Mitschnitt Radio Lora (92,4 kHz am 6. Juni 2005 19 bis 20 Uhr)

Zum Thema Krise:

Eckard Thiel (Radio Lora) im Gespr�ch mit Wolfram Pfreundschuh

 

Eckard Thiel: Es ist schon seltsam, die Wirtschaftskrise, die seit mehr als 20 Jahren die Diskussion und unser Land beherrscht, will sich von selbst nicht beheben und sie l�sst sich wohl auch nicht beheben. Die Rezepte unserer Parteienvertreter klingen nicht wirklich glaubw�rdig, weder die Senkung der Unternehmenssteuer noch die Senkung des Lohnniveaus hat auch nur einen geringen Effekt gehabt auf die Zahl der Arbeitslosen. In der n�chsten Stunde wollen wir einmal den Gesetzm��igkeiten des Kapitals nachsp�ren, die Karl Marx schon vor �ber hundert Jahren aufschrieb, n�mlich die Krisenhaftigkeit des Kapitals, die schafft es sich n�mlich selber. Daran versuchen sich in der n�chsten Stunde Wolfram Pfreundschuh und Eckhard Thiel.

Wolfram, mit welcher Art von Krise haben wir es hier zu tun? Uns wird ja gesagt, es sei eine Strukturkrise. Wenn ja, was ist darunter zu verstehen und was sind die wirklichen Ursachen?

Wolfram Pfreundschuh: Strukturkrise - so ist heute die g�ngige Formulierung - hei�t, dass der Kapitalismus in seiner eigenen Struktur nicht mehr funktioniert, dass also seine Anlagen nicht mehr im Zweck der Wertproduktion funktionieren, dass also Wert nicht mehr in dem Ma� erzeugt wird, wie notwendig, um den ganzen Verwertungsprozess in Gang zu halten und dass dadurch Wertschwund eintritt. Strukturkrise ist vielleicht ein bisschen missverst�ndlich, man k�nnte denken, sie ist eine Frage der Industrie oder ihrer Einrichtung oder eine Frage der Maschinerie. Das hat damit nichts zu tun, es ist eine reine Verwertungskrise, dass also das, was eigentlich das Ziel des Kapitals ist, immer mehr Wert zu schaffen, nicht mehr funktioniert. Und das ist schon der Fall, wenn kein Wertwachstum stattfindet. Man nennt das deshalb auch Wachstumskrise, wenn das Wertwachstum nicht mehr in den erwarteten Spannen l�uft, diese so genannten 3 % nicht mehr da sind. Das ist ein Erfahrungswert, nach welchem die b�rgerliche �konomie eine Krisenlage erwartet. Sobald das Bruttosozialprodukt unter diesem Wert ist, droht nach ihrer Erfahrung der Kapitalwert zu schwinden - oder er verdampft oder wie das halt jeweils in den einzelnen Denkrichtungen bezeichnet wird. Jedenfalls findet dann eine Umkehrung des Verwertungsverh�ltnisses in ein Entwertungsverh�ltnis statt: Vorgeschossne Werte werden nichtig, weil die produzierten nicht realisiert werden k�nnen. Das l�uft dann z.B. so ab, dass Waren nicht mehr gekauft werden, weil die L�hne nicht ausreichen um die hinreichende Konsumtion zu bringen, die das Kapital braucht, um seine Waren abzusetzen. Weitere Folgen sind Stagnation und Geldentwertung.

E.T.: Ich versuch jetzt mal f�r mich f�r das Alltagsverst�ndnis zu �bersetzen. Also das hei�t, weder VW noch IBM noch irgendwelche Maschinenbauer oder Joghurtfabrikanten k�nnen mit gen�gend Gewinnaussichten produzieren, so erscheint das an der Oberfl�che.

W.Pf.: Ja, die Profite sind nicht in dem Ma� m�glich, wie sie n�tig sind, um die ganze Verwertungstechnologie in Gang zu halten und die Logistik und Verwertungslage des Kapitals entsprechend zu erhalten. Das ist also ein Fall der Profitrate, wie ihn Karl Marx schon vor 150 Jahren untersucht hat und auch belegt hat, dass sich der Kapitalismus immer wieder in solchen Krisen bewegt, in denen seine eigene Wertmasse einen Umfang erreicht, in welchem sie nicht mehr funktionieren kann. Dann reicht die Konsumtion zur Realisation der Produktion nicht mehr hin, weil die Konsumtionsmasse, also das, was die Leute zu H�nden haben von dem Ganzen - �konomisch nennt man es das variable Kapital - nicht ausreicht, um diesen Wahnsinnswust von Angeboten auch noch einzukaufen, weil also das Verh�ltnis zwischen den L�hnen und den produktiven Werten nicht mehr stimmt, jetzt mal nur auf dieser einen Ebene beschrieben.

E.T.: Genau, da w�rde ich sagen, m�ssen wir uns mal etwas auf die Marx’sche Theorie einlassen, du hast eben vom variablen Kapital gesprochen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, zerf�llt das Kapital, das angewandte, das eingesetzte Kapital in zwei Kategorien, eins ist das variable, da werden die L�hne, die Geh�lter daf�r gezahlt und das andere ist das konstante, was eingesetzt werden muss, notwendig eingesetzt werden muss, als Voraussetzung f�r die Produktion, Maschinen und alles was dazugeh�rt. Ein Kennzeichen ist, wenn ich das noch richtig erinnere: Wertproduktion kann nur aus dem variablen Kapital entstehen, also aus den L�hnen und deshalb sollen die auch runtergehen. Aus den L�hnen wird der Wert gezogen, der sowohl Gewinn ist, als auch f�r die Wiederanlage verwendet wird. Ist das die richtige Definition?

W.Pf.: Nicht ganz. Zun�chst mal ist Wert nichts anderes wie Arbeitszeit. Es geht also zun�chst mal nicht darum, welchen Geldausdruck das Ganze als Lohn hat, sondern wieviel Zeit ein Mensch arbeiten muss, um sich zu reproduzieren. Wie viel Zeit muss gearbeitet werden, um die ganze Gesellschaft zu reproduzieren und wie viel Zeit muss gearbeitet werden, um dar�ber hinaus noch Reichtum zu bilden. Die Reproduktion von einem Menschen ist einfach ein bestimmter Aufwand an Arbeit, der im Kapitalismus warenf�rmig erf�llt wird, d.h. er wird im Wertverh�ltnis bewegt. Der Arbeiter gibt seine Arbeitskraft in die Arbeit ein, �ber die das Kapital eine bestimmte Zeit lang verf�gt und er ern�hrt sich davon, wie sich auch das Kapital hierdurch bildet. Er muss sich auf diese Weise ern�hren, weil dies die gesellschaftliche Form der Arbeit ist.

E.T.: Ich muss noch mal zur Oberfl�che kommen. Oberfl�che hei�t, wenn du sagst Reproduktion, da ist es wichtig, was geh�rt dazu? Da kann das Haare schneiden dazugeh�ren, einmal oder zweimal oder f�nfmal im Jahr. Das wird festgesetzt als gesellschaftliche Gr��e, als Durchschnittswert, ist das richtig? Also der Wert der Arbeit wird gesamtgesellschaftlich festgestellt, heute z.B. auch durch Tarifverhandlungen. Das ist ja auch eine Feststellung des Preises der Arbeitskraft.

