Wolfram Pfreundschuh (7.2.2008)

Die Kulturalisierung einer “Weltordnung“

- zur militärischen Kontrolle der Armut

 

Vom 8. bis 10. Februar 2008 treffen sich zum 44. Mal als sogenannte "Sicherheitskonferenz der NATO-Staaten", die Kriegsfunktionäre auf einer ehemals als “Wehrkundetagung” begonnenen Veranstaltung von Horst Teltschik, einem Vorstandsmitglied bei BMW, im Nobelhotel Bayerischer Hof in München, - wohl nicht zufällig in der Hauptstadt der deutschen Rüstungsindustrie, finanziert von der Bundesregierung. Die Teilnehmer sind ranghohe Militärs und Regierungsvertreter, vor allem Außen- und Kriegsminister der NATO. Außerdem befinden sich Vertreter von Konzernen wie beispielsweise Daimler Chrysler, EADS und Boeing auf der Gästeliste. Die Konferenz soll dazu dienen, Kriegseinsätze zu planen, zu koordinieren und zu propagieren und über Meinungsunterschiede zwischen den einzelnen Staaten zu verhandeln, so z. B. die Integration des deutschen Militärs zum verschärften Kriegseinsatz in Afghanistan. Unser Verteidigungs- bzw. Kriegsminister Jung hat den erweiterten Einsatz der Bundeswehr ja inzwischen auch auf der pressekonferednz erläutert.

Man gibt sich bei alledem weiterhin als Helfer der Armen und "unterentwickelten" Menschen, denen es an Bildung und Gesundheit gebricht. Als Arzt, Lehrer und Polizist will man sich dort einbringen wie dereinst der Schutzmann an der Ecke, der dem alten Mütterchen über die Straße half. Tatsächlich hat die Gebrechlichkeit der Menschen auf der Welt erheblich zugenommen. Die Armut der Menschen hat sich in einem rasant wuchernden Maß im Verhältnis zum Reichtum ausgebreitet und intensiviert - nicht trotz des Reichtums an Geld und Kapital, sondern wegen diesem. Schon die Konkurrenz der Deviden auf den Finanzmärkten hat den Charakter von Krieg, von der Vernichtung eines Gegeners. Auf den Aktienmärkten nicht anders. Und vom Standpunkt des Kapitals ist es gleichgültig, ob es durch Handelskriege oder durch militärische Kriege sich vermehrt. Manchmal eben "geht's nicht anders" als mit dem Militär. Die Kapitalspekulation hat ungeheuerliche Ausmaße erreicht und sich vom Leben der Menschen und ihren Gesellschaften insgesamt vollständig abgelöst. Sie macht Kriege so nötig, wie sie den Preis der Rohstoffe für das Kapitalwachstum weltweit kontrollieren muss. Und dies natürlich nicht, um sie bei zunehmender Verknappung allgemein billig zu halten, sondern um sie gegenüber denen extrem zu verteuern, die sie bei ihm einkaufen müssen. Über den Ölpreis haben die USA über Jahrzente ihren Dollar saniert, der nicht ohne Grund Petro-Dollar genannt wurde. Und das lassen sie sich gerade in den sich potenzierenden Krisenzeiten des Kapitals nicht nehmen.

Aber ganz so glatt geht das alles doch nicht mehr. Auch wenn insgeheim weiterhin über einen Ersteinsatz von Nuklearwaffen im Iran nachgedacht wird (siehe hierzu http://www.imi-online.de/2008.php3?id=1688) – inzwischen auch von EU-Offiziellen wie Robert Cooper -, sind die Zeiten für offene Angriffskriege nicht mehr so günstig, zumindest nicht populär. So waren z.B. über 90% der Zuschauer von n-tv noch gegen eine Erweiterung des deutschen Militäreinsatzes in Afghanistan. Auch die Neocons der bisherigen US-Regierung sind zumindest öffentlich nicht mehr im Trend. Ihr Irak-Krieg hat einen erheblichen Gesichtsverlust der US-Regierung erbracht und die angeblichen Kriegsziele, nämlich die Befriedung der irakischen Bevölkerung, ist weiter entfernt denn je. Aber das Säbelrasseln geht unter dem Tisch weiter wie eh und je. Denn nach wie vor versucht die USA die gallopierende Schwindsucht ihrer Wirtschaft durch Ausweitung ihrer militärischen Ordnungsmacht zu retten und sich hierfür fit zu halten. Und nach wie vor erpressen sich die Staaten gegenseitig durch Rohstoff-Embargos und Handelskriege, was immer auch Vorstufen sogenannter militärischer Auseinandersetzungen sein können. Die Androhung der USA von Raketen-Installationen an der Europäischen Ostgrenze macht nur Sinn, wenn es um eine erneute Aufteilung von Märkten und Wirtschaftsblöcke geht, um eine Abschottung zum russischen Energiemarkt zum Beispiel - nicht nur durch Machtpolitik, sondern auch durch Kriegspsychologie: Zeigen, dass der Gegener nach wie vor ganz allgemein im Osten steht. Inzwischen wird die US-Position hierbei schon von der Mehrheit der europäischen NATO-Staaten unterstützt. Der Druck, unter denen die kapitalistischen Länder durch ihre wirtschaftlichen Verwertungskrisen stehen, hat nicht abgenommen. Im Gegenteil. Die Masse des fiktiven Kapitals ist gewaltig und kämpft in großer Höhe um schwindende Anteile am Realvermögen der Welt. Arbeitslosigkeit und Armut werden daher weiter zunehmen. Und damit auch die sozialen Konflikte und Unruhen.

