder gar von statischen Verh�ltnissen, sondern als Proze�, als Lebensproze�. Und auch nicht betrieben durch ein gegebenes Subjekt, gegebene Subjekte, sondern in einem Proze� des "Werdens", in dem die Subjektivit�t der sich bem�chtigenden Kr�fte sich, ihre Gestalten erst entfalten, sich erfinden, sich entfesseln, sich erschaffen im sch�pferischen Proze� der Herstellung ihrer Machtstrategien und Werke.
"�bermensch" ist die metaphorische Bezeichnung f�r den "Typus", der sich in diesem Proze� aus dem Willen zur Macht "erfindet". Er will keine Anerkennung, weil Herr sein will. Es ist diese Vorstellung vom dynamischen Charakter der Bem�chtigungsprozesse, in der Nietzsche die �berkommene philosophische Begrifflichkeit von Subjekt und Objekt, von Substanz und Gegebenem, von Bewu�tsein und seinem Gegenstand, von Ursache und Wirkung, Zeichen und Bezeichnetem bis hin zur Axiomatik zweiwertiger Logik (wahr und falsch etc.) aufl�st und verfl�ssigt. So ausgedr�ckt erscheint es als eine Philosophie, ja eine propagandistische Prophetie der Entfesselung, der Befreiung, der Emanzipation.
Das Entscheidende ist aber: Nietzsche hat nie einen Zweifel daran gelassen, in welcher Richtung er die Entfesslung aggressiver Energien zur Bem�chtigung und Aneignung von Welt organisiert sah: von oben nach unten, von den Starken gegen die Schwachen, von den Herren der Erde gegen die Sklaven, von den entfesselten Avantgarden gegen die im produktiven technisch-�konomischen R�derwerk verkleinerten Heerdenthiere, von der europ�ischen Herrenrasse gegen die Unterworfenen, vom barbarischen (germanischen) "Raubthiere" (vereint mit dem j�dischen "Banquiersadel") gegen die furchtsamen Schafe, vom barbarischen Antichrist gegen die j�disch/christliche Sklavenmoral, vom Mann gegen das Weib, vom �rztlichen Vernichter gegen die kranken Parasiten, ja —in Logik und Erkenntnistheorie- vom wissenschaftlichen Willen zur Bem�chtigung gegen die unorganische Materie und organische Welt etc. Die in seiner Darstellung benutzten Verk�rperungen und Personifizierungen der aggressiven Energien und ihrer Unterworfenen sind mehr als (nur) Mythen, Metaphern (L�we, Adler, Schlange, L�mmer), mythische, literarisch-typisierende (Heiliger, Priester), historische Personifizierungen (C�sar, Napoleon). Sie dienen als Verk�rperungen der aggressiven Energetik und Kraftentfaltung des Willens zu Macht und der zu �berwindenden "reaktiven" Hemmungen in der Vermittlung philosophischen Begreifens ("Begriffspersonen" nennen Deleuze/Guattari sie darum) und der metaphorischen Vermittlung und Erregung der Energien zugleich. Ihre gesamte Metaphorik steht im Dienst der Entfesselung gegen "unten", des "Kluftaufrei�ens", der Feinderkl�rung, der Grausamkeit, der Kriegserkl�rung bis zur Vernichtungsdrohung und —propaganda. Die Befreiung, der Wille zur Befreiung, der Wille zur Entm�chtigung in der Gegenrichtung, von von unten nach oben kommt in alldem nicht vor (auch und vor allem nicht in den von ihm mit gro�em Interesse untersuchten Beispielen der Entfesselung des Plebejers zur Macht —Typus Napoleon, Typus Stendhal/Sorel etc.-). Nietzsche erstickt den Gedanken daran in Feind- und Ha�erkl�rungen bis zu schaumerstickter Widerw�rtigkeit.
Da� sich Nietzsche damit in der Faschisierung geschichtsm�chtig machen konnte, bedarf keiner weiteren Ausf�hrungen. Seine viel weiter —und auch nach "links", was immer das hei�t- gespannte Wirkungsmacht ist in erster Linie dem emanzipatorischen Appell der Befreiungsimpulse geschuldet, die Nietzsche im Willen zur Macht auch gegen die Beschr�nkungen tradierter und reaktiver geistiger, moralischer, erkenntnistheoretischer etc. Disziplinierung richtete. Dadurch entsteht der Schein der Ideologiekritik, die allerdings in Ermangelung der M�glichkeit von "Wahrheit" ohne Grund bleibt. So bildete das Erlebnis der Befreiung und Entfesselungs aus dem "Gef�ngnis der Sprache" und der Begriffe -und das hie� vor allem: aus der Sklerose des Strukturalismus- auch den Kernimpuls der ersten Welle dankbarer franz�sischer Nietzsche-Sch�ler von Georges Bataille �ber Gilles Deleuze bis Sarah Kofman.
Hier entfaltete vor allem der Zauber seiner dichterischen und metaphorischen Kraft seine Wirkung, auf die er sich zurecht viel zugute hielt und die er systematisch einsetzte. Allzugern lie�en sie sich in Nietzsches Poesie der emanzipatorischen Selbsterregung hineinziehen. Auch viele links verortete Liebhaber ergaben sich willig dem Rausch ihrer Faszination —Bataille vergleicht seine "s�duction in�vitable" zurecht mit "alcool" und der hat ihm in der Tat geholfen, vieles gro�z�gig zu �berlesen. Der Mythos und die Metaphorik —vor allem in der Bev�lkerung der Geisteswelt mit aggressiven Tieren und ihre passiven Opfern- ist Nietzsches Medium, den Druck der aggressiven Dynamik in sich selbst zu erregen und ihr Ausdruck zu verleihen, um die suggestive erregende Energie des Willens zur Macht auf den lesenden J�nger zu �bertragen. So war es auch der Rausch der suggestiven oft mythisch gewandeten Metaphorik der Befreiung, in dem sich J�nger immer wieder leicht zu Verk�rzungs- Unterschlagungs- und Verschleierungstechniken verleiten lie�en, wenn sie nicht gar zu offenen Techniken der L�ge und der F�lschung (die Nietzsche �brigens ebenfalls als Techniken des Willens zur Macht propagiert hat) griffen.
Auch die Ambivalenzen, die die intentionale Gerichtetheit aggressiver Energien im Proze� des Willens zur Bem�chtigung und Aneignung der Welt mit sich bringen, haben ihnen das Gesch�ft erleichtert. Die Propaganda des Aufstands neuer Herren der Erde (sogar aus den Schichten der Sklaven) ist auch gegen die "Priester" als Mittelbau der aktuellen Herrschaftsstrukturen gerichtet; die Hymne auf den Mythos der barbarischen germanischen blonden Bestie verbindet sich zugleich mit verachtender Entt�uschung �ber die Stagnation des deutschen Kaiserreichs, die ihm das Herz manches franz�sischen Philosophen (wie etwa Batailles) �ffnen half; die Hasstiraden auf das Judentum, den j�disch-verlogenen S�ndenfallmythos etc. verbinden sich mit Lockrufen an den edlen j�dischen Banquier, seinen �berlegenen Gesch�ftssinn ins Herrenmenschentum des preu�ischen �ffiziers einzubringen; die Deklassierung des Herden- und Chinesentums des Maschinenlebens verbindet sich mit der Ode auf die kreative Befreiung des �bermenschen. Diese Ambivalenzen stellen keine Abmilderung dar, im Gegenteil. Sie sind dem aggressiven Charakter seiner Zukunftsprojektionen geschuldet, der oft w�tenden Entt�uschung �ber die Verz�gerungen und Hemmungen, die sich ihrer Verwirklichung entgegenstellen und sie im Stadium der "Unzeitgem��heit" festhalten. Es ist also die �bersteigerung, der �berschu� an Aggressivit�t, aus der heraus Nietzsche den Ha� auf Judentum mit der Ablehnung des plumpen Antisemitismus verbindet, antideutsche Einstellungen mit der mythischen Feier der Energien der barbarischen "blonden germanischen Bestie, die Propaganda der Vernichtung der Entarteten, Kranken und Mi�rathenen mit der Prophetie des Lebens. Hier gibt es keinen Widerspruch, aus dem sich jeder seinen Nietzsche heraussuchen k�nnte. Sch�pfung und Vernichtung geh�ren zusammen, sie sind dasselbe. "Und wer ein Sch�pfer sein will im Guten und B�sen, der mu� ein Vernichter erst sein...". Ihr gemeinsamer Grund liegt in der Dynamik des sich geschichtsm�chtig machenden Willens zu Macht als Proze� sch�pferischer Zerst�rung. Und dies ist es auch, was Nietzsche vor allem und im Grund f�r die nazistische Verwendung anbot (unter der Oberfl�che seiner einzelnen gewaltt�tigen Impulse gegen die Entarteten etc.) und was vor allem der B�umler als Herausgeber der fr�hen Kompilationen auf seinem Weg zum autoritativen Nietzscheforscher des Reichs betonte: der Nazismus war kein totalit�res System, sondern eine Bewegung, wie Franz Neumann und Hannah Arendt schon fr�h erkannten. Viele Formen der Verteidigung schrieben den Nazismus als System fest, um Nietzsches dynamische Impulse zu retten und aus dem Naziverdacht zu l�sen (ganz auff�llig bei Bataille). Ihnen ist entgegenzuhalten, da� sie gerade das nazistische Potential Nietzsches aufnahmen und in die Zukunft lancierten.
