Wolfram Pfreundschuh (13.8.2010)

Wie und warum sich das globale Kapital zum Feudalkapitalismus entwickelt hat

 

Wenn wir der allgemeine Stimmung, wie sie derzeit von einem großen Teil der Politik, der Medien und der Presse aufbereitet wird, nachgehen, dann stellt sich uns die Welt ziemlich absurd dar: Da war mal eine Krise, erst eine Finanzkrise und dann eine Wirtschaftskrise und dann eine Währungskrise. Wegen der Finanzkrise wurden Staatsbürgschaften in bisher nie dagewesenen Ausmaß an Banken vergeben und die deutsche Staatsverschuldung auf die Höchstmarke von 1.700 Milliarden Euro getrieben; aber immerhin seien nun fast alle Banken gerettet und mit bester Bonität ausgestattet, weil nun die schlechten Kredite in Bad Banks abgeschoben, also irgendwie so gut wie weg sind. Wegen der Wirtschaftskrise wurden zwar Abwrackprämien an die Automobilindustrie bezahlt, die den Inlandsmarkt ins Trudeln gebracht hatten und die kleineren Händler wegen nachfolgendem Nachfrageverlust in den Ruin stürzten; aber gerade das hätte diese Industrie vor dem Zusammenbruch bewahrt und die Weltmarktposition Deutschlands gestärkt, die auf dem Exportmarkt, versteht sich. Und schließlich sei nun auch die Währungskrise mit einer Blindbürgschaft aller EU-Staaten für eine Wertgarantie des Euro für die Zahlungsfähigkeit aller beteiligten Staaten wiederhergestellt. Die allerdings waren verpflichtet worden, Sparpakete bis zur Bewegungslosigkeit zu schnüren, ihre Sozialhaushalte bis zum rein physischen Selbsterhalt abzusenken oder auch ohne wirkliche Perspektive für ihr Land weiter zu wirtschaften. Aber jetzt sei alles wieder gut, weil sich die aktuelle Auftragslage der Exportnation Deutschland wieder gebessert hätte, weil mal gerade wieder eine gute Auslandsnachfrage nach Autos, Flugzeugen und Militärtechnologie aus Deutschland entstanden ist, eben weil der Euro wegen der Euro-Krise gerade mal billig war.

Und das wird jetzt von der Politik und den Medien in die allgemeine Verheißung neuer volkswirtschaftlichen Impulse gehoben, als ob es die Probleme alle nicht mehr gebe, die Schulden, der Sozialabbau, die Billiglöhne, die Versorgungsdefizite für Bildung und Gesundheit, die immer noch hohe Arbeitslosigkeit usw.. Der Anschein einer staatstragenden theoretischen Autorität für politische Handlungsfähigkeit wird vorgekehrt: Das sogenannte „deficit spending“ habe wieder mal geklappt. Der Staat verschulde sich eben nur, damit es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht und dann herrsche wieder der gewohnte Wohlstand einer Exportnation, welche die ganze Welt beliefert. Das kann der „kleine Mann“ und die „durchschnittliche deutsche Hausfrau“ nun doch nicht mehr so ganz begreifen, wo sie gerade noch von Merkel und Schäuble angehalten worden waren, die Verschuldung des Staates mal wie eine Verschuldung ihres Haushalts zu verstehen und die deshalb auch weiterhin sparen sollen. Verschuldung nämlich sei etwas ganz anderes und habe mit Sparen nichts zu tun, wenn sie das System betrifft, wenn die Banken gerettet werden und Geld verfügbar gemacht wird. Es wird ihnen nun beigebracht, dass Geld für die es verwertenden Kreditnehmer zur Vermehrung nötig ist, während es für die Durchschnitts- und Sozialhaushalte an Wert verlieren muss. Das große Geld würde auf diese Weise das System retten, während das kleine knapp bleiben müsse. Das treibe die Wirtschaft wieder an wie eine Energiespritze, erst mal die Arbeit und später erst dann den Konsum. Und aus den Profiten durch diese Investition zahle man dann die Schulden zurück. (1)

Seltsam ist allerdings, dass diese Energiespritze nicht zu allererst zur Gewinnung von einer Energie taugen soll, die zur Reduktion der Klimakiller nötig wäre, z.B. Wind- und Sonnenenergie, deren Notwendigkeit für eine Klimabesserung doch allgemein bewiesen ist und die auch auf Dauer unabhängig macht von Erdöl und Verbrennungsmotoren und Turbinen. Man propagiert jetzt lieber wieder die Verlängerung von Atomlaufzeiten, verbunden mit Milliarden-Abgaben an den Staat für die durch seine Gesetzesänderung verlängerte Nutzungszeit einer von den meisten Bürgern abgelehnten gefährlichen Energiewirtschaft - ein Geschäft mit dem Tod. Aber damit ist leichter und vor allem schneller Geld zu machen, als mit Investitionen, die für die Zukunft der Menschen wichtig wären. (2)

Verbesserungen des Lebensstandards sind jetzt nicht so lukrativ und Zukunft ist jetzt auch nicht mehr so gefragt. Investitionen in aufwändige Erneuerungen des Eigenbedarfs und der Infrastrukturen bringen es nämlich mit sich, dass deren Erträge weitaus langwieriger zu kalkulieren sind als die Profite aus vorhandenen Anlagen, besonders aus denen der Atomindustrie, wenn man mal von all dem absieht, was ihre Sicherheit, ihre Entsorgung und ihr Rückbau kostet. Das muss man jetzt einfach hinnehmen.

Längst steht der Mechanismus einer schnellen Kapitalverwertung mit hohem Kapitalumschlag dem wirklichen Fortschritt durch Technologie im Weg. Investitionen lohnen sich nicht mehr so zeitig, wie es nötig ist für eine sich auf dem Finanzmarkt lohnende Umsatzgeschwindigkeit des Kapitalhandels. Durch Investition verliert Geld daher eher an Wert, den es durch Spekulation erzielen kann, und sei es nur die Spekulation auf die Kreditverwertung und Staatsverschuldung. Das Geschäft machen vor allem die Anleger von Schuldverpflichtungen, also Banken und Aktionäre. Dazu ist billiges Geld nötig, weil nur dieses frisches Geld aus der Verwertung von Arbeit ziehen kann. Es geht um Geld, das Geld zieht, Geld, das weniger an die Risiken des Produktabsatzes gebunden ist und dennoch der Subsistenz der Menschen zumindest soweit entzogen werden kann, wie überhaupt nur möglich.

Das wissen auch die Zentralbanken, die ihrer Zinsermittlung eine Durchschnittsprofitrate von fast 0% zugrunde legen. Sie setzen schon in ihrer Geldpolitik dem Ansatz nach einen Profit vorwiegend durch Kreditwirtschaft voraus. Das Geld der Banken wird aus dem Geldversorgungspool der Zentralbanken zu einem minimalen Zinssatz von um die 1% erworben und von den Landesbanken den Investoren zu 4 bis 10 % weitergereicht, so dass die in der Verwertung mindestens 15 bis 20% Profit machen müssen, nicht um in die Produktion zu investieren, sondern nur um sich wertstabil zu erhalten und ihre Kreditgeber bei Laune zu halten oder neue anzuziehen, um auf den Finanzmärkten sicheren "Gewinn" zu verheißen, wenn die dann auf den Warenmärkten „das Glück“ haben, dass ihre Produkte auch in entsprechender Masse abgekauft werden. Das Dumme ist, dass sich Investition nur noch mit immer größer werdendem Risiko lohnen können. Die Verwertung der Produktmasse wird zunehmend zum Hemmschuh der eingesetzten Wertmasse in die Produktion: Investitionen „lohnen“ sich daher eher direkt auf den Finanzmärkten, die von der Konkurrenz der Massenproduktionen zehren – und auch von ihrem Verfall, dem Rückgang der Löhne und Sozialrücklagen. Die Kreditwirtschaft wird zum Weltenmaß.