Zwar wird kaum ein gewöhnlicher Mensch aus der Bevölkerung noch eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen aus einem Land des nahen oder fernen Ostens für möglich halten und niemand muss sich unbedingt durch Energieboykott von dort bedroht fühlen, solange Deutschland immer noch am längeren Hebel der großen Exporte sitzt. Aber die Logik der großen Krieger geht völlig anders. Hier geht es um die Machtpotenziale der Zukunft, um mögliche Benachteiligungen in der Konkurrenzentfaltung und um die Verwertungsperspektiven der immer sinnloser werdenden Kapitalansammlungen. Aber für solche Zukunftsperspektiven sind die Leute von der Straße nicht mehr so richtig zu haben. Das Kapital hat inzwischen ein weltweites Legitimationsproblem. Es fehlt der Glaube an seine Kraft für den „Fortschritt der Menschheit“. Der Großteil der Deutschen erkennt im militärischen Engagement der US-Regierung keine Menschenrechtspolitik mehr – bisher ihre wesentliche Legitimationsgrundlage zur Rechtfertigung ihrer Kriege.

Für das öffentliche Bewusstsein ist ein Kriegsengagement zunehmend schwerer geworden. Und eigentlich braucht es hierfür auch ganz offensichtliche Feinde. Wenn Kriege, also Besetzungen fremder Länder und ihrer Infrastruktur oder deren Zerstörung, aus politökonomischen Gründen nötig sind, was tun, wenn die nicht wirklich groß und stark sind? Sie müssen dazu gemacht werden – und vor allem auch böse. Ein Feind muss mächtig und hinterhältig sein, am besten auch irrational und verschworen mit der Macht des Bösen, der Unfreiheit schlechthin. Das kennt man schon vom Antisemitismus.

Aber heute muss der Feind auch direkt für das Wohnzimmer der Fernsehkonsumenten geschaffen werden. Er muss die Angst verkörpern, die alle haben, die mit hoher Informiertheit umzugehen haben: Die Angst vor dem ganz Unfassbaren, dem Durchgeknallten, das niemand so recht begreifen kann, bevor es dann einfach passiert. Es ist die Angst vor einer Gefahr die in allem lauert, dem Wilden, dem Triebhaften, dem irgendwie Abartigen. Das Schutzbedürfnis des Einzelnen gegen die Mächte der Finsternis ist die verbliebene Substanz einer Politik, die kein wirkliches Allgemeininteresse verfolgt und daher ein verborgenes Allgemeininteresse immer wieder neu entdecken muss: Die Sorge um die eigene Kultur. Nicht der Untergang des Kapitalismus soll den Menschen vor Augen sein, sondern der Untergang des Abendlandes. Und immer wieder geht dann die alte Hitlerparole um: Wir sitzen alle in einem Boot. Und wer am Ruder nicht mitmacht, der muss aussteigen. Es sind eh zu viele. Draußen ist die raue See. Und die muss gut ausgemalt werden, wenn’s im Wohnzimmer gruseln und dennoch recht gemütlich sein soll. Draußen, da ist eben das Fremde. 

Eine gute Übung für das abgeschmackte Gruselgebräu hatte schon 1994 der einstige Regierungsberater der Clinton-Administration namens Samuel Huntington. Sein Buch aus dem Jahr 1996 „Kampf der Kulturen“ wurde inzwischen zum Bestseller. Schon damals führte er ein neues Verständnis von Sicherheitspolitik, nämlich die Politik des Selbstschutzes vor. Die Zerschlagung des Irak hatte er so nicht gewollt. Er wollte der besseren Verständigung dienen und zugleich vor den Gewalten des Irrationalen warnen. Aber genau dies hatte zum Bombardement auf den Irak und den Einmarsch dort geführt.

 

Der "Kampf der Kulturen", die Unreife der Wilden und die Ordnungsmacht der Christen

Ihm war es eben schon damals um das gegangen, um was es heute allen geht: Die Aufrüstung gegen die Barbarei fremder Religionen. Kurz gesagt stellt sein Buch mit dem Untertitel „Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert“ folgenden Kausalzusammenhang her: Die circa 184 Staaten der Welt streben zwar im Normalzustand alle für sich nach rein staatsrationeller Macht, aber sie sind im Konfliktfall weitgehend von kulturellen Interessen bestimmt. Staaten von gleichen kulturellen Interessen verbünden sich instinktiv und davon würde die Weltpolitik bei der Konfliktlage eines zunehmend überbevölkerten Planeten bestimmt (S. 39). Die rationalen Auseinandersetzungen um Wirtschaftssysteme, Ressourcen, Märkte und politischen Einflussgebiete würden daher zunehmend hinter kulturelle Irrationalismen zurücktreten, die sich im Wesentlichen aus den geografischen Einflussbereichen der Weltreligionen ergeben würden. Mit der Entwicklung solcher Kultureinflüsse sei der Westen hiergegen „verblasst“ und hätte in den 1990ger Jahren eine globale Identitätskrise erfahren (S. 194), welche vor allem westliche Rationalität geschwächt habe. Daher sei nun auch für den Westen eine Kulturordnung nach zusammengehörigen Kernstaaten nötig geworden (S.246), die sich als Kulturmächte von Einflussspären politisch formieren und mit entsprechenden Kulturausrichtungen zusammentun sollten. Aus der „Logik der Kulturkreise“ (S.255) ergebe sich die Bestätigung einer zusammengehörigen Interessensvereinigung, wie sie bereits die NATO als Verteidigungsmacht des Christentums darstelle, das zugleich die „Grenzen der Freiheit“ (S. 256) markiere, so hatte das Clinton bei seinem Europabesuch 1994 formuliert. Das Christentum als fortschrittlichste Religion für menschliche Entwicklung habe daher eine weltpolitische Verantwortung, vor allem auch gegenüber dem Islam, der besonders konfliktanfällig sei, weil er keine politische Einheit ermögliche, keine „Loyalitätsintensitätskurve“ bilde (S. 279 f), wie er das nennt. Stattdessen habe sich das „Gefühl muslemischer Einheit“ (S. 282) über eine Organisation der islamischen Konferenz, dem Muslimischen Weltkongreß und der Islamischen Weltliga zu einem internationalistischen Macht- und Wirtschaftsblock entwickelt, in welchem sich die unterschiedlichsten islamischen Geistesströmungen sowohl bekämpfen wie auch gegen alle Fremdreligionen fixieren würden. Die gemeinsamen Interessen radikaler muslimischer Regimes hätten daher über die Gegensätze hinweg militärisch mächtige Bündnisse hervorgebracht (s. 283), die besonders dadurch gefährlich für die westlichen Machtblöcke seien, weil die Idee des Nationalsstaats im Islam illegitim ist (S. 284). Besonders besorgniserregend sei die zunehmende Bewaffnung der muslimischen Länder durch Waffentransfers aus dem Westen und vor allem auch chinesischer Eigenproduktion (S. 296), die sie in den Besitz von Massenvernichtungswaffen erheblichen Umfangs gebracht hätten. Nur im Zusammengehen der USA mit europäischen Militärmächten sei eine entsprechende Gegenmacht zu gewährleisten. Denn das gemeinsame Interesse an einer guten Zukunft der Westkulturen muss sich gegen die Unreife der fremden Kulturen wappnen. Und so schreibt Huntington auf Seite 497 seiner Kulturkampfschrift:

"Der Westen ist, mit einem Wort, eine ,reife' Gesellschaft an der Schwelle dessen geworden, was künftige Generationen einmal als ein ,goldenes Zeitalter' betrachten werden, eine Periode des Friedens, die, laut Quigley resultiert aus ,dem Fehlen rivalisierender Einheiten im Inneren der betreffenden Zivilisation und aus der Entferntheit oder dem Fehlen von Kämpfen mit anderen Gesellschaften außerhalb ihrer.’" (Huntington, "Kampf der Kulturen", S. 497)

 

„Rebuilding Americas Defences“

Wohl denn. Es geht um die Weltherrschaft der Reifen, die sich gegen den Wildwuchs der Kulturen durchsetzen müssen, nicht, weil sie dort ihre eigennützigen Interessen durchzusetzen hätten, sondern weil sie sich für die Entwicklung der Menschheit verantwortlich fühlen und sich hierfür stark machen. Es zeigt sich dabei, dass das hauptsächliche Objekt der westlichen Fürsorge die Länder des Islam sind – nicht nur, weil dort sich noch 85 % der Ölreserven der Welt befinden, sondern jetzt auch, weil der Islam sich überhaupt gegen Kapital und Nationalismus wehrt und sich gegen fremde Machtinteressen besonders resistent zeigt. Tatsächlich steht seine subjektive Kraft im Visier der Kapitalmächte. Und das ist überhaupt das, was sie für ihre eigenen politökonomischen Vorhaben zu fürchten haben.

In Wahrheit ist ihnen das Lebensinteresse der Menschen in diesen Ländern natürlich völlig gleichgültig. Aber je enger der Kapitalmarkt wirtschaftet, desto direkter und intensiver sind die Anforderungen an die Infrastrukturen der Länder, in denen noch die Produktionsstätten der Wertschöpfung sind. Und die sind immer weniger in den Dienstleistungsgesellschaften der reichen Länder, sondern vor allem dort, wo die Ressourcen der Welt sich befinden. Die großen Finanzmärkte sehen sich in ihrem Durchsetzungsvermögen bedroht, wenn ihre Pipelines nicht fließen, ihre Aktien nicht verwertet, ihre Devisen nicht gehandelt werden und ein Selbstbewusstsein der Ölgrundbesitzer ihnen teuer zu stehen kommt. Unter den Regierungen Bush Senior und Bush Junior wurden die finalen Schlachten ausgelöst und gefochten. Und große Politik braucht mächtige Begründung. In der Schrift der Neocons „Rebuilding Americas Defences“ sind sie niedergelegt. Sie  mussten nur noch umgesetzt werden – durch ein großes katalysierendes Ereignis, wie es darin vermerkt war.

Immer weniger  Amerikaner und nicht mal mehr die Hälfte der Deutschen glauben an die ausschließlich islamistische Initiative für den Terror-Anschlag am 11.9.2001 auf das World-Trade-Center, das eine Stande nach einem Flugzeugeinschlag in einer Zeit von 9 bis 10 Sekunden in sich zusammengestürzt ist, was unter der Zeit  des freien Falls lag (siehe hierzu die Power-Point-Präsentation des englischen Physikers Anrew Johnson). Die vielen Berichterstattungen und Filme im Internet haben die Verursachung des Zusammensturzes durch den Flugzeugeinschlag als ein Ding der Unmöglichkeit erwiesen, wenn da keine kontrollierte Sprengung im Innern der Gebäude nachgeholfen hat - und die Physikkenntnisse der Deutschen reichen für solche Beweisführungen offenbar hin. Es war der Auslöser einer Aufhebung wesentlicher Grundrechte, dem "Patriotic Act" und der längst vorbereiteten Angriffe auf die vermeintlichen Herkunftsländer der Terroristen, Aber auch dass der Krieg gegen den Irak sich nicht aus einer strategischen Besorgnis gegen eine real vorhandene Bewaffnung ergeben hatte sondern gewollt war, bezweifelt fast niemand mehr, nicht mal der damalige Deutschlandchef des CIA (wir hatten über seine Offenlegungen in einem SPIEGEL-Interview hier berichtet). Der Antrieb dieser Kriege liegt in den Selbstrettungsversuchen des amerikanischen Kapitals, die nicht zuletzt auch einer Rezension zu entgehen suchten. Und das war ihnen vorläufig gelungen - mit dem Blut vieler Menschen.