Es ist diese intentionale Gerichtetheit, die als Organisations- und Erregungsprinzip eines geistig-klimatischen Schwingungs- und Resonanzraums die aphoristische Darstellungsform nicht nur in den nachgelassenen, sondern auch den ver�ffentlichten Schriften nicht als Chaos erscheinen l��t, nicht einmal in den Vereinseitigungen und Zuspitzungen der letzten Werke und auch nicht auf der historischen Achse seiner philosophischen Entwicklung. Das ist bequem f�r den apologetischen Nutzer, denn er kann den Nietzsche der Befreiung verteidigen, ohne die mitgemeinte Vernichtung zu erw�hnen. Dies ist auch ein Grund, warum das nazistische Potential dem gesamten Text innewohnt, oder mit Derrida gesprochen, warum die nazistischen Vereinfachungen "das Gesetz ihrer M�glichkeit in der Struktur des "verbleibenden" Textes haben", wie Derrida (dazu unten). Es ist aber auch der Grund, warum seine aggressiven Impulse sich nationalsozialistisch verdichteten und geschichtsm�chtig machten, ohne da� er selbst nationalsozialistisch sein mu�te oder gar auch nur konnte. Das "Kreative" der historischen Dynamik, der Emergenz des nazistischen Nietzsche und der umschreibenden Identifizierung seiner Texte ist in den Platit�den der kausalen Verursachung, des Vergleichs, der Vereinseitigung auf einzelne Felder (wie etwa der Menschenvernichtung und der gro�en Politik) und der Zuschreibung von Schuld und Verantwortung nicht zu fassen. Schlimmer: In der barbarische Radikalit�t der Vernichtungs- und Zerst�rungsphantasien auf bestimmten Feldern gibt Nietzsche dem Willen zur Macht nur einen anderen Ausdruck als in strengeren Abhandlungen von Logik und Erkenntnis und in spielerisch-eleganten Aphorismen zur Kunst etc. Als Verwirklichungsformen desselben Willens zur Macht geh�ren sie zusammen, sind sie ineinander enthalten, korrespondieren sie miteinander und interpretieren sie sich gegenseitig. Darin liegt die Logik der schnellen thematischen �berg�nge und �bersetzungen von Feld zu Feld begr�ndet, die chaotisch erscheinen m�gen aber nichts weniger sind als das. So transportiert noch die luftigste und lieblichste Poesie die manifest protonazistischen Impulse, ohne da� sie �berhaupt benannt werden. Die heitersten und idyllischsten Passagen des Zarathustra f�hren die Grausamkeiten der Vernichtungsdrohung unabdingbar als Neben- und Subtext mit sich. Die Unterschlagung in der Nietzscherezeption zugunsten einer Verk�rzung auf den poetischen und kulturtheoretischen Nietzsche mu� sich mehr als das offene Bekenntnis den Vorwurf gefallen lassen, die nazistischen Potentiale in lieblich geschm�ckten trojanischen Pferden mitzutragen, f�r die �ffnung zum historisch richtigen Zeitpunkt.
Die Themen: Vernichtungspolitik, Klassenkrieg und gro�e �konomie, gro�e Politik, Logik und Erkenntnistheorie, und Rassismus werde ich aus den weitgespannten Feldern f�r eine kurze Darstellung herausl�sen, weil sie mir f�r das Verh�ltnis der Linken zu Nietzsche und seiner Wirkungsgeschichte besonders wichtig erscheinen.
1 Wille zur Macht in der Vernichtung der Mi�rathenen und Entarteten.
Die Vernichtungspropaganda im Eingangszitat liegt in der Logik des Willenskonzepts. Sie ist auch im H�rtegrad nicht au�ergew�hnlich und taucht im Flu� der Werke h�ufig auf. Ein Beispiel f�r die poetische Einbettung der Vernichtungspropaganda aus der Zarathustra-Phase, die manchem als eine Fr�hform des Goebbel�schen Zynismus erscheinen mag: "Rosenfest. Nacht an der Br�cke. Zarathustra gl�cklich dar�ber, da� der Kampf der St�nde vor�ber ist..."hei�t es einleitend in einem gedankenstrategischen Aufri� Regieanweisung, um fortzufahren:"... Seine Lehren waren bisher nur an die zuk�nftige Herrscher-Kaste gerichtet. Diese Herren der Erde sollen nun Gott ersetzen. Sie geben den Niedrigsten die Anwartschaft auf Gl�ck, nicht sich. Sie erl�sen die Mi�rathenen durch die Lehre vom "schnellen Tode".." Und, mehr propagandistisch: "Es bedarf einer Lehre, stark genug, um z�chtend zu wirken: st�rkend f�r die Starken, l�hmend und zerbrechend f�r die Weltm�den. Die Vernichtung der verfallenden Rassen." Und �ber das Eingangszitat hinaus unter der �berschrift "Die gro�e Politik (und damit zugleich korrespondierend mit anderen Feldern der "Gro�en Politik"): "Erster Satz: die gro�e Politik...will eine Macht schaffen, stark genug, die Menschheit als Ganzes und H�heres zu z�chten, mit schonungsloser H�rte gegen das Entartende und Parasitische am Leben...Zweiter Satz: eine Partei des Lebens schaffen..-sie macht unerbittlich mit allem Entarteten und Parasitischem ein Ende".
2 Der Wille zur Macht als Krieg gegen die Klasse.
Das "Entartungsmotiv" mag uns im �bergang zu korrespondierenden Darstellungen �ber Strategie und Propaganda des Willens zur Macht im Klassenkrieg f�hren zu: "Die Arbeiter-Frage. — Die Dummheit, im Grunde Instinkt-Entartung, welche heute die Ursache aller Dummheit ist, liegt darin, da� es eine Arbeiter-Frage giebt...Die Hoffnung ist vollkommen vor�ber, da� hier sich eine bescheidene und selbstgen�gsame Art Mensch, ein Typus Chinese zum Stande herausbilde: und dies h�tte Vernunft gehabt, dies w�re geradezu eine Nothwendigkeit gewesen. Was hat man gethan?...man hat den Arbeiter milit�rt�chtig gemacht, man hat ihm das Coalitions-Recht, das politische Stimmrecht gegeben...Will man einen Zweck, mu� man auch die Mittel wollen: will man Sklaven, so ist man ein Narr, wenn man sie zu Herrn erzieht." "...wenn man Sklaven will, -und man braucht sie!- mu� man sie nicht zu Herren erziehn", hei�t es Ende 1887 noch deutlicher in dem hier verarbeiteten Fragment.