Und wenn sich Investition in die sogenannte Realwirtschaft nicht mehr so richtig, nicht schnell genug rentieren, dann kommt die Last der Vergangenheit zum Tragen: Die Einnahmen des Staates aus Steuern und Sozialabgaben werden immer geringer und die im Lauf der Jahre aufgehäufte Staatsverschuldung übersteigt die Grenzwerte der Liquidität und muss bedient werden, derzeit erstmal mit 80 Milliarden Euro in 4 Jahren mit dem sogenannten „Sparpaket“. Bleibt allerdings ein „Rest“ 1.620 Milliarden Euro Schuldverschreibungen, mal ganz abgesehen davon, dass dann auch keine Neuverschuldung aufgenommen werden dürfte, was lange nicht mehr möglich war und dass in Deutschland zudem derzeit 69 Milliarden Euro allein für Zinsen pro Jahr bezahlt wird. Wie soll das alles gehen? Bei dieser Sachlage, wenn man sie als solche wahrnimmt und für maßgeblich hält, ist es doch eigentlich logisch, dass man staatlicherseits lieber weiter auf alte Technik setzt, besonders auf Atomkraft, die alleine 280 Milliarden Euro Profit macht, wenn sie 20 Jahre weiterläuft. Wer diese Staatsverschuldung anerkennt und damit argumentiert, der betreibt ein Russisch Roulett mit dem Leben schlechthin und dem der nachkommenden Generationen.

Die Globalisierung des Kapitals

Man soll sich da nichts mehr vormachen: Die sogenannte Realwirtschaft, das eigentliche bürgerliche Wirtschaften im Kauf und Verkauf von Waren, ist innerhalb eines Landes nicht mehr so lohnend, wie die reine Geldwirtschaft. Geld wird immer weniger aus Gütertausch und Investition erzeugt, sondern vor allem durch politische Macht erpresst. Im Gütertausch waren Subjekte eines Handels unterstellt, Händler der einen Ware im Tausch gegen andere Ware, z.B. Wolle gegen Holz, Geld gegen Lebensmittel, Arbeitskraft gegen Geld, Zins gegen Kredit usw. Da war die Preisbildung zumindest volkswirtschaftlich noch überschaubar. Alles musste durch menschliche Arbeit mit zeitgemäßen Produktionsmitteln erst erzeugt sein, bevor es auf dem Warenmarkt durch mehr oder weniger politische Preise übereignet werden konnte.

Als Wertmaß ist der Preis immer noch durch die Arbeit bestimmt, die in jede Ware eingeht, einfach schon deshalb, weil es das Maß der gesellschaftlichen Vermittlung von Arbeit und Bedürfnis der Individuen ist. Politisch ist der Preis der Waren aber durch eine Nachfrage bemessen, die von der verfügbaren Geldmenge abhängt, die den Maßstab der Preise ausmacht. Die bürgerliche Ökonomie verbrämt dies zwar als reines Verhältnis von Angebot und Nachfrage, also als Verhältnis aus bloß subjektiven Interessenlagen von Bedürfnissen und Gegenstände des Konsums. Doch das ist Unsinn: Jede Bedürftigkeit erstirbt, wenn sich Menschen deren Gegenstand nicht leisten können und jedes Angebot versiegt, wenn Arbeit hierfür keinen Sinn macht. Wirtschaft ist objektiv und bezieht sich immer auf den Arbeitsaufwand und die politische Form seiner Rückbeziehung auf die Menschen. Soviel Geld du hast, so viel Wert gibst du der Sache zurück. Und so ist es auch allgemein: Wird Geld jenseits der Lebensbedürfnisse und Notwendigkeiten aufgehäuft, so wird es auch für das eingesetzt, was es als Geld nur bringen kann: Mehr Geld. Es trennten sich schon in der bürgerlichen Gesellschaft die realwirtschaftlichen Beziehungen von Kauf und Verkauf der Erzeugnisse von den politischen der Geldwirtschaft und es verselbständigte sich dieses zu einer reinen Macht des verfügbaren, des zirkulierenden Kapitals. Und das ist seit ehedem schon das Grundproblem, aus dem sich die Finanz- und Wirtschaftskrisen ergeben (siehe Krise).

Rein politische Macht hat Geld schon dort, wo es das allgemeine Lebensverhältnis der Menschen vermittelt. Man tauscht die Dinge des Lebens im Recht des allgemeinen Geldbesitzes, z.B. das „Recht“, zu arbeiten, zu wohnen, zu telefonieren usw. Im Prinzip ist das nur der ideelle Bestandteil des Warenhandels, denn die Güter müssen erst mal reell vorhanden sein, um getauscht werden zu können. Aber während auf den Warenmärkten einerseits Gebrauchsgüter für Menschen ausgetauscht werden, stellt das Recht für sich die reine Bedingung der Eigentumsform dar: Das Recht auf private Aneignung und Nutzung gesellschaftlich vorhandener Waren. Eine Arbeitskraft, die als Produktivkraft und angeeignete Ware mehr erzeugt, als sie zum Leben und Arbeiten braucht, bildet Mehrwert, der ihr mit dem Nutzungsrecht des Kapitals auf Verwertung der Arbeitskraft unbezahlt entzogen wird. Eine Wohnung, deren Errichtung längst amortisiert ist, ist eigentlich keine Gut mehr, sondern bloßer Besitz, wirkt auf den Bewohner nurmehr als Verfügungsmacht, wenn er sie nicht besitzt; ganz einfach weil er ohne sie nicht leben kann. Die Miete, die er zahlt, gilt als Grundrente für den Empfänger, als Verkehrswert, den die Wohnung unter gegebenen Bedingungen bekommen hat; - nicht durch die Leistungen des Besitzers, sondern durch die gesellschaftliche Entwicklung des Bodens, auf dem sie steht, durch ihre gewerbliche oder verkehrstechnische Anbindung, ihrem sozialen und kulturellen Status usw.. Die private Verfügung über gesellschaftlich gebildeten Reichtum ist nicht nur Bedingung der Ausbeutung von Menschen, sondern zugleich auch Resultat ihres Machtverhältnisses, ist eine sich selbst potenzierende Macht. Das ist schon lange so, - eben seit es die bürgerliche Gesellschaft, also den Kapitalismus gibt.

