Wolfram Pfreundschuh (9/05) Hier die von 2014 - 2019 überarbeitete Version.

siehe hierzu auch "Die sinnlose Gesellschaft - Das Humankapital eines fiktiven Geldwerts" (hier als PDF laden)

Grundprobleme marxistisch begründeter Politik

Marxismus als Wissenschaft

"Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zu viel Zivilisation, zu viel Lebensmittel, zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. – Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie vielseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert." (Manifest der Kommunistischen Partei, 1847/48, Karl Marx und Friedrich Engels in MEW 4, S. 467f).

Auch wenn mit Marxismus oft immer noch mit der sozialdemokratische Version der Arbeiterbewegung des vorletzten und letzten Jahrhunderts und dem Machtkoloss eines proterischen Staates identifiziert wird, so muss diese Gefolgschaft einer fundamentalen Fehlinterpretation von Ferdinand Lassalle in der marxistischen Diskussion von vorn herein abgewiesen werden, will man dem Thema überhaupt wieder näher kommen. Marx hatte sich in seiner Kritik der Gothaer Gründungsdiskussion der SPD (siehe hierzu auch Sozialismus) alle diesbezüglichen Argumente abgewiesen. Und mit der daraus gefolgerten Politik hatte er die Zwangsläufigkeit einer inneren Unterwerfung der Menschen durch einen Sozialismus der "gerechten Arbeit" ausgeführt, der nach seiner Auffassung dem Schein einer Marktgerechtigkeit durch bloße Quantifizierung von Arbeitsmengen aufsitzt und sich als kommunistische Programmatik ausgibt:

"Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent - nach den Abzügen - exakt zurück, was er ihr gibt. Was er ihr gegeben hat, ist sein individuelles Arbeitsquantum. Z.B. der gesellschaftliche Arbeitstag besteht aus der Summe der individuellen Arbeitsstunden. Die individuelle Arbeitszeit des einzelnen Produzenten ist der von ihm gelieferte Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags, sein Anteil daran. Er erhält von der Gesellschaft einen Schein, daß er soundso viel Arbeit geliefert (nach Abzug seiner Arbeit für die gemeinschaftlichen Fonds), und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumtionsmitteln soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet. Dasselbe Quantum Arbeit, das er der Gesellschaft in einer Form gegeben hat, erhält er in der andern zurück." (Karl Marx in Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S.22f).

Marx hatte sich hierbei die rein politisch auftretenden Machtansprüche der Arbeiterbewegung und dem sich hierin verfestigten politischen Kräftemessen einer Arbeiterkultur gegen die "Müßiggänger" der Gesellschaft als Klassenkampf der schlichten Machtverhältnisse der Parteien und Institutionen kritisiert, die mit einer Verteilungsgerechtigkeit der Geldmenge zwischen Lohnarbeit und Kapital behoben sein soll (siehe Monetarismus). Für Marx waren es die praktischen Lebensverhältnisse der Menschen, ihre gesellschaftliche Geschichte, das Verhältnis ihrer Bedürfnisse zu ihrer Arbeit, welche die Geschichte der Menschen voranbringt und ihre Entfremdung aufhebt. Dieses Verhältnis verlangt selbst eine Veränderung von beidem in Einheit ihres Gemeinwesens, die Aufhebung der Entfremdung von nützlicher und produktiver Arbeit wie auch des Gebrauchswerts der Produkte in einem. Als Grundlage eines jeden Marxismus - soweit diese Bezeichnung noch Sinn haben kann - sind die Positionen von Marx zur Geschichte (siehe historischer Materialismus), der Entfremdung der menschlichen Arbeit und dem Gebrauchswert der Produkte und ihrer geschichtlichen Existenzform im Klassenkampf der Menschen.

Das sollte akzeptiert sein, bevor eine weitere Diskussion über die theoretischen Fundamente des Marxismus, besonders seiner historischen gesellschaftlichen Beziehung und der Arbeitswerttheorie entsprechende Aufmerksamkeit gerecht werden kann. Denn tatsächlich reichen hier die Argumente in ihrer bisherigen Formulierung oft nicht mehr hin, seitdem sich die Realwirtschaft immer mehr den Anforderungen eines vorwiegend nur noch fiktiven Kapitals beugen und dem sich die Politik der Nationalstaaten unterwerfen muss. Was hierfür an begrifflicher Arbeit nötig ist folgt aus der weiterreichenden Analyse des modernen Kapitalismus und hat damit auch ein erweiterten Verständnis der Klassengegensätze nötig (siehe hierzu auch Wolfram Pfreundschuh 2018, "Die sinnlose Gesellschaft - Das Humankapital eines fiktiven Geldwerts").

In diesem Zusammenhang wurde vor allem auch der Gegensatz von ökonomischer Form und ihrem kulturellen Gehalt deutlich, der die realwirtschaftlichen Klassenkämpfe nicht nur aufzulösen schien, sondern auch die Substanz der Kritik der politischen Ökonomie in Zweifel zog. Luis Althusser ging dies mit der Behauptung an, dass die kapitalistischen Verhältnisse in eine Basis der Realwirtschaft und ihrem Überbau aufgespalten seien und von daher ein eigenständiges politisches Subjekt durch die Institutionen des Staates und der Kultur (und Kirche) auszumachen sei, die zur Revolutionierung des Kapitalismus eine eigenständige Subjektkritik benötigen würde. Mit dieser Argumentation wurden die Gedankenabstrationen der Ideologie als Macht der Täuschung mit der politischen Funktionalität der Staatsmacht als Recht einer politischen Verfassung der gesellschaftlichen Reproduktion vermengt und hieraus ein gesellschaftlicher Gegensatz der Staatsgewalt zu einer unterdrückten Bevölkerung bezogen. Damit hatte Althusser die politische Macht des Staates durch die Vermittlung seiner Ideologie verdoppelt und verselbständigt. Sie verhalte sich als das politische Subjekt des Kapitalismus gegen die Menschen, die vor allem als seine politischen Objekte begriffen sein solten, sodass gegen diese Macht im politischen Kampf gekämpft werden müsse, der politische Kampf gegen dieses Macht also selbst schon auch Klassenkampf sei, der bloße Protest und Ungehorsam gegen die Gewalt der staatlichen und kulturellen Institutionen selbst schon den Kapitalismus sprengen könnte. Und die hieraus folgende Subjektkritik galt ihm deshalb als das politische Mittel der gesellschaftlich notwendigen Veränderung und Geschichte, als die notwendige Entwicklung hierzu. Diese Auffassung war in der Studentenbewegung in den 70er und 80er Jahren ein wesentlicher Begründungszusammenhang im Kampf gegen den kapitalistischen Staat, vor allem nachdem sich die Arbeiterschaft weitgehend gegen sie gestellt hatte.

Es gibt allerdings zu diesem Thema eine Entwicklung, die vor allem über die so genannte Wertkritik - Abteilung Krisis.org - zu einer Pervertierung der gesamten marxistischen Diskussion geführt hatte, die darin mündete, dass inzwischen die gesamte Klassentheorie von Marx nicht nur außer Rede gestellt, sondern selbst mit einer völlig beliebigen "Argumentation" hintergangen wird (Norbert Trenkle 2019: "Warum der Klassenkampf von gestern ist") und zum Wiederkäuer einer verselbständigten Ideologiekritik geworden ist, die vor allem eine "Subjektkritik" sein soll (siehe hierzu Pfreundschuh 2019, "Über die Grundlagen und Ziele der Marx'sche Dialektik in der Entwicklung der Wertform aus den Verhältnissen der Tauschwerte"). Damit werden die Menschen mit dem Vorwurf bedacht, dass sie ein falsches Bewusstsein hätten, weil dieses fetischisiert wäre, d.h. einer psychischen Besessenheit unterliegen würden, durch die sie der Kritik dieser Verhältnisse entzogen seien. Es ist die Konsequenz eines solchen Denkens, dass die Widersprüche ihres Lebens durch richtige Gedanken aufzulösen wären, die sich gegen ein "falsches Leben" wenden müssten. Das ruft natürlich die Avantgarde einer positiven, einer veredelten Begrifflichkeit aus höherem Wissen (siehe Esoterik) auf den Plan, durch die das "fetischisierte Bewusstsein" der Menschen auf den "richtigen" Begriff gebracht werden könne. Marxismus verendete wieder mal im Moralismus eines besseren Denkens (siehe hierzu auch "Marxistische Gruppe").

Dass das Bewusstsein einfach falsch sein kann und eine "Subjektkritik" benötige, war schon mit Adornos "negativer Dialektik" begründet worden und wurde mit der Absage des Doppelcharakters der Ware von Robert Kurz (erschienen im Neuen Deutschland am 28.5.2004) fortgeführt. Nach Marx war dieser Warencharakter allerdings in der Zwiespältigkeit der Naturalform der Gebrauchswerte in ihrer Wertform begründet, wodurch sie zur Erscheinungsform des Werts wurde und ihre sozialen Beziehungen zur rein sachlichen Beziehung, zur Versachlichung der Menschen (siehe auch Verdinglichung) verkehrten (siehe Warenfetischismus). Und dies wurde nun "werrtkrisch" in die Behauptung aufgelöst, dass es obsolet sei, überhaupt noch von einem Klassengegensatz zu reden, denn mit der 3. industriellen Revolution der Digitalisierung habe es einen "qualitativen Sprung in der Produktivkraftentwicklung [gegeben]; denn mit ihr verschob sich der Schwerpunkt von der Produktivkraft Arbeit hin zur Produktivkraft Wissen" (Trenkle 2019). Nicht mehr der Verwertungszwang des Kapitals zur Wertdeckung des Geldes und seiner Fiktionen, dem fiktiven Kapital eines feudalkapitalistischen Schuldgeldsystems und seiner Austeritätspolitik der Staatsverschuldung treibe solche Geschichte an. Nicht weil das Kapital die Mehrwertproduktion durch unbezahlte Arbeit, die Ausbeutung der Menschen "aus allen Kanälen" ihrer Existenzverwertung internationalisiert hat, wie es im Verhältnis zu den Produktionsmitteln, der Technologie der Produktion durch das Wertwachstum gezwungen war, könnte den Klassengegensatz zwischen den Besitzenden des Kaufmittels Geld - den Geldbesitzern - und Bediensteten für das Zahlungsmittels Geld, den Lohnarbeitern etwa vertiefen; - nein, es hätte den objektiven Klassengegensatz zu einem - durch relativ hohe Einkommen begründeten - subjektiven Intereressenbündis getrieben! Es sei eine Art "Sozialpartnerschaft von Lohnarbeit und Kapital" entstanden, wie sie ja auch dereinst schon im Arbeitsbündnis der 80er Jahre der Gewerkschaften mit dem Kapital ausgemacht worden war. Und so sei nun auch ein wahrhaft edles Allgemeininteresse, das die verloren gegangenen Klassen entstanden, das sie als Parteien des Gesamtkapitals auf ihren gemeinsamen Nutzen einschwört, wenn man nur mal eben von der Grundrente absieht, die mit der trinitarischen Formel von Marx immerhin als die höchste Kapitalform begriffen ist.

Die Klassengegensätze, die sich inzwischen global bis zum Klassengegensatz der Schuldnerstaaten zu den Gläubigerstaaten entwickelt haben, werden mit einer Geste der Besserwisserei undenkbar gemacht. Durch den Hinterhalt einer theoretischen Wesensbehauptung wird die Abstraktion der Klassenkämpfe - die Wesensnot einer abstrakten Gesellschaft - nun selbst zu einer strukterell notwendigen Entfremdung - aber nicht etwa einer pervertierten Theorie, sondern einer hochwertigen Akkumulation des Kapitals, das immerhin "eine basale Gemeinsamkeit" im "Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit" gefunden habe, wodurch die Prognosen des Kommunistischen Manifestes gesprengt worden seien, sondern zu einem "em>""Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen auszuhandeln und politisch zu regulieren" seien:

"Da nun aber beide Parteien zum Wesenskern der kapitalistischen Produktionsweise gehören, haben sie trotz aller Gegensätze zugleich auch das gemeinsame Interesse, die Produktion abstrakten Reichtums zu erhalten. Deshalb respektieren sie im Allgemeinen auch die von dieser Reichtumsform diktierten Spielregeln. Dazu gehört in erster Linie, dass die Akkumulation von Kapital in Gang bleiben muss. Denn andernfalls kann weder das Kapital seinem Selbstzweck nachkommen, Geld in mehr Geld zu verwandeln, noch verfügen die Arbeitskraftverkäufer über das nötige Geld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese basale Gemeinsamkeit ist der tiefere Grund dafür, weshalb der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit den Kapitalismus keinesfalls gesprengt hat, wie im Manifest prognostiziert, sondern im Laufe des 20. Jahrhunderts Formen gefunden wurden, um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen auszuhandeln und politisch zu regulieren." (Trenkle 2019)

Was immer bisher unter Marxismus verstanden wurde, ist sich leider nur in einem Sinn einig: Es ist der Bezug einer Analyse, einer Politik und Theorie auf das Lebenswerk von Karl Marx. Und in dieser Beziehung hat sich keine Theorie so dauerhaft als Erklärung der Probleme ihrer Zeit erhalten und im Wesentlichen bewahrheitet, wie der in diesem Sinn ausgelegte und verbreitete Marxismus. Aber auch keine Theorie hat so viele ihrer eigenen Probleme verschleppt und fortgetragen wie er. Das liegt vielleicht an seiner substanziellen Komplexität und Grundsätzlichkeit, die von denen, die daran arbeiteten, nicht ganz bewältigt wurde, vielleicht auch an der kaum mehr nachvollzogenen Vielfalt seiner Herkunft, Reflexionen und Kritiken aus der Lebenszeit von Karl Marx und seiner Gegner. Der Anspruch ist ja auch gewaltig. Mit Marx verbindet sich die Zusammenführung der philosophischen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in einem wirklich geschichtlichen Lebensverhältnis, im praktischen Verhalten der Menschen zu sich, zu ihrer Natur und zu ihrer Gesellschaft in ihrer Zeit. Und auch wenn diese für viele als vergangen gilt, so beweist sich zugleich wie von selbst, dass sie in ihren wesentlichen Beziehungen immer noch gegenwärtig ist, dass ihre allgemeinen und wesentlichen Implikationen immer noch wirksam sind, weil sie die gesellschaftliche Wirklichkeit substanziell nach wie vor bestimmen, weil die erkenntnistheoretischen Grundlagen des von Marx entwickelten Historischen Materialismus diese auch erklären können, ohne ihre historische Wahrheit einbüßen zu müssen.