Dies ist klare Propaganda Nietzsches im Krieg gegen die Arbeiter, an der es nichts zu umzudeuteln gibt, sie zieht sich durch Nietzsches ganzen Werk. Es sind keine oberfl�chlichen Rezepte machiavellistischer Tagespolitik. Vielmehr fundiert er sie im Kern seines Verst�ndnisses vom Willens zur Macht und vom �bermenschen. Die gewaltt�tige Logik des Klassenkriegs aus dem Willen zur Macht ist in einem Aphorismus von atemberaubender Einsicht in die technisch-�konomische Komplexit�t des Klassenkriegs wiedergegeben. Er ist grundlegend und von gro�er Bedeutung, denn er stammt aus der Mitte einer in sich geschlossenen Fragmentgruppe, die Nietzsche in der Zeit vom Herbst 1887 bis Fr�hjahr 1888 unmittelbar als Vorarbeit zum Werkprojekt "Der Wille zur Macht" konzipierte. F�r die Einsch�tzung dieser Bedeutung lohnt sich ein Blick in den Originalzusammenhang dieser Fragmentgruppe. Sie wird in den den fr�hen editorischen Kompilationen von Fragmenten unter dem Titel "Der Wille zur Macht" (wie etwa der seines Freundes Peter Gast und seiner Schwester Elisabeth) auseinandergerissen und in ihrem faschistischen Potential eher vernebelt und verharmlost.
"Die Notwendigkeit (bei N. betont) zu erweisen, da� zu einem immer �konomischeren Verbrauch von Mensch und Menschheit, zu einer immer fester ineinander verschlungenen "Maschinerie" der Interessen und Leistungen eine Gegenbewegung geh�rt. Ich bezeichne dieselbe als Ausscheidung eines Luxus-�berschusses der Menschheit: in ihr soll eine st�rkere Art, ein h�herer Typus ans Licht treten, der andere Entstehungs- und andere Erhaltungsbedingungen hat als der Durchschnitts-Mensch. Mein Begriff, mein Gleichni� f�r diesen Typus ist, wie man wei�, das Wort "�bermensch".
Auf jenem ersten Wege, der vollkommen jetzt �berschaubar ist, entsteht die Anpassung, die Abflachung, das h�here Chinesentum, die Instinkt-Bescheidenheit, die Zufriedenheit in der Verkleinerung des Menschen-eine Art Stillstand im Niveau des Menschen. Haben wir erst jene unvermeidlich bevorstehende Wirthschafts-Gesamtverwaltung der Erde, dann kann die Menschheit als Maschinerie in deren Diensten den besten Sinn finden: als ein ungeheures R�derwerk von immer kleineren, immer feiner "angepa�ten" R�dern; als ein immer wachsendes �berfl�ssig-werden aller dominirenden ubnd commandirenden Elemente; als ein Ganzes von ungeheurer Kraft, dessen einzelne Faktoren Minimal-Kr�fte, Minimal-Werthe darstellen. Im Gegensatz zu dieser Verkleinerung und Anpassung des Menschen an eine spezialisierte N�tzlichkeit bedarf es der umgekehrten Bewegung —der Erzeugung des synthetischen, des summierenden, der rechtfertigenden Menschen , f�r den jene Machinalisierung der Menschheit eine Daseins-Vorausbedingung ist, als ein Untergestell, auf dem er seine h�here Form zu sein sich erfinden kann...
Er braucht ebensosehr die Gegnerschaft der Menge, der "Nivellirten, das Distanz-Gef�hl im Vergleich zu ihnen; er steht auf ihnen, er lebt von ihnen. Diese h�here Form des Aristocratism ist die der Zukunft.-Moralisch geredet stellt jene Gesammt-Maschinerie, die Solidarit�t aller R�der, ein Maximum in der Ausbeutung des Menschen dar: aber sie setzt solche voraus, derentwegen diese Ausbeutung Sinn hat. Im anderen Falle w�re sie thats�chlich blo� die Gesammt-Verringerung, Werth-Verringerung des Typus Mensch, -ein R�ckgangs-Ph�nomen im gr��ten Stile.
-Man sieht, was ich bek�mpfe, ist der �konomische Optimismus: wie als ob mit den wachsenden Unkosten Aller auch der Nutzen Aller nothwendig wachsen m��te. Das Gegentheil scheint mir der Fall: die Unkosten Aller summiren sich zu einem Gesammt-Verlust: der Mensch wird geringer: -soda� man nicht mehr wei�, wozu �berhau�t dieser ungeheure Proze� gedient hat. Ein wozu? Ein neues "Wozu?"-das ist es, was die Menschheit n�tig hat."
Der �bermensch erfindet sich aus der Gewalt der Zurichtung der lebendigen Arbeit zu miniaturisierten lebendigen Partikeln einer produktiven Gesamtmaschinerie, die zugleich die Intensivierung des sozialen Kommandos, der Ausbeutung, des Verh�ltnisses von Elite und Masse, der techno-logischen Aneignung der Gesellschaft und der Produktivit�t in erm�glicht. Auf die psychotechnischen Strategien der Unterwerfung, die Ausstattung "mit Maschinen-Tugenden", um "ihn der unfehlbaren Maschine zu n�hern" kann ich nicht eingehen. Wichtiger ist mir der Hinweis, da� Nietzsche die notwendige (!) Herstellung der logischen Form der sozialen Maschine als Proze� sozialer unterwerfender Gewalt aus dem Willen zur Macht begreift.
3 Wille zur Macht als Erkenntnis.
Genau dieser Gedanke der Formalisierung als Proze� der Aneignung und Bem�chtigung begegnet uns wieder in seinen grunds�tzlichen �berlegungen auf dem Feld der Erkenntnistheorie. Danach sind die Axiomatik der Logik, die Werte wahr und falsch, die Ontologie, die Vorstellungen von Kausalit�t, Subjekt und Objekt, vom Bewu�tsein und Substanz bis hin zu den Definitionen des euklidischen Raums Produkt des Willens zur Macht, entwicklungsgeschichtliche Ablagerungen eines langen Prozesses der Bem�chtigung. Nicht die Kategorien der Erkenntnis stehen am Anfang, vielmehr sind sie das Produkt von "Gleichmachen", "Assimilieren", "Gleichsehen, Gleichnehmen-wollen" aus dem "Trieb der Assimilation", "�berw�ltigen" (Aktiv-Passiv) als Grund der Vorstellungen von Kr�ften, Ursache und Wirkung, die "Zahl (als) unser gro�es Mittel, uns die Welt handlich zu machen". "Substanz" ist —ebenso wie der ontologische Schein des Seienden- eine Projektion des sich bem�chtigenden "Subjekts", oder, wie Nietzsche sich verbessert, des "Th�ters". "Kampf als Herkunft der logischen Funktionen", formuliert Nietzsche �berspitzt. Mit der Formulierung des Vorangs des Handelns �ber das Erkennen, der Formalisierungsfortschritte zugleich als soziale Gewalt im Krieg gegen die Klasse und der Logik als Ausdruck der Bem�chtigung im Erkenntnisproze�, sprengt Nietzsche nicht nur radikal das Geb�ude der klassischen Erkenntnistheorie. Er wandelt die Kriterien der Rationalit�t um in Kriterien rationalisierender Gewalt, deren Paradigmen nachtr�glich zur Rationalit�t erkl�rt werden.