Der große Feldzug gegen den Irak, die Zerschlagung des Regimes von Sadam Hussein und die militärische Allgegenwart in der Region bis nach Afghanistan wird nun auf lokalen Kampfplätzen im Kampf um Protektorate fortgetrieben, in denen die Besatzungkräfte nun als Schutzmacht auftreten – etwa so, wie ja auch die Schutzgelderpresser der Mafia erst mal ordentlich reinschlagen mussten, um hinterher ihre Friedfertigkeit inszenieren zu können, vor allem den Frieden, wie sie ihn meinen.

Die Tendenz der neueren militärischen Konzepte bezieht sich nicht mehr so sehr auf die offene Konfrontation mit Nationalstaaten. Die werden ja auch insgesamt immer bedeutungsloser. Es geht um militärische Durchsetzung vor Ort, die sich nun als polizeiliche Taktik inmitten der Bevölkerung, als normative Ordnungsmacht in diesen Ländern selbst zu behaupten sucht – nicht nur im nahen Osten, auch in den anderen Teilen der Welt, besonders in Afrika. Da ist es zunehmend auch gleichgültig, um welche Religion und Staatsform es sich handelt. Zur Beherrschung der Infrastrukturen muss die Bevölkerung sowieso dahin gebracht werden, auf ihre eigene politische Vertretung zu verzichten und sich der entwickelten sogenannten Friedensmacht der hochbewaffneten Westkultur zu beugen. Diese geben vor, die Menschen dort gegen ihre eigene Verwahrlosung zu schützen.

 

„Heimatschutz“

Man kann nicht mehr so ohne weiteres von Sicherheitsinteressen reden, wo kein ernstzunehmender militärischer Gegner existiert. Wenn solche Begrifflichkeit noch im militärischen Sprachgebrauch vorherrscht, so doch nur, um eine Selbstbegründung als Sicherheitsorgan zu behaupten. Aber die Bedrohung selbst besteht nicht mehr durch militärische Gegner, die in der Lage wären, eine Militärmacht anzugreifen. Wenn, dann sind es militärisch völlig ungeschützte Terrorgruppierungen, die durch exemplarische Terroraktionen Angst machen. Wenn man da noch von Krieg reden will, weil man es muss, um sich selbst zu begründen, dann sind solche Kriege extrem einseitig: Durch die Ansammlung eines technisch hoch differenzierten Gewaltpotenzials sollen Gegner niedergemacht werden, die mit geringsten Mitteln bewaffnete lokal operierende Guerilla sind, - wenn auch die Angst, die sie in gut befriedeten Strukturen erzeugen, beträchtlich ist. Sie offenbaren die Vernichtungskraft zerstörter Lebensstrukturen zwar hauptsächlich im eigenen Land durch Selbstmordattentate auf öfffentlichen Plätzen oder militärischen oder polizeilichen Einrichtungen, aber ihre brutale Finalität kann hierzulande nur als Horror wahrgenommen werden, fehlt doch hier eine hinreichende Einsicht in den wirklichen Vernichtungsprozess vor Ort. Eigentlich ist es ein Unding und einem funktionierenden Gehirn schwer zu vermitteln, dass die Herkunftsländer solcher Terrorgruppen mit gigantischer Kriegstechnologie niedergemacht werden müssen oder dass westliche Soldaten auch nur das Geringste daran ändern könnten, dass sich Selbstmordattentäter auf öffentlichen Plätzen oder vor öffentlichen oder militärischen oder polizeilichen Gebäuden in die Luft sprengen. Nach wie vor hätte es ausgereicht, die Ärzte und Berater dort wirken zu lassen, so wie sie es unter diesen Bedingungen können und sie mit Hilfsmitteln zu versorgen. Die aber fühlen sich nun selbst von den Militärs ihrer Herkunftsländer bedroht.

Weil es im Grunde gar keine Kriege mehr sind, nennt man die Kampfeinsätze gegen die Herkunftsländer von Terroristen jetzt assymetrische Kriege. Sie müssen als ordnungspolitische Notwendigkeiten ausgegeben werden und sind natürlich nicht zu gewinnen - sie können aber die Länder zerstören, aus denen die Terroristen vermutlich herkommen. Und um mehr geht es ja auch nicht: Wo keine eigene Infrastruktur mehr funktioniert, da kann über Markt und Bodenschätze frei verfügt werden. Und so muss der schwache Gegner hochgerechnet werden, um den Einsatz gegen ihn überhaupt zu rechtfertigen. Eigentlich dient ja dem Schutz der allgemeinen Verhältnisse die Polizei und die ist dem auch ganz offensichtlich gewachsen, soweit individualisiertem Terror überhaupt begegnet werden kann. Aber es ist unter der Hand durch die Angst der befriedeten Länder ein ganz große Kriegsziel entstanden: Die Bekämpfung eines Terrorismus überhaupt, der nirgendwo und daher nur überall zu fassen ist: Krieg gegen die Bevölkerungen der Welt, die durch ihre Armut schon des Terrors verdächtig sind.