Eine hohe Konsistenz und Kenntnis in allen theoretischen und praktischen Fragen des Bewusstseins war für diese Dauerhaftigkeit des Gedankens nötig und hatte von dessen Schöpfer seine ganze Lebenskraft abverlangt. Und das verlangt von daher auch eine umfangreiche Arbeit für ihre grundlegende Rezeption, weil die darin zugänglichen Formulierungen nicht voraussetzungslos in dieser Einheit zu verstehen sind. Marx hat vor allem bewiesen, dass in der herrschenden Gesellschaftsform des Kapitalismus die Menschen von sich selbst absehen müssen, dass sie von ihren eigenen Abstraktionen beherrscht werden und sich daher bei der Erzeugung ihres gesellschaftlichen Reichtums fremd bleiben. Er hat das Rätsel der Gegenwärtigen Geschichte aufgelöst, wie es möglich ist, dass im Kapitalismus die Produktion von Reichtum zugleich eine Produktion von Armut sein muss, dass die zunehmende Produktivität der kapitalistischen Produktion, das Wirtschaftswachstum, sich als Verarmung der Menschen im Verhältnis zu ihrem Produkt verwirklichen muss, dass die Wertbildung, das Wertwachstum, notwendig die Entwertung des menschlichen Lebens überhaupt betreibt und ausweitet, dass also die Produktion von Wert für sie sich nur in der Aufzehrung ihrer Lebenskräfte, ihrer Arbeit und Natur verwirklichen kann, weil in seiner Wertform als Geld der Reichtum die Substanz ihrer Lebenserzeugung aufzehrt. Das Wertgesetz hat er als Prozess der Nichtung ihres gesellschaftlichen Lebenszusammenhang, also letztlich als Zerstörungsprozess der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Menschen begriffen und deren vielfältigen Erscheinungsformen anatomisch genau dargelegt. Was in der Philosophie noch positiv und neben allen auch dort beschriebenen Phänomenen einer Entfremdung gefasst wurde, wurde von ihm als Prinzip der kapitalistischen Welt und der darin herrschenden Gedanken selbst, als ihre Realität und ihr Bewusstsein von sich begreifbar.

Diese Entfremdung, wie sie auch in der Philosophie ihres Selbstbewusstseins interpretiert worden war, hat Marx durch die Analyse dieser Wirklichkeit als Entfremdung des Menschen von seiner Tätigkeit, seiner Gesellschaft und seinem Menschsein, seinem Wesen als Gattungswesen überhaupt dargelegt. Die sich selbst erzeugenden Menschen, die arbeitenden Menschen erleiden unter diesen Lebensbedingungen eine Entfremdung von ihrer Arbeit, ihrer Gattung und von sich selbst.

"Der Arbeiter wird um so ärmer, je mehr Reichtum er produziert, je mehr seine Produktion an Macht und Umfang zunimmt. Der Arbeiter wird eine um so wohlfeilere Ware, je mehr Waren er schafft. Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu. Die Arbeit produziert nicht nur Waren; sie produziert sich selbst und den Arbeiter als eine Ware, und zwar in dem Verhältnis, in welchem sie überhaupt Waren produziert.

Dies Faktum drückt weiter nichts aus als: Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, ihr Produkt, tritt ihm als ein fremdes Wesen, als eine von dem Produzenten unabhängige Macht gegenüber. Das Produkt der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixiert, sachlich gemacht hat, es ist die Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre Vergegenständlichung. Diese Verwirklichung der Arbeit erscheint in dem nationalökonomischen Zustand als Entwirklichung des Arbeiters, die Vergegenständlichung als Verlust und Knechtschaft des Gegenstandes, die Aneignung als Entfremdung, als Entäußerung. " (MEW 40, S. 511f.)

Marx hatte damit die Wesensnot des Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft als Resultat aus der Analyse seiner unmittelbar scheinenden Wirklichkeit begriffen. Und im Großen und Ganzen wurde die wissenschaftliche Beschreibung des Kapitalismus von Karl Marx nie ohne Wahrheitsverlust infrage gestellt. Seine darin bewährten Kernaussagen lassen sich skizzenhaft darin spezifizieren,

Doch diese Nationalisierung des Kapitals, die ihren Ausgang schon in der bürgerliche Marktwirtschaft auf der Grundlage einer immer noch alles bedingenden Realwirtschaft hatte, ist selbst zum Verhängnis der bürgerlichen Gesellschaft geworden, indem sie durch die Wertschöpfung ihres Geldes durch das darin überquellende fiktive Kapital an ihr Ende getrieben wurde. Sie hat daher inzwischen ihre natürliche Schranke durch dessen Antriebe überschreiten müssen und sich über die Krisenmechanismen des Finanzkapitals bis in die Menschen hinein fortgebildet. Die Arbeit und die Bedürfnisse der Menschen konnten nicht mehr einfach als Lebensbedingung des Kapitals verwertet werden, da die mit Wertwachstum überfüllig gewordene Masse der Produkte nicht mehr wertgerecht konsumiert werden konnte. Der "sachgrundlos" gewordene Mehrwert wurde zu einem eigenständigen Verwertungsdruck über bloße Eigentumstitel politisiert und damit zur Lebensbedingung einer "sachgrundlosen" Subjektivität der Menschen. Ihre gesellschaftliche Notlage wurde damit zunehmend selbst zum Hebel ihrer Verwertung, die Menschen objektiv zur bedingungslosen Hingabe an das System gezwungen, die politische Gewalt des Staates selbst gegen das bürgerliche Subjekt gewendet, das nun als Bürge seiner staatlichen und wirtschaftliche Verfassung einer politische Gewalt überantwortet ist und durch sein politisches Dasein in seinem Staat und seiner Kultur zum bloßen Dienstleister der nach wie vor privatwirtschaftlichen Macht des Kapitals herab gedrängt wurde. Die bewährten Kernaussagen von Karl Marx erfahren von daher eine weiter greifende Kraft, die eine ebenso weitergehende Begrifflichkeit notwendig macht.

Was zu Marxens Zeit von Marx zwar schon im Wesentlichen begriffen oder zumindest skizziert worden war, nicht aber schon wirklich als ein in seiner Allgemeinheit gesellschaftliches Verhältnis existierte, war die Verkehrung des Produktionsverhältnisses zu einem Konsumtionsverhältnis des Weltkapitals, das durch seine Globalisierung als Finanzkapitals, jenseits seiner realen Existenzbedingungen und durch die persönliche und kulturelle Not der Menschen totalisiert wurde und dadurch fortbesteht,

Vielfach wurde bereits von einem "Ende der Geschichte" gesprochen - damit allerdings die "Alternativlosigkeit" des Kapitalismus gemeint. Die sich allmählich einschleichende Erkenntnis, dass sich die herrschende Gesellschaftsform nur noch durch die Verelendung der Menschen und ganzer Staaten durchsetzen wird, lässt sich allerdings inzwischen auch schon in vielen Talkshows moderieren. Weniger leicht tut man sich jedoch mit der einfachen Schlussfolgerung, dass der Kapitalismus, wenn er nicht aufgehoben wird, die ganze Menschheit in barbarische Verhältnisse zwingt und ihre Kultur - wie die Natur überhaupt - aufzehrt und zerstört. Um hieraus weitere Gedanken zu entwickeln ist es nötig, das Ende der bisherigen Gesellschaftsform, der bürgerlichen Gesellschaft, zu erkennen und deren Fortbildung zu einer Feudalform, einer Diktatur von Schuldtiteln zu erkennen - und zu begreifen, dass der hiermit feudalisierte Kapitalismus (feudum = das Lehen, das zur Pflichterfüllung überlassene) den Entzug aller Lebenssubstanzen der darin einbezogenen Gesellschaften betreibt und daher die gesamte Geschichte der Menschheit darin disponiert ist.

Doch die Umsetzung einer solchen Erkenntnis bereitet erhebliche Schwierigkeiten vor allem dadurch, dass unentwickelte Ansätze der bisherigen Marx-Rezeption in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und besonders auch in ihrem weltgeschichtlichen Verlauf nicht aufgelöst sondern nur strukturalistisch verstärkt und zum Gegenteil ihrer Grundlagen verkehrt wurden. Eine grundlegende und eindeutige Selbstkritik des Marxismus, eine Neubesinnung auf die wissenschaftllichen Grundlagen von Karl Marx und eine weiter gehende Formulierung ihrer Erkenntnisse tut daher not. Sie drehen sich im Wesentlichen um die Möglichkeiten der Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft durch ein gesellschaftliches Subjekt, das die Macht hat, sich substanziell gegen die Gesellschaft der Kapitalverwertung zu verhalten.

Das monetaristische Kapitalverständnis der Arbeiterbewegung

Ganz grundlegende Missverständnisse der Kritik der politischen Ökonomie bestanden aus einem rein monetaristischen Verständnis von politischer Ökonomie, das sich die quantitativen Verhältnisse der Bewirtschaftung von Arbeit und Kapital als solche zum ausschließlichen Gegenstand ihrer Kritik machte. Weil z.B. der Unterschied vom Wert der Arbeitskraft als Ware und vom Wert der Arbeit als Produkt und damit der Unterschied von Wert und Preis der Arbeit nicht begrifffen war, führte die Forderung nach einer "Verteilungsgerechtigkeit" dazu, eine "dem Wertgesetz entsprechende" Entlohnung zu erzielen - als ob diese Reduktion der Arbeitskraft auf ihren Wert, auf den Aufwand für ihre Reproduktion nicht gerade die Grundlage des Kapitalismus ist und dieses Fordern der Lohnverhandlung sich innerhalb der Wertform, der Macht der allgemeinen Wertform, der Geldform über die einzelne besteht und sich nur innerhalb der Konkurrenzverhältnisse warenförmiger Beziehungen bewegen kann.

Die Arbeiterbewegung stellte sich in diesem Missverständnis gerne als Heldenepos der Arbeit dar und kürte die Selbstlosigkeit von Menschen in der Gemeinschaft einer Masse zu einer hoheitlichen Pflicht einer Massenbewegung, in der das Recht auf eigene Sinnbildung und Bedürfnisse auf einen allgegenwärtigen und - vor allem allmächtigen - Kollektivismus als Gesinnung einer Arbeitermacht, einer Diktatur des Proletariats reduziert wurde. Darin verkehrte sich das emanzipatorische Anliegen des Marxismus zu einem reaktionären Marxismus, den Marx selbst schon durch die politischen Intentionen von Ferdinand Lassalle befürchtet und kritisiert hatte. Kulturell hatte der in diesem Sinne entwickelte Arbeiterstaat mit seinen Parteigenossen durchaus Ähnlichkeiten mit dem Heldentum der Volksgenossen im Faschismus (Rudi Dutschke befand ihn als Linksfaschismus).

Der marxistische Humanismus war zu einem Arbeitsideal verkommen, das als politische Gesinnung staatspolitisch in jeder Beziehung nutzbar war und in seiner Kulturform als Diktat der Arbeit einer noch vollkommmeneren Enteignung der Menschen dienen konnte. Dessen Kritik war daher nach dem zweiten Weltkrieg ein wichtiges Thema des Marxismus, der in seinem Grundcharakter als kulturkritische Theorie erst jetzt wirklich entdeckt wurde. Es war erst die Studentenbewegung der 60ger Jahre, die dies als "subjektiven Faktor" auseinandersetzte. Indem sie die Selbstbestimmung des Menschen im Ganzen seiner gesellschaftlichen Verhältnisse kulturkritisch gegen die Selbstbeschränktheit des bürgerlichen Subjekts hielt, das durch eine selbstlose Vergemeinschaftung seine Identität im Totalitarismus einer Volksgemeinschaft erhofft. Als Basis des faschistischen Staates wurde dies allerdings erst mit der Kritik seiner Banalisierung im praktischen Lebensalltag der Menschen bewusst, die in der antiatoritären Bewegung als kulturelle Substanz des Kapitalismus entdeckt worden war. Nur weil dieses Subjekt der bürgerlichen Heilslehre seine Egozentrik als Heilkraft seiner Selbstveredelung im Staat versichert haben wollte, war es in seiner gesellschaftlichen Krise einer faschistischen Staatskultur gefolgt und wurde einem staatlich popularisierten Heilsversprechungen hörig, indem es sich durch einen weltumspanennden völkischen Narzissmus hingab und sich zu befrieden, suchte, indem es andere Völker bekriegte.

Auch die Welt hat sich mit der Zeit seit seiner Entstehung verändert, denn die fordistisch begründete Arbeitsform, die auf einen irgendwie gearteten Ausgleich von gesellschaftlicher Produktion und privater Produktaneignung setzte, verlor durch die Fortentwicklung der Technologie ihre Grundlage: den arbeitenden Menschen als Käufer der Produkte. Die Produktivität der Arbeit hatte mit ihrer Rationalisierung durch Automation den Wert der menschlichen Arbeit pro Produkt extrem bedrängt. Die Geldrendite ließ sich immer schwerer durch realökonomische Verhältnisse, dem Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit, also der Ausbeutung der Menschen halten. Aus Überproduktionskrisen wurden Bankenkrisen und damit Krisen der Geldwerte überhaupt. Die Mehrwertrate musste aus der Realökonomie abwandern und sich auf eine reine Geldrente durch Eigentumstitel verlagern, so dass sich das Wertwachstum vom Wirtschaftswachstum ablöste und verselbständigte. Mit der Globalisierung des Kapitals hat sich daher seit den 70ger Jahren die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer realökonomisch bestimmten Kapitalakkumulation weitgehend aufgelöst und den Nationalstaat dem zu Folge einem internationalen Kapitalmarkt unterworfen, der als Finanzkapital nurmehr durch Spekulation und mit der durch Wetten auf künftige Entwicklung umverteilten Macht eines fiktiven Kapitals den Weltmarkt bestimmte.Die Spekulation gewann alle Macht über die Produktion und verschob die Geldverwertung auf ein System der Verschuldung gegen ihre Ertragserwartungen, wofür sie ihr Finanzkapital zum Einsatz brachte. So veränderte sich die Machtstruktur des Kapitals fundamental: Aus dem realökonomischen Kapitalismus der bürgerlichen Gesellschaft entstand unter der Hand ein Kapitalismus, der auf Verschuldung der Produktivkräfte beruhte.

Dieser Feudalkapitalismus begründet sich aus einem Schuldgeldsystem, das seine Deckung aufgelöst hat, sich also nicht mehr produktiv erwirtschaftet, sondern durch Staatsgewalt eine Negativverwertung per Austeritätspolitik betreibt, also von der Wertsubstanz aus bestehenden Werten und bestehendemLebensstandard eine Schuldendeckung betreibt, die Mehrarbeit nur noch über den Finanzmarkt verpflichtet und bezieht. Es ist ein Kapitalismus, der dieGrundrente (siehe Eigentumstitel) zum ausschließlichen Maßstab seiner Wirtschaft gemacht hat und hieraus die Rückbeziehung der Märkte auf ihre Reproduktion vermarktet, indem Zahlungsverpflichungen zur treibenen Substanz der Verwertung und als Arbeitsverpflichtungen (über die Steuer- und Rentenkasse) weiter vermittelt werden. Die Bevölkerung der Nationalstaaten wurde zu Schuldnern der internationalen Finanzkapitals.