Der Rassebegriff Nietzsches deckt sich erkennbar nicht mit den plumpen an Substanz orientierten Rassebegriffen seiner antislawischen und antisemitischen Zeitgenossen. Er findet "Rasse" nicht in der biologischen Substanz, sondern in der Bewegung des Willens zur Macht zu h�heren Rassen, neuen Herrenrassen etc. Nietzsche mobilisiert den Rassismus zu einer Art Entwicklungsrassismus aus der Dynamik der Entfaltung der Bem�chtigungskr�fte und lanciert die Feinderkl�rungen aus der Aggressivit�t seiner gewaltt�tigen Impulse gegen die zur�ckbleibenden und blockierenden Elemente. Das macht seinen Rassismus viel giftiger und m�rderischer, verwendungsf�hig f�r die Barbareien der fordistischen Epoche. In diesem Spannungsrahmen sehe ich die Propaganda einer assimilisierenden Einschmelzung der edlen j�dischen Banquiers in die germanische Herrenrasse gegen den Judaismus und vor allem gegen die ostj�dischen Immigranten als Prop�deutik der technokratischen Str�mungen des nazistischen Rassimus.
5 Gro�e Geschichte, gro�e Politik
"Jenseits von Gut und B�se" und "Genealogie der Moral" sind die beiden Werke, in denen Nietzsche den Willen zur Macht als "Essenz der Welt" setzt und in sein Geschichtsverst�ndnis und Projekte gro�er Politik �bersetzt. Sie sind auch darum wichtig, weil franz�sische Poststrukturalisten daraus ihren eigenen "Genalogie"-begriff gefertigt haben und es auf die Differenzen und Auslassungen ankommt. Die Genealogie der Moral enth�lt keine Methode, sondern eine Entwicklungsanalyse der Mikro-, vor allem aber Makroprozesse des Willens zur Macht und zugleich Nietzsches Propaganda der sich daraus ergebenden politischen Zukunftsprojektionen und projekte, ohne die die "Methode" nicht zu denken w�re (ich denke, dass sogar seine Methode dem propagandistischen Ausdruck seines Willens zur Macht folgt und nicht umgekehrt). Nietzsche legt in der Genealogie gleich richtig los. Er nimmt eine Klage �ber die englische Herkunft des "Plebejismus des modernen Geistes" (schlechte Heerdeninstinkte) als Sprungbrett, um dann gleich bei der "�berlegenheit an Macht" der "M�chtigen", Herren", "Gebietenden" (Werthung "gut") zu landen. Er verk�rpert sie in der "blonden, n�mlich arischen Eroberer-Rasse und in ihrem Konflikt mit der unterworfenen schwarzhaarigen "vorarischen" Bev�lkerung Deutschlands und Europas, um diesen Konklikt dann gleich zur politischen Aktualit�t Europas zuzuspitzen: "vielmehr schl�gt an diesen Stellen die vorarische Bev�lkerung Deutschlands vor. (das Gleiche gilt beinahe f�r ganz Europa: im Wesentlichen hat die unterworfene Rasse schlie�lich daselbst wieder die Oberhand bekommen, in Farbe, K�rze des Sch�dels, vielleicht sogar in den intellektuellen und socialen Instinkten: wer steht uns daf�r, ob nicht die moderne Demokratie, der noch modernere Anarchismus und namentlich jener Hang zur "Commune", zur primitivsten Gesellschafts-Form, der allen Socialisten Europa's jetzt gemeinsam ist, in der Hauptsache einen ungeheuren Nachschlag zu bedeuten hat — und dass die Eroberer- und Herren-Rasse, die der Arier, auch physiologisch im Unterliegen ist?)" Die Durchsetzung der Herren-Moral bedarf von Zeit zu Zeit der "Entladung" des "Raubthiers" in den "vornehmen Rassen", ihrer "Lust am Zerst�ren, in allen Woll�sten des Siegs und der Grausamkeit", "alles zermalmend und mit Blut �bert�nchend", namentlich der "blonden germanischen Bestie", �hnlich dem Symbol dieses Kampfes "Rom gegen Jud�a", der vornehmen R�mer gegen die Juden, ein Volk "f�nften Ranges". Das Bekenntnis zum Krieg der "aktiven und aggressiven M�chte" gegen die "reaktiven" entwickelt er die genealogische Strategie der Gewalt zur Herstellung neuer Organisation von Macht und Recht: "An sich von Recht und Unrecht reden entbehrt allen Sinns, an sich kann nat�rlich ein Verletzen, Vergewaltigen, Ausbeuten, Vernichten nichts "Unrechtes" sein, sofern das Leben essentiell, n�mlich in seinen Grundfunktionen verletzend, vergewaltigend, ausbeutend, vernichtend fungiert und gar nicht gedacht werden kann ohne diesen Charakter. Man mu� sogar noch etwas Bedenklicheres eingestehn: dass, vom h�chsten biologischen Standpunkte aus, Rechtzust�nde immer nur Ausnahme-Zust�nde sein d�rfen, als theilweise Restriktionen des eigentlichen Lebenswillens, der auf Macht aus ist, und sich dessen Gesammtzwecke als Einzelmittel unterordnend: n�mlich als Mittel, gr��ere Macht-Einheiten zu schaffen." "..kurz der Tod geh�rt zu den Bedingungen des wirklichen progressus: als welcher immer in Gestalt eines Willens und Wegs zu gr��erer Macht erscheint und immer auf Unkosten zahlreicherer kleinerer M�chte durchgesetzt wird. Die Gr��e eines "Fortschritts bemi�t sich sogar nach dem Ma�e dessen, was ihm alles geopfert werden musste; die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen st�rkeren species Mensch geopfert —das w�re ein "Fortschritt"...-ich hebe diesen Hauptgesichtspunkt der historischen Methodik hervor..." In der Verfolgung dieses Hauptgesichtspunkts der "Genealogie", des starken Willens und seiner "Ja-schaffenden Gewalten des Lebens" zur Macht gegen die "Sklaven", die "Mi�rathenen", ihre Ressentiments und ihre Moral wirft sich Nietzsche schlie�lich zielstrebig zu seiner Propaganda der radikalen Herstellung neuer "Rang-Distanzen" zwischen Herren- und (machinal funktionierenden) Heerden und schlie�lich Vernichtung der Entarteten auf.
Gleichgerichtete "genealogische" Schlu�ketten f�hren in "Jenseits von Gut und B�se" zu noch konkreteren Vorschl�gen gro�er Politik. "Die Kraft zu wollen", "in Frankreich am schlimmsten erkrankt", "etwas st�rker schon in Deutschland", mu� gegen die Bedrohlichkeit Ru�lands "einen Willen (zu) bekommen, durch das Mittel einer neuen �ber Europa herrschenden Kaste, einen langen furchtbaren eigenen Willen,...damit endlich die langgesponnene Kom�die seiner Kleinstaaterei und ebenso seine dynstische wie demokratische Vielwollerei zum Abschlu� k�me. Die Zeit f�r kleine Politik ist vorbei: schon das n�chste Jahrhundert bringt den Kampf um die Erd-Herrschaft..." Es ist die Aufgabe der Philosophen, im Reiche des Logischen, Politischen, K�nstlerischen als "Befehlende und Gesetzgeber...nach der Zukunft" zu greifen..." Ihr "Erkennen ist Schaffen, ihr Schaffen ist eine Gesetzgebung, ihr Wille zur Wahrheit ist -Wille zur Macht". Auch hier wieder Wille zur Macht als handelndes Erkennen auf allen Terrains. Im "Proze� des werdenden Europ�ers" sieht Nietzsche (ich erinnere an die korrespondierenden Gedanken aus dem Arbeiter-�bermensch-Zitat) "ein n�tzliches, arbeitsames, vielfach brauchbares und anstelliges Heerdenthier-Mensch" als Bedingung f�r "Ausnahme-Menschen der gef�hrlichsten und anziehendsten Qualit�t". Unter den im folgenden angestellten �berlegungen zur Z�chtung des h�heren Typus finden wir dann auch den humorig vorgetragenen Vorschlag, man m�sse das j�dische "Genie des Geldes und der Geduld" der "erblichen Kunst des Befehlens und Gehorchens" im adligen Offizier der Mark "hinzuz�chten" —unter Absperrung gegen weitere ostj�dische Immigranten.