W.Pf.: Es ist so was wie ein Preiskampf dahinter. Aber was sich ausdr�ckt zwischen den k�mpfenden Parteien ist ja die Frage, wie sich die Arbeitszeit zur Herstellung einer Dienstleistung, von einem Gegenstand, einer Sache, wie sich diese Zeit praktisch als durchschnittliche Arbeitszeit einer Gesellschaft erweist. Es ist ja nicht so, dass die Leute mit einem Zettel rumlaufen und fragen, wie viel hast du gearbeitet, wie viel hast du gearbeitet und was willst du jetzt daf�r. Es l�uft anarchisch, d.h. im Nachhinein stellt sich heraus, in welchem Durchschnitt �ber die Arbeitszeit befunden wird, was sie an Wert hat. So ist es ja in der Konkurrenz der Produzenten �berhaupt: Der eine hat g�nstig gearbeitet, der andere ung�nstig, der eine hat zu lange gebraucht, der andere weniger und der Durchschnitt, der sich dabei herausbildet, das macht aus, was jeweils Wert ist. Und wer dann zu lange, also �berwertig arbeitet, der fliegt aus dem ganzen Verh�ltnis raus, weil er zu teuer sein muss - dessen Produkte werden nicht gekauft. Also ist der Wert immer dieses Zeitverh�ltnis, das sich im Durchschnitt herausstellt beim Warentausch. Der Wert der Produktion realisiert sich im Tausch der Produkte. Da ist dann beides nur noch eins: Warentausch und Produktion treffen praktisch im Wert zusammen.

E.T.: Jetzt haben wir aber eine Tendenz, dass das variable Kapital einerseits den Mehrwert schafft, also auch den Gewinn f�r den Unternehmer und auch f�r die Wiederanlage, das ist die eine Seite, die andere Seite ist die Konkurrenz und auch die Wissenschaft hat nichts anderes zu tun, als genau diese Wertproduktion zu minimieren, d.h. durch Rationalisierung und Maschinerie wird diese lebendige Arbeit tendenziell versucht immer klein zu halten, also immer geringer werden zu lassen. Ich erinnere jetzt mal an die digitale Revolution, Computer sparen Millionen von Arbeitspl�tzen ein.

W.Pf.: Das ist ja auch das Problem, welches das Kapital hat, dass es, um in der Konkurrenz der Einzelkapitale zu bestehen, selbst eine immer h�here Technologiestufe erstreben muss, um m�glichst viel aus der Produktion herauszuziehen, um zu „rationalisieren„. Und hierdurch entwickelt sich zugleich seine Wertmasse, die es als Produktionsmittel hat und als Produkt der Arbeit in diese reinvestiert. Auf der anderen Seite wird die menschliche Arbeit dabei nat�rlicherweise geringer, weil die Maschinerie sich ja ziemlich schnell amortisiert und die Maschinen sich nicht durch sich selbst rentieren, weil sie sich nur in den Produkten f�r Menschen wertm��ig verbrauchen k�nnen. Maschinen kaufen keine Maschinen - das hat uns der Fordismus verdeutlicht, als er die soziale Ader des Kapitalismus hervorkehrte: Den Konsum f�r jeden. Die Menschen kaufen Waren ein, um davon zu leben, solange ihre Gesellschaft nur in der Warenform ihre Produkte vermittelt, das ist die Bedingung von allem. Und die Arbeitszeit, die sie in die Produktion hinein geben zu ihrer Reproduktion, begegnet ihnen in der Wertgestalt der Produkte, die sie mit dem Wert�bertr�ger Geld kaufen k�nnen. Und alles, was dar�ber hinausgeht, ist dann neben dem privaten Problem des „Broterwerbs„ durch Lohnarbeit ein gesellschaftliche Problem, weil das Kapital nat�rlich nicht daraus besteht, dass es den Leuten nur das erzeugt, womit sie sich ern�hren, sondern dar�ber hinaus auch seine eigene Entfaltung betreibt als Kapital, das an Wert wachsen muss, um sich zu erhalten, seine Macht zu vermehren und sich f�r die Kapitaleigner zu rentieren.

Diesen ganzen Ablauf hat Marx im Verlauf des Arbeitstags rechnerisch dargestellt, so dass man das auch als Zeitverlauf bechreiben kann: Die Menschen arbeiten, sagen wir mal vier Stunden am Tag f�r die Werte, die sie als Produkte haben wollen zum leben, sie arbeiten aber, und das macht letztlich den Preiskampf und den Kampf um die Arbeitszeit aus, 7 oder 8 Stunden am Tag. Und das ist sozusagen die politische Situation, dass das Kapital als Besitzer der Technologie und Logistik der Arbeit �berhaupt durchaus in der Lage ist, Druck zu machen – mal mehr, mal weniger - und daraus ergibt sich, wie der Preiskampf der Arbeitskraft f�r den Lebensstandard der meisten Menschen steht, wie viel Druck sie auch selbst machen k�nnen und auf was sie eingehen m�ssen, um sich zumindest f�r ihr Leben erhalten, sich reproduzieren zu k�nnen. Im Preiskampf um den Arbeitslohn hei�t es dann zum Beispiel, egal wie viel ihr jetzt f�r euch braucht, ihr m�sst 8 Stunden am Tag arbeiten, nur dann bekommt ihr euren Lohn - meist verbunden mit der Behauptung, nur dann funktioniere das Kapital und sei zahlungsf�gig. Das ist der Unterschied zwischen dem wirtschaftlichen Vorgang, der ja eigentlich leicht zu handhaben w�re, wenn man ihn nur aus der Sache selbst begr�ndet sieht, und dem politischen Vorgang, dem Druck auf die Existenz und das Leben der Menschen, die Enteignung von Arbeits- und Lebenszeit zu Gunsten einer unentwegten Kapitalvermehrung durch Wertwachstum.

E.T.: Zur�ck zur eingesetzten Technik. Die hat ja auch eine schillernde Seite. Sie sieht ja so aus, dass gesagt wird, die Produktivkr�fte erleichtern den Menschen das Leben. Man br�uchte ja eigentlich weniger zu arbeiten, aber dem ist nicht so.

W.Pf.: Genau das ist das Problem, das merken wir ja jetzt auch wieder. Wir stellen fest, die Arbeit geht aus, es ist nicht gen�gend Arbeit da und trotzdem geht’s darum, die Arbeitszeit zu verl�ngern. Das ist doch eigentlich ein Unding. D.h., die einfache wirtschaftliche Vernunft funktioniert gar nicht, es funktioniert hier nur die politische Gewalt des Kapitals, die sagt, ich will so viel von euch rauskriegen, wie ich nur erreichen kann, damit sich meine Wertlage verbessert. Also will ich von euch einen langen Arbeitstag, Wert f�r mich, Mehrwert. Ich brauche n�mlich gerade jetzt m�glichst viel Effizienz, Maschinen und Rationalisierung, sagt das Kapital als Arbeitsorganisator, als Logistiker des ganzen Ablaufs und als Planer und Entwickler neuer M�rkte, die sich nicht unbedingt mit den Bed�rfnissen der Menschen decken, weil sie den Interessen des Kapitals folgen, seiner Verwertungslogik dienen m�ssen.

Und die Arbeiter sind gezwungen, ihre Arbeit zu dem zu verkaufen, was sie wert ist, n�mlich das, was sie haben m�ssen, um sich zu reproduzieren. Das ist der Wert ihrer Arbeitskraft. Umgekehrt wird ihre Arbeit aber durch diese Entwicklung immer wertloser, weil sich die Rationalisierung der Technologie des Kapitals gegen sie entwickelt und immer weniger menschliche Arbeit n�tig hat. Und in diesem Verh�ltnis zwischen Produktion und Reproduktion l�uft der ganze Schwachsinn ab, dass eben die Maschinerie erstens von den Arbeitern erzeugt und gebildet wird, der Arbeitsschwund aber nicht an sie durch verbesserten Lebensstandard, also z.B. weniger Arbeit pro Mensch, weitergegeben wird, weil dann f�r das Kapital kein Wertwachstum, sondern Wertschwund eintritt. - Mit Arbeitern meine ich jetzt nat�rlich auch Arbeiterinnen und nicht blo� die Industriearbeiter, sondern auch die Kopfarbeiter, die Kulturarbeiter, alle die nur t�tig sind, weil sie nichts besitzen und sich nur durch Geld ern�hren k�nnen.