Was auf der Seite des Kapitals als Glaube an jedwede Verwertbarkeit des Lebens herrscht, betreibt auf der anderen Seite die Auszehrung von Mensch und Natur, deren Entsubstanzialisierung und Entsinnlichung. Der Ort, an dem diese Kapitalmacht wirkt, ist daher nicht mehr der Produktionsprozess selbst, sondern die Naturgestalt der menschlichen Lebensverhältnisse, ihr Sinn, die Substanz menschlicher Gesellschaft schlechthin: Die menschliche Kultur, wie immer sie auch geraten sein mag. Von daher stellt diese Macht sich nurmehr durch die Androhung von sozialem Elend durch Arbeitslosigkeit, kultureller Verwerfung und struktureller Unterdrückung und Enteignung dar. Es werden die Menschen hierdurch materiell gezwungen, eine für sie an und für sich sinnlose Arbeit zu erledigen - also nicht für reales Kapital, reale Kapitalakkumulation, sondern zur Abwendung einer strukturellen Not, die ihre Kultur zu zerstören droht.

War der Marxismus in der Konkurrenz zum Realsozialismus aufgeblüht, weil er gegen dessen verkrustete Verhältnisse und Erträge einen ungeheueren Fortschritt an Konsumangeboten und Events erbrachte, geriet er nun wieder in den Blick der Kritik an den zwischenmenschlichen Verhältnissen dieser Konsumkultur, die das Erleben über das Leben stellt und letztlich eine Selbstverachtung des gesellschaftlichen Menschen betrieb. Marxismus gelangte so an seine Ursprünge, an seinen radikalen Humanismus zurück, der als Kulturkritik zu verstehen ist, wie er schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts formuliert und diskutiert worden waren und der von Marx in einem kulturkritischen Imperativ zur Grundlegung aller politischen Auseinandersetzung verfasst wurde, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Karl Marx, »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844, MEW 1, Seite 385)

Von daher wurde die Kultur zu einem notwendigen Inhalt der Kritik, zur Kritik der Kultur des Kapitals. Das hat weitgehende Konsequenzen für den Widerstand gegen sie, gegen eine Politik, die Armut betreibt und Armut nötig hat, um sich überhaupt durchsetzen zu können. In seinem zentralen Werk "Das Kapital" hat Marx die Begriffe ausgearbeitet, welche die Macht von Verhältnissen erklären, in denen die Menschen ihrer eigenen Lebenstätigkeit beraubt und entwertet werden. Doch auch diese Darstellungen ließen sich in in vielen gegensinnigen Auslegungen interpretieren. Ich will die Kommentare, die es zum „Kapital“ gibt, auf zwei Lesarten konzentrieren, die ein zentrales Problem der Marx-Rezeption verdeutlichen sollen: eine strukturalistische, die sich wie eine reine Theorie der Geldwirtschaft liest und deren Unrecht beschreibt, und eine wesenslogische, die das praktische Leben der Menschen selbst zur Grundlage ihrer Arbeitsformen nimmt, und sich aus dessen zeitgeschichtlich notwendiger Emanzipation, der Überwindung der Selbstentfremdung der Menschen von einer anachronistisch gewordenen gesellschaftlichen Form begründet.

1. Die strukturalistische Lesart will die Phänomene im Grad ihrer Allgemeinheit umfangslogisch ordnen, ihre Formen als Folgeerscheinungen ihrer Besonderungen darstellen und danach ihre Einteilung und Verteilung, Recht und Unrecht ihrer Verteilungsverhältnisse, ihre Verteilungsgerechtigkeit beurteilen. Es geht dann um die quantitativen Formen der Verhältnisse, um das Recht des Einzelnen, sich im Allgemeinen in seinem Recht bestärkt zu wissen. Nur wo das Besondere dem Allgemeinen unterliegt, wo dessen Autorität zum Maß der Verhältnisse und von daher das Einzelne bedrängt, ungerecht behandelt wird, muss man sich diesem zuwenden und es in seiner Verallgemeinerung bestärken, Solidarität zeigen, um die herrschenden Allgemeinheiten zu beschränken oder auch ganz zu stürzen. Dies wird zu einer Frage des politischen Willens, der sich auf die „richtige Seite“ zu stellen hat. Das verlangt eine moralische Entscheidung über das, was darin zum Vergleich ansteht, eine moralische Position zur Geschichte des Gebotenen. Das unterstellt ein Subjekt, welches das Für und Wider in dem frei entschließen kann, was nötig sein soll, was Fortschritt einbringt, auch, was hierfür beigebracht und erfunden werden muss. Die Notwendigkeiten bestehen hierbei also aus einem politischen Willen, der einen quantitativ erkennbaren Mangel beheben soll.

2. Der wesenslogischen Lesart geht es um die Formverwandlungen einer Substanz, die sich nicht sein lassen kann, die in einer Form existiert, in der sie sich von sich selbst entfernt, weil sie sich darin im Widerspruch ihrer Verwirklichung entwirklicht. Hier geht es um Entfremdung, um die Entwicklung einer fremden Macht, in der sich die Substanzen des sinnlichen Lebens gegen dieses selbst verhalten, um sich als das zu erhalten, was für sich nichts sein kann, weil es nur Form für sich, in seiner Formverwandlung verselbständigte Macht ist. Von daher ist sowohl der Mensch im Einzelnen wie im Allgemeinen ein von dieser Macht beherrschtes Wesen, das nur zu sich kommen kann, sich emanzipieren kann, indem er diese Entfremdungsmacht aufhebt. Hier ist die Erkenntnis aller Formen der Entfremdung tragend, wie sie sich mit der geschichtlichen Dialektik (siehe historischer Materialismus) ihrer Formveränderungen ausgebildet und entwickelt hat und analytisch nachvollzogen werden muss. Das Notwendige tritt hier aus der organischen Entwicklung einer Geschichte als deren Formbestimmung hervor, deren Machtverhältnisse sich ihr widersetzen, gegen sie objektiv anachronistisch sind. Hier bestehen die Notwendigkeiten aus der Aufhebung herrschender Formationen, welche die Potenziale der Geschichte zu einem bestimmten Zeitpunkt behindern und beherrschen, sich also quantitativ gegen qualitative Entwicklungen verhalten, weil sie gegen diese sich verselbständigt haben, als Geld und Kapital Entwicklung bestimmen, die sich den Menschen entzieht.

Nun könnte man meinen, dass sich beide Positionen doch leicht vereinen ließen, wenn man das Recht in der ersten mit der Lebenssubstanz in der zweiten begründet. Heraus käme damit aber eine fatale Selbstbehauptung, die den „wahren Kämpfer“ um das „Leben der Seinen“ gegen die Macht der Herrschenden allmächtig machen, also als Klasse selbst wieder politisch mächtig werden muss. Nein. Um Allmacht und in ihrer Umkehrung fortgesetzte Klassenherrschaft kann es nicht gehen. Es geht um Aufhebung der politischen Form der herrschenden Verhältnisse, der Kampf gegen die Entfremdung der Arbei, gegen die Entfremdung des Menschen von seiner Tätigkeit, seiner Gesellschaft und sich selbst, gegen die herrschenden Verhältnisse als Ganzes, gegen ihren Mystizismus, ihre Selbstermächtigung durch Täuschung und Vertauschung, um die Wendung des Lebens gegen alle ihm fremde Formen (siehe Formbestimmung) im einzelnen wie auch allgemein.

Und das macht auch die dialektische Methode von Marx im Kapital aus: die Methode der Kritik der politischen Ökonomie. Mit ihr hat sich der Entfremdungsbegriff aus der Philosophie zur Darstellung der Wertform gebracht, die sich im Warenfetischismus der Menschen unbewusst niederschlägt und die bewusst werden muss, um diese Verhältnisse auch wirklich ändern zu können, den Kampf ihrer Gegensätze, die Klassenkämpfe zwischen Armut und Reichtum durch die Potenziale der gesellschaftlichen Produktivkräfte aufzuheben.

Um die Widersprüche der Marxrezeption nicht in schlechter Unendlichkeit fortzutreiben sondern weiterzuführen und aufzulösen ist eine Einigung über einige der wichtigsten Grundlagen vorauszusetzen, die Marxismus von anderen wissenschaftlichen und politischen Ansätzen unterscheidet. Im Großen und Ganzen wurde die wissenschaftliche Beschreibung des Kapitalismus von Karl Marx nie ohne Wahrheitsverlust infrage gestellt. Er war es, der die Logik des Kapitals in ihrer Ganzheit dargestellt hatte.

Die Logik des Kapitals ist die Logik der bürgerlichen Gesellschaft. Sie gründet auf der Marktwirtschaft, also einer Wirtschaft, die sich über den Markt bestimmt, für den Waren produziert werden und auf welchem die Waren für menschliche Bedürfnisse "irgendwelcher Art" durch Tausch mit anderen Waren erworben werden. Es ist ein Verhältnis von Sachen, die im Vergleich ihrer Tauschwerte durch einander bewertet werden (siehe Wert) und an einander ihre Preise bemessen, einem Austausch, in welchem sich Arbeit und Bedürfnisse der Menschen vermitteln können sollen.

Darin vertauscht sich allerdings das Verhältnis der Menschen in ein Verhältnis ihrer Sachen (siehe Warenfetischismus), so dass keine wirkliche gesellschaftliche Beziehung zwischen ihnen bestehen kann, sondern nur ein Verhältnis von Dingen, die einen Zusammenhang außer ihnen verkörpern. Es ist das Verhältnis entäußerter, d.h. entfremdeter Arbeit, einem Dasein der Arbeitsprodukte in der Privatform des Eigentums an Waren (siehe Privateigentum), einer dem Menschen fremden Form, einer bloßen Formbestimmung: Menschlicher Reichtum als Warensammlung, in welcher sich die Ware als Elementarform der kapitalistischen Gesellschaft verhält und sich als Wertding dadurch erhält, dass es menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art, also gleichgültig gegen die Menschen selbst nur denen übereignet, die sie durch Geld erwerben und sich für Geld veräußern, sich als gesellschaftlicher Mensch also insgesamt entäußern müssen.

A) Marxismus ist die Wissenschaft der gesellschaftlichen Emanzipation

Marxismus war als Wissenschaft der Emanzipation der Menschen aus dem Kapitalismus in eine kommunistische Gesellschaft angetreten und war bisher überall, wo sie politisch umgesetzt wurde, zum Sozialismus einer "Übergangsgesellschaft" gelangt, die weder als Gesellschaft in der Lage war, die Reproduktion der Menschen dauerhaft und im Einklang mit der Entwicklung ihrer Bedürfnisse zu erarbeiten, noch konnte sie sich als emanzipatorische Politik ausweisen, welche die Trennung der Menschen von ihrem Produkt, ihre Entfremdung von ihrer Tätigkeit überwunden hätte. Der Marxismus war bisher noch nicht zur gesellschaftlichen Fortentwicklung der Produktivkräfte in der Lage, weil seine bisherigen politischen Protagonisten aus ihm vor allem die Wirkkraft eines politischen Willens schöpfen wollten, der als Gesinnung eines "Arbeiter- und Bauernstaats" Ideale hervorkehrte, die den arbeitenden Menschen als das gesellschaftliche Subjekt eines Allgemeinnutzens der Verfügungsmacht des Kapitals entgegenhielt ↓(0).

Aber es war nicht nur ein Mangel der Geschichte oder ein politischer Fehler und auch nicht einfach nur persönliches Irren, was dazu führte, sondern eine systematische Fehlinterpretation des wissenschaftlichen Sozialismus. Die Probleme des Marxismus zu analysieren ist vor allem deshalb schwierig, weil es diese nicht als solche, nicht als klar auszuweisende Fehler einer begriffenen Theorie gibt, sondern nur als Momente einer politischen Praxis, die nun schon weit über 100 Jahre auf dem Buckel hat und von verschiedenen Phasen der Marx-Rezeption sehr abhängig war. Deren politische Umsetzung zeigte einen Marxismus, der sich an Marxens historischem Verständnis von Politik weit verfehlte und die Kritik der politischen Ökonomie in eine politische Kritik verkehrte, die sich als bloße politische Gewalt und Macht von der wirklichen Ökonomie abhob und zur Parteienbürokratie, zur Kaderschmiede von Bürokraten verselbständigte. Der Staat sollte hierzu das Maß und Mittel einer Vergemeinschaftung und hierduch das gemeine Subjekt der Vermittlung zugleich sein. Und der in solcher Gemeinschaft eines "sozialistischen Staates" idealisierte Zweck benötigte ihn als Organ einer Staatswirtschaft, die eine Staatsgewalt zu verewigen suchte, die wirtschaftliche Notwendigkeiten durch sozialistische Moral unterlegte und darin einen Gesinnungsstaat zum wirtschaftlichen Treibstoff machte, wie er historisch längst mit der Abstraktionsmacht des Kapitalismus entwickelt war und in den politischen Positionen des Kapitals, in der bürgerlichen Reaktion, die Menschen als pflichtschuldige Untertanen zu nutzen wusste. Demzufolge wurde die Verwirklichung dieser "sozialistischen" Ideale selbst zum Treibstoff einer irrwitzen Verkehrung von Emanzipation und Politik. Mit der Aufhebung des Privateigentums wurde nicht der gesellschaftliche Mensch hervorgebracht, sondern die Staatsgewalt einer Arbeitsdiktatur installiert, die eine gedankenlose Parole von der "Diktatur des Proletariats" zu einem niederträchtigen Populismus vervollständigte.

Das allerdings hatte sich schon lange zuvor abgezeichnet. Es zeigt sich besonders in der Geschichte der Arbeiterbewegung, die den Begriff des Proleriats zu einer blanken Staatsdoktrin funktionalisierte und entsprechend ideologisierte↓(1). Der Mann der Arbeit erschien bedürfnislos, die Kultur als bloßer Überbau, die Wissenschaften als bloße Transformatoren ewiger Wahrheit (vergleiche die Abwendung vom Historischen Materialismus durch einen Dialektischen Materialismus des sogenannten "Realsozialismus"). Nichts, was die bürgerliche Gesellschaft hervorgebracht hatte wurde in dem Sinn aufgehoben, dass sinnlich verwirklicht werden konnte, was in der bürgerlichen Form unsinnig beherrscht war. Die Teilung der Arbeit, die Trennung von Mensch und Produkt, wurde über einen Staat aufgelöst, der seine gesellschaftliche Macht ganz der Wirtschaft entnahm und sich ihr als Gewalt einer Planwirtschaft entgegenhielt, die vor allem durch staatlich sanktionierte Bedürfnisse betrieben wurde. Darin hatte sich Politik selbst gegen die Wirtschaft entwickelt und konnte sich nicht zu einer wirtschaftlichen Politik emanzipieren. Stattdessen entstand eine staatspolitische Ökonomie, die sich an den Zwängen ihrer Bürokratie ausrichtete und von daher noch weniger als die bürgerliche Gesellschaft in der Lage war, die Erzeugung des gesellschaftlichen Reichtums und die Fortentwicklung seiner Produktivkraft in die Macht der Menschen zu geben, die sie nötig hatten und betreiben wollten. Nicht der Kapitalismus war damit aufgehoben, sondern der Marxismus. Es war sein schlimmstes denkbares Resultat, das Fiasko einer Erkenntnis, die mit ihrer Umsetzung ihre Selbstvernichtung produzierte.