Noch vor weniger als einem Jahrzehnt war die Bewaffnung der Mudschahedins lediglich eine Inszenierung des US-Imperialismus, um den russischen Interessen an Afghanistan zu begegnen, also um den Bau von "Pipelines des Westens" durchzusetzen und den Ölpreis und damit den Wert des Petrodollars zu bestimmen. Osama Bin Laden wurde von den USA mit Waffen und Millionenbeträge von Dollars bestens versorgt und war noch im Juni 2001 auch bei persönlichen Beschwerden von Ärzten des CIA betreut worden. Doch mit der dereinst umstrittenen "Wahl" von Bush Junior wurde ein militärischer Paradigmenwechsel installiert: Die Militärpolitik als "Ordnungsmacht" der reichen Länder gegen die armen, als Politik eines "Weltordnungskriegs".

So hatte man das gewaltige Potenzial der Al Quaida entdeckt und darin endlich den adäquaten Angstmacher gefunden. Für die Leute zu Hause und den Einsatz der Soldaten sollte der Paradigmenwechsel als Selbstschutz gelten – sowohl als „Heimatschutz“, wie er im amerikanischen Wahlkampf bereits bezeichnet wird, als auch als Schutz der Menschheit vor wild gewordener Religiosität, der Verteidigung der Menschrechte vor den Angriffen unterkultivierter Glaubenskrieger, wie die Selbstmordattentäter immer noch interpretiert werden. Zwar haben die Westkulturen nicht nur in Guantanamo unter Beweis gestellt, dass sie an Barbarei dem Vorwurf an die Kulturen, die sie sich zum Objekt ihrer Ordnungsmacht gemacht haben, mindestens ebenso gut unterliegen. Aber im Unterschied zur Armut, wie sie dort inzwischen nach langen Kämpfen, Ausplünderungen und Kriegen herrscht, sind sie immerhin gut bestückt. Der neue Weltkrieg ist ein Krieg in den Ländern selbst, der von Soldaten geführt wird, die zunehmend als Polizei vor Ort eingesetzt werden. Und daran ist die Bundeswehr längst beteiligt.

 

Armut, Überbevölkerung und Kapital

Man weiß schon seit mindestens 160 Jahren, dass Armut nicht durch bloßen Mangel entsteht und dass Überbevölkerung nicht durch die absolute Anzahl der Menschen auf diesem Planeten bestimmt wird. Schon mit dem, was heute an Lebensmittel produziert und zum Teil wieder vernichtet wird, könnten 12 Milliarden Menschen leben (so eine Statistik von Robin Wood). Überbevölkerung, sprich Arbeitslosigkeit, gibt es, seit es Kapital gibt. Für das Kapital ist zur unmittelbaren Verwertung immer wieder mal ein Teil der Bevölkerung überflüssig und besser geeignet, dem anderen Teil Angst zu machen um Arbeitspreise zu drücken. Die Armut der Besitzlosen ist sein bester Antrieb. Auch hat religiöser Irrationalismus in Europa viele Jahrhunderte politisch bestimmt. Er kann nicht durch Eingriffe von außen bekämpft werden. Er wurde immer nur durch die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen aufgehoben. Er ist weder im Nahen Osten noch sonst wo auf der Welt die Ursache von Terror, sondern weitaus wahrscheinlicher die Folge einer existenziellen Bedrohung der Menschen durch Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, also die Folge terroristischer Politikinteressen. Religionen gibt es seit Beginn der Menschheit; Terrorismus ist eine neuzeitliche Erscheinung. Auch ist es am Geringsten religiöser Irrationalismus, der die Probleme der Menschen heute ausmacht, sondern weit umfassender der ökonomische Irrationalismus des Kapitalismus, der Naturzerstörung, Ausbeutung, Spaltung in arm und reich und relative Überbevölkerung erzeugt. Es ist der Anachronismus der Gesellschaften, worin kapitalistische Produktionsweise herrscht, dass die Besitzenden ihren Besitz mit einer Macht vergrößern, die für die Menschen insgesamt immer unsinnigere Konsequenzen hat.

Was die Weltmächte an der Armut fürchten, das ist ihr menschliches Potenzial, das mögliche Ende der Einflussnahme der Politik auf das wirkliche Leben der Menschen, das wirkliche Potenzial einer Kritik der politischen Ökonomie, das dort entsteht, wo diese sich unmittelbar gegen die Mensch selbst richtet. Auch wenn dieses nur ein Funke ist, so kann es schnell der Funke für einen Flächenbrand werden, wenn die Fläche ohne Sinn für die Menschen ist. Die politischen Gewalten haben sich selbst schon so weit gehend  als Herrschaftsinteressen unmenschlicher Zwecke entlarvt, dass kein Spielraum für eine politische Übereinkunft mehr besteht. Sie kann sich daher auch nicht mehr rational begründen, sondern muss sich selbst aus kulturellen Interessen ableiten, die keine Rationalität mehr haben, als Prinzip einer Rechtstaatlichkeit, die sich nicht mehr rechtlich ausweisen kann, als Ordnung einer Kulturmacht, deren Kultur sich von selbst als Kultur der Menschenrechte versteht, indem sie Menschen niedermacht.

So werden die Armen zu Objekten eines Rassismus, der sich besonders als Kulturalismus der politischen Gewalt gegen ihre Lage äußert. Die politische Ökonomie muss sich vor der Armut schützen, die sie hervorgebracht hat und muss sie daher möglichst subtil und schnell ausgrenzen. Es ist immer dasselbe Muster, das zur Begründung der Notwendigkeit eines Eingriffs verwendet wird: Das ungezügelte und desintegrierte Leben der Unterentwickelten. Dazu werden die sozialen und kulturellen Phänomene der Verarmung hergenommen und zum Gegenstand einer politischen und militärischen Gewalt. Die "Banlieues" (zu deutsch: Bannmeilen) befinden sich nicht nur in Paris sondern überall auf der Welt.

