Entnommen aus
Ernst Lohoff & Norbert Trenkle (Gruppe Krisis):
Die Große Entwertung
Warum Spekulation und Staatsverschuldung nicht die Ursache der Krise sind
UNRAST-Verlag ISBN 978-3-89771-495-3
(3/2012)
Diese Gesellschaft ist zu reich für den Kapitalismus!
Zwei scheinbar unvers�hnliche Positionen bestimmen den politischen Streit um den richtigen Umgang mit der Krise. W�hrend die einen die Geldschleusen noch weiter �ffnen und neue Konjunkturprogramme auflegen wollen, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, vertreten die anderen einen strikten Sparkurs. Beide Seiten behaupten, mit ihrem Konzept k�nne die Krise �berwunden und die kapitalistische Produktionsweise wieder auf eine solide Grundlage gestellt werden. Man k�nnte meinen, da werde eben nur noch einmal der alte Richtungsstreit zwischen Liberalen und Keynesianern ausgefochten - wie so oft im vergangenen Jahrhundert. Doch wo das Bezugssystem dieses Streits auseinanderbricht, weil die Krise die Grundlagen der kapitalistischen Reichtumsproduktion unwiderruflich untergr�bt, ger�t er zu einer gespenstischen Farce. Die Protagonisten freilich nehmen dies nicht wahr oder verdr�ngen es erfolgreich. Unverdrossen f�hren sie das alte St�ck auf, w�hrend die B�hne unter ihren F��en immer morscher wird. Dennoch bleibt die Auseinandersetzung nicht folgenlos. Denn auch wenn beide Konzepte nicht zur Krisenl�sung taugen, pr�gen sie doch den Charakter die Krisenverwaltung und damit auch die konkreten Auswirkungen der Krise auf die Gesellschaft.
In Deutschland erfreut sich traditionell die Sparpolitik besonderer Beliebtheit. Die Gesellschaft, so t�nt es hier auf allen Kan�len, habe �auf Kosten der Zukunft gelebt�, daher m�sse nun gespart werden. Als Symbolfigur daf�r gilt die �schw�bische Hausfrau�, die als Inbegriff althergebrachter Solidit�t gepriesen und zum �Modell f�r das Wirtschaften in der Welt� (Angela Merkel in der FAZ vom 14.1.2009) erkl�rt wird. Sogar Deutsche Bank-Chef Ackermann, bei dem man die Vorliebe f�r solche Gediegenheit kaum vermutet h�tte, sieht die Ursachen der Krise in der �Verschuldungsmentalit�t in Teilen der Gesellschaft� und fordert, �der Wirtschaft t�te es gut, ein bisschen mehr 'schw�bische Hausfrau' zu sein� (Tagesspiegel 28.5.2010). Auf der linken Seite des politischen Spektrums regt sich zwar Kritik an der Sparpolitik, aber die richtet sich nur gegen ihre Ausrichtung: Es werde am falschen Ort, an den sozial Schwachen gespart; Sparen sei selbstverst�ndlich notwendig, solle aber �gerecht� erfolgen.