Aber die Probleme des Marxismus entsprangen nicht einer fehlerhaften Interpretation seiner theoretischen Grundlagen. Sie waren schon auch Geburtsprobleme, die sich in der Beziehung der kultur- und philosophiekritischen Frühschriften zum Marxschen Hauptwerk, der Kritik der politischen Ökonomie, darstellen. Es ist zum einen der theoretische Bezug der subjektiven Seite des Marxismus in seiner Philosophiekritik zur Objektivität der wissenschaftliche Aufarbeitung menschlicher Lebensverhältnisse, die sich ökonomistisch vereinseitigte und aus der zum anderen eine praktische Politik als Kritik der bestehenden Verhältnisse erfolgte, welche die Verwirklichung der unterstellten Subjektivität menschlicher Gesellschaft in einem real existierenden "proletarischen Subjekt" gefunden haben wollte. Damit war eine Subjektivität der Arbeit und ihres Nutzens behauptet, die in einem gesellschaftlichen Bedürfnis der Arbeit aufgehen sollte, welches im Staatswesen den Sinn der Arbeit zu organisieren hatte. Solcher Arbeitswille war von jenem der Faschisten nicht wirklich abgrenzbar. Die Schwierigkeit, eine vollständige Gesellschaftskritik mit politischem Widerstand zu vereinen, war mit dem Begriff des Proletariats nicht aufgelöst, sondern gesellschaftliche Arbeit nur personalisiert und damit auch mythologiesiert. Ihm fehlten vor allem die lebendigen Substanzen der Reichtumsproduktion: Kultur und Gemeinwesen, die mit dem abstrakt verbliebenen Begriff des "Gesamtarbeiters" eher zugedeckt als aufgedeckt waren.

Der gesellschaftliche Zweck der Arbeit ist in der Martktwirtschaft der Gelderwerb, ihr Inhalt das menschliche Bedürfnis, das getrennt hiervon privat bleibt. In der Trennung von gesellschaftlicher Produktion und privater Existenz verwirklicht sich nach Marx eine Entfremdung des Menschen von seinem Gegenstand, da mit dem Geld ein gesellschaftlicher Reichtum entsteht, der von seiner Substanz - der menschlichen Arbeit - in der Geldform abstrahiert und daher auch nur als Abstraktion von der substanziellen Entwicklung der Arbeit gesellschaftlich existieren kann und also eine Verwirklichung abstrakt menschlicher Arbeit betreiben muss. Zwischen der abstrakt allgemeinen Vermittlung von Inhalt und Form entfaltet sich die gesellschaftliche Produktion einer privater Aneignung zu einer gesellschaftlich wirksamen Privatmacht des Geldes, das die Art und Weise des Lebens in der bürgerlichen Gesellschaft beherrscht. Darauf gründen alle Getrenntheiten in dieser Gesellschaft, vor allem eben auch die Trennung von Wirtschaft und Kultur. Die Auflösung dieser Abstraktionen, die Aufhebung der abstrakt menschlichen Arbeit durch die Überwindung ihrer Formationen, durch die Beziehung ihrer wirklichen Substanzen, ist das philosophische Ziel, der Gedanke, der "zur Verwirklichung drängt", soweit "die Wirklichkeit zum Gedanken drängt" (Marx).

Doch das ist nicht die ausschließliche Sache der Arbeit selbst, schon garnicht ihrer Verstaatlichung. Es umfasst alle Lebensbereiche im Allgemeinen und im Besonderen, im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft überhaupt. Alleine in der Beziehung auf eine politische Ökonomie lässt sich keine Hinwendung zu einer Gesellschaft, zu einer wirtschaftliche Politik in all ihren Facetten schaffen, wenn nicht zugleich eine Hinwendung zum Sinn dieser Beziehungen, zu ihrer Kultur, eine Einheit von Sinn und Nutzen möglich ist. Mehr denn je treiben heute die Abstraktionen - die isolierten Lebensformen einer jeglichen Existenz - auseinander, und ohne sie in konkrete Beziehungen zu versetzen, beziehen die Parzellen ihre Lebenssubstanz nach wie vor aus einer Gesellschaft, die als Ganzes abstrakt bleibt.

Dieser Sog der Abstraktion, dieses Wesen ihrer Nichtung, die Beziehung von allem durch nichts Wirkliches, die Entfaltung einer unwirklichen Wirklichkeit, welche die Nichtung ihrer Substanz betreibt, wurde von Marx in der Überwindung von Hegels Idee als materieller Grund der Entfremdung der Menschen von sich und ihrem Gegenstand entwickelt, durch die Gesellschaftform ihrer eigentümlichen Lebensverhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft als fremde Substanz ihrer Formbestimmung, als ihre Begriffssubstanz analytisch erschlossen. Es ist die Vereinigung aller Bestimmtheit, die Gleichgültigkeit ihrer abstrakten Substanz, die sich durch die Formbestimmung ihrer Realität in der realen Durchschnittsbildung in Verhältnissen durchsetzt, die durch ihre Gleichsetzung ihre Qualität aufheben und ihre Quantität qualifizieren. Die Emanzipation der Menschen aus dieser Abstraktionskraft verlangt allseitige Beiehungen und ist so vielfältig wie Gesellschaft selbst.

Dies war mit dem "proletarischen Subjekt" verschüttet. Weder wurde bisher abstrakt menschliche Arbeit gesellschaftlich überwunden, weil sie und ihre Erzeugerkraft nicht in konkrete Verhältnisse in der Auseinandersetzung ihrer Zwecke umgekehrt werden konnten, noch wurde der abstrakt menschliche Sinn der bürgerlichen Kultur gesellschaftlich zu einem gegenständlichen Sinn gewendet, weil und solange keine konkrete Verbindung der menschlichen Bedürfnisse mit ihrer gesellschaftlichen Sinnbildung vereinbar ist. Gesellschaft konnte sich bisher noch nicht als wirkliche Auseinandersetzung der Menschen um Gedeih und Reichtum ihrer Arbeit und Bedürfnisse ereignen. Die Getrenntheit von Wirtschaft und Kultur ist nicht nur geblieben sondern hat sich mit der Zeit verstärkt, weil die Zeit alles verstärkt, was sich gleich bleibt.

In dieser Schwierigkeit hat sich der Marxismus sukzessive selbst blockiert - als Emanzipationsbewegung einerseits, wie sie im “Kommunistischen Manifest” begründet worden war, und als politisches Manifest andererseits, als Parteienstatut zur Politisierung der eigenen Position, wie sie der politische Kampf erforderte, der die unsäglichen Anpassungen an die politischen Notwendigkeiten der vorbestimmten Machtkämpfe erbrachte. Das "gesellschaftliche Subjekt" blieb an die Existenzform der Industriearbeit, an den industriellen Lohnarbeiter gebunden und konnte von daher eben gerade nicht wirklich gesellschaftlich werden. Das Proletariat wurde in der Zeit nach Marx daher auch schnell zum Stellvertreter dieses Mangels und man verließ sich auf die vorhandenen Substanzen von Kultur und Gemeinwesen, wie sie der Kapitalismus entwickelt hatte, wie man zugleich deren Form kritisierte, ohne ihren Inhalt anders vertreten zu können, denn proletarisch, also als bloß klassenkämpferische Position, die sich als Träger der Weltgeschichte verstehen wollte, und doch nur ein Abklatsch bürgerlicher Interessen blieb: Neid auf das Bestehende, als dessen "andere Seite" eben. Und das genau wurden die Einfallschneisen bürgerlicher Selbstverständlichkeiten und Ermächtigungsinteressen eines Gesinnungsstatuts, das sich in einer Staatsgesinnung durchsetzt. Die Totalisierung der Inbesitznahme bürgerlicher Staatsgewalt führte zur Katastrophe des Marxismus, dem Stalinismus.

Schon durch die Arbeiterbewegung war die Grundlegung seiner Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft mißraten. Seine Kritik der politischen Ökonomie war durch deren Verständnis von politischer Ökonomie zur Maßgabe für politische Forderungen an die Ökonomie geworden. Aber die Forderungen der Menschen an die Wirtschaft, die alltäglich notwendigen Kämpfe um Preise und Löhne, die Konkurrenz um das Bestehende, Gier und Neid im Streit um die Geldverteilung, sind ihre immanenten Treibmittel. Sie können nicht die Grundlage ihrer Aufhebung sein. Der politische Kampf um wirtschaftliche Anteile am Geldvermögen verbleibt in der Zirkulation der Produkte zum bloßen Lebensunterhalt und muss sich dort immer unkenntlicher an die politische Gewalt über seine Produktion binden, weil er ihr impliziter Partner und Teilhaber bleibt. Er kann diese Welt nicht wesentlich verändern.

Es ist die Wirtschaft der kapitalistischen Gesellschaft selbst, welche die geschichtliche Substanz ihrer Transzendenz zu einer neuen gesellschaftlichen Form, das Potenzial ihrer Revolutiinierung in sich trägt. In den Klassenkämpfen zwischen Lohnarbeit und Kapital bestimmt sich ihr eigener Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktivität und privater Aneignung in wechselnden Phasen des jeweiligen Lebensstandards nur fort und vertieft hierbei ihren Anachronismus. Er muss wirklich gesellschaftlich, also als Selbstveränderung der Gesellschaft, als Selbstveränderung der Menschen, als ihre Emanzipation aus ihrer politischen Unterworfenheit überhaupt vollzogen werden, um den Kampf der Klassen aufzuheben, um eine Gesellschaft der Menschen als menschliche Gesellschaft zu schaffen, um sie durch den Reichtum ihrer Lebensproduktion, der ihnen noch als Mangel, als Existenznot politisch dargestellt wird, um die darin entwickelten Produktivkräfte dem Kapital, dem Subjekt der politischen Ökonomie zu entreißen und den Menschen zu übereignen. Die ganze bisherige Geschichte entwickelte sich in Gegensätzen, in Klassenkämpfen, worin sich ihre gesellschaftlichen Widersprüche noch mit politischer Gewalt vollzogen. Die Entwicklung der Produktivkräfte hat diese Gewalt im Grunde unnötig gemacht. Das wissenschaftliche Verständnis von Marx wollte die Ökonomie, die politisch bestimmt ist und letztlich nur politische Macht gegen die Menschen entfaltet, zu einer ökonomischen Politik wenden, zu einem gesellschaftlichen Handeln, das sich in seiner wirtschaftlichen Wirklichkeit den Menschen als ihr Eigentum darstellt, weil sie sich darin vergegenständlicht, ihre Bedürfnisse gebildet und ihre Sinnbildungen verwirklicht haben.

Eine Kritik der politischen Ökonomie als Ganzes, also als Kritik einer Ökonomie die politisch ist, unterstellt ja schon einen Zweifel daran, dass Ökonomie überhaupt politisch sein muss, besagt als Grund des Zweifels an ihr, dass die politische Eigenschaft einer Ökonomie, die zugleich in einem politischen Willen urteilt, falsch sein muss, nicht wahr sein kann. Eine Kritik der politischen Ökonomie will daher die Auseinandersetzung mit einer Ökonomie betreiben, die auf Grund politischer Urteile gesellschaftlich handelt, die also nicht handelt, wie sie es als Wissen über das Wirtschaftsverhältnis einer bestimmten Gesellschaft bei der Bildung menschlichen Reichtums zu tun hätte (siehe Bewusstsein), sondern was in ihr politisch erwirkt wird, um diese Wirtschaft im Wesentlichen an das zu binden, als was sie erscheint (siehe auch bürgerliche Wissenschaft): Als gesellschaftliche Macht einer Ökonomie, die wie eine politisch handelnde Persönlichkeit auftritt, als Leistung einer Lebenstechnik, die als persönlich scheinende, als private Macht eines gesellschaftlich erzeugten Eigentums allgemeine Gültigkeit haben soll (siehe auch Privateigentum).

Wenn Marx an den Anfang seines Buches zur Kritik der politischen Ökonomie die Warensammlung stellt, in welcher "der Reichtum der Gesellschaften erscheint", in denen "kapitalistische Produktionsweise herrscht" (MEW 23, S. 49), so macht er als erstes den Gegenstand der Kritik fest, die Warensammlung als Elementarform all ihrer einzelnen Formen (Wertform, Geld, Kapital usw.), die als Form des Reichtums zweifelhaft ist (siehe Logik des Kapitals) und daher auseinandergesetzt wird (siehe Kritik).

In der Ausführung der Triebkräfte einer solchen Gesellschaftsform, in der Darstellung der ihr notwendigen Wirklichkeit als Form ihrer wesentlichen Bewegung, in der Entwicklung ihres Begriffs durch die Erkenntnis ihrer Formbestimmtheit, wird der Politik einer solchen Ökonomie entgegengetreten, deren Handeln die Rückbeziehung auf ihre Bestimmung als ihren Willen erklärt. Die Kritik der politischen Ökonomie erklärt hiergegen die Grundlagen eines Widersinns, der sich in der Unendlichkeit der Notwendungen, die eine in sich schon nichtige Reaktion auf ihre immanente Not politisch darstellt, indem sie sich gegen die wesentliche Geschichte menschlicher Sinnbildung wendet. Durch deren Kritik erst kann ihre Not wirklich aufgehoben werden, die Unendlichkeit ihrer relativen Wertbestimmungen (siehe Tauschwert), die Unendlichkeit ihrer Enteignungen der Menschen durch das Privateigentum und der daraus folgenden Krisen ein Ende haben, das Wesen einer in sich entfremdeten menschlichen Gesellschaft zu einer Gesellschaft der Menschen gewendet, alle einzelnen Notwendigkeiten auf eine allgemeine Notwendung bezogen werden. Kritik der politischen Ökonomie betreibt daher die Aufbereitung ihres Begriffs für die politisch handelnden Menschen, die hierdurch zu einem politischen Verhalten finden, durch das sie mit ihrem Gegenstand in der Einlösung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis verkehrter Lebensverhältnisse einig werden können.

Es besteht in der Abfolge von Früh- und Spätwerk von Marx ein durchgängiges Erkenntnisinteresse nach der Kritik der politischen Formationen von Wirtschaft, Kultur und Gemeinwesen der bürgerlichen Gesellschaft, jedoch hatte die Lebenszeit von Marx nicht ausgereicht, dies begrifflich vollständig auszuarbeiten. Weder eine in seinem Denken implizierte Staatstheorie noch eine entsprechende Kulturtheorie ist ausformuliert, immer aber implizit unterstellt. Der Mangel wurde zwar von anderen Theorieansätzen angegangen - leider aber nicht in selber Methode und gedanklicher Grundlage (z.B. als Staatstheorie Lenins, als Ästhetische Theorie Adornos oder als Psychoanalyse W. Reichs), so dass sie durch Ontologien durchsetzt waren, die ihren praktischen Gehalt durchkreuzten und de facto zerstörten. Dies wurde selten grundsätzlich bedacht und oft zu leicht genommen (vergleiche Adornos kritisches Festhalten an den Grundlagen der Psychoananlyse in Form einer ontologischen Dialektik, die er in seine „Negative Dialektik“ zu übersetzten suchte). Um dies anzugehen will diese Auflistung der Probleme des Marxismus besonders auf diese Vermengungen hinweisen und ihre Problematik im Zusammenhang der Marx-Rezeption vergegenwärtigen.