E.T.: Jetzt k�nnte man nat�rlich sagen, wenn das so ist, schaffen wir einen Teil der Maschinen ab und gehen auf eine Stufe zur�ck, auf der mehr menschliche Arbeit in die Herstellung eines Produkts gesteckt wird. Aber dieser Weg ist wohl versperrt, ein Zur�ck gibt es nicht.

W.Pf.: Das w�re ja wohl auch etwas schwachsinnig.

E.T.: Verteilung der Arbeit, k�nnte man ja sagen, wenn alle arbeiten sollen, dann w�re das ja eine Ma�nahme. Aber auf die Idee kommt keiner.

W.Pf.: Ja gut, es gibt den Weg, dass man die Arbeitszeiten ausgleicht. Dass man sagt, es kann jetzt nicht mehr die Profitmaximierung im Vordergrund stehen. Es ist ja erst mal tats�chlich auch eine Verteilungsungerechtigkeit, dass die Aufteilung des Mehrprodukts nur dem Kapital zu seiner privaten Verf�gung und Bestimmung als Mehrwert zugestanden wird, nicht als Mehrprodukt, als Arbeitserleichterung und Arbeitszeitverk�rzung an die Bev�lkerung zur�ckkommt. Solche Forderungen machen ja den Marxismus der Arbeiterbewegung seit 150 Jahren aus. Das ist die eine Seite, dass er fordert, dass keine Versch�rfung des Verwertungsdrucks der Produktion mehr stattfinden darf, sondern eine gerechte Verteilung der Produkte. Das Ziel, dass das Mehrprodukt aber auch �berhaupt den Produzenten, d.h. also der ganzen Gesellschaft zur Verf�gung stehen muss und nicht den Banken und nicht dem Finanzkapital, nicht den transnationalen Konzernen, das ist die andere Seite des Marxismus. Der gesellschaftlich produzierte Reichtum darf nicht in der Wertform des Finanzkapitals sich in einem immer sinnloser werdenden Geldreichtum verschlei�en, sondern muss zur�ckgegeben werden in den Lebensstandard der Bev�lkerung nicht nur als materieller Reichtum, sondern auch als Verf�gung �ber die ganze gesellschaftliche Entwicklung.

E.T.: Sogar die B�rgerlichen haben geschnallt, dass der Binnenmarkt zu schwach ist, so hei�t es in den Analysen, aber gleichzeitig wird Lohn eingespart, alles geht auf Niedriglohn-Niveau. Kein Wunder, dass die Leute nichts mehr kaufen. Ist das so eine Sackgasse, in die wir da reinkommen?

W.Pf.: Ja, das Ganze ist eine permanente Krisenbew�ltigung, die an allen Ecken und Enden versucht wird, teilweise mit Preisdumping, teilweise mit Existenzdruck. Man sieht, dass der Prozess immer sch�rfer wird, dass der Binnenmarkt, wenn man davon absieht, was den Gro�teil des Exports ausmacht, durchaus funktionieren k�nnte, wenn er seinen Zweck in einem Gemeinwesen der Produzenten erf�llen k�nnte. Aber der Binnenmarkt funktioniert nicht, weil die ganze kapitalistische Weltwirtschaft, das ganze globale Verwertungsinteresse sich hiergegen frei gemacht hat und inzwischen �berhaupt nicht mehr auf der Ebene einer Existenzform des Kreislaufs zwischen Arbeit und Konsum funktioniert, - dass da also kein Gemeinwesen mehr in irgendeiner Form ist, in welchem die Leute arbeiten und darum streiten k�nnen, was sie davon haben.

Das Verh�ltnis von Arbeit und Kapital ist in mehrfachem Sinn grenzenlos geworden, und das ist das Problem der arbeitenden Menschen und auch ihrer Gewerkschaften hierzulande. Das ist nicht nur ein Verteilungsproblem. Der ganze Kapitalismus ist inzwischen weltweit in eine Wertmasse gekommen, die als spekulatives Kapital um die Erde schwirrt. Hierdurch sind die Exportm�rkte das eigentlich Bestimmende geworden, weil nur noch dort Spekulationen Ertr�ge bringt, die gro�en Profite nur dort gemacht werden k�nnen, wenn unbesch�ftigtes Kapital f�r die Ausnutzung billiger Arbeitskr�fte eingesetzt wird. Die Binnenm�rkte hat man f�r die Entwicklung des Kapitals eigentlich aufgegeben. Man sagt: Gut, die Binnenm�rkte, die schleppen wir mit, die Leute m�ssen sich nun mal auch irgendwie ern�hren k�nnen, denn letztlich machen sie als Dienstleister, Zutr�ger und Funktion�re in einer Weltwirtschaft unseren Wirtschaftsstandort aus. Aber der Preis solcher Arbeit wird nicht mehr frei verhandelt, sondern hiernach eben bestimmt, - wenn es sein muss durch Erpressung. Die Kapitalverwertung l�uft zum weitaus gr��ten Teil nur noch wirklich auf den globalen M�rkten durch Transnationale Konzerne. Aber der Binnenmarkt macht immer noch 80 % der Arbeitsstellen aus. Die ganze Entwicklung geht gegen die Leute, an denen der Marktdruck exemplifiziert wird: Jene, die aus dem Arbeitsprozess fallen und wieder Arbeit suchen oder randst�ndig werden. Arbeitslosigkeit ist heute vor allem ein Ph�nomen der Globalisierung, die sich nach den Exportm�rkten richtet und Machtverh�ltnisse auf Weltniveau herstellt, die keine R�cksicht mehr nimmt auf die nationalen und lokalen Kreisl�ufe und durchaus die „eigenen Leute„ zu opfern bereit ist, wenn des dem „Wirtschaftsstandort„ dienlich ist.

E.T.: Da m�ssen wir wohl mal das Thema Konkurrenz einbringen in die Diskussion. Konkurrenz findet ja statt �ber die M�rkte, �ber die Preise; z.B. Volkswagen ist in China gut gestartet, kann jetzt aber die Preise scheinbar nicht mehr halten, weil die Chinesen selber billigere Autos bauen und damit geht der ganze Umsatz runter. D.h. die Konkurrenz ist ja nun das treibende Motiv auch f�r die Globalisierung, das beherrschende Motiv besser gesagt.

W.Pf.: Ja gut, in der Konkurrenz setzt sich das Verh�ltnis durch. Die Konkurrenz selber ist nicht ganz das Treibende, es ist sozusagen die k�mpferische Situation, worin die einen sagen, wir bieten euch Produkte oder Arbeit f�r diesen Geldbetrag an und die anderen bedr�ngen dieses Angebot durch ein anderes. Aber was sich durchsetzt, ist ja eigentlich vor allem der Wert, d.h. die Masse der menschlichen Arbeit, die dadurch von dem einkassiert wird, dem das Gesch�ft gelingt. Dadurch, dass die Chinesen ihre Arbeit noch auf einem ganz anderen Wertniveau verkaufen und mit ganz anderen Zeitverh�ltnissen zu tun haben, sind sie nat�rlich stark als Angebot auf dem Weltmarkt, solange ihre inl�ndische Reproduktion in diesen Verh�ltnissen funktioniert. Die arbeiten ihre f�nf Stunden ganz locker f�r eine einfache und billige Sache, die bei uns unbezahlbar w�re, weil soviel menschliche Arbeit viel zu teuer w�re, dort aber irgendwie noch zum Leben reicht. All die Produkte, die wir aus Taiwan und sonst woher bekommen, die kommen bis zu uns, weil wir die gar nicht zu dem Wert herstellen k�nnten, das w�rde kein Mensch unter hie�igen Bedingungen mehr machen k�nnen. Und dieses Arbeitszeitverh�ltnis, das ist einfach das Wichtigste, dass n�mlich auf niedrigem Zeitniveau des Werts die gr��tm�gliche Ausbeutung m�glich ist.