Eing�ngig ist das Bild von der �schw�bischen Hausfrau� nicht nur deshalb, weil es sich mit der beschr�nkten Erfahrung des Alltagsverstandes begn�gt und den Standpunkt eines ideallsierten Privathaushalts auf die Volkswirtschaft �bertr�gt; vielmehr wird damit zugleich auch die g�ngige Vorstellung transportiert, die �Marktwirtschaft� sei dem Prinzip der �G�terproduktion� verpflichtet und das Geld stelle seinem Wesen nach nichts anderes dar als ein pfiffiges Mittel zur Vermittlung von Tauschtransaktionen. In diesem Raster erscheint das Kreditgeben als blo�e Variante des allt�glichen Verleihens von stofflichen Dingen, etwa so wie das Ausborgen eines Sacks Kartoffeln an den Nachbarn. Das ist insofern logisch, als ja in dieser Sicht auch das Geld nur als ein einfaches Ding erscheint, als Werkzeug f�r die Bew�ltigung des Austauschs. Dabei wird freilich ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Verleihen von Dingen und dem Kredit �bersehen. Ersteres k�nnen wir als eine Form von Umverteilung stofflichen Reichtums auf Zeit beschreiben: Person A hat z.B. einen �berschuss von Kartoffeln und leiht Person B, die gerade unter Nahrungsmangel leidet, einen Sack davon und B verspricht, ihn zu einem sp�teren Zeitpunkt zur�claugeben. Ingesamt betrachtet handelt es sich um ein Nullsummenspiel. Einer gibt, der andere nimmt, der vorhandene stoffliche Reichtum bleibt davon aber unber�hrt. Der Verleiher verzichtet auf den Konsum des betreffenden Gutes, w�hrend der Borger sich eben dieses zu Gem�te f�hren kann. Gibt der Borger das Gut sp�ter zur�ck, muss er Konsumverzicht leisten oder l�nger arbeiten, damit er einen �berschuss produziert, w�hrend der Verleiher nun prassen oder seine aktuelle Produktion herunterfahren kann. Kann der Borger das Gut jedoch nicht zur�ckgeben, etwa weil seine Ernte st�ndig schlecht ausf�llt, hat der Verleiher das Nachsehen. Er hat auf den Konsum verzichtet und kann diesen auch nicht nachholen.
Die Kreditbeziehung in der kapitalistischen Gesellschaft aber folgt einer ganz anderen Logik. Zwar entspricht jeder Schuldforderung logischerweise immer eine Verpflichtung in gleicher H�he; das kann gar nicht anders sein, denn schlie�lich handelt es sich ja um eine Kreditbeziehung zwischen zwei Personen oder Institutionen. Doch hier endet auch schon die Analogie zum blo�en Verleihen und Borgen. Denn die Kreditbeziehung stellt gerade kein Nullsummenspiel dar, sie ist keine Umvertellung vorhandenen Reichtums, sondern eine Form des Zugriffs auf zuk�nftigen abstrakten Reichtum. Damit geht einher, dass der Kreditgeber keinesfalls auf den Gebrauchswert des Geldes verzichtet, das er einem anderen auf Zeit gibt, sondern im Gegenteil gerade in der Kreditbeziehung den Gebrauchswert des Geldes als Kapital realisiert, indem dieses auf festgelegte Weise verzinst wird. Aber auch der Kreditnehmer, der Schuldner, muss nicht auf den Gebrauchswert des geliehenen Geldes verzichten, sondern nutzt dieses ganz nach seinem Belieben entweder f�r eine Kapitalanlage oder zur Finanzierung seines Konsums. Die Geldsumme hat sich also, vermittelt �ber die Kreditbeziehung, verdoppelt. Sie existiert zweimal: einmal in der Hand des Schuldners als Geld und ein andermal in der Hand des Gl�ubigers als verbriefter Anspruch auf dieses Geld, als Eigentumstitel.
Der Unterschied zum blo�en Verleihen von Dingen k�nnte kaum gr��er sein. Anders als der �gesunde Menschenverstand� es wissen will, bedeutet der Akt des Geldverleihens eben gerade nicht, dass die einen (�die Deutschen�) auf Konsum verzichten m�ssen, damit andere (�die faulen Griechen�) in Saus und Braus leben k�nnen, ohne daf�r zu arbeiten. Ganz im Gegenteil ist diese Kreditbeziehung, ebenso wie unz�hlige andere, ein Akt der Kapitalvermehrung, und damit ein wesentliches Moment der Dynamik, die den Prozess der Akkumulation seit dem Ende des Fordismus in Gang gehalten hat. Gl�ubiger und Schuldner haben daher gleicherma�en davon profitiert, wenn auch auf unterschiedliche Weise. So w�re etwa der viel ger�hmte Industriestandort Deutschland ohne die auf Pump finanzierte Weltkonj'unktur der letzten Jahrzehnte heftig unter die R�der gekommen. Der Sache nach ist daher das beleidigte und ressentimentgeladene jammern derjenigen, die sich nun �bervorteilt sehen, so als h�tten sie sich tonnenweise Lebensmittel und andere sch�ne Dinge vom Munde abgespart, um sie den anderen in den Rachen zu stopfen, v�llig l�cherlich. Zugleich ist es aber auch politisch und ideologisch gef�hrlich, weil es die Ursachen der Krise personifiziert und sie im Verhalten angeblicher �Sozialschmarotzer� sieht, die daf�r bestraft geh�rten.