Dass diese Wirtschaftsform mit dem Verhältnis von Kauf und Verkauf der Produkte so ihre Probleme hat, das wissen ja auch die bürgerlichen Ökonomen. Man spricht dort von Absatzkrisen oder von Finanzkrisen oder von Wirtschaftskrisen, an denen sich die Widersprüche zwischen Verwertungsrate und Profitrealisation zeigen, nicht als objektiver Widerspruch, sondern als "Dilemma", das einfach immer wieder mal auftritt. Eine Gegensteuerung durch Manipulation der Geldmengen der Zentralbanken sollen solche Krisen „in den Griff“ zu bekommen. Aber der Wurm sitzt tiefer: Die Gesamtmasse des im Lauf der Zeit produzierten Warenkapitals kann real nur durch die Gesamtmasse der in selber Zeit finanzierten Löhne und Gehälter und Investitionen finanziert werde. Der Mehrwert, den die Arbeitskraft unbezahlt erbringt, lässt sich zwangsläufig nicht in dem Maße unter die Menschen bringen, wie es die Gesamtmasse des produktiven Kapitals nötig hätte, um sich durch seine Profite zu erhalten und gegen Konkurrenz durchzusetzen. Durch seine Krisen ist das Kapital gezwungen, seine Konkurrenz aufzugeben und sich auf dem Finanzmarkt durch Übereignungen mit Wertpapieren anzugleichen oder sich zu monopolisieren. Der Finanzmarkt manipuliert aber keine Geldmengen sondern deren Anwendungen als eine Art Kreditwirtschaft, welche unmittelbar die Kapitalverwertung bestimmt, sowohl in der Organisation der Arbeit und des Vertriebs, als auch in der Ausbeutungsrate, der Mehrwertrate und den Profiten.

Von da her hat sich der Finanzmarkt von der konkreten Geldwirtschaft der Nationalbanken, also von der Warendeckung überhaupt in dem Maß abgelöst, wie die Masse der dort ausgehandelten Geldwerte sich über das zirkulierende Warenkapital hinaus entwickelt hatte. Die dem Finanzkapital hierfür nötigen Kapitalumschläge lassen sich dann nicht mehr in reellem Geld darstellen, weil sie sich lediglich aus der Beschleunigung einer Wertbeziehung von Kauf und Verkauf ergeben und sich in dem Maß fiktionalisieren, wie sie ein eigenständiges Kreditsystem bilden. Die von ihnen in Beziehung gebrachten Wertmassen sind zu groß geworden, als dass sie in Gold oder anderen reellen Arbeitsprodukten frei austauschbar bleiben konnte. In den 70ger Jahren wurden daher die Verträge von Bretton-Woods, die noch eine Relation von Geld- und Warenkapital  garantieren sollten, aufgelöst und der Geldmarkt selbst entwickelte sich zu einem von realen Rückbeziehungen frei gewordenes globales Kapital. Große Teile des Mehrwerts verflüssigten sich in fiktivem Kapital, das sich auf einem Kreditmarkt frei entfalten konnte. Kredite wurden zu einem wesentlichen Bestandteil des Antriebs einer Produktion, die sich hauptsächlich gegen die kapitalimmanenten Produktionsprobleme und Krisen absichern wollte. Durch eine schrankenlose Kreditwirtschaft wollte sich das Kapital frei von seinen Widersprüchen fühlen, diese selbst durch überschüssigen Mehrwert finanzieren, der allerdings nur in der Ausdehnung von Spekulationsblasen sich überhaupt halten konnte – eben weil er im Großen und Ganzen nach wie vor nicht realisierbar war, aber durch die Streuung über die Güter der Welt dennoch Erfolge seitigen konnte - eben durch die Aneignung der an einem Ort verlorenen Wertmasse zur Spekulation durch Kreditierung. Der Finanzmarkt wurde zum Subjekt des Weltmarkts überhaupt und verlangte die allgemein unbeschränkte Wertbeziehung, also auch die Bestimmung der Währungskompatibilität durch die Weltbank. Ideologisch war dies mit der Theorie des Neoliberalismus unterlegt worden. Diese selbst war nicht der Grund der Globalisierung sondern lediglich ihre ideelle Verzauberung.

Das gesamte Bankenwesen wurde zunehmend vom Aktienmarkt abhängig und verlor seine Rückversicherungen durch Finanzpolitik und ersetzte sie durch eine Ausbreitung von Kreditsicherheiten durch Kredite. Das ist das inzwischen allgemein wirksame System, das sich letztlich aus der Aufblähung von fiktivem Kapital entwickelt das Anwendungen vermittelt, bis es wieder als Spekulationsblase zerplatzt, sobald die Anwendungen erschöpft waren oder mangels realem Wachstum liquidiert werden mussten. Aber in dieser Selbständigkeit ist das Finanzkapital kaum noch ökonomisch kontrollierbar, sondern wird nur rein statistisch, nach Wirkungskurven vergangener Ereignisse und nach der Marktpsychologie des Aktienhandels betrieben. Ratingagenturen haben das Sagen und die Nationalstaaten müssen ihnen gehorchen, weil die Finanzmärkte den Geldverkehr inzwischen überhaupt bestimmen. Das ist die neue Freiheit der Märkte. Es ist die absolute Freiheit der Sachgewalten, der durch sich selbst politische Sachzwang, der sich über die Nationalstaaten erhoben hat, weil sie ihm gehorchen müssen, um ihr Kapital überhaupt einsetzbar zu halten. Ihm muss alles gehorchen, die Menschen, die Staaten, Regionen und Kommunen. Die Politik selbst wird zur Vollstreckerin dieser Gewalt. Elitäre Menschen, die obenauf schwimmen wollen und können, betreiben als Charaktermasken des globalen Kapitals ihr Geschäft. Da genügen relativ wenige um die ganze Welt zu beherrschen. Der größere Teil der Finanzentscheidungen ist längst von Computern übernommen worden. Denn die können die statistischen Daten am besten und vor allem am schnellsten verfolgen und nach ihren Regeln interpretieren und schließlich auch durch die automatische Disposition von Anlagevermögen umsetzen. Denn lediglich die Verlauszeit der Umsätze ist in der Kreditwirtschaft entscheidend.

Das Ende der bürgerlichen Gesellschaft

Die bürgerliche Gesellschaft ist ursprünglich das Gesellschaftssystem von Wirtschaftskreisläufen, die über den Warenverkehr geregelt werden, die also die ganze Vermittlung von Produktion und Konsumtion unter gleichem Recht auf Privateigentum, also in einem gleichen politischen Rahmen vollziehen, ideell und reell. Die politische Macht des Bürgertums besteht aber nur solange, wie die Warenverhältnisse sich auch ökonomisch und politisch realisieren, wieweit sich also Einkauf und Verkauf von Gütern zumindest wertmäßig die Waage halten, sich Geld durch Ware und Ware und Geld gleichwertig verhalten. Ein Vorschuss von Geld rentiert sich dadurch, dass verausgabtes Geld zurückfließt und Wertwachstum als ein Mehr von Ware und Geld ermöglicht. Weil dieses Wachstum zunächst auch als Mehrprodukt existiert, also auf einer Erhöhung des bürgerlichen Lebensstandards, wird es eben als Wirtschaftswachstum verstanden, auch wenn sich dieses nur als Wachstum des Kapitals erweist.