Solange der Kapitalismus besteht, ist es das Welt entscheidende, dass menschliche Arbeit das Ma� aller Dinge ist - nicht die Maschinenarbeit, nicht die Technik -, w�hrend die technische Entwicklung sie zugleich immer unn�tiger macht. Wenn also eine Maschine dasselbe ganz schnell und perfekt herstellt, dann ist das noch lange nicht wertvoll, weil die Maschine sich mit dem Produkt nicht befasst. Das macht nur der Mensch, und ihm wird als Wert geboten, was ihm an Zeit genommen wird. Dann sind wir eben in dem Verh�ltnis: Da gibt es nur die Technologie auf der einen Seite, also das, was Maschinenarbeit bringt - in welcher Zeit auch immer - und das andere, was Menschen an Arbeit einsetzen m�ssen, um in den Genuss der Produkte zu kommen. Und das ist vollkommen getrennt: Die Menschen kaufen eben die Dinge in der Wertmenge - und das ist jetzt die Umkehrung auf der Seite der Bed�rfnisse -, f�r die sie ihre Arbeitskraft zeitlich verausgaben k�nnen. Und das wird ihnen im Preis ihrer Arbeitskraft so knapp bemessen, wie es dem Kapital m�glich ist, sie noch bei der Arbeit zu halten. Sonst w�re das ja eine wunderbare Gesellschaft, da w�rden wir sagen, was wir eigentlich alle wollen, dass die Technologie uns von Arbeit befreit, dass wir immer weniger arbeiten m�ssen und trotzdem an den Produkten teilhaben k�nnen. Das geht aber nicht unter der Bedingung, dass das Ganze �ber Geld zirkuliert und sich jeder dann vor allem fragt: Wie viel Geld krieg ich, welche Waren kann ich mir kaufen, wenn ich diese oder jene Zeit daf�r arbeite. Die Vermittlung der Produkte �ber ihre Arbeitszeit ist daher die unmittelbar treibende Kraft, welche das Wertverh�ltnis dahin bringt, dass Geld das ganze Leben bestimmt.

E.T.: Zur�ck zum Anfang. Wir hatten gesagt, es betrifft fast alle Industriebereiche, sei es Autoproduktion, Computerproduktion, es wird mit unendlich hohem Materialeinsatz oder Maschineneinsatz gefahren und es geht auch gar nicht mehr anders; z.B. Fiat, General Motors kommen in die Krise, d.h. auch diese Firmen sind quasi bedroht, ich sag mal durch die internationale Konkurrenz, aber das technische Niveau wird ja �berall gleich vorausgesetzt, sonst k�nnten die Firmen die Produktion gar nicht realisieren.

W.Pf.: Ja, das macht aber auch das Problem aus. Dadurch, dass das technische Niveau so hoch ist, ist sozusagen die technische Wertmasse sehr hoch, das konstante Kapital, d.h. also, dass das, was bisher erzeugt worden ist aus lebender Arbeit, eine ungeheure Masse ist, die eigentlich immer angewandt werden muss. Wenn Produktionsmittel nicht in Gang bleiben, wenn die Produktion nicht auf vollen Touren l�uft, dann geht der Wert relativ schnell ins Negative. Und diese Masse, die laufen muss als Wertmasse des konstanten Kapitals, ist so ausgedehnt, dass die lebende Arbeit - das ist die Masse der zur Verf�gung stehenden Arbeitskr�fte, die sich reproduzieren m�ssen - diese Masse gar nicht effektiv in Bewegung halten kann, weil deren Produkte sich nicht mehr in deren Reproduktion realisieren k�nnen, sich bei minimalisiertem Aufwand an Arbeitszeit nicht mehr auf dem Markt verwerten lassen. Deshalb m�ssen die Preise immer weiter runter, deshalb werden die Produkte verbilligt. Es freuen sich die Verbraucher. Aber es sind auch die, welche zur Arbeit m�ssen. Der Preis der Arbeitskraft w�chst dadurch nicht. Es entsteht ein Preisdruck von allen Seiten, der letztlich den ganzen Kreislauf l�hmt. Das sind die Ph�nomene der Krise, dass dann irgendwo die Stagnation aufkommt wenn sie nicht mehr abgewendet werden kann, aufgehalten wird durch Verbilligung usw. Das haben wir ja st�ndig jetzt am Laufen. Und das Verh�ltnis der konstanten Wertmasse, die praktisch als Technologie da ist und dem der lebendigen Arbeit, dieses Verh�ltnis macht ja eigentlich den Fall der Profitrate aus. Das hei�t: Die Gesamtmasse der Produkte des angewandten Kapitals kann letztlich nicht mehr gekauft werden, weil die Masse der Menschen gar nicht mehr an diesem m�chtigen Technologieteil teilhat, solange sie sich damit nur reproduzieren, nicht oder nur zu gering an der Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums teilnehmen darf. Die Menschen werden einfach immer mehr davon abgedr�ngt, dass das Kapital sich um sein Wachstum im Gegensatz zu ihren Interessen besorgen muss. Und das ist f�r das Kapital umgekehrt auch bl�dsinnig, weil es seine eigentliche Wirtschaftskraft hierbei verliert. Es ist kein organisierter Produktionswille eines Gesamtkapitals, der in die Krise ger�t. Den gibt es als solchen nicht, denn auch das Kapital steht in harter Konkurrenz. Alles geschieht in den jeweils einzelnen Privatinteressen, jeder schaut halt, wie er dabei mit dem Teil rauskommt, den er macht – und was dabei rauskommt, ist immer wieder Zerst�rung, solange der Kapitalismus besteht. Er ist schlicht und einfach �berf�llig.

E.T.: Das hei�t die Spirale geht nach unten, notwendigerweise und wenn wir davon ausgehen, die eingesetzte Technologie bleibt konstant und ist weltweit eingefroren auf ein Niveau - muss es ja wohl - dann bleibt als einzige Variable tats�chlich nur noch der Lohn und an dem wird jetzt gefeilt und gestrickt und da gibt es jetzt die harten K�mpfe, die uns ins Land schwappen, also Hartz IV usw.

W.Pf.: Ja, so schaut es im Augenblick aus. Das kann aber so gar nicht funktionieren. Das wird auch von Seiten des Kapitals als Problem formuliert, dass wir uns jetzt auf eine Gesellschaft hin entwickeln, die vielleicht 20, 30 oder 40 % Arbeitslosigkeit erzeugt. Das Kapital kann sich nur erhalten, wenn es Arbeit abst��t; von dieser Seite her muss es sich konzentrieren und Eliten bilden, Arbeitseliten und einen gro�en Markt von Menschen, die nicht mehr richtig in der Arbeit drin sind, die vielleicht Ein-Euro-Jobs haben oder f�r einen anderen Billigmarkt da sind, um den anderen, den Elitearbeitern immerhin noch Konkurrenz von unten zu machen. Das ist aber zunehmend ein Problem, weil eben der Absatz dadurch nicht besser wird, die Kosten f�r den Staat gr��er werden, die Steuern immer geringer – also: wir sind da in einer ganz eklatanten Krise, weil die ganzen Prozesse keinen Punkt mehr finden, in dem sie zusammengehen k�nnen. Und das hei�t jetzt, dass man selber dar�ber nachdenken muss: Wie kann man von der Seite der Menschen, die hier leben, etwas in Gang setzen, um aus dem Ganzen rauszukommen, um sich nicht mehr auf das Kapital in dem Sinn einlassen zu m�ssen, sondern sagen wir mal, in einem Sozialbereich neue Strukturen zu finden, in dem die Menschen die Notwendigkeiten ihrer Reproduktion angehen k�nnen. Das alleine schon w�rde alles kippen.