Wie immer, so folgt aber auch hier die Personifizierung der undurchschauten gesellschaftlichen Fetischverh�ltnisse einer bin�ren Logik. Dass die �Arbeitsscheuen� und �Leistungsverweigerer� in Griechenland und Berlin-Kreuzberg sich am sch�nen Wohlstand vergangen h�tten, erscheint dem Normalb�rger, der sich stets als redlich arbeitend und ehrlich steuerzahlend imaginiert, als evident. Aber das Abheben der Finanzm�rkte vermag er sich damit nicht so recht zu erkl�ren. Diese L�cke f�llt das latent antisemitische Bild von den gierigen Bankern und Spekulanten, die r�cksichtslos ihrem Profit nachgejagt und damit �die Wirtschaft� ausgesaugt und versklavt h�tten. Beide Projektionen erg�nzen sich wechselseitig und sind deshalb auch gegeneinander austauschbar; so etwa in dem Streit dar�ber, ob nun an der Griechenlandkrise �die Griechen� schuld seien oder nicht viel mehr �die Banken�, die dem Land die Kredite aufgedr�ngt h�tten, um es dann ausbluten zu lassen. W�hrend die erste Position eher von den konservativ-liberalen Zeitgenossen, vor allem au�erhalb Griechenlands, vertreten wird und sich mit dem nationalistischen Volkszorn trifft, wie er vor allem in Deutschland von den Medien angestachelt wird, so entspricht die zweite Position eher der traditionellen Linken und ihren Verfallsprodukten. Diese tragen sie im Brustton der �berzeugung vor, als w�ren sie damit Vorreiter des kritischen Geistes, wo sie doch nur die andere Str�mung des Zeitgeistes bedienen, die in den gleichen Medien ebenso gut ihren Verst�rker findet, wo diese Sorte �Kapitalismuskritik� l�ngst zum Mainstream geh�rt. Und fehlen darf nat�rlich auch nicht der differenzierte Zeitgenosse, der dazu tendiert, beiden Seiten eine Teilschuld zuzuschreiben. Aber damit l�st er nicht etwa die Personifizierung auf, sondern verdoppelt sie blo� und macht gerade damit deutlich, dass beide projektiven Schuldzuschreibungen dem gleichen falschen Wahrnehmungsraster entspringen. Dieses l�sst sich nicht durch einen Kompromiss aus zwei falschen Wahrnehmungen aufsprengen, sondern nur dadurch, dass es als solches infrage gestellt wird.
In Wahrheit l�sst sich die gewaltige �berschuldung Griechenlands, ebenso wenig wie die anderer Staaten, in den Kategorien subjektiver �Schuld� erkl�ren. Zun�chst ist sie schlicht das Ergebnis struktureller Disparit�ten in der EU, die durch die Einf�hrung der Einheitsw�hrung noch versch�rft wurden und dazu gef�hrt haben, dass Griechenland unter die R�der der st�rkeren Konkurrenz geraten ist. Unter diesen Umst�nden war die Verschuldung der einzige Weg, sich erst einmal �ber die Runden zu retten. Zugleich sind diese Disparit�ten aber Ausdruck der fundamentalen Strukturkrise der Wertproduktion, die dazu gef�hrt hat, dass es auf der Welt nur noch wenige konkurrenzf�hige Industriestandorte gibt; eine Position, die in der EU in besonderem Ma�e Deutschland besetzt, das mit seinen �berlegenen Produktionskapazit�ten die europ�ische Wirtschaft zu einem Gutteil dominiert, und die in der Weltwirtschaft zunehmend von China eingenommen wird. Funktionieren konnte (und kann) diese weltwirtschaftliche Ungleichgewichtsstruktur, wie oben erl�utert, nur deshalb, weil die n�tige Kaufkraft f�r den Konsum dieser Warenmassen in Gestalt von fiktivem Kapital gesch�pft wurde, also auch durch die gewaltige Verschuldung von Staaten und Privathaushalten.