Ich habe hieraus 15 Positionen herausgegriffen, in welchen sich die Vermengungen bürgerlicher Selbstverständlichkeiten mit marxistischen Inhalten zeigen lassen, um damit eine Diskussion hierüber anzustoßen bzw. am Leben zu halten, die wesentlich mehr erbringt, als nur die Abweisung von Fehlern. Es muss zur Kritik einer Diskussion werden, in der marxistische Begrifflichkeit dahin verkommen war, Marxismus von seiner wesentlichen Grundlage abzulösen: Der Bedeutung der Arbeit und Technik im gesellschaftlichen Werden des Menschen, in der Sinnbildung seiner Bedürfnisse, im Bildungsprozess menschlichen Reichtums.

Marx hat durchaus die Grundlagen für ein konsistentes Bewusstsein unserer Zeit erarbeitet. In der Diskussion der Fehlinterpretationen soll dies herausgestellt werden, indem ihr subjektiver Kern als Quelle eines Selbstwiderspruchs aufgelöst wird, der sich aus der begrifflichen Unvollständigkeit der theoretischen Arbeit fortentwickeln lässt. Um die marxistische Position und Konzeption zu vervollständigen, muss der Marxismus zum einen auf seinen Ausgangspunk, der Entfremdung des Menschen von seinem Gattunsgwesen, d.h. seiner Sinnbildung, zurückgeführt und seine Philosophiekritik auch als seine Philosophie erkannt werden, die sich wissenschaftlich in der Kritik ihres Gegenstands aufarbeitet.

Innerhalb der Rezeption der ökonomischen Theorie zeigt sich der Mangel an theoretischer Vollständigkeit grundlegend fehlerhaft im Verhältnis zum Begriff von Arbeit und ihrer organischen Substanz, dem Gebrauchswert, besonders im Begriff von Proletariat und Produktion, der Produktivkraft und ihrer Verwertung, und schließlich von Sinn und Nutzen der kapitalistischen Gesellschaft. Dass die Trennung ihrer Substanzen ihren Trieb begründet und sich in dessen Verwirklichung verwesentlicht und bestärkt, das klärt auch auf über eine Gesellschaft, in der sich Kultur und Ökonomie vereint wissen kann, wenn sie ihre nationale und marktwirtschaftliche Form politisch überwindet. Erst in ihrer wesentlichen Einheit wird sich aus der Kritik der politischen Ökonomie eine wirklich ökonomische Politik entwickeln können und Wirtschaftlichkeit zur Eigenschaft einer Politik ohne den Zwang zu einer Effizienz für fremde Zwecke (siehe Wertwachstum) werden.

1. Das Evolutionsverständnis des "Dialektischen Materialismus" und das Geschichtsverständnis des "Historischen Materialismus"

Wenn von gesellschaftlicher Entwicklung die Rede ist, ist es von entscheidender Bedeutung, wie Gesellschaft überhaupt verstanden wird. Die Grundfragen ihrer Entwicklung ergehen aus der Beantwortung von Gesellschaftsfragen im Verhältnis der sie bildenden Individuen, zum Beispiel, ob Gesellschaft eine Gemeinschaft solidarischer Bürgerinnen und Bürger ist, ob sie eine Naturnotwendigkeit für die Menschen darstellt, die durch die Verteilung der Lasten auf die Menschen bestimmt ist, oder ob sie selbst aus einer menschliche Kraft geschaffen wird, die den Menschen ein reichhaltiges Leben durch ihr Zusammenwirken ermöglicht, zu dem andere Lebewesen nicht befähigt sind.

Dass sich die menschliche Gesellschaft aus der Natur als besonderes Verhältnis der Menschen zu ihr und zu sich herausgesetzt hat, ist eine grundlegende Antwort auf all diese Fragen. Wäre Gesellschaft selbst nur eine Naturalform, so wäre sie fraglos und lediglich Naturbedingung. Die Fähigkeit der Menschen Natur nicht als bloße Lebensbedingung zu leiden sondern sich zu ihr auch planvoll verhalten zu können, macht die wesentliche Grundlage ihrer Gesellschaft aus. Zur Not können zwar auch schon einige Tiere sich zusammentun und kooperieren, zur Not wissen auch sie schon, dass sie daraus Wirklichkeit bilden und verändern können, dass sie die Not ihrer natürlichen Unterworfenheit, ihren Stoffwechsel in einer für sie günstigeren Weise befolgen können. Doch erst die menschliche Gesellschaft ist in der Lage einen Reichtum für die Menschen zu schaffen, der nicht nur solche Notwendigkeiten referiert, sondern das Leben in Gesellschaft erst wirklich selbst bestimmt, es begeistert sein lässt, die Natur selbst zum Mittel seiner Reichhaltigkeit nimmt, die selbst ihre Entwickung ausmacht. Dadurch, dass die Menschen selbst ihre Natur verändern, deren Elemente neu zusammensetzen und ein Subjekt aus ihr hervortreiben, das zu einer gesellschaftlichen Natur des Menschen und als diese selbst zu einer Naturmacht wird, kehrt sich die Naturgeschichte in eine Menschwerdung der Natur.

Von daher war schon lange ein philosophischer Streit um das Wesen dieser Subjektivität entstanden, der vor allem als Streit um ihre Ur-Sache verlief. Zunächst waren es die Naturgeister, dann die vergeisterten Gottheiten der Gesellschaft, die als Schöpfer dieser Naturmacht Mensch aus ihren Geisteswelten ihn gezeugt und belebt haben sollen. Seit dem Zeitalter der Aufklärung steht ein Gott als Ursprung der Macht selbst in Zweifel. Die göttliche Allmacht, wie sie aus der bloßen Naturbetrachtung gegeben erscheinen mag, hat gegen das Aufkeimen eines menschlichen Selbstbewusstseins im Fortschritt seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit keinen dauerhaften Bestand. Der Mensch erkennt sich in der Natur als natürliches Wesen, als ein natürliches Subjekt, seine Gesellschaft zugleich als die eigenständige Objekivität seiner Vergegenständlichung, seiner Natur und seiner Arbeit. Seine Subjektivität ließ sich bis dahin aber nur objektiv nach der Evolutionstheorie von Darwin erlären (siehe Darwinismus), wonach die Vernunft einer Naturgeschichte selbst die Entwicklung einer jeden Spezies bestimmt haben soll. Wie aber kann sich dann eine Gesellschaft aus Körper und Geist, ein soziales Verhältnis der Menschen bilden, das über die natürliche Beschränktheit seiner Art selbst hinausentwickelt ist, das sich nicht selbst bekämpfen muss, um sich zu entwickeln, sondern zu einem Wesen wurde, das sich gerade über seine Selbstbeschränktheit hinaus bewährt hat?

Die Aufklärung ersetzte die Götter durch eine Vernunft, die das soziale Verhältnis der Menschen durch den allgemeinen Imperatv eines vorgestellten geistigen Subjekts (siehe Kategorischer Imperativ) entwickeln sollte. In dieser Vorstellung befand die bürgerliche Gesellschaft ihre Ideale, begründete darin ihren Idealismus. Für Marx und Engels waren diese aber lediglich eine andere Form von Religion, der Glaube an eine ewig wirksame Vernunft, welche die Menschen zu verbinden und verbünden hätte. Sie kritisierten dies als Ideologie und setzten ihr eine materialistische Begründung von Gesellschaft entgegen, in der sich diese aus den natürlichen Abhängigkeiten mit dem Maß ihrer Produktivität herausbildet.

"Persönliche Abhängigkeitsverhältnisse (zuerst ganz naturwüchsig) sind die ersten Gesellschaftsformen, in denen sich die menschliche Produktivität nur in geringem Umfang und auf isolierten Punkten entwickelt. Persönliche Unabhängigkeit auf sachlicher Abhängigkeit gegründet ist die zweite große Form, worin sich erst ein System des allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsels, der universalen Beziehungen, allseitiger Bedürfnisse, und universeller Vermögen bildet. Freie Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktivität, als ihres gesellschaftlichen Vermögens, ist die dritte Stufe." (Karl Marx (1857-1858), Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin, MEW 42, S. 91)

In der Beurteilung dieser "dritten Stufe" ergaben sich allerdigs zwei Stränge, die sich nicht sehr deutlich unterschieden und auseinander differenziert hatten. Für Engels ergab sich Gesellschaft aus der "Menschwerdung des Affen", aus einer "Dialektik der Natur", die sich in der menschlichen Gesellschaft fortsetzt zu einer Machtergreifung über die äußere Natur, zu einem bloßen Mittel der menschlichen Selbsterhaltung, die einen "qualitativen Sprung" in eine kommunistische Gesellschaft ermöglichen würde, in welcher die Menschen frei von aller Beschränkung existieren könnten. Nicht der schon vorhandene gesellschaftliche Reichtum an Produktivkraft ist damit als die wirtschaftliche Substanz der Aufhebung der Kapitalistischen Gesellschaft in eine kommunistische Gesellschaft begriffen, sondern die unmittelbare politische Macht der Arbeit als neue Qualität einer noch nicht vorhandenen Gesellschaft, aus der sich die Menschen hiergegen zu begründen hätten. Dies war der Grundgedanke des "Dialektischen Materialismus", der eine rein politische Herrschaft der Menschen über die Wirtschaft installieren will. Dessen Ziel kann nicht eine ökonomische Politik durch Aufhebung der herrschenden Politik sein. Sie muss die politische Macht selbst unmitelbar anstreben, durch welche die Arbeitswelt über die wirtschaftliche Aufteilung der Produktion und Konsumtion herrschen solle, also ein politisches Ganzes zu schaffen hätte, das die Wirtschaft als ein politisches Verhältnis von Arbeit und Konsum bestimmen sollte. Nicht die Einheit von Arbeitsaufwand und Bedürfnis der Menschen - wie von Marx entwickelt - gilt demnach als Substanz der Revolutionierung der herrschenden Verhältnisse, sondern eine Politik der Arbeit, welche sich weiterhin äußerlich zu den Bedürfnissen verhält, diese im Grunde bestimmen und verwalten muss: Die Rechtsform einer "Diktatur des Proletariats", worin nicht die Arbeit selbst die Bedürfnisse der Menschen entwickelt, sondern hiervon getrennt als Produktivität einer Naturausbeutung den Sinn der Bedürfnisentwicklung politisch zu bestimmen habe.

Ein solches "Naturrecht" der Menschen als bloße politische Macht der Arbeit begründete sich aus einer Seinsbestimmung, aus der Ontologie einer naturlogischen Geschichte. In dieser erklärt sich alles Werden aus der objektiven Natur, wodurch die Menschen und ihre Gesellschaftsform nach den Gesetzmäßigkeiten der belebten Materie nicht subjektiv, sondern objektiv entstanden seien. Das menschliche Subjekt ist damit objektiv durch seine Naturnotwendigkeiten zu begreifen, muss sich im Grunde also selbst als Naturobjekt innerhalb einer "Dialektik der Natur" verstehen. Materie wird hierbei als objektiver Stoff des Lebens verstanden, die Geschichte der Menschheit wie eine Naturgeschichte ihres Stoffwechsels. Das Subjektwerden des Menschen aus seiner gesellschaftliche Natur, die Bildung seiner Naturmacht, erscheint daher auch lediglich objektiv, Natur selbst schon als Substanz einer jeglichen Dialektik, Kultur als bürgerlicher Mystizismus.

Karl Marx befand den Menschen als das historische Resultat seiner gesellschaftlichen Sinnbildung, die in der bürgerlichen Gesellschaft zwar entwickelt ist, darin aber durch das Privateigentum auf den "Sinn des Habens" reduziert wird, also nur abstrakt exitieren kann.

"Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc.), mit einem Wort der menschliche Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegenstandes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte." (Karl Marx 1844 in MEW 40, S. 542)

Dieser "Historische Materialismus" unterscheidet sich fundamental vom "Dialektischen Materialismus", der besonders von den sowjetischen Wissenschaften und im kommunistische China ausentwickelt und zur Lebensdoktrin einer naturgewaltigen Gesellschaft gewendet wurde, aus der sich zwangsläufig der Staat als das Subjekt dieser Gewalt legitimieren konnte. Wird dieser zur Grundlage einer Neuen Gesellschaft durch eine naturgewaltige Staatsgewalt, so versteht der Historische Materialismus die menschliche Gesellschaft schon im Keim der bürgerlichen Gesellschaft ausgebildet, deren Formbestimmungen sie zugleich durch private Aneignungsmacht beherschen. Hiernach ist diese Gesellschaft selbst im Widerspruch ihrer Formen, der Positionen im Klassenkampf um die Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums im Begriff, sich mit der Aufhebung der Klassen zu kommunalisieren, in ihrer eigenen Bewegung sich zum Kommunismus zu entfalten.

 „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35)

Die Quellen des menschlichen Lebens, der menschlichen Gesellschaft, sind Natur und Arbeit, die sich im Reichtum ihrer Kultur bewahren. Die Wirtschaft ist die treibende Kraft des Fortschritts, der in der menschlichen Kultur erst sich im sinnlichen Leben der Menschen geschichtlich bewahrheiten kann - immer wieder neu und immer wieder durch Notwendigkeiten angestoßen, welche der Freiheit menschlicher Geschichtsbildung, der menschlichen Emanzipation überhaupt zugrunde liegen.

"Der reiche Mensch ist zugleich der einer Totalität der menschlichen Lebensäußerung bedürftige Mensch. Der Mensch, in dem seine eigne Verwirklichung, als innere Notwendigkeit, als Not existiert. Nicht nur der Reichtum, auch die Armut des Menschen erhält gleichmäßig - unter Voraussetzung des Sozialismus - eine menschliche und daher gesellschaftliche Bedeutung. Sie ist das passive Band, welches den Menschen den größten Reichtum, den andren Menschen, als Bedürfnis empfinden läßt. Die Herrschaft des gegenständlichen Wesens in mir, der sinnliche Ausbruch meiner Wesenstätigkeit ist die Leidenschaft, welche hier damit die Tätigkeit meines Wesens wird." (Karl Marx in MEW 40 S. 544).

2. Ökonomie und Kultur oder die Nützlichkeit der Dinge und ihr Sinn

Im Gebrauchswert stellt sich Arbeit konkret dar. Der Gebrauchswert als Produkt nützlicher Arbeit stellt auf dem Warenmarkt die ökonomische Form eines Gegenstands dar, welcher zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nützlich ist. Weil deren Bildungsprozess für den Gebrauchswert von Waren gleichgültig ist, bedeutet die Arbeit, die ihn herstellt, vor allem einen Aufwand, indem sie Stoffe und Eigenschaften eines Dings zur Veräußerung ihrer Nützlichkeit verändert, so dass dies dem Leben der Menschen dienen kann, ihre Bedürfnisse befriedigt und ihre Produktivkraft bereichert.