Die Website german-foreign-policy.com  (http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57151 ) wußte am 5.2.08 zu berichten:

BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Neue Theorien zur Legitimation von Aufstandsbekämpfung und Krieg werden in außen- und militärpolitischen Führungszirkeln in der deutschen Hauptstadt diskutiert. Dabei handelt es sich um Erklärungsmuster, die Armutsrevolten und Aufstände gegen Besatzungsherrschaft mit Hilfe der Demografie zu deuten suchen. Demnach sei die Ursache für Unruhen in der islamischen Welt und in Afrika in der Altersstruktur der dortigen Bevölkerung zu finden, die einen relativ hohen Anteil junger Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren aufweist. Konflikte seien in den betroffenen Ländern unvermeidlich und könnten allenfalls mit militärischen Eingriffen regional begrenzt werden. Entsprechende Theoriemodelle ("Youth Bulge") sind Gegenstand von Tagungen der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, der bedeutendsten außen- und militärpolitischen Einflussbehörde der Bundesrepublik. Sie werden zunehmend auch in Analysen weiterer deutscher Polit-Institute angewandt. In zugespitzter Form lassen sie Kriege als sinnvoll und notwendig erscheinen. In die Debatte eingeführt wurden sie 1995 in Washington."

"Der Begriff "Youth Bulge" ... bezeichnet die Ausstülpung einer Alterspyramide bei einem überproportionalen Anteil männlicher Jugendlicher zwischen 15 und 25 Jahren. Das "Youth Bulge"-Denkmodell will einen Zusammenhang zwischen einem hohen Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung eines Staates und Gewalteskalationen erkannt haben. "So führen hohe Geburtenraten in Verbindung mit der strukturellen Knappheit von Ressourcen und dem Mangel an sozialen Aufstiegschancen nahezu zwangsläufig zu breiten gesellschaftlichen Krisen, da aufgrund der zumeist vorherrschenden Tradition der Primogenitur lediglich den (männlichen) Erstgeborenen die Chance zur Erlangung einer gesellschaftlich annähernd befriedigenden Stellung eröffnet wird", fasst das Berliner Institut für Europäische Politik den theoretischen Ansatz zusammen. Weiter heißt es in einer Studie des Instituts, die das Modell des "Youth Bulge" zur Analyse der kosovarischen Gesellschaft und der dortigen Unruhen anwendet: "Die restlichen ('überschüssigen') Nachkommen finden hingegen keinen adäquaten Platz in der Gesellschaft und neigen in Reaktion auf die große Diskrepanz zwischen dem individuellen Anspruchsniveau und der gesellschaftlichen Realität zu Gewalt und Radikalität." (ebd.)

Welche Aufstände?

Doch worum geht es bei der Unterdrückung von Aufständen wirklich? Muss jede Erscheinung von Verarmung immer gleich mit militärischer Kontrolle von den Ländern beantwortet werden, die außerhalb stehen? Es wäre dann jede soziale Unruhe, jeder Streik, jede Verengung der Arbeitsmärkte und Armutserzeugung schon eine Sache militärischer Machtpolitik. Armut ist doch eigentlich gar kein Problem für die kapitalistische Ökonomie. Warum kümmert man sich plötzlich so eindeutig und zielgerichtet um Aufstände und soziale Konflikte in armen Ländern, die es dort doch schon immer gegeben hatte und den reichen ziemlich gleichgültig gewesen war? Wozu die überpolizeiliche Kontrolle der Einwanderungen, die bisher schon immer polizeilich und gesetzlich beschränkt wurder? Und wozu so viele Erklärungsmuster?

Es hat sich etwas geändert auf der Welt: Der Kapitalismus ist keine Gesellschaftsform mehr – er widerspricht selbst jeder gesellschaftlichen Existenz. Armut und Reichtum stellen kein gesellschaftliches Verhältnis, kein Gegenübertreten von Klassen der Reproduktion und Produktion mehr dar, sondern sind bloße Phänomene deren Entstehung fast zufällig erscheint, weil die Ausgrenzung des Unverwertbaren inzwischen allseitig und gewaltig ist. Wo früher die unterschiedlichen Verwertungslagen der Produktion durch Zölle und Währungen noch teilweise ausgeglichen konnten, ist jetzt schon deshalb unbeeinflussbar, weil Kapital zum weitaus größten Teil nur noch als weltweite Spekulationsmasse zirkuliert, zu 98 % nur noch fiktiv, also unabhängig von jeder realen Wertgestalt ist.

Alle Grenzen des Kapitalverhältnisses, alle Lokaitäten der Arbeit und ihrer Notwendigkeiten verschwimmen, und die Entwicklungen streben menschlich ineinander, während sie sachlich auseinander gehen. Die Menschen bedrängen sich selbst als Objekte eines Marktes, als deren Subjekte sie sich begreifen. Die Kluft zwischen Arm und Reich gerät zu einem Spalt zwischen Integration und Desintegration, und der blockiert die Wertzirkulation überhaupt. Der Bedarf an Menschen durch das Kapital widerspricht mit zunehmender Konzentration dem Kapitalbedarf selbst, dem Aktien- und Finanzkapital, denn zu viele Arbeitslose werden zur Last, wenn sie zu arm sind, wenn sie also nicht mal zum Konsum der Überprodukte taugen und wenn die Staaten ihnen entsprechenden Ausgleich durch ihre Überschuldung verweigern. Nicht Kriminalität und soziale Konflikte werden gefürchtet, sondern die unkontrolliert grassierende Armut als solche, die Abwärtsspirale der gesellschaftlichen Desintegration und damit der Kapitalisierungsmöglichkeit von Armut überhaupt.