So betrachtet stellt die Verschuldung der einen L�nder nicht nur die notwendige Erg�nzung zu den enormen Export�bersch�ssen der anderen dar; grunds�tzlicher noch gilt, dass alle Beteiligten gemeinsam dazu beigetragen haben, die weltweite Reichtumsproduktion in Gang zu halten, obwohl die Wertbasis seit den 1980er Jahren untergraben worden ist. Ohne es zu wissen, waren sie die Protagonisten einer gigantischen Operation zur Ansaugung von fiktivem zuk�nftigen Wert, die nur den einen Zweck hatte: den Zusammenbruch der Kapitalakkumulation und der an sie geketteten Reichtumsproduktion aufzuschieben. Nichts ist daher grotesker als die Vorstellung, die Schuldenmacherei k�nne auf breiter Front gestoppt werden. Sollten sich die deutschen Sparkommissare in der EU oder die Vertreter der Tea-Party-Bewegung in den USA durchsetzen und wirklich ernst machen mit ihrem Vorhaben eines rigiden Herunterfahrens der Staatsverschuldung, w�re der Zusammenbruch des riesigen Geb�udes an fiktivem Kapital, das in den letzten 30 Jahren errichtet wurde, unvermeidlich. Nicht die R�ckkehr zu einer ohnehin blo� imagin�ren �soliden Marktwirtschaft� st�nde auf der Tagesordnung, sondern das gewaltsame Zusammenschrumpfen der Reichtumsproduktion auf das niedrige Niveau der realen Wertproduktion, die auf dem gegebenen Niveau der Produktivkraft noch m�glich ist, und damit verbunden der �bergang zu einer autorit�ren Notstandsverwaltung.
Demgegenüber erscheint innerhalb der kapitalistischen Krisenlogik die Fortführung der Politik des »billigen Geldes« und der Staatsverschuldung zunächst als vergleichsweise rational; denn immerhin hat das Ansaugen künftigen Werts über drei Jahrzehnte hinweg die abstrakte Reichtumsproduktion in Gang gehalten, obwohl die Wertproduktion längst ins Stocken geraten war. Allerdings stößt diese Methode des Krisenaufschubs mittlerweile an ihre Grenzen, weil die dafür benötigte Masse an neuem fiktiven Kapital immer größer wird und die finanzindustrielle Eigendynamik nach dem Crash von 2008 nicht wieder so richtig in Gang gekommen ist. Außerdem schließt die expansive Fiskal- und Geldpolltik ein rigides Kaputtsparen der Sozialsysteme und der öffentlichen Infrastruktur keinesfalls aus, sondern geht in aller Regel damit einher; denn gegenüber dem Ziel, die Akkumulation von Kapital wieder anzukurbeln, gilt alles andere als »nicht systemrelevant«. Der quantitative Effekt dieser Einsparungen ist zwar gering, gemessen an den gigantischen Schulden, die allein in den letzten drei Jahren aufgehäuft wurden, um das Finanzsystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren; entscheidend ist aber die Signalwirkung, Demonstriert werden soll, dass der »Sparwille« vorhanden ist und auch gegen mögliche Widerstände in der Bevölkerung durchgesetzt wird, um so das Vertrauen »der Finanzmärkte« zu gewinnen und dort neues Geld leihen zu können. Der vagen Aussicht wegen, so noch einmal den vollen Durchschlag der Krise um ein paar Jahre aufzuschieben, wird also aller stoffliche Reichtum geopfert, der nicht unmittelbar funktional dafür ist. Spätestens hier zeigt sich überdeutlich, dass auch der Krisen-Keyneslanismus die fetischistischen Zw�nge der abstrakten Reichtumsproduktion keinesfalls infrage stellt, sondern diesen genauso verpflichtet ist wie die �schw�bische Hausfrau�.