Doch das Warenkapital selbst bringt es mit sich, dass der Mehrwert darin Geldwerte zu einer eigenständigen Macht verfestigt, die sich durch den Kapitalumschlag herausstellen, durch die Verfügung über Material, das selbst keinen Wert mehr hat, aber wertbildend wirksam ist. Die bürgerliche Gesellschaft bringt die Finanzmärkte hervor, die sich zunehmend bestimmend zu ihrem Warenkapital verhalten müssen, um ihre Verfügungsgewalt zu fixieren und zu erweitern. (3)

Die Globalisierung des Kapitals beruht auf dem Wachstum von Geldmengen, welche vorwiegend ein Wertwachstum darstellen, das sich aus der politischen Macht des Geldbestands ergibt. Was sich in diesen Wertmassen aufhäuft, bedrängt aber zugleich die Möglichkeit ihrer Realisierung. Das ist der Grund des bürgerlichen Verwertungsdilemmas. Die Mehrwertrate, also die Ausbeutungsrate (oder das Verhältnis von Mehrwert pro Wert der Arbeitskraft) kann auf Dauer in der Kapitalzirkulation keinen adäquaten Preisausdruck in den Profiten finden und lässt die Profitrate, also das Verhältnis des Mehrwerts zum gesamten angewandten Kapital sinken. Die Kosten der Produktion, also Löhne  und Anlagen, müssen immer extremer gedrosselt werden, um den Wert einer technologisch effektivierten Arbeit überhaupt realisieren zu können. Weil sich die Produktivität der Arbeitskraft während der Dauer ihrer Anwendung vervielfacht hat, Maschinenarbeit selbst aber keinen Wert bilden kann, können diese Wertmengen auf Dauer nicht mehr real gedeckt werden. Weil also die Arbeit pro Arbeitskraft, die alleine dauerhaft Wert darstellt, durch Maschinenarbeit, die als weit geringerer Wert in das Produkt im Maß des Maschinenverschleißes eingeht, pro Produkt immer weniger, der Wert der einzelnen Produkte also immer geringer wird, kann dies zunächst nur durch Vermassung der Produktion überhaupt ausgeglichen werden.

Es ist grotesk: Mit wachsender Produktivität, also mit dem Schwinden des Aufwands an menschlicher Arbeitskraft, schwindet die reale Wertdeckung immer mehr, aber weil Wirtschaftswachstum vom Wertwachstum bestimmt ist, kommt es für die Menschen zur Katastrophe. Weil eben letztlich lediglich die politische Macht des Geldbestands noch Wertwachstum durch intensivierte Ausbeutung betreiben kann, wird Finanzkapital zum Kampfstoff gegen Mensch und Natur. Es ist der methodische Irrsinn des Wertwachstums, dass wirkliches Wirtschaftswachstum, also die Effektivierung der Arbeit und die Reduzierung ihres Aufwands, was ja eigentlich eine Bereicherung der Menschen darstellt, nach den Aufstiegsphasen des Kapitalismus wieder zerstört wird, weil  dessen  gesellschaftlicher Nutzen den Interessen der Kapitalverwertung dann zuwider läuft.

Das Verwertungsdilemma ist schon alt und hat schon immer die Krisen des Kapitalismus verursacht und Kriege evoziert. Es hat sich aber weiterhin totalisiert je ausgedehnter das Finanzkapital damit spekuliert, die Finanzblasen des fiktiven Kapitals ausdehnt und durch Verluste in der Realwirtschaft, durch den Niedergang von mittleren und kleinen Betrieben finanziert. Auf den Finanzmärkten kommt es daher auch immer wieder zu einer Entwertung der dort gehandelten Wertpapiere und Kredite für Investitionen und die Aufwertung von Wertpapieren für Rohstoffe und Finanzgeschäfte kehrt die Verluste der Spekulation auf Investitionen in Gewinne der Banken und Versicherungen. Dass zunehmend die reale Deckung fällt, das zeigt sich dann irgendwann auch in der Realität: Unternehmen gehen nicht mehr pleite, weil ihnen Aufträge fehlen und die Umsätze versiegen, sondern weil ihre Wertdispositionen aktuell kaputt gegangen sind, das Zutrauen auf ihr weitergehendes Wachstum geschwunden ist. Das Gieren auf Wertschwankungen lebt nicht mehr vom Wert, sondern von den Wertdifferenzen, von dem, was nur deshalb entwertet wird, weil sein Wert gerade nicht Oberkante hat. Der Finanzmarkt treibt die Kanten der Verwertung ins Absurde und zehrt nurmehr von den vorhandenen Substanzen, also an den Lebensverhältnissen selbst, den Menschen, der Natur, Infrastruktur und vertiefen Not und Elend.

Inzwischen ist im großen Ganzen der groteske Widersinn nun auch auf den Finanzmärkten selbst zu Tage getreten: Der Widerspruch von Investition und Geldverwertung wird zu einem ausgedehnten Unvermögen reeller Produktion. Um als produktives Kapital in der Konkurrenz zu überleben, muss das Einzelkapital möglichst viel unbezahlte Arbeit aus den Menschen auspressen, möglichst billige Löhne bezahlen, um seine Produkte auch möglichst billig mit möglichst hohem Profit zu verkaufen. Nur hierdurch linderte sich sein Produktionsrisiko und lohnten sich seine Investitionen. Um seinen Absatzwert aber auch möglichst sicher zu realisieren, muss es seine Absatzmärkte erweitern und zugleich seinen Arbeitsmarkt einengen. Es kann diesen Widerspruch nur durch eine große Geldmenge in Schach halten, sein Risiko selbst durch Spekulation mindern. Aber gerade hierdurch potenziert es sein Risiko, weil es sein eigener Gegner wird, sich selbst zum Knecht des Finanzmarktes macht. Die durch Produktionspotenzen zunächst wie von selbst bestärkte Macht des produktiven Kapitals reicht irgendwann nicht mehr hin, um seinen Geldwert zu erhalten und seine Kapitalwerte zu decken, je mehr sie am Finanzkapital und dem darin betriebenen Kreditsystem beteiligt sind. Es reicht nicht mehr aus, einen Vorschuss zur Selbstbestärkung rentabel einzusetzen und das heißt: Das produktive Kapital verliert die Grundlagen seiner Wertverwertung durch die Werte, die es veräußert hat. Investitionen machen Verluste, wenn der durch sie betriebene Fortschritt an Wert verliert, wenn also menschliche Arbeit dadurch gemindert wird und die Grenzen der Ausbeutung von Menschen erreicht ist und sich der Markt nicht entsprechend ausdehnen kann – oder anders rum formuliert: Durch den Fortschritt produktiver Intelligenz, der die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft immer minderwertiger und damit unsinniger macht, wird Kapital tendenziell hinfällig, - aber durch den inneren Trieb seines Wertwachstums wird Kapitalismus pervers. Der Kapitalismus ist heute zur Gesellschaftsform einer höchst unwirtschaftlichen Produktionsweise geworden, die drauf und dran ist, nicht nur die Absurdität ihrer Form zu verewigen, sondern auch die Lebenssubstanzen der ganzen Menschheit aufzuzehren. (4)

Kapitalismus besteht heute als ein gesellschaftliches Dilemma, das sich in der schwindenden Effizienz der Produktion im Verhältnis zum Verwertungsdruck aus den Finanzmärkten darstellt. Und die Folgen hiervon sind total, denn Geld wird dort vor allem aufgebläht, um hernach seinen Wert zerplatzen zu lassen, wenn es Nieten finanziert hat. Aber die Nieten haben reale gesellschaftliche Folgen und bestimmen die Geschichte der Lebensstrukturen. Die Gesellschaft kann in dem Maß, wie Geldwerte dort vernichtet werden, immer schlechter die Kosten der Bestandserhaltung des Systems, die wirtschaftliche und monetäre Wertstruktur tragen, einmal, weil mit den zerplatzten Werten auch Teile ihrer Wirtschaftswerte zerplatzen, und zum anderen, weil ihre Geldwerte, also ihre Geldaufschatzung wertmäßig hiervon bestimmt ist. Nur indem sich der Staat am Finanzkapital verschuldet, kann sich das System noch halten ohne jedoch damit einen Ausweg aus dem Verwertungsdilemma zu schaffen. Das macht natürlich die bürgerlichen Ökonomen und damit auch die Staatspolitiker ratlos. Ihnen bleibt als „Ausweg“ nur noch die chronische Staatsverschuldung, die Verbürgung ihrer Bürger auf die Zukunft eines längst überholten Systems. Das Prinzip der Verschuldung gegen das Kapital sollte man daher jetzt Feudalkapitalismus nennen, weil dieser Begriff den Verhalt adäquater konzentriert.