E.T.: Eine Wirtschaftskrise hat auch mit riesiger Wertvernichtung zu tun, was wir schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hatten. Wir hatten auch die Krise mit der New Economy, da wurden Billionen von heute auf morgen platt gemacht. Ist so eine Krise jetzt eigentlich schon in Gang? Krieg w�re die andere f�rchterliche Variante, das hatten wir auch schon. Aber ist die Krise vielleicht als Weltwirtschaftskrise vor der Haust�r?

W.Pf.: Das ist nicht so einfach zu sagen. Denn die Ausgleichsmechanismen sind schon enorm. Unser wesentlicher Krisenausgleich sind im Augenblick die M�rkte in China, in Asien �berhaupt und in Amerika. Unser Export ist ja auch sehr von den USA abh�ngig. So aufgeblasen wie man dort wirtschaftet, kann das eine Kette von Problemen geben, weil die eben vieles auf Pump und Spekulation machen, und man nicht wei�, wie weit ihre volkswirtschaftliche Deckung geht und wo sie morgen einkaufen, wenn sie heute sich verspekulieren. Wie das im Einzelnen l�uft, wird dann auch der geschichtliche Ablauf sein.

Bei der New Economy ging es noch gegen einzelne Unternehmen, d.h. da sind unheimlich viele Leute schlicht und einfach Pleite gegangen und das Geld das sie eingesetzt hatten, war weg. Das war noch so was wie eine einfache, eine noch relativ private Geldzerst�rung, was da gelaufen ist. Was jetzt l�uft, ist sehr gesellschaftlich, etwas ganz anderes, weil es alle Geldverh�ltnisse selbst betrifft - und vor allem die Geldm�rkte wie die Marktb�ndnisse �berhaupt. Da l�sst sich schwer sagen, wohin das f�hrt. Der Kampf um die Ressourcen, ums �l ist bestimmt ein ganz wichtiger Teil dabei. Wer darin Ausgleiche findet, dass er den �lpreis bestimmen kann, hat sicher einen Vorteil bei der ganzen Geschichte. Es ist so, dass alle jetzt nur noch um ihre Vorteile k�mpfen. Von Weltordnungskriegen zu reden, war der n�chste Schritt, weil ein Krieg nat�rlich immer eine Wertvernichtung ist und f�rs Kapital eigentlich sozusagen eine gute L�sung ist. So zynisch das ist, so zynisch ist das Kapital.

E.T.: Ich sehe da eine gewisse Ausweglosigkeit, wenn ich mir anschaue, welche Waren produziert werden und welche Waren �berhaupt noch profitabel bei uns gebaut werden k�nnen. Z.B. die Autos hier k�nnen in 10 Jahren gar nicht mehr kosteng�nstig im Vergleich zu anderen produziert werden. Deutschland und auch die USA stehen dabei ja fast gleich da. Es geht weiter �ber die Elektronik. Die Produktion der Computer ist ja schon ausgelagert. Es sind ja immer weniger Produkte, die wirklich rentabel und Kapital verwertend in unseren L�ndern produziert werden k�nnen. Und da sehe ich die Produktionsbasis f�r die Industriestaaten schrumpfen. Ich w�sste kaum noch Branchen, wo wir sagen k�nnen, da l�sst sich profitabel arbeiten. Und die Wissenschaft und Biotechnologie wird uns auch nicht gro� rausrei�en.

W.Pf.: Die politischen Bem�hungen laufen hier ja �ber die EU - z.B. darin, �ber die Osterweiterung zu versuchen, billige Arbeitskr�fte reinzukriegen und dadurch die Konkurrenz der Arbeitnehmer zu erh�hen. Es gibt auf der Seite des Kapitals und der Kapitalproduktion meiner Meinung nach keine Zukunft.

Man muss vollst�ndig umdenken. Sagen wir mal, wir fangen bei den sozialen Problemen an und versuchen, uns da Kommunalstrukturen aufzubauen, in denen sich Lebenszusammenh�nge entwickeln, die nicht mehr von dieser Industrie abh�ngig sind, nicht mehr in dieser Weise wie bisher, wo der Markt mit Existenzangst �berzogen wird, indem die Sozialhilfe aufs unterste Niveau gedr�ckt und somit der politische Druck auf den Arbeitsmarkt absolut wird. Es muss zuerst mal darum gehen, dass diese Angst behoben wird und damit die Arbeitsk�mpfe ihre tats�chliche gesellschaftliche Form bekommen. Es m�ssen lokale Reproduktionsm�glichkeiten geschaffen werden, die eine weitgehende Unabh�ngigkeit der Grundversorgung vom Kapital sichern. Wie das gehen kann, das ist eine andere Sache, da muss man lange dr�ber nachdenken und diskutieren.

Nur mal als Ansto� kann man sich ja hierzu die Frage stellen: Gibt’s �berhaupt noch gesellschaftlich sinnvolle Lohnk�mpfe? Nach meiner Meinung folgen sie zwangsl�ufig nur noch der Notwendigkeit des Selbsterhalts. Das ist zwar n�tig, bringt aber nichts weiter. Der Kampf um den Arbeitstag hat schon eher eine gesellschaftliche Dimension. Denn wenn der Arbeitstag k�rzer wird, dann muss ein gr��erer Anteil des Mehrprodukts an die Bev�lkerung gehen und damit kommt das Kapital schneller ans Ende. Das ist eine – auch von Marx immer bevorzugte Form – sich damit zu befassen. Aber wir m�ssen auch immer daran denken, dass wir �berhaupt dar�ber hinaus m�ssen, dass wir nicht in den blo�en Fragen des Existenzdrucks und seiner Aufhebung durch Arbeit stehen bleiben d�rfen. Wir k�nnen nicht mehr auf unsere Art von Arbeit, wie sie bisher l�uft, einfach insistieren, als w�re sie nicht selbst auch eine erweiterte Form des heutigen Problems – eben als Kulturproblem. Es kann sich ja jeder auch mal fragen, ob das noch eine sinnvolle Arbeit ist, die er macht, wenn er nur noch Zahlen bewegt oder wenn man z.B. den ganzen Tag im Call-Center sitzt. Die Sinnentleerung der Arbeit kommt eben als kulturelle Frage noch hinzu, als Frage, was sie ausmacht und verursacht und ob das Ganze der Arbeiten �berhaupt noch einen Lebenssinn hat, oder ob es - zumindest in vielen Bereichen - selbst nur noch der Abstraktion der Geldform dienstbar ist.

E.T.: Was wir jetzt hier vor uns so hin denken, das wei� ja der M�ntefering auch, das wissen die Politiker, d�rfen’s aber scheinbar nicht zugeben. Was machen die? Sie reagieren auf Reflexe oder auf Bewegungen des Kapitals, von denen sie aber gleichzeitig wissen, dass es kurzfristige Erfolge sind. Wahrscheinlich sind sie damit auch schon zufrieden.