Nietzsche erhebt in "Zur Genealogie der Moral" und "Jenseits von Gut und B�se" historische Praxis und Propaganda der gewaltt�tigen Energien des Willens zum "Hauptpunkt der historischen Methodik". Wenn Wahrheit eine praktische Kategorie und Erkennen nur im Handeln m�glich ist, so ist dies konsequenter Ausdruck des philosophischen Ansatzes.
auf die korresponduierenden Manifestationen des Willens zur Macht auf kulturellen, k�nstlerischen, religionshistorischen, erzieherischen ("Z�chtung") Feldern kann ich hier nicht eingehen. Ich verweise auf die reichhaltige Literatur.
Wenn Nietzsche die Formen, in denen der Wille zur Macht seinen Ausdruck sucht, bis in Rationalit�tsparadigmen und formale Logik hinein historisiert, welche Bewegungslinien beschreibt dann ihre historische Entwicklung? Dynamik, Wachstum, Werden, Radikalisierung, Differenzierung sind Grundvorstellungen, die immer wiederkehren. Sie vollziehen sich nicht in linearen Entwicklungen, sondern �ber Um- und Durchbr�che, die die Stagnation der Widerst�nde, Hemmungen, reaktiven Blockierungen und Verfestigungen �berwinden. Auf Nietzsches zyklische Vorstellungen kann ich hier nicht eingehen. Wichtiger ist an dieser Stelle, da� er sich nicht auf Ideen-, Geistes- und Kulturgeschichte beschr�nkt, auch nicht auf die Mikrobewegungen der Macht in der Entwicklung dressierender Disziplinarnetze, wie Foucault sie analysiert hat. Nietzsche sieht sie eingebettet in eine komplexe Dynamik des Willens zur Macht, die sich gleicherma�en in Makrobewegungen der Z�chtung von Rasse neuer Eliten (den guten Europ�ern und Herren der Erde) im Kontext technologischer Unterwerfung, sozialer Rationalisierung, Steigerung von sozialer Macht und Produktivit�t gegen sozialen Widerstand und Revolution der Ausgebeuteten verwirklicht. Daher kommt dem oben vollstandig wiedergegebenen Fragment, das die Entfesselung des �bermenschen auch in diesen Dimensionen verortet, wegen seines weitgespannten Bezugsrahmens eine zentrale Bedeutung zu.
Nietzsche ein Analytiker der politischen Okonomie? Max Weber hat er auch von dieser Seite her beeinflu�t. Das thematische Schwergewicht von Psychologie, Biologie, Religion, Kultur in Nietzsches Werk spricht nicht dagegen, eher daf�r. Denn der Umbruch, in den Nietzsche seine Wirkung einschrieb und entfaltete, zielte auf den radikalen Zugriff produktiver Erschlie�ung in neue soziale, psychische, kulturelle, verhaltensorganisatorische Dimensionen und ihre Verwandlung in "Human-" "Sozial-", "Kulturkapital" etc. In meinem Aufsatz zum Sloterdijk-Skandal habe ich Nietzsche als radikalen Impulsgeber f�r die Offensive des fordistisch-tayloristischen Umbruchs und den deutschen Griff nach der Weltmacht umri�artig beschrieben und an Max Weber, Moellendorff, Walther Rathenau als nietzscheanische Prototypen seiner Avantgarde exemplarisch skizziert. Besonders an dem gro�en kapitalistischen �konomen Josef Schumpeter, der im Konzept der "sch�pferischen Zerst�rung" die Aggressivit�t unternehmerischer Avantgarden (nicht Manager!) als Kr�fte wirtschaftlicher Entwicklung beschreibend propagiert hat. Wenn man Nietzsches Wirkungsgeschichte bis in den Nationalsozialismus und den aktuellen postmodernen Aufbruch begreifen will, dann nur �ber die komplexe Bedeutung und Spannweite des "Willens zur Bem�chtigung". Jede Vereinseitigung und Verk�rzung dieser Komplexit�t mu� sich auf den philosophiepolitischen und strategischen Sinn ihrer Nietzschenutzung befragen lassen. Wird die Aggressivit�t in Klassenkrieg und Vernichtungsdrohungen gegen die Entarteten unterschlagen? Werden die �konomischen Dimensionen der sch�pferischen Zerst�rung unterschlagen? Vor allem aber: wie wird die Befreiung von unten gegen den Willen zur Bem�chtigung von oben zur Geltung gebracht, wo wird sie einfach unsichtbar gemacht und was bedeutet das? Denn dies, vor allem dies ist die Nagelprobe und Bedingung f�r eine linke Nietzscherezeption. Da� Nietzsche die Befreiung und Entfesselung der Vergewaltiger, der Bem�chtiger, der kreativen Zerst�rer und sch�pferischen Vernichter und die Mikrophysik der Gewalt im Willen zur Macht beschrieben und besungen hat wie kein zweiter -und das schlie�t den Klassenkrieg von oben ein- und da� er damit seine Verwendungsf�higkeit bis in den postmodernen Umbruch gesichert hat, das steht au�er Zweifel. Und noch eine weitere, damit zusammenh�ngende Frage: Wenn alles bis in Wissenschaft —und das hei�t bis in die Nietzscherezeption hinein- Feld und Ausdruck des Willens zur Macht ist: wie gehst du mit dem methodologischen Erfordernis der Selbstreferenz oder Selbstinklusion um? Genauer: welchen Willen verwirklichst Du? Den Willen zur Macht von oben oder den Willen zur Befreiung von unten? Nietzsche hat klar gemacht: er will Herr sein und im Ecce Homo: "Ich bin der erste Immoralist: damit bin ich der Vernichter par excellence". Nietzsche ist erhrlich, er hat seine Position im Krieg gew�hlt. Und Du, Nietzsche-Rezpient? Stehst Du dagegen, folgst Du Nietzsche offen, klammheimlich oder stillschweigend?
...unterst�tzt von linken F�lschungen...
Dies ist eine Antwort auf Thomas Seibert. Er greift in aka analyse und kritik Nr. 445 meine Ausf�hrungen zu Nietzsche in dem zitierten Aufsatz �ber Sloterdijk an.
Seibert beginnt mit einer faustdicken L�ge: "Aus diesem Nachla� haben die Faschisten das vorgebliche "Hauptwerk" "Der Wille zur Macht" kompiliert. Hieraus hat sich auch Hartmann bedient und das Fragment zur Wirtschafts-Gesamtverwaltung der Erde" gefunden, auf das er sich st�tzt."
Seibert sagt nicht, welche er meint. Er wei�: meine Zitierweise bezieht sich auf dieselbe Edition, aus der auch er zitiert, die von Colli und Montinari herausgegebene "Kritische Gesamtausgabe". Sie bildet die Basis, aus der beide sp�ter die von Seibert (und auch hier) benutzte KSA f�r den Studiengebrauch zurechtgeschnitten haben -unter ausdr�cklicher Kenntlichmachung der editorischen Rangordnung in jedem Band. Ich habe das Original genommen, Seibert die KSA. Warum l�gt Seibert seine Leser an? Um mich besser abhandeln zu k�nnen als einen plumpen Antifaschisten? Nein, mehr noch -einfl�sternd: als einen geistigen Komplizen faschistischer Nietzschef�lschung? Einen, der nicht nur verblendet und gepr�gt durch die faschistische Editionspraxis, sondern als jemand, der sich ihrer bewu�t "bedient" -damit selbst als eine Art Fotonegativ dem Faschismus verhaftet, und dies gar vielleicht als Angeh�riger des bolschewistischen Lagers? (das UZ-Leitdiktat spricht eine deutliche Sprache). Linke und Rechte in einen Topf? Erkennbar verfolgt Seibert eine an Nolte erinnernde Strategie von beachtlicher B�sartigkeit.