Die Bedingung der Warenwirtschaft in den Ursprüngen der bürgerlichen Gesellschaft war der Selbsterhalt und die Fortentwicklung eines bestimmten Lebensstandards, wie er über das variable Kapital, also durch ein Mindestmaß an Lohn und Unterhalt vermittelt wurde, das durch die Verwertungsinteressen des Kapitals noch gewahrt bleiben musste. Inzwischen geht es um die Verwertung dieses Lebensstandards selbst, um seine Übereignung an das Finanzkapital, das die Krisen des Kapitals erzeugt hatte und nun als Finanzier ihrer Schulden fungiert. Es beliefert jetzt den Staat mit dem Kapital, das eigentlich nur fiktiv war, und macht ihn zu seinem perpetuierlichen Schuldner. Es ist nun Geld, das aus dem Himmel fällt und das müssen die Steuern und Sozialabgaben, die der Staat kassiert, erden. Der Staat wird eine politischen Macht des Schuldeneintreibers für Forderungen, denen sich die Nationalstaaten inzwischen beugen müssen, während die Unkosten, die damit finanzierbar wurden, mehr oder weniger durch den Gläubiger selbst verursacht waren. Das heißt: Weil sich die produktive Wertbildung immer weniger rentiert, müssen die Arbeitsleute, die ihr dienstbar sein müssen, zugleich dafür aufkommen, dass der Staat die Verluste hieraus kompensieren muss. Anteile ihrer Löhne, also des variablen Kapitals, fließen zurück in die Finanzwirtschaft. Und die Staatsverschuldung, die sich aus der Drosselung des allgemeinen Lebensstandards, also des variablen Kapitals ergibt, wird zum Hauptantrieb einer Ausbeutung von Mensch und Natur, die sich nur noch aus der Tatsache staatsbürgerlicher Abhängigkeit, also aus der nationalpolitischen Verfügung über Land und Grund und Boden begründet. Es wird also letztlich der Staat als Grundbesitzer eingesetzt und die Grundrendite totalisiert und die Nationalstaaten vollständig an die Leine eines nur noch sich selbst bestimmenden Finanzkapitals gekettet, das hieraus seine Sicherheiten bezieht.

Die verschuldeten Staaten werden gezwungen, die Menschen, die sozusagen auf ihrem „Grund und Boden“ leben, auszupressen, um den Finanzmarkt und seine Nieten zu finanzieren. Staatsverschuldung wird zum Prinzip des Ratings vom Wertwachstum und das ist das Rating zur verbliebenen Wertsubstanz von Mensch und Natur, über welche die Nationalstaaten nun ihre Garantien, ihre Bürgschaften begründen. Sie sind damit selbst gegen ihre Bevölkerung bestimmt, ihre sogenannte Demokratie ist zu deen Verhöhnung verkommen. Täuschung über die wirkliche Lage der Menschen wird unmittelbar verwertbar und bis zur Selbsttäuschung getrieben. Werbeindustrie, Tittytainment und Kultureliten betreiben die politische Kultur einer Scheingesellschaft, einer Gesellschaft der totalen Individuation gesellschaftlicher Beziehungen, der Vereinseitig menschlicher Verhältnisse zum Verhalten sich selbst verwirklichender Persönlichkeiten im Menschenpark einer Erlebniskultur. Zumindest soweit, wie diese Selbsttäuschung gelingt, soweit eben, wie eine Event-Kultur Erlebnissucht befriedet und damit gesellschaftliche Verödung kompensiert, kann vielleicht auch Ausbeutung bis zu einem gewissen Grad erträglich werden, eben als konsequente Selbstausbeutung. (5)

Die bürgerliche Gesellschaft ist aber damit längst am Ende, aber alle tun noch so, als würde sie nach der Krise einfach wieder so funktionieren, durch eifriges Schuldenabzahlen die Schuld verschwinden und der Staat irgendwann wieder bürgerlichen Wohlstand befördern. Das aber beruht auf einem allgemeinen Wunderglauben, denn die Nationen selbst sind zur Ausbeutung ihrer Bürger verpflichtet, weil sie Lebenszusammenhänge erhalten sollen, die ihrer Substanz nach längst keine mehr sind und deshalb auch nur durch Geld gehalten werden können. Schuldentilgung ist die allgemeine Bürgerpflicht, deren Eintreibung der Nationalstaat zu gewährleisten hat und das dann Sparpaket nennt. Das ist der neue Modus der Ausbeutung.

Die weltweite Ausbeutung von Menschen und Natur durch die Nationalstaaten

Die Politik der Nationalstaaten folgt weltweit den Zwängen, die das Finanzkapital ihnen auferlegt. Die Staaten haben wenig Alternativen, solange sie ihre Industrie und ihr Bankenwesen zur Kapitalverwertung weiterhin über den Finanzmarkt stabilisieren müssen. Er ist der einzige Zuträger großer Wertmassen und daher auch der letztliche Entscheidungsträger politischer Entwicklung und Sicherheit und auch der Hintergrund aller festgehaltenen Werte, der Topf, in dem Kredite, Renten, Rückversicherungen und dergleichen verwertet werden. 

Der inzwischen preisgekrönte Film „Lets make Money“ hat sehr anschaulich gezeigt, wie die Finanzkapitalisten direkt oder indirekt politischen Einfluss auf die ärmeren Länder nehmen, sodass Politik zugunsten ökonomischer Entwicklung für diese Länder praktisch unmöglich geworden ist. Da sie durch Staatsschulden schon lange stark belastet sind, wird ihnen der Modus der Schuldentilgung diktiert, oft durch Naturalienlieferungen, wenn die Länder über zu wenig Kapital verfügen. Die reichen Länder beteiligen sich über ihre Anteile an der Weltbank an ihrer politischen Macht und unterwerfen sich zugleich den sogenannten Sicherheitsanforderungen eines an und für sich desolaten Weltwährungssystems. Das sind meistens Auflagen, die bestimmte Investments zugunsten weltweiter Spekulationen den Weg bahnen und weitgehend vollständig im Widerspruch zu den Interessen der Bevölkerung stehen.