W.Pf.: Na gut, sie denken halt innerhalb ihrer politischen Klasse und innerhalb der parlamentarischen Demokratie. Das ist logisch, das sind ihre Lebenswerte. Und wenn sie die nicht in Frage stellen, wenn sie nichts anderes denken k�nnen, bleiben sie in ihrer Denkweise eben gefangen. Sie k�nnen sich gar keinen anderen Ausweg vorstellen, als dass es um die Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Deutschland geht, um das Wohl des Ganzen, des ganzen Kapitals, und dass irgendeine Partei irgendwann wieder auf eine ganz tolle Idee hierzu kommen wird. Schr�der h�tte das schon in der Auseinandersetzung mit Lafontaine begreifen k�nnen. Da war doch schon die Entwicklung abzusehen und auch vollkommen klar und ausgesprochen, wo die Grenzen des Wachstums sind und was man dagegen machen kann, wie Lafontaine zu wissen glaubte. Aber irgendwie glauben die das Ganze nicht, weil sie letztlich doch so ein Prinzip Hoffnung f�r ihre eigene Klasse haben, dass eben die politische Klasse, die sie da vertreten und die parlamentarische Demokratie die einzige Form von Demokratie �berhaupt sein kann und deshalb eben auch sein muss. Es gibt aber auch noch andere Formen von Demokratie, die weitaus menschenfreundlicher und direkter am Menschen sind.

E.T.: Das macht die Sache aber jetzt nicht hoffnungsvoller. Es wird im Grunde genommen geleugnet, was man eigentlich schon wei� und das l�uft dann auf die n�chste Krise hinaus, wie auch immer die sich entwickeln wird. Das ist eigentlich eine Form von Verantwortungslosigkeit, was da stattfindet.

W.Pf.: Das kann schon lange kein Mensch mehr verantworten, was da stattfindet. Es ist ein Affentanz. Es geht darum, wie man die Krise, die eigentlich l�uft, in verschiedenen Variationen hier und da immer mal wieder ein bisschen ausgeb�gelt. Aber ich will nicht sagen, dass das ein Grund zur Hoffnungslosigkeit ist. Im Gegenteil: Die Krise ist eine Krise des Kapitals, das muss man mal kapieren. Es ist nicht unsere Krise als menschliche Lebewesen. Wir k�nnen Angst haben, was das Kapital macht, wir k�nnen Angst haben, was sich an Rechtsruck entwickeln kann und dass der von Herzog vorgestellte Ruck in der Weise auch, wie er gemeint war, nicht zwangsl�ufig in die Richtung einer wirklichen �nderung gehen k�nnte, wenn die Leute nicht selbst anfangen zu denken. Aber wir m�ssen darauf bestehen, dass wir denkende Wesen sind, die es sich nicht erlauben k�nnen, sich einfach �ber den Jordan zu schie�en.

E.T.: Vielleicht kann man doch noch etwas zuspitzen: Die b�rgerliche Gesellschaft, mit unserer Parteienlandschaft, ist der passende Deckel f�r unser kapitalistisches, also das im Moment funktionierende System. Und die Parteien haben die Aufgabe, das System am Laufen zu halten. Das hei�t aber andersrum, man darf doch bitte sch�n von oben nicht erwarten, dass da L�sungen kommen.

W.Pf.: Nein, von oben kommen keine L�sungen. Au�erdem ist die Frage, was hier an b�rgerlicher Gesellschaft, wie sie als Verh�ltnisform von Produktion, Markt, Kultur und Staat konzipiert war, heute �berhaupt noch funktioniert. F�r mich ist sie von daher zu beantworten, dass die b�rgerliche Gesellschaft, wenn �berhaupt, dann nur noch wie ein Hamsterrad funktioniert – eine ewig gleiche Art sinnloser Fortbewegung. Ich hab das in meiner Kulturkritik-Website geschrieben: Das Ende der b�rgerlichen Gesellschaft ist l�ngst da. Und zwar aus dem Grund, weil es keine Wirtschaftskreisl�ufe mehr gibt, die �berhaupt in dem Verh�ltnis, wie es klassisch ist, sich zwischen Staat, Kultur und �konomie bewegen. Das ist das aktuelle Problem f�r die Frage, wie sich die Gesellschaft heute �berhaupt ver�ndern kann. Das beinhaltet auch die Gefahren, z.B. wo hierbei ein rechtspopulistisches Potential herkommen kann, das dann auf den Nationalstaat zur�ckkommt. Die Rechten haben l�ngst ihre Reden geschrieben und sagen, dass sie das ganze Ding retten wollen und dass hierf�r ein Nationalstaat n�tig sei und m�glichst eine Gesinnungskultur.

Aber das Ganze muss da hin gebracht werden, dass diese Aufl�sung die da ist, auch als gesellschaftliche Ver�nderung weitergetrieben wird, dass also der Staat nicht mehr wesentlich die Wirtschaft beeinflussen kann. Aber er verh�lt sich derzeit selbst noch als Dienstleister der Wirtschaft, ist letztlich Anbieter von einem mehr oder weniger konkurrenzf�higen Wirtschaftsstandort und verh�lt sich dabei wie ein Unternehmer, nicht wie ein Gemeinwesen. Wir m�ssen hiergegen aber gerade ein Gemeinwesen schaffen. Das kann kein Nationalstaat sein, der ja nur eine Formation von politischem Willen und Macht ist, sondern eine neue menschliche Lebensform, die sich von den Existenzformen einer abstrakten Arbeitsteilung und Gesellschaft l�st. Das ist eine Frage der Zeit. Aber sie ist schon lange gestellt: Wie kann man dem gegen�bertreten, dass die b�rgerliche Gesellschaft - sagen wir mal - in der Agonie ist.

E.T.: Es kommt mir jetzt ein f�rchterlicher Gedanke. Ist vielleicht auch die Erfindung des Kriegs gegen den Terror, ist das vielleicht auch eine Ma�nahme, um den ehemalig liberalen b�rgerlichen Staat fit zu machen f�r Auseinandersetzungen, die uns erwarten, die vielleicht eine ganz andere H�rte haben werden, wo es um jeder gegen jeden geht und der Staat sich wieder als Ordnungselement neu generieren kann. Im Grunde genommen hat der Staat ja auch im Rahmen der Globalisierung mehr oder weniger die Flinte ins Korn geworfen. Man will ja gar nicht mehr regulieren. Aber unter neuen Gesichtspunkten, autorit�rer Staat und Krieg gegen den Terror kriegt das ja wieder eine ganz andere Bedeutung.

W.Pf.: So ist auf jeden Fall der Versuch gelaufen. Das Konzept, das da entwickelt worden ist, vor allem von den Neocons in den USA. Es war ja schon 86 oder 89 von dem Soziologen Huntington beschrieben, der damals Wirtschaftsberater der amerikanischen Regierung war. Als er das Buch „Kampf der Kulturen„ geschrieben hat, ging es darum, Unterschiede zwischen westlicher Kultur und anderen Kulturen dergestalt herzustellen, dass behauptet wurde, andere Kulturen seien potentiell ein �berlebensproblem der Menschheit, weil sie irgendwelche irrationale Momente in sich h�tten - vor allem der Islam und der Konfuzianismus und was er da so alles zusammengedacht hat. Das ist eine Kampfansage an die ganze Menschheit, dass er behauptet hat, die „rationalen„ Westkulturen seien eigentlich die �berlebensf�higen Kulturen und die anderen m�ssten sozusagen vom Westen her mit jedem Mittel dahin gezogen, erzogen werden, dass sie sich am Westen orientieren.