Überflüssiges Kapital zehrt alle Entwicklung und Gestaltungsmöglichkeit der Sozialwesen, soweit man noch von solchen reden kann, auf. Auch wenn die Wertdynamik des Kapitals anarchisch funktioniert, so muss gerade deswegen jetzt die Bewegung der Menschen streng kontrolliert, ihre Migration genau geregelt, ihre Verwertbahrkeit strikt dirigiert  werden. Die Einwanderung wird ausschließlich den Verwertungsinteressen des Kapitals angepasst. Und dies funktioniert mit kulturellen Definitionen der Ausländer durch die so genannte „Strategische Gemeinschaft“ der reichen Länder, dem Ländergebinde großer Wirtschaftsregionen wie es vor allem die USA und die EU sind. Dort beschränkt die Ideologie des egoistischen und leistungsfähigen Individuums längst schon dessen gesellschaftliche Integration auf bloße Verwertungsverhältnisse als solche. Dementsprechend sollen die zunehmende Kontrolle und Überwachung die Tendenz zur Vereinzelung verstärken, Kommunikation einschränken und überall dort lähmend wirken, wo Menschen sich ein kollektives Leben jenseits von Anonymität, Leistungsdruck und Konsum auch nur vorstellen können. Das muss nun auch in der Abschottung nach außen gelten, denn Parallelkulturen will man unbedingt vermeiden. Integration wird hierdurch zu einem kulturpolitischen Gewaltakt.

 

„Migrationsdynamik“

Die Ausländergesetze wurden dem entsprechend umgeschrieben. Nicht mehr die politische Lage des Immigranten oder seine Lebensvorstellungen entscheiden hierüber. Einwanderung soll direkt und unmittelbar davon abhängen , wozu die Menschen verwertet werden können. Um dies regeln zu können, mussten gut bewehrte Sicherheitsfilter um Europa gezogen werden, die nicht nur zurückweisen, wer zuviel ist, sondern auch verhindern, dass ihre strikte Funktionalität für die großen Machtstrukturen unerkennbar bleibt. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Kriege und die Folgen der kapitalistischen Globalisierung lösen Migrationsdynamiken aus, die durch die unsichtbaren Mauern einer Festung Europa gebrochen und geregelt werden sollen.

Diese Mauern sind inzwischen sehr flexibel. Sie gibt es seit 2004 als ein Netzwerk militärischer und polizeilicher Kontrollagenturen, das die nötigen Sicherheitsfilter  als Intervention von sogenannten Peacekeeper betreibt, die zu einem quasi polizeilichen Aufgabenbereich der Militärs geworden sind. Diese haben die europäischen Integrationsstrategien entschieden umgestellt und sind auch in die Militärdoktrin der USA eingegangen. Das Ganze nennt sich FRONTEX, besteht aus einer Vernetzung ziviler, polizeilicher und militärischer Einsatzkräfte und basiert neben der militärischen auch auf extensiver und intensiver Informationsmacht. Sie arbeitet mit den Datenbeständen der Geheimdienste eng zusammen. Die von dieser Agentur koordinierten Polizei- und Militäreinsätze an den Innen- und Außengrenzen der EU sind Bestandteil einer Gesamtstrategie zur Kontrolle und Beherrschung der Armut. Sie hat ihre Niederlassungen nicht nur innerhalb oder an den Grenzen Europas, sondern in den armen Ländern selbst, um auch dort schon soziale Konfliktlagen und Auswanderung zu kontrollieren. Die europäische Außengrenze wird hierdurch „schwimmend“, die Verflechtung von Polizei, Militär und Geheimdienst, die nach den Erfahrungen mit dem Faschismus verboten worden war, zum Prinzip. Von der Informationsstelle Militarisierung e.V. in Tübingen wird es sehr gut beschrieben (Material und Links hierzu finden sich auf der Kulturkritik.net).

 

Abschottung, Ausgrenzung und ein neues Allheilmittel „Front-Ex“

 Auf diese Weise wird die Abschottung gegen Armut zunächst mal ähnlich betrieben wie in den Reichensiedlungen in den USA: Hochaktive Sicherheitsdienste schützen mit einem enormen Aufwand und mit Schnüffelei und Interventionen im Kleinen die Eliten des Kapitals vor Aufstand und Randale. So wurde z.B. die illegale Einwanderung nach Europa im Jahr 2006 von 24.000 auf 12.000 halbiert. Im Grunde aber sind solche Zahlen lächerlich gemessen an der Bevölkerungszahl der EU. Die Illegalen würden zu extremen Billiglöhnen  in den Plantagen der Tomatenfarmen in Südspanien oder zur Gurkenernte in Frankreich oder sonst wo genauso  unterkommen wie die Geduldeten. Es ist nur der erste Schritt. Es geht hier nicht nur um eine ungemein  aufwendige Einwanderungskontrolle sondern vor allem um die Entwicklung einer völlig neuen Sicherheitspolitik, die im Rahmen eines neuen Europa nötig wird. Was dem europäischen Wirtschaftssystem vor allem abgeht, ist die Anerkennung seiner Verfassung durch die Bevölkerung und also auch die Funktionalität seiner Militärs, seiner Polizei und seiner Geheimdienste. Europäische Politik bestimmt zwar zu über 70% alles, was in den einzelnen Staaten beschlossen wird, hat aber keine entsprechende politische Legitimität im traditionellen demokratischen Sinn. Und die wird es auch nicht so schnell kriegen, zeigt sich doch die kapitalistische Grundlage der Europapolitik an jeder Straßenecke als Machtapparat verschärfter Konkurrenz und Ausbeutung. Daher wurde inzwischen von den politischen Vertretern der Staaten, also von ihren Regierungen, in einem reinen Funktionärsgeklüngel durch einen Staatenvertrag das Verhältnis der Europäer als Wirtschaftsverhältnis ihrer Banken und Industrie geregelt und ebenso ihre militärische und polizeiliche Gewalt.