Arbeit erzeugt aber nicht nur Produkte, sondern menschliche Geschichte, sowohl von ihrer subjektiven Seite, indem sie menschliche Sinnbildung entwickelt und verwirklicht, wie auch objektiv, indem sich ihr gesellschaftlicher Aufwand durch die Entwicklung der Produktionsmittel, durch ihre gesteigerte Produktivität sukzessive verringert. In ihr prozessiert die Notwendigkeit wie die Freiheit menschlicher Lebensbereicherung und durch sie gestaltet sich menschliche Kultur als die Substanz des menschlichen Reichtums. Dieser ist nicht auf den bloßen Nutzen der Dinge beschränkt. Die Gebrauchsweise der Dinge, soweit sie für sich genommen und abgetrennt von ihrer Kultur betrachtet werden, weil und sofern sie hiervon auch abgetrennt sind, reflektiert dies als ökonomische Form darin, dass diese Dinge in ihrer gesellschaftlichen Isolation als Waren auf dem Markt zum Nutzen für menschliche Bedürfnisse "irgendeiner Art" da sind. Der Nutzen ist die Form, worin sich Bedürfnisse auf sinnliche Eigenschaften der Dinge auf dem Markt beziehen. Und ein ausschließlich nützlicher Bezug ist alleine eine ökonomischen Reflexion einer menschlichen Beziehung zu Dingen überhaupt, vor allem zu den Dingen, die sie für sich erzeugt haben. Soweit sie für sich nur Nutzbarkeit erzeugen, reduzieren sie ihre Produktion auch nur auf eine, nämlich die ökonomische Seite menschlicher Arbeit. Diese aber ist weitaus vielfältiger und bildet nicht nur mannigfaltige Gebrauchsweisen sondern auch mannigfaltige Seinsweisen der Dinge, die Reichhaltigkeit ihrer Sinnlichkeit aus↓(2).

Gebrauchswerte standen in der Marx-Rezeption fast immer für die unmittelbar vollständige und subjektive Substanz der Waren, oft gleichgesetzt mit ihrer organischen Naturalform, der unmittelbaren Lebensform des menschlichen Reichtums, menschliche Subjektivität schlechthin. Schon Marx hatte dies als Sachverliebtheit der deutschen Güterbegeisterung (der "Kompilatoren" seiner Zeit) kritisiert ↓(2a). Von ihm werden Gebrauchswerte lediglich als Form der Nützlichkeit von Dingen begriffen, wie sie in der Ökonomie, der Lehre vom Wirtschaften, vorkommen. Zwar besteht darin eine subjektive Beziehung auf die Bedürfnisse von Menschen; die macht aber nicht die Beziehung menschlicher, d.h. gesellschaftlicher Subjektivität aus, ist nicht deren Ausdruck und Verwirklichung. Sie unterstellt lediglich eine gesellschaftliche Nützlichkeit, die Dinge als Verkaufsobjekte auf dem Markt haben müssen, damit sie auch zum privaten Gebrauch gekauft werden.

"Was ist "nutzbringende" Arbeit? Doch nur die Arbeit, die den bezweckten Nutzeffekt hervorbringt. Ein Wilder - und der Mensch ist ein Wilder nachdem er aufgehört hat, Affe zu sein - der ein Tier mit einem Stein erlegt, der Früchte sammelt etc., verrichtet "nutzbringende" Arbeit." (Marx in der Kritik des Gothaer Programms MEW 19, Seite 16)

Einen Nutzen bringt zwar jede wirtschaftliche Beziehung ein. Sie ist damit aber längst noch keine menschlieche Beziehung, sondern lediglich eine Beziehung durch Konsumtion, die eine Produktion unterstellt und nur ihr Objekt für sich nimmt: Die Nützlichkeit der Sache. Es ist von daher eine reine Objektbeziehung und als solche auch nur objektiv, in der Unabhängigkeit von jeder Subjektivität zu verstehen. Dies hat auch schon Karl Marx als Grundlage bürgerlicher Beziehungen erkannt, die nur als Beziehung von Objekten existieren und die Menschen sich selbst unterwirft, sie in Objekt-Obekt-Verhältnisse stellt, worin sie nur als Objekte subjektiv sein können.

"Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff" (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 339)

Und er beschreibt an anderer Stelle, woraus diese objektive Subjektivität des Nutzens schon in der "Maskerade der Sprache", der Kommunikation selbst besteht:

"Die Maskerade in der Sprache hat nur dann einen Sinn, wenn sie der unbewußte oder bewußte Ausdruck einer wirklichen Maskerade ist. In diesem Falle hat das Nützlichkeitsverhältnis einen ganz bestimmten Sinn, nämlich den, daß ich mir dadurch nütze, daß ich einem Andern Abbruch tue (exploitation de l´homme par l´homme ); in diesem Falle ist ferner der Nutzen, den ich aus einem Verhältnisse ziehe, diesem Verhältnisse überhaupt fremd, wie wir oben beim Vermögen sahen, daß von jedem Vermögen ein ihm fremdes Produkt verlangt wird, eine Beziehung, die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt ist - und diese ist eben die Nützlichkeitsbeziehung. Dies Alles ist wirklich bei dem Bourgeois der Fall. Ihm gilt nur ein Verhältnis um seiner selbst willen, das Exploitationsverhältnis; alle andern Verhältnisse gelten ihm nur so weit, als er sie unter dies eine Verhältnis subsumieren kann, und selbst wo ihm Verhältnisse vorkommen, die sich dem Exploitationsverhältnis nicht direkt unterordnen lassen, subordiniert er sie ihm wenigstens in der Illusion. Der materielle Ausdruck dieses Nutzens ist das Geld, der Repräsentant der Werte aller Dinge, Menschen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Im Übrigen sieht man auf den ersten Blick, daß aus den wirklichen Verkehrsbeziehungen, in denen ich zu andern Menschen stehe, keineswegs aber aus Reflexion und bloßem Willen, erst die Kategorie "Benutzen" abstrahiert wird und dann umgekehrt jene Verhältnisse für die Wirklichkeit dieser aus ihnen selbst abstrahierten Kategorie ausgegeben werden, eine ganz spekulative Methode zu verfahren. Ganz in derselben Weise und mit demselben Rechte hat Hegel alle Verhältnisse als Verhältnisse des objektiven Geistes dargestellt.." (MEW 3, S. 394 f).

Auf dieser Ebene erscheint alles trivial: Wer nimmt muss auch geben. Doch was im Verhalten des Einzelnen zum Einzelnen durchaus Fortschritt bedeuten kann, soweit es sich ergänzt, wird in einer hiervon abgelösten Allgemeinheit zu einem Prinzip der Funktionalität, welcher die Menschen unterworfen werden. Jedes einzelne Nehmen erzwingt in dieser abstrakten Allgemeinheit des Gebens eine bloße Botsmäßigkeit, ein Gebot, im Prinzip eines abstrakten Nutzens auch zu funktionieren. Um Nützliches hieraus zu beziehen, genügte kein einzelner Beitrag zu einem Nutzen in der Sache zur Ergänzung für andere Sachen und Menschen (siehe z.B. meine Kritik des sogenannten Commonismus). Um Nützliches zu bekommen, muss man sich der Nützlichkeit an sich übereignen (z.B. Facebook, Google). Und in der Allgemeinheit kehrt sich der Vorteil in einen inneren Zwang. Als Existenzzwang verallgemeinert sich, was dessen innere Gewalt ist, weil dies nicht als eine konkrete Notwendigket auftritt, sondern ganz getrennt hiervon als bloß abstrake Vernunft, als Vernunft der Abstraktion, in der sich das Notwendige in seiner Allgemeinheit verselbständigt hat. Not tritt auf diese Weise nicht mehr wirklich auf, erzeugt aber durch ihre Abwesenheit eine sehr viel wesentlichere Not im einzelnen, weil sich dieses auf sie verlassen hat und zugleich von ihr verlasssen ist. Die Isolation der Teile fügt sich in einem Himmel der Erwartungen zusammen, an den jeder glaubt, weil er an seinen Nutzen auch glauben kann. Es war die Idee des kategorischen Imperativs von Immanuel Kant, die Vernunft des Systems. Doch das System ist eine bloße Vorstellung, eine Interpretation des Möglichen, das sich in Wirklichkeit in sein Gegenteil, in eine absolute Notwendigkeit verkehrt.

Die beschränkte und formale Subjektivität von Nutzen kann nicht menschliche Emanzipation beinhalten, weil sie nicht Lebensäußerung, sondern nur den Gebrauch derselben, also deren konservatives Element ist (siehe hierzu "Die Ware" im Kapital von Marx). Es kann daher der Gebrauchswert nicht über das Ganze der bürgerlichen Gesellschaft hinausweisen und von daher auch keine Grundlage für gesellschaftliche Veränderung sein. Dasselbe gilt für die Substanz nützlicher Arbeit, also der Tätigkeit in der Herstellung von nützlichen Produkten, nutzbringende Tätigkeit. Von daher hat auch die Arbeit oder der Arbeiter und die Arbeiterin keinerlei gesellschaftstranszendente Bestimmung. Diese hat nur der gesellschaftliche Reichtum als ganzes Produkt des gesellschaftlichen Zusammenwirkens der Menschen, welches sich aus der Arbeitsteilung aller produktiven Kräfte heraus im Sozialprodukt zusammenfügt (das sind z.B. geistige, körperliche, technische, kulturelle, wissenschaftliche Tätigkeiten), auch wenn dies nur warenförmig, und also nur abstrakt gesellschaftlich existiert und also das Produkt abstrakt menschlicher Arbeit ist. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang macht den Ausgang der marx'schen Theorie aus (vergl. Pfreundschuh 1976: "Der Reichtum der bürgerlichen Gesellschaft"). In der Arbeitsform, wie sie durch die Ware bestimmt ist, drückt sich das Leiden der Menschen an ihrer Entfremdung in der bürgerlichen Gesellschaft aus. Ihre Emanzipation aber besteht darin, deren Borniertheit abzustreifen, indem ihre gesellschaftliche Potenzen in der Erzeugung gesellschaftlichen Reichtums wahr gemacht werden, ihr Sinn als gesellschaftliche Produktivität menschlicher Sinnlichkeit wirksam wird, oder kurz: indem ihre private Form als Kapital aufgehoben und der damit formierte Reichtum vergesellschaftet wird. Das aber darf und kann keine Parteinahme und keine Verstaatlichung sein

Die Probleme, die entstehen, wenn die Nützlichkeit der Dinge zugleich als Grundlage menschlicher Subjektivität verstanden wird und nicht als deren formelle Bedingung, zeigten sich vor allem in der Arbeiterbewegung. Der Arbeitsbegriff wurde dort zu einem Entwicklungsbegriff menschlicher Sinnlichkeit, die Aufwendung zur Herstellung von menschlichen Reichtum zu dessen unmittelbaren Inhalt, zu einer selbstbezüglichen emanzipatorischen Sinnstiftung idealisiert und zu einem Begriff des Selbstbewusstseins nutzbringender Tätigkeit gegen die unnützige Arbeit und Nichtarbeit mit impliziter Ausgrenzung der Arbeitsreserven (Arbeitslose), der Randgruppen und der Kulturarbeit (hiergegen Oskar Wilde: "Kunst kann nicht nützlich sein"). So wurde schon früh die Kritik der politischen Ökonomie gewendet zu einem ökonomischen Selbstverständnis der Arbeit, das sich fraglos, also unkritisch aller sie bildenden und bedürfenden gesellschaftlichen Wirklichkeit überhob und sich selbst schon als Wahrhaftigkeit einer zukünftigen Gesellschaft ansah, die allerdings nichts anderes war als die gegenwärtige: Die Arbeit verlor mit ihrer Idealisierung ihre wirkliche Subjektivität der sie treibenden Bedürfnisse, ihre Gestaltungstätigkeit und kulturelle Bildung und Ausbildung und wurde somit völlig sinnentleert begriffen als Arbeit, welche endlich nur als bloße Nutzerbringung zu verwirklichen sei in einer Gesellschaft um der Arbeit willen, wodurch den Menschen geboten ist, zu arbeiten, um der Gesellschaft zu nützen, eben weil Arbeit selbst als Kulturleistung einer Gesellschaft und für die Gesellschaft zu verstehen sei. Hiergegen wandte sich Marx ausdrücklich:

"Schöner Schluß! Wenn die nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Arbeitsertrag der Gesellschaft - und kommt dem einzelnen Arbeiter davon nur soviel zu, als nicht nötig ist, um die "Bedingung" der Arbeit, die Gesellschaft, zu erhalten." (Marx in der Kritik des Gothaer Programms MEW 19, Seite 16)

3. Arbeit und Kapital als Personifikationen nützlicher und unnützer Tätigkeit

Mit dieser Verselbständigung war Kapitalismus nicht als widersprüchliche Form einer Reichtum schaffenden Gesellschaft begriffen, sondern wurde inhaltlich zu einem Verhältnis von nützlicher und unnützer Tätigkeit ("Die Müßiggänger schafft beiseite", aus der "Internationalen"). Zwar mag das Kapital selbst viel Unnutzen für die Mehrheit der Menschen darstellen und einem kleineren Teil auch ein "leichtes Leben" verschaffen; seine Erzeugung jedoch gründet immer auf Gebrauchswert bildender Arbeit, die nicht für das "leichte Leben" der Reichen verausgabt wird, sondern für einen Markt der Überproduktion, aus dem erst solche Luftigkeiten ergehen, wo die "Gewinnspannen" es ermöglichen. Doch dies ist relativ unbedeutend. Aber der Anschein, dass Geld durch die Faulheit und Gier der Geldbesitzer gerafft werden kann, dass der Profit und der darin beförderte Mehrwert schon aus der Übervorteilung der Geldbesitzer entstünde und dass es einen "gerechten Markt" geben könne, wenn ihnen die persönliche Habgier genommen oder beschnitten werden könne, hatte schon seit Proudhon dazu verleitet, das Wertwachstum des Geldes umzudeuten und den Kapitalismus als ein bloßes Kalkül auf Geldaneignung zu interpretieren. Diese kleinbürgerliche Sichtweise, die von der Mehrwertproduktion absieht und lediglich den Geldmarkt vor Augen hat, wurde von den Nationalsozialisten zu einer Hoheitsaufgabe des Staats erklärt, die dem "raffenden Kapital" das "Handwerk legen" wollte, während er durch die darin verbrüderte "Volksgenossenschaft" sich unbezahlte Arbeit zur Deckung seiner Staatsschulden einheimste. Dies wurde dann schließlich bis hin zur Judenvernichtung pervertiert.