Wenn aber mit einem gewaltigen Aufwand und unter immer gr��eren Opfern Wert aus der Zukunft in die Gegenwart gepumpt werden muss, um die gesellschaftliche Reichtumsproduktion in Gang zu halten, dann dr�ngt sich die einfache Frage auf, warum diese nicht einfach jenseits der Verwertungslogik betrieben wird, anstatt sie zwanghaft von gelingender Kapitalakkumulation abh�ngig zu machen. Die extreme �berdehnung des Bandes zwischen der stofflichen Reichtumsproduktion und der Akkumulation abstrakten Reichtums durch den Vorgriff auf zuk�nftigen Wert zeigt ja bereits, dass die Produktivit�tspotentiale, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, l�ngst �ber den bornierten Selbstzweck der Produktion um der Produktion willen hinausgewachsen sind. Nicht �die Gesellschaft� hat ��ber ihre Verh�ltnisse gelebt�, sondern der Kapitalismus hat sich �ber die von ihm selbst konstituierten gesellschaftlichen Verh�ltnisse hinaus entwickelt und Reichtumspotentiale geschaffen, die nicht mehr mit seiner bornierten Selbstzwecklogik kompatibel sind.
Werden diese Reichtumspotentiale weiterhin zwanghaft an die Form des abstrakten Reichtums gekettet, ist eine weitere Zuspitzung des Krisenprozesses mit katastrophalen Folgen für die Gesellschaft unvermeidbar. Gelingt es hingegen, sie aus dieser Fetischform herauszubrechen, k�nnten sie in den Dienst konkret-gesellschaftlicher Bed�rfnisbefriedigung gestellt werden. Das w�rde freilich die Aufhebung von Warenproduktion und Geldwirtschaft zwingend voraussetzen. Denn entwickelte Warenproduktion ist immer schon kapitalistische Warenproduktion, unterliegt also dem Selbstzweck der Verwertung. Eine �einfache Warenproduktion� als gesellschaftliches System allgemeinen Tauschs, in der das Geld blo�es Zahlungs- und Tauschmittel ist und �der Gesellschaft dient�, existiert nur in den Einleitungskapiteln der VWL-B�cher und in den Phantasien des b�rgerlichen Alltagsverstands. Deshalb sind auch alle Versuche, das Geld zu �reformieren�, wie etwa durch eine Abschaffung des Zinses, nicht nur regressiv, weil sie die �Marktwirtschaft� abfelern und die Wurzel kapitalistischen �bels in der Finanzsph�re verorten, sondern auch praktisch zum Scheitern verurteilt. Regionale Tauschzettel m�gen eine Zeitlang als Parallew�hrung funktionieren oder in extremen Krisensituationen, wie etwa in Argentinien zur Jahreswende 2001/2002, vor�bergehend den Platz eines Ersatzgeldes einnehmen, �hnlich wie Zigaretten auf dem Schwarzmarkt der Nachkriegszeit; aus dieser Nische heraus k�men sie aber nur durch eine Verwandlung in ganz normales Geld, das nicht Mittel, sondern Selbstzweck der Produktion ist.
Die Alternative dazu kann freilich nicht eine staatliche Kommandowirtschaft sein, wie im �Realsozialismus�, der gl�cklicherweise auf dem M�llhaufen der Geschichte gelandet ist. Dieser war nicht nur autorit�r und repressiv, sondern in Wahrheit auch nie eine Alternative zum Kapitalismus. Denn die �Planwirtschaft� bezog sich immer schon auf die Kategorien des abstrakten Reichtums: Ware, Wert und abstrakte Arbeit, die nicht etwa aufgehoben, sondern staatlich gesteuert werden sollten. Das grandiose Scheitern dieses Versuchs hat nur eines bewiesen: dass n�mlich Kapitalismus und Marktwirtschaft letztlich untrennbar zusammengeh�ren und dem Staat in seinen Regulationsversuchen enge Grenzen gesetzt sind. Weder Marktwirtschaft noch staatliche Planwirtschaft sind also die L�sung. Vielmehr m�ssen neue Formen und Verfahren der gesellschaftlichen Selbstorganisation und -verwaltung entwickelt werden, die sich direkt auf die stoffliche Reichtumsproduktion beziehen, statt immer schon die kapitalistische Selbstzwecklogik und ihre Zw�nge als stumme Voraussetzung zu akzeptieren.