 FRONTEX resultiert aus solchem Regelwerk, das mangels Rückhalt auch nicht allzu offen in Erscheinung treten sollte, - das aber jederzeit in der Lage sein muss, Aufstände und Revolten und vielleicht irgendwann auch Streiks und dergleichen in ihrem Keim schon zu ersticken, bevor sie sich offen ausbreiten können. Der deutsche Innenminister Schäuble hat ja auch deutlich darauf hingewiesen, wie nötig dem Staat die frühzeitige Isolation und Erstickung von Konflikten und Gesetzesbruch geworden ist. Ich hatte in der letzten Sendung über seine Äußerungen auf dem Dreikönigstreffen der CSU berichtet. Die Tendenz zur Isolation und Kasernierung von Disfunktionalem ist sehr allgemein geworden.

Dies wurde von der Informationsstelle Militarisierung e.V auf einer Veranstaltung im EineWeltHaus in München gut dokumentiert. Obwohl FRONTEX ursprünglich als eine Grenzschutzadministration initiiert wurde, hat es sich binnen weniger Jahre schon in ein ausgedehntes Engagement bei inneren Angelegenheit positioniert. Anstelle des gesprochenen Wortes (siehe ) hier der Abstract aus der IMI-Studie:

Ausschnitte aus der Veranstaltung (siehe hierzu die IMI-Studie „Rüsten für den globalen Bürgerkrieg“:

Die IMI-Studie „Rüsten für den globalen Bürgerkrieg“ geht von einer zunehmenden Verarmung großer Bevölkerungsteile durch den weltweiten Kapitalismus aus, deren Kontrolle von der „Strategischen Gemeinschaft“ als größte Herausforderung der kommenden Jahre gesehen wird (Abschnitt 1). Durch erweiterte Sicherheitsbegriffe (Abschnitt 2) ist der Umgang mit der Zivilbevölkerung insbesondere bei Peacekeepingeinsätzen in den Aufgabenbereich des Militärs übergegangen, was sich gut am Beispiel Haiti (Abschnitt 5) darstellen lässt. Mittlerweile haben auch die USA in ihren Militärdoktrinen diese Strategie übernommen, die Zivilgesellschaften der Einsatzländer quasi militärisch zu durchdringen (Abschnitt 4).

Kern der Studie ist ein zusammenfassender Überblick über Rüstungsprojekte, welche diesen Paradigmenwechsel widerspiegeln. Dabei geht es in Abschnitt 3 noch überwiegend um eher klassische Militärgüter, für die nun aber die schnelle Verlegbarkeit eine wesentlich wichtigere Rolle spielt. Die Abschnitte 6 und 7 handeln hingegen von der Militarisierung der Polizei, dem Aufbau von Gendarmerieeinheiten und neuen Ausbildungskonzepten, mit denen Soldaten auf die Niederschlagung von Demonstrationen und Aufständen vorbereitet werden. Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die Militärs auf den Häuserkampf in noch von ZivilistInnen bewohnten Großstädten vorbereiten, besonders auf die Rolle von unbemannten Drohnen (Abschnitt 9) und so genannten Nicht-Lethalen Waffen (Abschnitt 11) hierbei wird besonders eingegangen. Zum Abschluss (Abschnitt 12) wird noch die Umstrukturierung des globalen Rüstungsmarktes dargestellt, welche ebenfalls die These untermauert, dass die Staaten immer weniger für einen Krieg gegeneinander als gegen die eigene Bevölkerung aufrüsten.

 

Greetings to George Orwell

 FRONTEX ist eine Pseudoadministration mit Exekutivgewalt, die ohne rechtsstaatliche Grundlagen und zum Teil durch private Unternehmen und Agenturen, durch Informationsdienstleister, Sicherheits- und Schnüffelfirmen  betrieben wird. Es vereint netzwerkartig privatwirtschaftliche, polizeiliche und militärische Potenzen und entspricht einer Verfolgungsbehörde ohne hinreichende Rechtsgrundlagen. Das geht vor allem mit einer Verwässerung der alten Strukturen, den schwimmenden Grenzen, der Aushöhlung des Datenschutzes und der Kollaboration großer Wirtschaftsverbände mit den Organen der Geheimdienste und der Polizei. Der Staat, wie ihn George Orwell schon angesichts des Faschismus visualisiert hatte, ist effektiv am Werden. Die Sortierung der Menschen funktioniert dabei durch kulturpolitische Begrifflichkeiten, durch Allheilsprinzipien und Rassismen. Davon kann man schon genug im Internet finden, wenn man die Texte der FRONTEX-Organe liest.

Zusammen mit den sogenannten sicherheitspolitischen Interessen der USA lässt sich dieses Netzwerk zu einem Organ der Weltkontrolle ausbilden und hierdurch eine Weltordnung installieren, wie sie von den Neocons schon angedacht war. Kriege waren das Mittel des Kapitals, sich dort Einfluss zu sichern, wo ihre Wirtschaftsmacht nicht hinreichte, durch Bestimmung der Devisen- und Kapitalmärkte sich zu sättigen. Jetzt geht es um die Gewöhnung an die damit konstituierte Ordnungsmacht durch deren Kulturalisierung und durch die direkte Kontrolle der Menschen.

STRUKTOGRAMM:

Entnommen aus "Was ist FRONTEX?" der Vereinigten Europäischen Linke/Nordische Grüne Linke und IMI e.V.