Doch diese Sichtweise ist schon in ihrem Ansatz falsch. Sie personifiziert das Wertverhältnis und verkennt den Charakter kapitalistischer Produktion als Reichtumsproduktion, die sowohl Nutzen als einzelnen Gebrauchswert wie auch dessen Allgemeinheit als gesellschaftliches Verhältnis in der Warenbeziehung, allgemein in der Geldform produziert und reproduziert. Geld und Kapital stellen einen allgemeinen Zusammenhang der ansonsten völlig getrennten Nützlichkeiten dar, sind also nicht unnütz, sondern Formen eines gesellschaftlichen Nutzens, wenn auch einerseits konkret nützlich und andererseits abstrakt nützlich. Sie sind voneinander getrennt, weil Nutzen nur in der privaten Einzelheit der Ware eben auch nur einzeln, also für bedürftige Individuen und Funktionäre, Geld hingegen nur allgemein und abstrakt gesellschaftlich existiert als Nutzen für den Austausch, als Tauschmittel, als Maß der Werte und Maßstab der Preise, als Kaufmittel und Zahlungsmittel. Das Konkrete vermittelt seine Nützlichkeit scheinbar unabhängig hiervon durch seine Abstraktion im Wert der Arbeit, seine Preise als Verkehrsmittel zwischen Angebot und Nachfrage. Kapital vereint das Getrennte als eine Beziehung von nützlicher Arbeit und nützlichen Produkten, als produktive Konsumtion nützlicher Tätigkeit, die sich zu einem über die Gesellschaft erhabenen Eigennutzen des Kapitals akkumuliert. Nur hierdurch kann dieses zu einer Institution, zu einer Kommando- und Organisationsfunktion über den gesamten Prozess der Produktion und Reproduktion werden und aus unbezahlter Arbeit Mehrwert ziehen. All dies ist nicht unnütz, wenn auch nicht unmittelbar alles dem Menschen dienlich ist, sondern sein Verhältnis zu seiner Gesellschaft geradezu verkehrt, ihn selbst zu einer gesellschaftlichen Nutzenerbringung durch Arbeit für den Selbsterhalt verdingt, ihm aufzwingt, für ein Mehrprodukt nützlich zu sein, dessen Wert ihm entzogen bleibt. Er verausgabt sich nicht zur Bereicherung seines Lebens, sondern muss Geld durch seine Arbeit erwerben, um Leben zu können, weil der Geldbesitz die einzige unmittelbar gesellschaftliche Form des Besitzes, die Allgemeinform des Privateigentums am gesellschaftlichen Reichtum ist.

Es ist lediglich der Unterschied von einzelner Besitzform und deren Allgemeinheit, die dem Einzelwesen aufstößt, wenn es seinen Nutzen verallgemeinert wissen will, um sich als Allgemeinmensch, zu einem Allgemeinego zu verwirklichen, dort aber immer schon Kapital als solches Ego, als ein "automatisches Subjekt" (Marx) antrifft und dieses um seine Wertakkumulation beneidet. Dieser "Allgemeinmensch" kann ja eben nicht privat sein, weil er in der Konsumtion untergeht, während die gesellschaftlich verfügbare Geldmenge durch den gesellschaftlichen Charakter ihrer Produktion darin aufgeht. In Privatform wird ein Mensch unter diesen Lebensbedingungen immer Kapitalbildner sein, weil das Geld in Kapitalform nur als tote Arbeit exisieren kann und also abgetötete Gesellschaft enthält, nach Leben verlangt, um seinen Tod in Wert zu halten und zu vermehren. Gesellschaftliches Leben ist daher etwas anderes, erscheint als Kultur, in welcher der Nutzen nicht aufgehen kann, welche aber die Sinnbildung der Menschen als Zusammenkommen von Menschen darstellt (siehe zwischenmenschliche Verhältnisse), die noch keine ihnen adäquate Gesellschaftsform haben, diese daher auch nur in abstrakten Formen ihrer Sinnlichkeit finden, in abstrakt menschlicher Sinnlichkeit, in welcher sie sich in Gesellschaft glauben können, soweit sie auch Geld besitzen (z.B. als Religion, Körperfetischismus, Kult) ↓(2b).

Kultur galt unter der Zugrundelegung einer Gesellschaft der nutzbringenden Arbeit nicht als Form menschlicher Sinnlichkeit, sondern als Scheinwelt unnützer Sinne, welcher vor allem das Bürgertum frönen würde, wohingegen die Arbeiterkultur aus der Nützlichkeit ihrer Arbeit, der Aufopferung des wackeren Arbeitsmenschen Identität speisen müsste. Kultur wurde nicht als eine gesellschaftliche Form menschlicher Rückbesinnung, als Sinnbildungsprozess menschlicher Bedürfnisse begriffen, sondern nur als Hochkultur abstrakter Sinnlichkeit und damit zum Himmel bürgerlicher Dekadenz, dem lediglich proletarische Kultur entgegenzusetzen sei. So wurde Kulturkritik selbst proletarisiert, zum existenziellen Ernst der Ökonomie gewendet - der allerdings weder mit Kultur, noch mit Kritik zu tun hatte, sondern schon durch proletarisches Engagement mit entsprechender Ideologiekritik abgewendet war. So wurde besonders für Intellektuelle, die sich ihrer Kultur zu entziehen suchten, weil sie zu deren Kritik nicht in der Lage waren, das Proletariat zur Kultstätte ihrer Selbstverwirklichung, die Kultur als solche zum Selbstbetrug des Bürgertums. Damit war eine gesellschaftliche Sinnfrage verworfen und mit einem völlig unsinnlichen politischen Gestus beantwortet, in welchem Arbeit mit Kultur vertauscht war.

Das Aufbegehren gegen diese Verhältnisse wurde damit in eine politische Begrifflichkeit gezwungen, die lediglich Vorstellungen einer fremden Lebenswelt transportierten und diese zu Stellvertretern eigener Artikulation machten. Das ließ den emanzipatorischen Gehalt des Widerstands, die Momente menschlicher Sinnbildung durch widerstehen gegen herrschende Formationen verkümmern und formalisierte gesellschaftliche Veränderung zum Aufstand einer personifizierten Lohnarbeit gegen die Personifikationen des Kapitals. Solcher Aufstand stand nicht mehr in einer Geschichte von Klassenkämpfen, welche zu einer klassenlosen Gesellschaft trieb (so die Grundlage des historischen Materialismus), sondern wurde gleichbedeutend mit dem Apostolat einer Endlösung der Klassenkämpfe durch die unendliche Verwirklichung von Arbeit, zum Begriff eines Heilsprinzips, das menschliche Emanzipation auf einen Beitrag zu nützlicher Arbeit verkümmern ließ. Das Subjekt dieser Gesellschaft, Reichtum bildende Menschen aller Art in einem politischen Lebensverhältnis, das als menschliche Gesellschaft existiert, wurde so zum Werkzeug eines objektivierten Geschichtsverständnisses und wesentlich reduziert auf ihre Objekthaftigkeit, auf Arbeit als Kraftaufwand, wie sie in der bestehenden Gesellschaft bestimmt ist. Damit wurde Widerstand und Veränderung im Grund zu einer Farce sublimer Anpassung als Romanze eines Klassenbegriffs unterdrückter Sinnlichkeit, die selbst keinen Sinn mehr vorzuweisen hatte ↓(3).

4. Revolutionäre Politik als Politik der "wahren Arbeit" gegen falsches Bewusstsein

Marx befand in der Kritik des Gothaer Programms der SPD die Rede von Arbeit als der wahren Quelle des Reichtums als bürgerliche Phrase, die letztlich Arbeit in den Dienst eines gesellschaftlichen Machtarrangement stellt:

"Jene Phrase findet sich in allen Kinderfibeln und ist insofern richtig, als unterstellt wird, daß die Arbeit mit den dazugehörigen Gegenständen und Mitteln vorgeht. Ein sozialistisches Programm darf aber solchen bürgerlichen Redensarten nicht erlauben, die Bedingungen zu verschweigen, die ihnen allein einen Sinn geben." (Lassalle zitiert nach Marx in der Kritik des Gothaer Programms MEW 19, Seite 15)

Auch im Kapital geht Marx auf diese Problematik ein. Schon im ersten Satz des Kapitals schreibt er: "Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheuere Warensammlung" (siehe Marx, Kapital I). Reichtum hat also eine gesellschaftliche Form als Ware und in diese Ware geht Arbeit, wie eben auch vieles andere (z.B. Naturstoff, Kultur) ein. Die Bildung von Reichtum wird hier als Streben der ganzen Menschheitsgeschichte aufgegriffen, das mit der bürgerlichen Gesellschaft zur Warenförmigkeit geraten ist. Im Gothaer Programm wird dagegen Reichtum zu einer Naturalform der Arbeit und damit Arbeit zu dieser Geschichte selbst. Dort heißt es:

"Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums und aller Kultur, und da nutzbringende Arbet nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Ertrag der Arbeit unverkürzt, nach gleichem Rechte, allen Gesellschaftsgliedern." (Lassalle zitiert nach Marx in der Kritik des Gothaer Programms MEW 19, Seite 15)

Dies ist das volle Gegenteil von dem, was Marx im Kapital schreibt. Im Programm der SPD wird Arbeit nicht mehr als Moment der Bildung von Reichtum aufgefasst, sondern als dessen ureigenste Quelle, aus welcher abzuleiten ist, dass Arbeit die wahre Grundlage der Gesellschaft sei und der Ertrag der Arbeit ein gesellschaftliches Machtpotenzial darstelle, der "allen Gesellschaftsgliedern" zuzuteilen wäre – wenn sie denn auch genügend arbeiten. Gesellschaft wird somit zu einem Subjekt der Arbeit, zur Verteilerin von Arbeit und deren Produkten – die Grundlage des "Realsozialismus". Und dagegen hatte sich Marx mit seiner Kritik an Lassalle 1875 vehement ausgesprochen:

"Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. ... Die Bürger haben sehr gute Gründe, der Arbeit übernatürliche Schöpfungskraft anzudichten; denn grade aus der Naturbedingtheit der Arbeit folgt, daß der Mensch, der kein andres Eigentum besitzt als seine Arbetskraft, in allen Gesellschafts- und Kulturzuständen der Sklave der andern Menschen sein muß, die sich zu Eigentümern der gegenständlichen Arbeitsbedingungen gemacht haben. Er kann nur mit ihrer Erlaubnis arbeiten, also nur mit ihrer Erlaubnis leben." (Marx in der Kritik des Gothaer Programms MEW 19, Seite 15)

Solche Sklaverei wurde denn auch von den Sozialdemokraten als Selbstverwirklichung durch Arbeit verkauft. Indem auf diese Weise Arbeit zu einem rein politischen Begriff der Selbstverwirklichung wurde, war zugleich der Begriff der Arbeit naturalisiert zu deren Wahrheitsfrage, Arbeit zur Wahrheit der Selbstverwirklichung, zu einer Lebenshaltung.

Und wo Wahrheit zu einer Haltung wird, da entsteht der Kampf gegen das Falsche, die politische Moral, die Selbstbehauptung eines wahren Arbeiterbewusstseins gegen das falsche Bewusstsein des Bürgertums (Lukács). Indem die Natur der Arbeit mit ursprünglicher Lebenswahrheit gleichgesetzt war, ist sie einem "Überbau" ihrer Verfälschung unterworfen und wird nicht nur vom Kapital, sondern auch durch bürgerliche Kultur beherrscht. Indem auf diese Weise Arbeit als ein Seinsbegriff menschlicher Lebensbasis gegen die Kultur des Kapitals gerichtet war, wurde notwendig auch gesellschaftliche Veränderung zum Kraftakt proletarischer Selbstverwirklichung, zur Selbsterneuerung des Proleten im Kampf gegen die bürgerliche Kultur. Es ging damit nicht um einen Aufhebungsprozess des Kapitals als mächtige Wertmasse toter Arbeit durch die Vergesellschaftung lebendiger Arbeit und ihrer Produktionsmittel, sondern um die Vergesellschaftung des Proleten als Kultfigur der wahren Arbeit. Die gefesselte und der Verarmung ausgesetzte Arbeitskraft wurde damit zum Träger einer neuen Kultur, welche sich gegen die kulturelle und ideologische Verfälschung des Überbaus richtete. Klassenkampf war somit wesentlich Kulturkampf, der als existenznotwendiger Kampf ausgegeben wurde, bei dem es in Wirklichkeit aber um ein Erkenntnisproblem ging, um Wahrheit und Täuschung, das mit dem Kampf der wahren Arbeit gegen das Falsche, gegen die Täuschung der Kultur, gegen die Gewinnsucht des Kapitals überwunden sein sollte ↓(4).

Politische Moral ist nicht nur reaktionär. Sie ist gnadenlos und befördert anstelle einer Analyse der ökonomischen und kulturellen Wirklichkeit vor allem Misstrauen und Selbstmisstrauen, das in politischer Argumentation nach außen gewendet wird, die als Politizismus in jeder Variante sich mächtig machen muss und sich als ein unendlicher Richtungsstreit der Linken, als unaufhaltsamer Kreislauf sich ausschließender Positionen ohne Vermittlung verwirklicht. Anstatt Wissen über darin vermittelte Gewissheiten über die Zusammenhänge der objektiven Vermittlungen zu bilden, wird Wissen an sich zur unmittelbaren Selbstgewissheit einer politischen Haltung, zur Streitfrage eines Misstrauens von unvermittelten Menschen, die sich subjektiv vollständig ausschließen, weil sie sich mit ihrem Wissen als Vernunft politischen Handelns, als "politischer Wille der Wahrheit" zu objektivieren suchen.

Revolution ist Selbsterneuerung. Unter dem Diktat ihrer blanken Politisierung wurde sie zu einem Projekt der Aufklärung, einer Sache allerhöchster Moral und Vernunft, welche für sich auch nur die Logik des Herrschens - wenn auch als allgemeines Prinzip einer vorgestellten Identität - vertreten kann. Die Bekämpfung der Kulturträger als Agenten der Täuschung und der Ideologie konnte sich daher auch im Richtungsstreit der Linken fortsetzen als endloses Vorhalten revolutionärer Identität. Dem ideologischen Charakter solcher Vorhaltungen verschließt sich Aufklärung per Definition als Vernunft ihrer Selbstbeteuerung materieller Wahrheit durch eine revolutionäre Ontologie (vergl. hierzu auch die aufklärerischen Massaker der chinesische Kulturrevolution und die kulturellen Verwüstungen durch den Stalinismus). Marxismus verkam darin zur Legitimation von Mord und Totschlag. ↓(5)

Marxismus als Theorie der Emanzipation des Menschen von der Entfremdung seiner Natur und zur Natur überhaupt war darin zu einer Machtfantasie von einem Staat als "wahre" Institution der Arbeit verkommen, die aus der Nützlichkeit der Arbeit, aus ihrer Wirtschaftskraft nicht nur eine Aneignungsmacht des Kapitals schaffen wollte, sondern ein kollektives Machtsubjekt als Arbeiterpartei ↓(6).

Nach diesem Kulturverständnis bedarf es einzig einer Gewaltformation, welche den Missbrauch der Arbeit durch Ausbeutung der Arbeitskräfte kalt stellen und ihre Agenten zur Arbeit zwingen müsse: Revolutionäre Gewalt. Damit war die marxistische Position im politischen Kampf um die Länge des Arbeitstages gegen die Politik des Kapitals in eine militärische Option gewendet und verselbständigt. Solche Politik kann sich auch nur als militante Gewalt durchsetzen, die sich als Verteidigung der Missbrauchten ausgibt, während sie selbst nichts anderes als Staatsgewalt sein will. 