Im genannten Film wird der ganze Prozess veranschaulicht:

Zitat aus ARD-Film "Let's make Money"

Provisionen sind der Lohn der Verwertungsindustrie und Inkassogesellschaften. Geld wird durch das Beibringen von Geld gewonnen, und vergrößert die Schuld derer, die es aufbringen müssen. Allein dieses Geld macht Politik, indem es entweder von ihren Verhältnissen zehrt oder sie auch direkt umsetzt und bestimmt. Wo Geld die Politik für seine Zwecke bestimmen kann, steht  es auch zur Verfügung und Verschuldung wird zur Rechengröße für die Verschuldungsökonomie der Weltökonomen und Ratingagenturen, damit die politische Gewalt auch entsprechend ein- und umgesetzt wird. Wieweit Geld überhaupt noch real ist, wird dabei gleichgültig. Damit werden die Nationalstaaten auf Bündnisse eingeschworen, die nicht mehr der Bevölkerung dienlich sind, sondern dem Verschuldungsprinzip der Kreditwirtschaft selbst. Und dieses Prinzip bewegt sich mit Geldmengen, die sich gegenseitig kreditieren und besichern. Was sie überhaupt real an Wert habn, lässt sich ernsthaft von niemandem darstellen. Es kann nur in den Gehirnen der Ratingbanker gewähnt werden. Das Wahnsystem ist inzwischen gigantisch. Weltweit zirkulieren derzeit 600 Billionen Dollar pro Jahr um den Globus, von denen gerade mal 48 Billionen „realwirtschaftlich“ umgesetzt werden (so Professor Gerke in der ARD). Das Finanzsystem ist völlig aus den Fugen. Da fragt sich in dem genannten Film selbst ein Agent des Finanzkapitals (6):

Zitat aus ARD-Film "Let's make Money"

Menschliche Arbeit ist zwar nach wie vor die Grundlage einer jeden Produktion, auch wenn sie hochgradig automatisiert ist. Aber die Arbeitskraft hat international ihre soziale Potenz, ihre Wirklichkeit als Produzent und Reproduzent der gesellschaftlichen Verhältnisse verloren, indem sie über die Nationen und Kulturen separiert und in der Isolation durch bloße Existenzmacht vereinzelt und als gesellschaftliche Macht zerstört ist. In der Vereinzelung ist die Hierarchisierung des Elends für sie selbst nicht mehr so leicht erkennbar. (7)

In den Dienstleistungsgesellschaften der reichen Nationen werden die Arbeitskräfte zunehmend als Zahlungsmittel für Staatsschulden und Krisenfinanzierung verwendet, in den armen Ländern zur Versklavung der arbeitenden Menschen getrieben. Während finanzwirtschaftliche, politische und kulturelle Eliten immer ausschweifender finanziert werden, wird das Leben eines immer größer werdenden Bevölkerungsanteils auf das unterste Niveau des Selbsterhalts getrieben. Billiglöhne sind dort fast selbstverständlich und Billigmärkte bedienen die zunehmend prekären Lebensverhältnisse mit der Arbeit von prekär bezahlten Arbeitskräften aus einem anderen Land.

Auch andere Filme, die neuerdings im Fernsehen gesendet wurden, befassen sich mit dem Billigmärkten. Diese Filme zeigen überdeutlich, wie heute Geld gemacht wird und wie heute Millionäre entstehen: Durch Massenverkauf und Billigproduktion jenseits von allem, was angeblich laut Politikergeschwätz die guten Sitten regeln würden. Wir müssen unsere Vorstellungswelt dabei erst mal ziemlich korrigieren. Wir glauben, dass die Bestückung der Motherboards von Computern oder Playern durchweg von Robotern erledigt wird. Nein, Menschen in China, Indien oder Thailand sind einfach billiger. Die machen das. Wir glauben, dass die Leute davon leben können, die für die Supermärkte Gurken, Tomaten, Paprika usw. ernten und liefern. Nein, oft geht es da um ein völlig reduziertes Überleben, z.B. illegaler Marokkaner oder legaler Bauern in Spanien, die gar keine Alternative mehr haben, als sich nach Gebot zu verkaufen. Wir glauben, dass die Klamotten, Videogeräte, Player usw., die wir in Billigmärkten kaufen, ihr Hersteller wenigstens entsprechend ernähren können. Nein, viele haben keine Wohnung und keine Mittel, ihre Kinder adäquat zu versorgen und eine Lebenserwartung von 55 Jahre im Durchschnitt. Das alles ist in den Billigexportländern egal, weil es dort endlose Schlangen von Anwärterinnen auf den Arbeitsplatz gibt, die jeden Arbeiter sofort ersetzen können. Kein Wunder, dass die ärmsten Länder mit der größten Bevölkerungsdichte von den Konzernen am liebsten genutzt werden.

Besonders die Sendung „Die KIK-Story“ von der ARD (SWR) hat die Doppelseitigkeit der Massenverwertung am Beispiel des Textilmarkts KIK gut ausrecherchiert. Auf der einen Seite hier in Deutschland werden Billiglöhne jenseits der Schmerzgrenze bezahlt, zwischen 4,50 und 6,50 Euro, unter Ausschaltung jedweder Arbeitsvertretung und unter miserablen Bedingungen. Und im Erzeugerland der Kleider, vor allem in Bangladesh, einem der ärmsten Länder aber zugleich der weltweit zweitgrößte Lieferant für Billigklamotten, werden die arbeitenden Frauen wie Sklaven in Massenunterkünften gehalten und mit gerade mal 28 Euro im Monat entlohnt für 6 mal 12 Abeitsstunden die Woche. Die Kleider werden dann vom deutschen Großhändler z.B. für 2 Euro pro Stück in Massen eingekauft und aus den Regalen von KIK für 9,99 Euro verkauft. Da bleibt was hängen. Und jeder wundert sich über den Billigpreis, auf den die Billigarbeiter und Hartz-IV-Empfänger hierzulande wiederum absolut angewiesen sind. (8)

Zitat aus ARD-Film "Die KIK-Story"

Nicht nur einzelne Extremausbeuter, wie sie schon bekannt geworden sind, z.B. KIK, Lidl, H&M, IKEA oder Schlecker, betreiben Menschenschinderei. Auch andere, insgesamt über 150 Firmen, lassen z.B. im ärmsten Land der Welt, in Bangladesh von Frauen ihre Textilien nähen. Die Versklavung der Billigarbeiterinnen hat auch in China Hochkonjunktur. Der ARD-Film „Hauptsache billig“ hat dies ausgiebig dokumentiert (9):

Zitat aus ARD-Film "Hauptsache billig"

Der Wert stellt nach wie vor das Verhältnis der Arbeitszeiten dar, das hier schon vor jedem Handel ungleich ist. Indem eine bestimmte Anzahl von Arbeiterinnen und Arbeiter in den armen Ländern in einem Monat die fünf- bis zehnfache Menge der Existenzmittel erarbeiten, wie sie die Lohnabhängigen in den reichen Ländern unter den Bedingungen ihrer Existenz benötigen, wird diesen Ländern auch die fünf- bis zehnfache Menge des Produktwerts übereignet. Es ist daher auch schon im Gefälle der Billiglöhne viel Geld zu machen. Die Billigmärkte haben inzwischen eine nicht zu unterschätzende politische und wirtschaftliche Funktion, um auch hierzulande Billiglöhne und Verengung der Sozialleistungen zu betreiben. Sie ermöglichen auch hier den Menschen ein billiges Überleben, die aus dem Arbeitsmarkt herausfallen. Ausbeutung ist international und beruht auf dem internationalen Handel mit den Waren- und Finanzwerten. Im Geld scheint das Ausbeutungsverhältnis zwar verschwunden; es tritt aber sehr schnell wieder zu Tage, wenn mit Geld bezahlt wird, sei es im Tausch gegen Währung oder im Urlaub oder bei Aldi oder Ikea oder Lidl. Wir wundern uns während einer Krise, warum unser Geld nicht inflationiert. Es ist ganz einfach: Wir saugen deren Waren unterwertig auf und decken damit wieder unsere Geldwerte.