Wenns das allein w�re, ich h�tte mir vielleicht einen m�den Kommentar abgerungen. Aber die L�ge hat offenbar die Funktion, das Terrain f�r die Unterschlagung vorzubereiten. Und die wiegt weit schwerer. Sie zielt auf einen zentralen Punkt. Seibert unterschl�gt kurzer Hand den ersten und den dritten Absatz des Maschinerie-Zitats. Ziel: eine inhaltlichen F�lschung und Sinnumkehr um 180 Grad. Denn gerade in diesen Abs�tzen fundiert Nietzsche seine sehr elaborierten strategischen Vorstellungen zum Krieg gegen die Unterklassen philosophisch als Ausdruck seines zentralen �bermenschkonzepts. Der philosophie- und sozialstrategische Sinn der Ausbeutung, Werth-Verringerung der Arbeitsbev�lkerung liegt in der Zurichtung zur Basis als "Untergestell" f�r die Entwicklung des h�heren Typus des "�bermenschen". Ohne ihn bliebe nur die Werth-Verringerung der Rationalisierung, der �konomische Optimismus w�re in Nietzsches Augen sinnlos und unangebracht. Nietzsche fragt also nicht, wie Seibert es ihm in den Mund legt: "Gesetzt den Fall, die (die Einpassung der Subjekte im Industrialisierungsproze�) ist nicht zu verhindern —was bleibt zu tun?" Er sagt zur Produktion des Chinesentypus im Krieg gegen die Klasse: wieso verhindern, sie ist notwendig "als Untergestell" f�r die "Erzeugung" des "h�heren Typus". Das ist solide politisch-�konomische Strategie aus der Herrenperspektive. Seibert kehrt durch seine Manipulation den Sinn einfach um. Zugunsten der Strategien bem�chtigender Unterwerfung mit dem Ziel der Erzeugung des "h�heren Typus", des "�bermenschen"? Um eine linke Leserschaft nietzschereif zu machen und ihr den �bergang auf die andere Seite der Macht zu ebnen? Denn eins war ihm klar: vor einer linken Leserschaft einer linken Zeitschrift h�tte sein Bekenntnis zu Nietzsche angesichts derart radikaler Kriegsrhetorik gegen die Klasse wenig Chancen. Wie man Fragmente liest, so textet Seibert oberlehrerhaft: Na vollst�ndig meine ich.
Und das bringt mich zum Hauptpunkt: Nietzsche selber lesen, ohne franz�sischen Filter und die Garnierungen hiesiger Berufsphilosophen, pur. Wer Interesse f�r Nietzsche hat, sollte sich seinen Schriften schon aussetzen. Es ist �tzend, aber kaum zu vermeiden. Denn nach einer kurzen postmodernen �bergangsphase nimmt seine Rezeption hierzulande wieder erste Verf�rbungen an, die sich schon einmal ins br�unliche get�nt haben.
Der Versuch, Nietzsche links-kompatibel zu machen, kommt um eine manipulative Bearbeitung des Begriffs des "Willens zur Macht" nicht herum. "Nietzsches selbst" soll es sein, wenn Seibert seine Absichten zu einer "Strategie der Ideologiekritik" verw�ssert, die dieser Genealogie nenne und in der "Genealogie der Moral" entwickelt habe. Mit dem Ziel, "zuallererst...die methodische M�glichkeit herzustellen, aufgekl�rt um Wahrheit zu k�mpfen". Kampf um Wahrheit? F�r Nietzsche gibt es keine Wahrheit. Diese Behauptung verdient ein wahrhaft nietzscheanisches Gel�chter. Wille zu Macht als Triebkraft der geschichtlichen Bewegung und damit auch der Ausrichtung der Geschichtsschreibung (auch der Nietzsches selbst) ist praktisch bis zum blutigen Krieg. Kritisch ist Nietzsche im Gegenteil gegen�ber jedem Anspruch auf "Wahrheit". Die gilt vor allem gegen�ber tradierten Wahrheiten �ber das Ich und das Sein, �ber Demokratie, Sozialismus, christlich-j�dische Moral der Schwachen geht usw. und vor allem �ber den Begriff der Wahrheit selbst. "Hauptgesichtspunkt der historischen Methodik" der "Genealogie" sucht unerbittlich "das Opfer der Schwachen zugunsten des einzelnen Starken". Er stellt weder eine Ideologiekritik dar, noch ist weder eine Ideologiekritik, noch wird er ihr unterworfen.
Da es nun also nichts mit "Nietzsche selbst" ist, sucht Seibert den Beistand angeblich "linksnietzscheanischer" Helfer aus der franz�sischen Philosophie, darunter Derrida und Foucault. Foucault hat 1971 unter dem Titel "Nietzsche, die Genealogie, die Historie" einen Essay zu Nietzsches Geschichtsverst�ndnis ver�ffentlicht. Auf den beruft sich Seibert. Aber Foucault folgt Nietzsche darin gar nicht. Er macht genau das, was er 1975 im Gespr�ch mit Brochier zu seiner Nietzsche-Rezeption gesagt hat: er benutzt ihn. "Die einzige Anerkennung, die man einem Denken wie dem Nietzsches bezeugen kann, besteht darin, da� man es benutzt, verzerrt, mi�handelt und es zum Schreien bringt. Ob einem die Kommentatoren Treue best�tigen oder nicht, ist v�llig uninteressant." Foucault lernt von Nietzsche, die unter dem tradierten Geschichtsverst�ndnis und seiner Methodik die Bewegungen und Strategien des Willens zur Macht freilegen. Er verk�rzt sie keineswegs auf Ideologiekritik, er sieht die Kampfperspektive Nietzsches klar: "Der historische Sinn, wie ihn Nietzsche versteht, wei�, da� er perspektivisch ist, und lehnt das System seiner eigenen Ungerechtigkeit nicht ab." Bei allem Dank an Nietzsches "Monstr�sit�t" f�r die Ersch�tterung des dialektischen Universums, Foucault �bernimmt nicht Nietzsches Perspektive, nicht seine Ungerechtigkeiten, seine Feinderkl�rungen von oben, im Klassenkrieg, im Geschlechterkrieg, im Vernichtungskrieg gegen die Mi�rathenen. Auch er beschr�nkt sich nicht aus Ideologiekritik. Wie Nietzsche ergreift er Partei im Krieg: gegen Nietzsches Perspektive von oben, f�r die Perspektive von unten, inspiriert vom Pariser Mai '68. Schon fr�h konzentriert er sich auf die Felder von Psychiatrie, Medizin und Knast und stellt sich auf die Seite der Gefangenen, der Patienten. Mehr noch: er macht die Perspektive von unten zum Ausgangspunkt eines Gegen-Diskurses, eines Diskurses der Befreiung gegen den im Disziplinarnetz der kapitalistischen Gesellschaft wirkenden Willen zur Bem�chtigung, Zurichtung, "Beschlagnahme", wie er es auch nennt. "Und als die Gefangenen das Wort ergriffen, da hatten sie selber eine Theorie �ber das Gef�ngnis, �ber den Strafvollzug, �ber die Justiz. Dieser Diskurs gegen die Gewalt, dieser Gegen-Diskurs, der von den Gefangenen oder den sogenannten Delinquenten gehalten wird, der ist das entscheidende, und nicht eine Theorie �ber die Delinquenz." Die Aufgabe der Intellektuellen sieht er darin, sich von ihrem Ort auf diese K�mpfe zu beziehen, unterst�tzend, direkt und durch die Subversion des Wissens. Foucault versucht, dies aus der "Groupe d'Information zur les Prisons" zu organisieren. Auch wenn diese Initiativen —nicht zuletzt in der Entwicklung seiner Lehrt�tigkeit am prestigetr�chtigen Coll�ge de France" erlahmen: "�berwachen und Strafen" (1975) ist als "Genealogie" in den Strategien des Willens zur Macht, der sozialen Schlacht zur Bem�chtigung, zur disziplinierenden Durchdringung und Nutzbarmachung analysiert. Nicht in der Propaganda und Feinderkl�rung von oben, wie bei Nietzsche, sondern immer eindeutig f�r die Befreiung von unten gegen den Willen zur Macht und Gewalt von oben. So liegt sein Gegensatz zu Nietzsche nicht im Begriff der Macht, sondern in der Wahl der Befreiungs- und Widerstandsperspektive gegen die von Nietzsche gew�hlte Perspektive des Willens zur Unterwerfung. Es ist diese Perspektive, die ihn zum Linken macht und nicht die Schulung an Nietzsches Machtbegriff. Ihn als "Linksnietzscheaner" zu bezeichnen, verf�lscht die Gegnerschaft in den Perspektiven und ebnet sie unzul�ssig ein. "Gegennietzscheaner" w�re richtiger: einer, der sich nur an Nietzsches Begriff der Macht geschult hat und ihn daf�r Respekt erweist. Die gegens�tzliche Positionierung auf einander widersprechenden Seiten der Schlacht und des sozialen Kriegs ist f�r Foucault nicht etwa beil�ufig, der Gegensatz des Zugangs zur Welt ist fundamental und konstitutiv. So wie dies schon im "Gegen-Diskurs"-Zitat angelegt ist, definiert Foucault noch kurz vor seinem Tod den Widerstand von unten im Antagonismus als notwendigen Ausgangspunkt der Genealogie. "It consists of taking the forms of resistance against different forms of power as starting point...it consists of analyzing power relations through the antagonism of strategies." Deleuze hat diese konstitutive Bedeutung des Widerstands f�r Foucault erkannt: "Mehr noch, das letzte Wort der Macht lautet, da� der Widerstand prim�r ist...". Nicht der Wille zur Bem�chtigung von oben erschafft die Welt, sondern der Widerstand im Kampf um Befreiung. Deleuze bezieht sich dabei auf Mario Tronti, der den Arbeiterwiderstand als den Kapitalstrategien vorausgehend betrachtet.