Das war eine unglaubliche Anma�ung und erinnert sehr an das was der Schriftsteller und Publizist Carl Amery die „Hitlerformel„ genannt hat: Dass n�mlich in einer Krise irgendwann als �berlebensfrage anstehe, wie man Zukunft �berhaupt noch gestalten kann, wenn man wei�, dass - will man das Bestehende als Ganzes retten - nicht alle sie �berleben k�nnen oder d�rfen. Wenn also das Wesentliche, die Substanz eines Verh�ltnisses am Ende, vernutzt ist, soll das abgeworfen und ausgegrenzt werden, was jetzt zur St�rung dieses Verh�ltnisses wird. Dann kommt die Position auf, dass die allgemeine Not nur dadurch abgewendet werden kann, dass alles St�rende ausgegrenzt wird, dass also ein Teil der Menschen „dran glauben muss„, dass sie ihrem „Schicksal„ geopfert werden sollen. Die Beschreibung, die Carl Amery damit gemacht hat, finde ich ganz gut. Huntington wollte Kriterien zur Begr�ndung einer Weltherrschaft finden. Von daher macht er Kultur zu einem Lebenswert, weil sie sich als letzte verbliebene Substanz hierf�r zu eigenen scheint. Es werden einfach kulturelle Werte geschaffen, welche die �berlebensfrage beantworten sollen und wonach ein Vernichtungsprogramm ansteht. Und da w�rde ich schon sagen, dass der Terrorismus erzeugt worden ist, auf der Grundlage dieser Theorie. Das ist ja �ffentlich und es ist ja heute klar, dass Bin Laden erst mal von den USA geheuert war, weil man ihn als Anf�hrer von Aufst�ndigen erst mal gut brauchen konnte. Das ist ja alles bekannt.

E.T.: Was uns als Deutsche und auch andere Nationen noch bedroht, sind ja die Schulden die aufgeh�uft worden sind. Das trifft fast alle L�nder. Ist das eine Drohkulisse oder besteht die M�glichkeit, dass die Schulden zur�ckgezahlt werden m�ssen. Als Privatmann w�rde ich mich mit diesem Schuldenberg nicht wohl f�hlen. Wie kann es weitergehen mit den Schulden?

W.Pf.: Ein schwieriges Thema, weil die Schulden zweierlei Vernunft darstellen. Einmal ist es so, dass Schulden durchaus rational sind f�r den Staat, wenn er dadurch irgendwelche Bedingungen herstellen kann, wenn er damit irgendwas wieder in die G�nge bringt, was die gesellschaftlichen N�te angeht. Das ist ja auch eigentlich seine urspr�ngliche Funktion. Schlie�lich ist der Staat eigentlich der einzige Garant f�r sozialen R�ckhalt und zugleich der gr��te Auftraggeber f�r die Binnenwirtschaft. Und schon von daher muss er fl�ssig sein und es ist innerhalb dieser Aufgaben wichtig, dass er Geld hat, um diese Auftr�ge zu finanzieren. Und da l�uft auch mit, dass viel Geld in Staatsanleihen angelegt wird, dass also auch das Kapital sehr viel in den Staat investiert, damit es darin g�nstig wirtschaften kann und wohl auch die entsprechenden Verbindungen hat und entsprechenden Druck machen kann. In der Staatskasse werden Steuern, Sozialabgaben und Anleihen umgesetzt, und es war schon immer der Staat irgendwie verschuldet und von daher auch nicht frei in seinen Entscheidungen – aber eben von mehreren Seiten bedr�ngt.

Aber was da heute l�uft, ist ein irrationales Prinzip der Verschuldung, das Schulden ausgleichen durch Schulden machen, die absurd gewordene Verschuldungsspirale, bei der nicht mehr kalkulierbar ist, wo sie enden soll. Es ist nicht mal mehr absehbar, wie viele Generationen daran beteiligt sein werden und dass wir uns, wenn wir es vom Geld her sehen, schon an zwei Generationen vers�ndigt haben. Das ist eine Situation, in der die Schuld tats�chlich auf der Ebene des Staatsbankrotts verl�uft. Das ist auch der Ablauf, der jetzt parallel l�uft zu einem mangelnden Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit als Finanzierungsproblem des Staates dazukommt. Es treten immer gr��ere Belastungen auf im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich, f�r alle Ausgaben, die der Staat machen muss und es gehen immer weniger Steuern ein, es gehen immer weniger Sozialabgaben ein und die gro�en Steuerzahler werden entlastet, damit sie noch im Land bleiben und nicht abwandern. Das ist eine v�llig absurde Situation. Da ist kein Land in Sicht, obwohl und das volle Ausma� der Krise von der Seite des Geldmarktes her noch nicht erreicht hat. Aber es ist ein Ablauf der Krise, den wir so direkt durch die Probleme der Staatskasse erfahren. Das ist der Grund, warum z.B. Hartz IV eine f�r uns erst mal v�llig verbl�ffende Wendung war. Es war vielen nicht klar, dass das nur ein Ausdruck einer politischen Wende �berhaupt war, dass jetzt wirklich massiv gewendet wird und so gewendet wird, dass der Staat nicht mehr als Sozialstaat auftritt, sondern als p�dagogischer Staat oder als ein Staat, der vor allem Forderungen an seine B�rger stellt, der den Leuten sagt, was sie arbeiten m�ssen und zu welchem Preis sie arbeiten m�ssen, damit er seine Kasse wieder ausgleichen kann, damit eine Gegenpositionen zum Krisenablauf in die Politik eingebaut wird, durch welche vermittest des Drucks auf die Bev�lkerung Wert erwirtschaftet wird. Die wichtigste Gegenposition zur Wertminderung ist eben, dass unbezahlte Arbeit eingebracht wird und dass die Arbeit billiger wird. Das ist das ganze Ziel, das jetzt auch der Staat hat. Er verh�lt sich nicht mehr wie ein Staat im b�rgerlichen Sinn, sondern er verh�lt sich klar wie ein Kapitalagent, der wei�, wo er gegensteuern muss, damit die ganze Schei�e sich nicht verschlimmert, damit sie noch wenigstens f�r eine Weile sich so erh�lt wie sie ist.

E.T.: Ich w�rde sogar weitergehen, ich sage, die Staaten verhalten sich wie Bankrotteure, die eigentlich wissen, sie sind eigentlich am Ende, m�ssen aber immer mehr Schulden machen, ohne zu wissen, wie es zur�ckgezahlt werden kann.

W.Pf.: Das kann man sicher so sagen, wenn man die schon jetzt bestehende Pro-Kopf-Belastung �ber diese und die n�chste Generation ansieht. Man kann aber dar�ber hinaus auch noch sagen, dass die Spekulation darin einen barbarischen Hintergedanken hat, n�mlich dass der Staat praktisch in der Lage ist, seine Bev�lkerung als Faustpfand f�r die Entwicklung des Kapitals zu nehmen. Darauf l�uft das letztlich raus. Die Bev�lkerung ist die einzige Chance, die das Kapital hat, seine Verwertungsprobleme umzukehren. Wenn die n�mlich unter Druck gesetzt wird, dann kann vernichteter Wert sich durch Wertabpressung aufrechnen, also dadurch dass Arbeitszeit nicht nur gekauft, sondern politisch erpresst wird. Mehr Druck auf die Arbeit wird dann nicht mehr als wirtschaftlicher Druck durch Konkurrenz der Arbeitskr�fte gesetzt, sondern als ein staatspolitischer Druck auf die B�rger, welche in soziale Not geraten sind. Das ist etwas ganz anderes, weil der Staat die Not, die das Kapital auf dem Arbeitsmarkt erzeugt, dann als Erpressungsmittel nutzt, um seine in Not geratene B�rger zum Druck auf die arbeitende Bev�lkerung zu missbrauchen. Wenn der Staat dabei als Agent der Notwendung zugleich als Erzieher, als P�dagoge auftritt, dann ist das nichts anderes, als dass der Staat seine Bev�lkerung letztlich als Faustpfand f�r die Verwertungskrise hernimmt, um die L�cher der Verwertungslage des Kapitals zu stopfen.