Die Menschen sind in der Verwertungsfalle, weil die Verwertung ihre Lebensgrundlage, ihre Subsistenz zu ihrer Lebenspflicht, zur allgemeinen Bedingung des Überlebens gemacht und ihre wirklichen Lebenszusammenhänge isoliert, Arbeit und Bedürfnis voneinander weltweit getrennt  und delokalisiert hat. Die Globalisierung des Wertverhältnisses zu einer Weltmacht des Finanzkapitals erzeugt beständig neue Lohnsklaven und verstärkt die Macht der Eliten, der Teilhaber im großen Glauben an das Geld, an die Gläubiger, die alleine noch die Macht eines abstrakten und allgemeinen Zusammenhangs vermitteln - wenn auch nur fiktiv. Es besticht die Regierungen und Mächtigen und befördert deren offene oder verdeckte Korruption in den Ländern, Regionen und Kommunen – nicht weil es ihre Entwicklung mit wirtschaftlichem Vorschuß befördert, sondern indem es ihre Ohnmacht für Wertimporte nutz, ihre Arbeitskraft, die Reproduktions- und Produktivkraft dieser Länder entzieht und damit deren Ohnmacht vertieft und den Menschen jede Perspektive raubt - kurz: indem es ihre Lebensverhältnisse weiter und tiefer in die Verschuldung treibt.

In der Kritik an diesem Gesamtzusammenhang endet auch der Film „Lets make Money“:

Zitat aus ARD-Film "Let's make Money"

 Videos zum Thema:

Trailer zu "Let's make Money"

Ausbeutung der Näherinnen in Bangladesh (bezgl. H+M)

Ausbeutung der Näherinnen in Bangladesh (bezgl. KIK)

Discounterpreise und ihre Auswirkungen (Betrifft: Hauptsache billig)

Hinter den Kulissen von Lidl

Der Lidl-Skandal

Lohndrücken nach Schlecker-Art

Leiharbeit bei der AWO

Immobilien- und Golfplatz-Investitionen in Spanien (aus "Let's make Money")


(1) Und mehr noch: Eine schöne neue Welt würde zugleich noch daraus hervorgehen, weil deutsche Technologie ökologisch gut und wieder hoch gefragt ist - vor allem grüne Technologie überhaupt. Man weiß ja, das es da ein Umwelt- und Klimaproblem gibt, und was Erträge aus Technologie und vor allem mit technologischem Fortschritt hiergegen bringen können, auch wenn da manchmal was schiefgehen kann. Na ja, das Bohrloch vor Mexiko ist ja jetzt doch auch wieder gestopft, wie eben alle Löcher immer wieder gestopft werden, wenn mal geschludert worden ist. Alles nur menschliches Versagen, jedenfalls kein Problem des Systems, wenn mal eben die Sicherheitssysteme ausgeschaltet werden. Man darf keine Zeit verlieren.

Dafür hat ein neues Zeitalter nach dem Erdöl begonnen. Nicht nur Technik für Wind- und Sonnenenergie wird nun aufgebaut und exportiert. Auch Fortschritte in der Photovoltaik lassen ein neues Paradies der Energieversorgung aufleuchten: Die gerade in Entwicklung befindliche künstliche Photosynthese wird Sonnenenergie um das 18fache intensiver nutzbar machen und den elektrischen Strom vom Hausdach ebenso wie über die Windschutzscheibe der Autos so frei zur Verfügung stellen, wie die Luft zum Atmen. Noch dazu ohne Abfall, im Gegenteil: Es entsteht dabei auch noch Wasser, das wir und die vielen anderen Wüstenbewohner doch auch gut brauchen können. Wir müssen das nur alle unterstützen, fest dran glauben an das Große und Ganze der hiesigen Wirtschaft und dass wir alle es sind, die hierdurch bereichert werden, wenn wir es dann mal erleben dürfen.

(2) Auf dem Weltmarkt werden ja die Verbrennungsmotoren der deutschen Luxus- und Mittelklassewagen aktuell immer noch akzeptiert, soweit die Verknappung des Erdöls noch nicht zum Allgemeinverstand vorgedrungen ist,  solange eben, bis der Benzinpreis die Ölverknappung noch nicht beim Tanken spürbar macht. Da hat man vielleicht noch 5 Jahre Zeit und da kann auf die Schnelle noch einiges durchgehen, was bald nur noch geringen Gebrauchswert haben wird. Da muss man sich beeilen, um seine veralteten Produkte noch los zu werden.

(3) Auf dem Finanzmarkt existiert ein Mehr an Geld nur als Wertwachstum, als Geld, das nur wieder als Vorschuss eingesetzt werden kann, um seinen Wert zu erhalten, z.B. als Investition oder als Kredit, gleich woraus dessen Wert zurück gewonnen wird, sei es durch Mehrarbeit oder Ausweitung von Märkten oder Beschleunigung der Produktion und ihrer Kapitalumschläge. Die Gleichgültigkeit gegen die Herkunft des Wertwachstums rächt sich in den Verwertungskrisen, die eigentlich Wertkrisen sind: Wert kann nämlich nur durch Arbeit entstehen und wächst nur, wenn mehr Arbeit pro Zeit wachsen kann. Also bedeutet Wertwachstum auch immer ein mehr Arbeit, egal ob durch verstärkte Ausbeutung, intensivierte Produktion oder verbesserten Warenabsatz beschleunigt. Weil Arbeitskraft aber nicht für ihre Arbeit, sondern nur für die Zeitdauer ihrer Nutzung für das bezahlt wird, was sie an Wert hat, was also ihre Reproduktion, was ihr Lebensstandard kostet, stellt Wertwachstum immer unbezahlte Arbeit dar. Und deren Produkte, also die Mehrprodukte, stellen ein eigentümliches Problem dar: Sie können zwar für Luxusartikel der Reichen oder als Vorschuss auf weitere Produktion, z.B. für verbesserte Produktion oder Infrastruktur investiert werden. Darüber hinaus aber lässt sich ihr Wert nicht realisieren, weil es hierfür kein Geld gibt, weil der Warenmarkt eben auch mit Produkten gefüllt wurde, deren Arbeitswert nicht bezahlt worden war. Diese können ihrem Wert entsprechend nur abgesetzt werden, ihren Wert realisieren, wenn sich die Wertverhältnisse des Konsums entsprechend verändern, wenn sich also Märkte ausweiten oder neue Erfindungen neue Bedürfnisse wecken und Investitionen nach sich ziehen oder Katastrophen oder Kriege vorhandene Werte zerstören usw. Das Wertwachstum verlangt also auch im Nachhinein ein Wirtschaftswachstum auf der Konsumseite, das im Kontrast zur wirtschaftlichen Reproduktion der Arbeitskraft steht. Nur durch beständige Ausdehnung der Wirtschaftsbereiche, Produktionen und Märkte kann die realisierbare Wertmasse der Produkte der produktiven Wertmasse des Kapitals genügen, das immer auf Mehrwert zielen muss, um sich überhaupt erhalten zu können, um also Krisen zu vermeiden oder Krisen zu bewältigen. Von daher hat sich die Ausdehnung des Weltmarkts schon sehr früh im 18. Jahrhundert entwickelt und im 19. Jahrhundert seine ersten schweren Krisen erfahren.

(4) Die bürgerliche Gesellschaft erscheint hiergegen noch wie eine Romanze der Geschichte vom produktiven Kapital. Die ist unwiderruflich vorbei. Und romantisch war sie auch nur in den Sphären des Bildungsbürgertums, in denen die Altäre der Liebe zumindest als Glücksillusionen einer an und für sich vor allem eingebildeten Beziehungswelt in allen Bedeutungen ausgekostet werden. Zumindest wer Geld hat, kann sich solche Beziehungen zumindest durch Design und Leuchtkraft einer gebildeten Persönlichkeit als Accesoire seiner Dünkelhaftigkeit zulegen. Das wirkliche Leben und also das Lieben ist auch im Bürgertum als Ganzes gebrochen, weil es dort nur in Teilen und aufgeteilt vorkommt, also nur in abstrakt vermittelten Verhältnissen existiert.