Von da aus subtile Differenzen: wo Seibert uns unter Berufung auf Foucault in den Kampf zwingen will "gegen all das, was den Menschen an sich selber fesselt und dadurch anderen unterwirft", d.h. in die Prozedur introspektiver Reinigungen, sagt Foucault das Gegenteil: Im Kampf gegen die Strategien der Macht liegt auch die Befreiung von den Macht-Anteilen in den Menschen selbst. Es ersteunt dann kaum noch, wenn Seibert zu guter Letzt Nietzsche via Foucault in der Logik dieser Umf�lschungen einen zahnlosen �bermenschen andichtet, der "die Freundschaft anderer sucht", "ein der Anerkennung durch die gesellschaftliche Mehrheit unbed�rftiger". Ger�hrt und ergriffen folgen wir ihm dann schlie�lich zu einem Nietzsche, dem es darum geht, die "Freiheit des "Anderen" zu behaupten,...als "Weigerung, sich subordinieren zu lassen, gebunden an die Weigerung, andere sich zu subordinieren." Slime.
Das alles ist glatter Hohn. Getoppt noch durch die Unverfrorenheit, auch Jacques Derrida unter das Etikett der "Nietzscheanischen Linken" oder des "Linksnietzscheanismus" zu zerren. Derrida hat sich zwar an dem Diskurs beteiligt, der die Nietzsche-Rezeption zum Ausbruch aus dem strukturalistischen und logozentristischen Gef�ngnis nutzte (und hier ist in erster Linie auch Bataille und Deleuze einzuordnen). Aber er war es, der das nazistische Potential Nietzsches beschwor, wie kaum ein anderer Dekonstruktivist. Ausger�stet mit einem unbestechlichen Gesp�r f�r die Komplexit�t von Geschichtlichkeit, h�lt er sich (�hnlich wie Fischer) nicht mit plumpen Fragen nach dem faschistischen Absichten, Charakter und Verantwortung von Nietzsches Schriften auf, ganz zu schweigen vom unhistorisch vergleichenden Blick auf �bereinstimmungen und Abweichungen. In der Tat ist, wie Derrida klar ist und auch Fischer betont, die Frage nach der Vergleichbarkeit einer fr�hen Formierungsphase unzeitgem��er und in voller Absicht zukunftsgerichteter Impulse mit dem sich vollendenden Nazismus absurd. So geht es Derrida auch um ihr Erschlie�ungspotential, um die in ihnen angelegten M�glichkeiten, Wege in den Nazismus zu er�ffnen oder sich einer solchen Er�ffnung anzubieten. Auch Derrida fa�t "Nietzsche von der Szene des "Ecce Homo" her, dieser Durchdringung von Denken und Person, in der er "seinen K�rper und seinen Namen" durch die Politik der Masken hindurch ins Spiel bringt: "der Umweg �ber Ecce Homo wird uns auf paradoxe und geduldige Weise zum Protokoll dienen...Ich warne Sie gleich: diese Protokolle werde ich nicht deshalb vervielf�ltigen, um Peinliches an diesem Text zu dissimulieren, um seinen "Autor" von "Schuld" freizusprechen und um zu neutralisieren oder zu entsch�rfen, was eine demokratische P�dagogik oder eine "linke" Politik an ihm beunruhigen kann. Noch auch, was den finsteren Losungen des Nationalsozialismus als eine "Sprache" hat dienen k�nnen. An dieser Stelle ist im Gegenteil die gr��te Indezenz geboten. Man wird sich sogar fragen, warum es nicht gen�gt, zu sagen, da� "Nietzsche das nicht gedacht hat", "nicht gewollt hat", "es sogar ausgekotzt h�tte" und da� Erbf�lschung und interpretatorische Mystifikation vorliegen; man wird sich fragen, warum und wie dasjenige m�glich war, was so naiv eine F�lschung hei�t (sie gelang nicht mit allem und mit jedem), warum und wie "dieselben" W�rter und "dieselben" Aussagen, falls es dieselben sind, mehrfach und in Sinnen und Kontexten verwendbar sind, die angeblich verschieden, ja unvereinbar sein sollen; man wird sich fragen, warum die einzige Unterrichtssituation, der einzige Beginn einer Unterrichtssituation, der sich je auf Lehre oder Unterricht Nietzsches �ber den Unterricht berufen konnte, nazistisch war." "..es (kann) nicht v�llig zuf�llig sein, da� der Diskurs, der in der Gesellschaft und nach b�rgerlichen und verlegerischen Normen seinen Namen tr�gt, den Naziideologen zur legitimierenden Referenz gedient hat...Die Zukunft des Textes Nietzsche ist nicht abgeschlossen. Aber wenn in den noch offenen Umrissen einer Epoche die einzige nietzscheanisch genannte (sogenannte) Politik eine Nazi-Politik gewesen ist, ist das notwendig signifikant und mu� in seiner ganzen Tragweite befragt werden....Kurzum: hat die gro�e Politik Nietzsches in ihrer Glut nur lange hingehalten oder ist sie jenseits eines Erdbebens, von dem Nationalsozialismus und Faschismus nur Episoden gewesen w�ren, erst im Kommen?" und dann l��t Derrida aus "Ecce Homo" Nietzsche zu seinem Verst�ndnis von "gro�er Politik" zur Sprache kommen: "...es wird Kriege geben, wie es noch keine auf Erden gegeben hat. Erst von mir an gibt es auf Erden gro�e Politik". Und er bemerkt dazu: "Die Interpretationen werden keine hermeneutischen oder exegetischen Lekt�ren sein, sondern politische Eingriffe in die politische Umschrift des Textes und seiner Bestimmung/Adresse".