Das ist das Ungeheuerliche, was sich jetzt scheinbar nur so pragmatisch einschleicht, was aber eine Kehrtwende des ganzen b�rgerlichen Staatsverst�ndnisses ist, die man den Positionen der CSU/CSU und der FDP und auch von der SPD und von den Gr�nen ganz deutlich anmerkt: Es geht um eine neue Funktion des Staats f�r das Kapital, dass n�mlich nicht mehr nur die Verwertungsbedingungen durch ihn bereitgestellt und erhalten werden, sondern dass ihm auch gegen dessen Wertschwund seine Bev�lkerung verf�gbar gemacht wird. Dieser Gedanke, dass man einen Druck mitteilt, der einfach aus der blo�en Anschauung des N�tigen aufkommt, das man dann der Demografie und dem durch Medizin verl�ngertem Leben entnimmt, dass man das im Sozialbereich wendet, wo die Not der Verwertungslage die Menschen erreicht, kehrt jedes moderne Staatsverst�ndnis um zu dem, was bisher eigentlich nur im Faschismus m�glich war. Da wurde jeder in die Verwertungskrise aktiv als Volksgenosse einbezogen: Ja nat�rlich muss etwas geschehen, wenn „Not am Mann„ ist. Und auf dieser Ebene sind wir heute ja wieder. Dass dieser Druck eigentlich qualitativ ein Verh�ltnis ist, worin der Staat auf dem Weg ist, sich zu einem Machtstaat gegen das Volk zu entwickeln, das wird dann durch Plausibilit�ten aus scheinbarer Zwangslage heraus begr�ndet, die durch Bequemlichkeiten nicht eingesehen w�rde. Uns ginge es zu gut und wir w�rden zu wenig arbeiten und zu viel verdienen. Wir sollten nicht mehr so sehr auf die Sozialleistungen des Staates vertrauen, sondern f�r uns selbst besser vorsorgen – so Professor Sinn. Und er meint damit vor allem: Arbeit m�sse wieder mehr werden und billiger, der Konkurrenzdruck m�sse wieder versch�rft werden, um die Leute wach zu machen! Und dieser Weg wird auch genauso auf der Ebene der EU betreten, wo mit der Osterweiterung die Hinzunahme billiger Arbeitskr�fte zur Drosselung des eigenen Arbeitspreises als Akt der V�lkerverst�ndigung ausgegeben wird.

E.T.: Da will ich jetzt mal dazwischengehen. Es gibt ja auch andere Prozesse. Es gibt seit mehr als zwanzig Jahren eine wie es hei�t ‚Politikverdrossenheit’; es glaubt schon niemand mehr an den Staat und an die Parteien. Also, die haben eigentlich von dem her was sie sagen und tun abgewirtschaftet und ein Staat braucht Legitimierung. Die geht zunehmend baden. Irgendwann stellt sich die Frage, brauchen wir diesen Staat, was n�tzt uns der. Die Entwicklung ist nicht ohne Widerspr�che.

W.Pf.: Ja, das ist recht gut herausgekommen in den Abstimmungen zur EU-Verfassung. Ich wei� gar nicht, wie viel Leute wissen, was da drin steht, z.B. was die so genannte Kriegsf�hrung betrifft. Da sind Punkte eingebaut, die �ffentlich nicht einmal zur Kenntnis gebracht wurden, geschweige denn, diskutiert worden sind, die aber schon darauf hinweisen, dass die EU sich als eine Machtstruktur versteht, die so was wie ein Blockdenken wieder einf�hrt und gerade mal eben der Block Europa erfunden wird. Die Leute merken immerhin, dass es gegen sie geht, weil die Osterweiterung z.B. zeigt, dass die ganze Entwicklung zunehmend darauf hinausl�uft, Arbeit billig zu machen und Kapitalzusammenschl�sse zu erm�glichen, die letztlich nicht mehr hier ankommen, die irgendwo im Weltmarkt verschwinden und die R�ckf�hrung in die Bev�lkerung nicht da ist. Durch Politik ist f�r die Bev�lkerung nichts mehr wirklich zu erreichen, bis auf das, dass man sich zwischen allen m�glichen Entscheidungen zwischen den Parteien hin und her bewegt und meint, uns ginge es dadurch besser als den anderen. Letztlich kann es eben nicht darum gehen, dass die Lage nur ein bisschen ertr�glicher wird und das grundlegende Problem einer Verwertungsgesellschaft bleibt, was es in der Verwertungskrise schon immer war und sich latent immer strenger und totaler auswirkt.

E.T.: Dann w�re die Aufgabe des aufgekl�rten B�rgers, einmal zu denunzieren und auf den Punkt zu bringen, was tats�chlich passiert und man muss dann auch sagen, lasst alle Hoffnung fahren auf unsere Parlamentarier; das muss ich leider so platt sagen.

W.Pf.: Die sind aber auch entsetzt. Die Volksabstimmung zur EU-Verfassung war f�r sie niederschmetternd. Diese Situation in der EU hatte gerade noch gefehlt. Das war der Gipfel, der GAU des Stimmverhaltens. Es ist toll, dass die Leute sagen, eurer Verfassung k�nnen wir nicht einfach zustimmen, nur weil ihr sie entworfen habt. Sei es drum, dass sie nicht vermittelt worden ist, oder dass sie merken, es stimmt etwas nicht. Aber es ist ein gewaltiger Akt, dass die Franzosen und die Holl�nder, inzwischen h�rt man es aus England und angeblich gibt es Statistiken von Deutschland, wonach die Bev�lkerung nicht mehr davon �berzeugbar ist, dass dieses Staatenb�ndnis uns etwas bringt, au�er, dass unser Leben immer einseitiger wird und unsere Arbeit immer billiger.

Das hat nichts damit zu tun, dass man auf den Nationalstaat zur�ckgeht. Der Mechanismus der Ausweitung von Marktmacht - das kommt ja von daher, dass �berhaupt die Wechselkurse funktionieren m�ssen, damit das Kapital funktioniert, das war der urspr�ngliche Gedanke, die Schutzmechanismen der Nationalstaaten aufzul�sen - hat sich inzwischen umgekehrt und wendet sich gegen die Bev�lkerung, die zwar jetzt gute Wechselkurse hat, aber dadurch alle Lebenszusammenh�nge den Gewalten der M�rkte ausgeliefert sind, die Arbeitskr�fte gleichgeschaltet sind in der internationalen Absenkung ihrer L�hne durch Weltmarktkonkurrenz, die Preise der Lebensmittel aber nach wie vor davon bestimmt sind, was sie vor Ort erbringen. Die ganzen Reproduktionszeiten sind absurd bemessen, weil sie sich �ber den Preis der Lebensmittel vermitteln. Das sieht man l�ngst schon gut illustriert in den Wertkonflikten an den Landesgrenzen, die dazu f�hren, dass jede eigene Wirtschaft aufgel�st wird, weil die Arbeitskraft des angrenzenden Landes den Markt leer fegt, solange sie ihren Konsum durch die Wertlage der eigenen Lebensmittel decken kann. Es zeigt sich, dass zunehmend alles, was das Kapital n�tig hat und was der Staat als seine „eigene„ Politik umsetzt, sich voll und ganz gegen die Bev�lkerung wendet.

E.T.: Ich fasse jetzt mal f�r mich zusammen: Die Spirale wird weiter nach unten gehen. Der Sozialabbau wird weitergehen. Die L�hne werden weiter gedr�ckt werden. Die Legitimit�t des Staates gegen�ber den B�rgern geht irgendwann gegen Null oder ich kann es h�rter ausdr�cken: der b�rgerliche Staat ist eigentlich am Ende. Wer sagt es ihnen jetzt?

W.Pf.: Ja ich hoffe doch, dass es viele Leute gibt, die das langsam kapieren.

E.T.: Die n�chste Frage ist, was bitte soll dann passieren, wenn sich so eine Entwicklung abzeichnet oder wenn es Allgemeingut wird.

Das werden wir in weiteren Sendungen behandeln.

Am Mikrofon waren Eckhard Thiel und Wolfram Pfreundschuh.

Soweit zur Weiterbildung in Richtung Marxismus. Dankesch�n.

 

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