(5) Es ist inzwischen auch den Staatsagenten klar, dass sie die Staatsverschuldung gar nicht mehr auflösen können, dass die Forderungen eben Forderungen bleiben, die vor allem die Blasen des fiktiven Kapitals immer wieder unterlegen sollen und dass die Hoffnung auf Entschuldung eine Chimäre bürgerlicher Verheißung auf das Glück des einfachen Warenbesitzer ist, aus welcher die psychische Substanz der Wetten auf dem Kapitalmarkt gewonnen wird. Denn genau damit arbeitet der Staat heute und das „Spiel“ funktioniert in etwa so wie russisch Roulette: Wer nicht untergeht, wenn die Blasen platzen, kommt in die nächste Runde.

(6) Aber bei alledem bleibt die Arbeitskraft doch die Grundlage aller Wertbildung und Substanzerhaltung, auch wenn sie immer ohnmächtiger wird. Die Verschärfung ihrer Ausbeutung ist daher für jede Kapitalbildung, die ja auch weiterhin dem Finanzmarkt vorausgesetzt ist, grundlegend. Doch die Arbeit für die Reproduktion der Menschen, der Wert, den die Arbeitskraft hat, gerät immer mehr unter das Diktat einer schrankenlosen nur noch politischen Macht, indem sie international zur minimalisierten Teilarbeit oder zum Wanderarbeiter separiert und national isoliert wird. Von da her kann sich keine reale Wirtschaftskraft mehr der verschärften Ausbeutung wirkungsvoll entgegenstellen oder gar verweigern.

Dabei wird sich das nationale Kapital zudem selbst mit dem Nationalstaat in einer Interessenlage verbünden. Die Realwirtschaft ist von einem immer größeren Risiko bedroht, weil in der Anwendung von Finanzkapital, durch die sie sich existenziell erhalten muss, zugleich ihr ganzer Markt bestimmt wird, sowohl ihr Absatzmarkt wie auch der Markt der Arbeitskräfte. Sie zehrt lediglich davon, dass sie die Menschen bis an die physische Grenze ausbeuten kann, weil denen eben auch nichts anderes mehr übrig bleibt. Der Staat kann seine gesellschaftliche Aufgaben nicht mehr in bürgerlicher Traditon bewerkstelligen.

Wo die wesentliche gesellschaftliche Funktion des Staates aufgehoben ist, die Bedingungen für eine Warenproduktion zu erhalten, die seinen Bürgern nützlich ist, kann er auch nur noch auf seine eigene Absicherung durch Auspressung ihrer Arbeitskraft achten und sich Eliten heranziehen, die in diesem Sinne auch als Betreiber des Feudalsystems geeignet sind. Der Feudalkapitalismus ist darauf erpicht, eine strenge und gut ausgerüstete Elite zu haben, die eine breite Masse von Handlangern und Kurzarbeiter und Tagelöhner kontrollieren kann. Um diese Masse herzustellen und zu halten werden die nationalen Wirtschaftsbedingungen auf Bedrängung der Armut gestellt, die zugleich Kettenreaktionen der Existenzangst bis in die Mittelschicht hinein auslöst. Und wo Armut allgemein vorherrscht, ist der effektivste Standort für Ausbeutung nach Feudalherrenart.

(7) Die reichen Nationen, soweit sie hochwertige Exportartikel auf den Weltmarkt bringen, können sich wertmäßig stabil halten, soweit die Nachfrage besteht. Sie sind die Reserven der Realwirtschaft. Durch hochwertige Verkäufe werden Werte aus armen Ländern importiert, die einen Großteil der Güter für den Selbsterhalt finanzieren, die also das variable Kapital weitgehend entlasten, indem sie es aus der Armut gewinnen. Ein beträchtlicher Teil an Klamotten, Möbel, Elektrogeräte, Computer, Gemüse, Fleisch, Fisch und sonstige Nahrungsmittel, ich schätze mal 60 – 70% des  Grundbedarfs unseres durchschnittlichen Lebensunterhalts, werden aus armen Ländern zu Billigpreisen erworben, während die Arbeit sich hierzulande zum größten Teil auf Dienstleistung konzentriert und sich zu einen wesentlich kleineren Teil mit Technologie  – vorwiegend für den Export – befasst. Unsere „freie Wirtschaft“ ist also wesentlich von der Ausbeutung unfreierer Wirtschaften abhängig, also gar nicht so frei, wie sie gerne scheint.

(8) Zucchini für 19 Cent das Stück, ein Damen-Jogginganzug für 12 Euro, Badelatschen für einen Euro, der Billig-Laptop, man muss nur Schlange stehen! Wie kommen diese Preise zustande? Ein Grund für diese Dumpingangebote ist sicher die miserable Bezahlung der Beschäftigten - bei einem Textildiscounter verdient man als ungelernter Neuling zwischen 3,80 und 5 Euro die Stunde brutto.

Und dann die Kosten dafür in den Erzeugerländer: Der Lohn in China, wo die PCs hergestellt werden, liegt zwischen 80 und 100 Dollar im Monat, in Bangladesch, wo fast alle europäischen Verkäufer ihre Kleiderwaren nähen lassen für noch geringere Löhne und in Almeria, Spanien, wo marokkanische und lateinamerikanische Frauen für ein paar Cent unter Plastikplanen Gemüse anbauen, das in Deutschland supergünstig zu haben ist.:

(9) Trotz dieser offensichtlichen Brutalitäten, die inzwischen durch die Veröffentlichungen durch einzelne Entgegenkommen camoufliert werden, findet die große Masse der Ausbeutung längst schon sehr viel  subtiler auf der Ebene der Finanzspekulationen statt, auf den Aktien- und Devisenmärkten, die mit den Handelsspannen von Import und Export ihre besten Geschäfte machen. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um Wertauspressung über die Geld- und Aktienmärkte. Während der größte Teil der Menschheit nur am Existenzminimum und darunter lebt, während die reine Notwendigkeit gerade noch überleben zu können, für die meisten Menschen bestimmend ist, fast jede Arbeit zu übernehmen, gehen alleine die Gewinne auf diesen Märkten selbst schon weit über den Wert aller lebensnotwendigen Existenzmittel hinaus, resultieren also insgesamt aus einer Ausbeutungsrate von über 100%.

Hinzu kommt, dass der Handel mit Waren weitgehend von den Währungsverhältnissen und damit auch vom Finanzkapital und dem Verschuldungsdruck der Länder bestimmt ist. Deutschland z.B. liefert vor allem Maschinen, Autos, Militärausstattung und pharmazeutische Produkte. Doch der Preis, der dafür bezahlt wird, liegt auf dem höchsten Niveau, während der Preis, der von den andere Ländern für die Importe bezahlt werden, auf unterstem Niveau liegt. Diese Wertdifferenz selbst schon macht den Handel einseitig. Daher stellen auch die Währungen selbst schon Ausbeutung sicher: Im Entzug von Arbeit und Kultur werden die armen Länder zwangsläufig in einem Maß ärmer, durch welches die reichen Länder durch die Aneignung von Billigprodukten immer reicher werden, weil sie durch teure Produkte tauschen.