Obwohl Derrida eine systematische Nietzsche-Kritik bisher nicht vorgelegt hat so sucht er doch in "Politiques de l'amiti�" zielsicher den politischen Kern von Nietzsches Energetik auf, ohne sich mit seinen barbarischen Oberfl�chenausdruck aufzuhalten: Die elementare Politik des Gegensatzes Freund/Feind und der Feindschaft, des Hasses, der Feindseligkeit, des Krieges als generative Kraft in der Konstitution des Selbst. Er verfolgt seine Wirkungsgeschichte direkt und ohne Umwege in die nazistische Systematik der Feinderkl�rung bei Carl Schmitt. Hier trifft er sich —ohne sie zu nennen- mit Hannah Arendt, wenn sie die Feinderkl�rung gegen die Juden, gegen die entrechteten Fl�chtlinge zum Kern der Konstitution nazistischer Identit�t und des nazistischen Selbst erkl�rt. Derrida sagt es nicht, aber seine Auseinandersetzung mit Rassismus (bei Heidegger und sogar bei Husserl) und seine Parteinahme f�r die sans-papiers machen deutlich, wie aktuell er die Frage sieht.
Derrida steht in der Linie der vielen, die (wie auch ich) mit den von Seibert benutzten Lager-Schablonen Nolte'scher Observanz nichts zu tun haben. Wer Nietzsches nazistische Potentiale unterhalb der barbarischen Propaganda in der philosophischen Struktur aufsp�ren will, sollte sich aufkl�ren lassen von Emmanuel Levinas �ber seinen rassistischen Universalismus, von Kurt Rudolf Fischer �ber die philosophiepolitische Er�ffnung faschistischer M�glichkeitsr�ume, von Uriel Tal und George Lichtheim �ber seinen antichristlichen Antisemitismus. Aus ihnen kann man kritische Perspektiven gewinnen, um die Nutzung Nietzsches auf dem Weg auch der ehemals linken Avantgarden nach rechts besser beurteilen zu lernen (auch der italienischen �brigens, zu denen fr�h Cacciari, Colli, Montinari, Vattimo ge�rten und jetzt auch Negri)
...im Dienst am kapitalistischen Umbruch
Warum l�gt Seibert, warum unterschl�gt er, f�lscht er um, sogar seine eigenen Eideshelfer? Nach seinen "pers�nlichen" Motiven zu fragen, ist unsinnig. Der Machtwille, den er mit seinem Bem�hen bedient, Nietzsche in die deutsche Linke zu tragen, wird nicht aus dem philosophischen Diskurs selbst sichtbar (hier wird er eher verschleiert), sondern nur aus dem historischen Kontext. Wir bewegen uns in einem politisch-�konomischen Umbruch zu einer Neuformierung der Strategien der Macht. Ihre Kr�fte deregulieren nicht nur die alten Machtformen, sie greifen mit wachsender Aggressivit�t in die Tiefe der sozialen, biologischen, kulturellen Dimensionen, um neue produktive Ressourcen zu erschlie�en und in Human-, Bio-, Sozialkapital etc. zu verwandeln. Dieser Take-off in einen neuen gro�en Zyklus wertsch�pfender Unterwerfung ("lange Welle" Kondratievs Terminologie) ist daher auch der historisch-materialistische Kontext, in den ein neuer "Wille zur Macht" diskurstechnisch einge�bt und eingeschrieben wird und f�r den Nietzsches barbarische Bem�chtigungspropaganda umgeschrieben und erschlossen wird. Hierzu mu� ich auf meine Artikel zu Sloterdijk verweisen.
F�r eine historisch-materialistische Herangehensweise an diesen Kontext ist, wie wir von Marx wissen, der immanent-philosophische Ansatz absurd. Die Diskursebene spielt vielmehr eine spezifische philosophiepolitische Rolle in diesem Aufr�stungsproze�: auf ihr formuliert der neue Wille zur Macht seine �bergreifenden "geistigen" Synthesen, Paradigmata, Selbstvorstellungen, Werte. Auf ihr generiert er ihre spezifischen aggressiven Potentiale in Erg�nzung zu den �brigen innovativen Energien sch�pferischer Zerst�rung. Der geschichtsverarbeitenden Erschlie�ung historischer Kr�fte und Energien aus Diskursen fr�herer Umbruchsphasen kommt dabei eine gro�e Bedeutung zu. Hier hat Nietzsche immer eine hervorragende Rolle gespielt. Dies ist auch der Sinn der Wiederbelebung von Nietzsches Willen zur Macht, f�r den Seibert auch das linke Terrain aufzuschlie�en versucht.
Folgerichtig entsch�rft Seibert auch Foucault um die entscheide Perspektive des Kampfs von unten, der Befreiung von und gegen die Strategien des Willens zur Macht. Pr�ziser noch: er schw�rzt damit die Bedeutung von Foucaults Beitr�gen in den 7oer Jahren zum Befreiungskampf von unten aus. Und er tut dies gerade in einem Moment, in dem die Ausmerzung aller lebendigen Befreiungsimpulse einer breitgef�cherten Revolte nach 68 zum Ziel eines veritablen Kulturkampfs um das Geschichtsbild dieser Zeit systematisch betrieben wird. Ihre Erinnerung wird getilgt, nicht etwa weil die korrumpierten, ins private Leben zur�ckgeschleusten oder noch aktiven 68er Akteure f�r den sich entfesselnden Bem�chtigungszyklus gef�hrlich w�ren, sondern weil der gef�hrliche Duft der Befreiungsimpulse und die Erinnerung an ihre Kampfformen und —erfahrungen zu toter Geschichte abget�tet werden soll. Ist es das, was Seibert umtreibt, wenn er den Foucault der 70er Jahre entsorgt und zugleich die Linke im Bild einer "dissidenten Minderheit ohne weitere gesellschaftliche Relevanz" verh�hnt, anstatt sie aufzufordern, Foucaults subversives Wissen im Kampf, in der Unterst�tzung des Kampfs gegen die neuen Disziplinar-, Aussonderungs-, "Beschlagnahme"-strategien zu erschlie�en?
Seiberts Versuch, Nietzsche in seinem trojanischen Pferd in die Linke zu tragen und dort diskursf�hig zu machen, mu� jetzt noch mit verh�ltnism��ig vorsichtigen Diskursstrategien operieren, die die Empfindlichkeiten der Linken in Rechnung stellen. Sie komplementiert darin weit aggressivere Formen der Erschlie�ung Nietzsches f�r einen neuen Zyklus der Gewalt, wie ich sie in den Aufs�tzen zu Sloterdijk und den Nietzsche-Geburtstagsfeiern umrissen habe. Eine von ihnen, ich habe sie dort nicht behandelt, betreibt eine neue "Soziologie der Gewalt", die die Produktivit�t der Gewalt f�r den Modernisierungs- und Innovationsproze� thematisiert und zugleich propagiert. Peter Waldmann, Hans Joas oder Trutz von Trotha etwa sind herausragende Protagonisten, die inzwischen auch die Produktivit�t der neuen Kriege diagnostisch erschie�en. Trotha ist in unserem Kontext nicht ohne Interesse. Er sieht die Gewaltsamkeit der blutigen afrikanischen Kriege als Medium der Modernisierung zu neuen sozialen und �konomischen Strategien: "Wagnis und Bewegung, das Experiment und die Erfindung neuer Formen politischer Herrschaft -unter Einschlu� neuer Kooperationsformen mit NGOs.
Seiberts Versuch, Nietzsche in seinem trojanischen Pferd in die Linke zu tragen und dort diskursf�hig zu machen, fordert uns zu beidem auf: die Perspektive der Befreiung gegen die politische �konomie des neuen Willens zur Unterwerfung im Kampf gegen seine technologisch-sozialen Strategien praktisch zur�ckzugewinnen und darin die Politik der Philosophie wieder aus dem historisch-materialistischen Kontext wertsch�pfender Gewalt zu begreifen, anstatt uns in den Schein philosophischer Immanenz einspinnen zu lassen.