Es gibt keinen Masterplan f�r diese gesellschaftliche Alternative. Sie kann nur von sozialen Emanzipationsbewegungen entwickelt werden, die sich als Opposition zur Krisenverwaltung formieren. Entscheidend wird freilich sein, wie sich diese Opposition selbst definiert und welche Perspektiven sie formuliert. Die derzeitigen Protestbewegungen stellen nicht viel mehr dar als den lautstarken Fl�gel des Mainstreams, so sehr sie sich auch als radikale Alternative pr�sentieren m�gen. Vorherrschend ist die Personifizierung der Krisenursachen, ein Abfedern des �Volkes� (�99 Prozent�), so als st�nde dieses au�erhalb der kapitalistischen Logik, und eine Fixierung auf die Umverteilung des monet�ren Reichtums. Radikal aber kann nur eine Kritik des scheinbaren �Sparzwangs� vom Standpunkt des stofflichen Reichtums sein. Der wahre Skandal ist nicht die Konzentration von Geldmitteln in den H�nden weniger - so widerlich das auch ist -, sondern die Tatsache, dass eine Gesellschaft, die Reichtumspotentiale wie keine zuvor entwickelt hat, an diesen zugrunde geht, statt sie in den Dienst konkreter Bed�rfnisbefriedigung zu stellen. Dem Argument, dass gespart werden �m�sse�, ist entgegenzuhalten, dass sich dieses �Muss� einzig und allein mit der Logik der abstrakten Reichtumsproduktion begr�nden l�sst. Der Zwang, dass aller stoffliche Reichtum immer durch das Nadel�hr der Warenform und der Kapitalverwertung hindurch muss, war immer schon verr�ckt. Wo aber die wertproduktive Arbeit zum Auslaufmodell wird und damit die Grundlage der Kapitalverwertung zerbricht, ger�t das Festhalten an diesem Zwang zu einem Programm der massenhaften Stilllegung gesellschaftlicher Ressourcen und zum Motor eines gigantischen Verarmungsschubs. Indem die Krisenverwaltung der Fata Morgana eines gesunden Kapitalismus nachjagt, zerst�rt sie sukzessive die Grundlagen der gesellschaftlichen Reproduktion.
Demgegen�ber gilt es offensiv die Frage der �Finanzierbarkeit� durchzustreichen. Ob Wohnungen gebaut, Krankenh�user betrieben, Nahrungsmittel produziert oder Bahnlinien unterhalten werden, darf nicht davon abh�ngen, ob die n�tige �Kaufkraft� vorhanden ist. Kriterium daf�r kann einzig und allein die Befriedigung konkreter Bed�rfnisse sein. Genau das ist der Fokus f�r die Bildung neuer sozialer Emanzipationsbewegungen gegen die verr�ckte Logik der Krisenverwaltung. Wenn Ressourcen stillgelegt werden sollen, weil �das Geld fehlt�, m�ssen diese eben angeeignet und in bewusster Frontstellung gegen die fetischistische Logik der modernen Warenproduktion transformiert und betrieben werden. Der liberale Urmythos, die kapitalistische Produktionsweise w�rde �das gr��te Gl�ck der gr��ten Zahl� (Jeremy Bentham) garantieren, war immer schon eine grausame Verh�hnung der unermesslichen Opfer, die diese gefordert hat; unter den Bedingungen der fundamentalen Krise schl�gt er in puren Zynismus um. Ein gutes Leben f�r alle kann es nur jenseits der abstrakten Reichtumsform geben. Es gibt nur eine Alternative zur katastrophischen Entwertung des Kapitals: die emanzipative Ent-Wertung der gesellschaftlichen Reichtumsproduktion.
Ernst Lohoff & Norbert Trenkle (Gruppe Krisis):
Die Große Entwertung
Warum Spekulation und Staatsverschuldung nicht die Ursache der Krise sind
ISBN 978-3-89771-495-3