5. Die Geschichte der Klassengegensätze zwischen Freiheit und Notwendigkeit

Klassenkampf bestand in der marxistischen Linken meist nur aus der Vorstellung von einem Kampf der Industriearbeiterschaft um die Macht eines politischen Subjekts, das als "gesellschaftliches Subjekt" verstanden wurde. Demzufolge war die Macht über die Industriearbeit das politische Ziel, das mit gesellschaftlicher Subjektivität gleichgesetzt wurde. Doch das betraf eigentlich nur die objektive Notwendigkeit des Stoffwechsels einer Gesellschaft, das objektive Sollen einer Reproduktion, das mit der Aneignung des Lebensnotwendigen zufrieden sein könnte. Reichtum aber besteht in der Freiheit aus der Notwendigkeit heraus, aus dem Inhalt der Bedürfnisse und Kultur, die für den gesellschaftlichen Arbeitsaufwand als Notwendigkeit der Freiheit bestimmend sein muss, soll eine klassenlose Gesellschaft das wirkliche Ziel einer politischen Bewegung sein. Nicht der für das Kapital produktive Arbeiter macht das geselllschaftliche Subjekt, sondern die Gesamtarbeit, die sie bildet, also auch die Dienstleistung, die Organisation, die Rechtsprechung, die politische Beschlussfassung usw. Die Aufhebung der Kapitalform muss allseitig geschehen, wobei allerdings die materielle Macht im Kampf gegen die herrschenden Formationen des Kapitals wesentlich von der materiellen Arbeit ausgeht, welche als produktive Arbeit für das Kapital die wirksame Gegenmacht innerhalb der Klassenkämpfe ist ↓(6a).

Klassenkampf findet täglich statt in den Lohnkämpfen, den Kampf um die Länge der Arbeitszeit, der Sozialabgaben, der Besteuerung usw. Er wird nicht durch Verbesserungen der Löhne, Arbeitszeiten usw. zugunsten der Industriearbeit zu Ende kommen, sondern immer wieder an anderer Stelle, z.B. durch Mieterhöhungen, Arbeitslosigkeit wieder eingeholt. Er wird nur aufgehoben sein, wenn die Trennung der Arbeit von ihrem Produkt, die Teilung der Arbeit in parzellierte Existenzformen durch eine gesellschaftlich bestimmte Arbeit aufgehoben ist. Hierfür wird es kein "letztes Gefecht" der Arbeiterklasse geben; hierzu ist eine Subjektwerdung des gesellschaftlichen Menschen nötig, die "Menschwerdung der Gesellschaft" (Karl Marx), die vor allem die Trennung der einzelnen Arbeiten in absurde Entgegensetzungen der Existenzformen aufhebt.

Ein Ende der Klassenkämpfe ist nur möglich, wenn sich Klassenkampf gegen seine eigene Existenzbedingung richtet, gegen die herrschende Form der Lebensverhältnisse. "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen" (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest). Es handelt sich hierbei um Herrschafts-/Knechtschaftsverhältnisse, welche die Geschichtsepochen der gesellschaftlichen Produktionsformen und ihrer Produktivität als Verhältnisse von Subjekten und Objekten ihrer Reichtumsproduktion bestimmt hatten. Klassenkämpfe waren die "Lokomotiven der Geschichte" (Marx), die mit der bürgerlichen Gesellschaft an die Schwelle zu einer Gesellschaft geraten sind, die einen Reichtum erwirtschaftet, durch den Klassenkämpfe ökonomisch überflüssig nötig sind, weil nicht mehr der Mangel die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt, sondern die Vergesellschaftung ihres Mehrprodukts bestimmend werden kann. Weil die Produktivkräfte der Arbeit einen Entwicklungsstand erreicht haben, der ihren körperlichen und materiellen Kraftaufwand minimiert und über ihre Reproduktion gesellschaftlichen Überfluss produziert, kann sich auch eine Gesellschaft bilden, worin alle Menschen in gleichem Interesse sich zu ihrer einzelnen und gesellschaftlichen Lebensproduktion verhalten können, Klassenkampf also widersinnig ist (siehe Historischer Materialismus).

Das Festhalten an diesem Widersinn folgt nur dem politischen Zweck der Macht des Geldes, das sich selbst immer wieder entwerten muss, weil es zunehmend mit der technologischen Entwicklung der Arbeitswerkzeuge Produkte vermittelt, die im einzelnen immer weniger menschliche Arbeit darstellen und demzufolge die politische Form des Privateigentums immer bestimmender werden muss. Es hat sich die Entwicklung der Produktivität in der bürgerlichen Gesellschaft selbst schon dahin entwickelt, dass ihre Reproduktion selbstverständliche Lebensbasis aller sein muss, schon um die Ausbeutung der menschlichen Arbeit zu effektivieren. Auch die privatwirtschaftliche Produktion bezieht sich auf die ganze Gesellschaft als Lieferant von Lohnarbeitern und Konsumenten. Doch in der Abtrennung von ihrer Lebenswirklichkeit kann sie nur an ihrer Verwertung interessiert sein und muss dem Sinn und Zweck der Menschen notwendig widersprechen, wiewohl ihre Produktion und ihre Bewirtschaftung für die Menschen funktionieren muss. Sie erzeugt Produktionsmittel und Bedürfnisse, die über ihre Privatform weit hinausgehen. Hiergegen ist der Kapitalismus zu einer unwirtschaftlichen Produktionsform geworden, weil hierdurch Klassen ökonomisch unsinnig geworden sind und durch die Klassengegensätze Armut produziert wird wo Reichtum herrscht. Ihre Überwindung ist ökonomisch möglich und notwendig, um die Vergeudung und Verschleuderung menschlicher Lebenszeit und Kraft abzuwenden. Das Insistieren des Kapitals auf die private Aneignung des Mehrprodukts ist nur noch durch einen politischen Machtanspruch getragen und besteht als Machtfrage der politischen Verfügung über die Mittel der Produktion und des Staates. Der Klassenkampf wird von daher zu einer absurden politischen Realität, durch welche die Fortentwicklung der menschlichen Reichtumsproduktion nicht mehr gefördert wird, sondern durch die private Aneignung des Mehrprodukts in purer Geldform als Mehrwert rückläufig wird. Er ist anachronistisch geworden.

Werden die Klassenkämpfe nicht im Prozess des Untergangs der bürgerlichen Gesellschaft begriffen, als sich selbst aufhebende Wirklichkeit bürgerlicher Lebensverhältnisse, die von den Klassengegner vollzogen wird, dann werden sie zum Wahn eines verselbständigten Kämpfertums. Klassengegenssätze begründen sich aus dem Geldbesitz, aus der Entgegensetzung von dem, der Geld ausgeben kann, um zu erwerben was er braucht, und dem, der sich verausgaben muss, um überhaupt leben zu können. Sie sind die objektive Form eines Selbstwiderspruchs der bürgerlichen Gesellschaft, der mit fortschreitendem gesellschaftlichen Reichtum auch objektiv zu einer Auflösung drängt. Die Subjekte müssen diesen Kampf austragen, zu Ende führen, nicht um die Klasse der Proleten zu stärken und zu verewigen, sondern zusammen mit allen anderen Klassen untergehen zu lassen, zu Menschen in ihrer Gesellschaft vereinigen und die Gesellschaft zu vermenschlichen. Wirklich subjektiv ist in diesem Untergang allein der Bildungsprozess einer klassenlosen Gesellschaft, eines gesellschaftlichen Menschen, der mit sich eins in seiner Gesellschaft ist.

Klassenkampf muss also der objektive Prozess einer gesellschaftlichen Selbstaufhebung begriffen werden, die von den gesellschaftlichen Subjekten vollzogen wird. Wie alles in der kapitalistischen Gesellschaft, vollzieht sich auch darin der Doppelcharakter ihrer Formationen. welchem Die klassenkämpferischen Positionen bestehen für sich auch durch ihre Forderung nach quantitativer Entlastung (höhere Löhne, billigere Mieten), formulieren sich also auch im Erhalt dieser Gesellschaft als Moment der Selbsterhaltung, die der Systemerhaltung entspricht, während in der Unmöglichkeit derer Verwirklichung sich die Unmöglichkeit einer Gesellschaft im Klassenkampf auch auftut, weil diese Reformen immer wieder von den Verhältnissen der Märkte überwunden werden. Mehr Lohn, kürzere Arbeitszeiten, weniger Miete, sozialer Ausgleich usw. sind notwendige Forderungen, die eine quantitative Seite des Kampfs artikulieren, die aber zugleich durch die qualitativen Probleme der Verwertungslage beschränkt ist. Innerhalb der bornierten klassenkämpferischen Positionen, die ja auch nur die gegebenen Existenzformen (Lohn und Arbeitszeit) reflektieren, muss man sich zwar immer wieder auf das gesellschaftlich Mögliche einigen - alles andere scheitert mit existenzieller Stringenz an den Lebensmöglichkeiten der Lohnabhängigen - aber darin auch die Permanenz der Eigentumsfrage artikulieren. Wenn die klassenkämpferische Positionen nicht die Unmöglichkeit ihrer Realisierung innerhalb dieser Gesellschaftform aufzeigen, verselbständigt sich ihr Kampf auf die Notwendigkeiten der herrschenden Gesellschaft und dienen damit auch dem Erhalt dieser Gesellschaft, die ihn immer einzügeln können wird. Indem sie aber auf den menschlichen und geschichtlichen Entwicklungsstand, auf ihr inhaltliches Vermögen und damit auf die Notwendigkeit einer anderen Gesellschaftsform hinweisen, indem sie auf die Aufhebung der Privateigentums insistieren, wird sich erst die Möglichkeit auftun, die Lebensräume und Arbeitszeiten und Beziehungen an die menschliche Verhältnisse anzupassen. Mit einer Politik innerhalb ihres Klassenantagonismus wird kapitalistische Besitzmächtigkeit letztlich als bloße Frage der Existenzmöglichkeiten bestärkt, die unendlich oft gestellt, aber niemals wirklich beantwortet werden wird. Solange dieses Formen von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung nicht wirklich in einer gesellschaftlichen Produktions- und Aneignungsform aufgehoben werden, wird keine menschliche Geschichte wirklich vorangebracht sondern aufgehalten, beherrscht und auf allen Seiten bis zur Selbstvernichtung der Menschheit brutalisiert.

Daher muss diese Gesellschaftsform als Ganzes von den Menschen überwunden werden, indem sich ihre Teile vereinigen, indem die siehe Auftrennung aller Existenzweisen, die Ausdruck und Motor des Wertverhältnisses sind, die prozessierende Abstraktionen ihrer isolierten Lebensverhältnisse überwunden wird. Wollen die Menschen nicht an den Abstraktionen ihres Reichtums zugrunde gehen, wollen sie die Barbarei des Kapitals beenden, so müssen sie die Klassenkämpfe darin aufheben, dass sie ihre Lebensverhältnisse unmittelbar und mittelbar, letztlich international kommunalisieren (siehe internationale Kommunalwirtschaft). Die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft ist nichts anderes als die Aufhebung ihrer Klassen und die Verwirklichung ihres Zusammenhangs in menschlichem Reichtum und dessen Lebensvielfalt. Der Klassenkampf selbst kann also nur in seiner Aufhebung seine Wahrheit, seine Unnötigkeit erweisen – auch wenn er zunächst nur als Kampf besteht, bis er als Einsicht mit einem Bewusstsein in die Grundlagen menschlicher Gesellschaft mit der Begründung einer klassenlosen Gesellschaft endet. Soweit Marx grundlegend.

Nicht so Marxisten in der Ungeduld der Zeitgeschichte. Von ihnen wurde Klassenkampf nicht in der Notwendigkeit seiner Aufhebung, sondern - im Gegenteil - er selbst als gesellschaftsbildender Prozess verstanden, als Streben zum Sieg einer minder mächtigen Klasse, des Proletariats, über eine übermächtige Klasse, dem Kapital. Damit wird aber um Macht gekämpft und also eine neue mächtige und eine neue ohnmächtige Klasse geschaffen, also eigentlich nur ein neuer Besitzstand, ein neues Bürgertum, ein proletarisches. Das macht die Geschichte auf schlechte Art unendlich, zu einer Farce von einem "Sieg der Arbeiterklasse". ↓(7)

Wenn Klassenkampf als Begriff aus der Ebene der politischen Ökonomie zu einem antibürgerlichen Begriff gewendet wird, verkennt er seine Wirklichkeit, die nichts anderes als bürgerliche Lebensform ausdrückt. Die bürgerliche Gesellschaft ist eine Form von Klassenkampf, der nur in seiner Ideologie von Einigkeit und Recht und Freiheit aufgelöst erscheint. Aber diese Ideologie ist ja nur für eine Wirklichkeit nötig, in welcher Zwietracht, Unrecht und Gebundenheit tragend ist. Sie ist nichts anderes als die herrschende Ideologie eines Klassenkampfs der Gegensätze im Besitzverhältnis von Arbeitskraft und Produktivvermögen, der keinen Gewinner haben kann, sondern nur durch die Aufhebung dieser Verhältnisse überwunden wird. Wird Klassenkampf nicht als Aufhebungsprozess einer Geschichtsepoche, sondern als Begriff eines Sieges der Ohnmächtigen über die Mächtigen verstanden, dann wird er unsinnig, weil er lediglich die Macht des Besitzes umkehrt, den neuen Mächtigen und Ohnmächtigen kürt und fortbestimmt. So verkehrt sich dann einfach das, was er erhellen soll, zu einer Kampfkultur. Damit wird die Vereinseitigung und Verelendung des Proletariats selbst als revolutionär verstanden, zum kulturellen Maßstab einer revolutionären gesellschaftlichen Entwicklung einer künftigen Macht - man könnte fast mit Nietzsche sagen: Zur neuen Herrenrasse der Arbeit, die sich aus der Dekadenz des Kapitals erhebt. Die Vereinseitigung des Elends, das aus seiner Ohnmacht heraus dann als politischer Wille gegen die herrschende Politiuk auftritt, kann sich so auch nur in einer verselbständigten politischen Macht erfüllen, also letztlich die Übernahme der Staatsgewalt anstreben. Der "Neid auf das Bestehende" (Marx hierzu) wird so zu einer kultivierten Produktivkraft dieses Machtbedarfs, die sich revolutionär gibt, wiewohl sie im Grunde zutiefst reaktionär ist. Marx erkannte schon zu seiner Zeit solche Tendenzen und nannte sie Revolutionsmacherei in einigen kleinbürgerlichen Bestrebungen im Kommunistischen Arbeiterbildungsverein und auch im "Bund der Kommunisten". In seiner Stellungnahme zu einem Spaltungsersuchen schrieb er:

"An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minderheit [der Zentralbehörde des "Bundes der Kommunisten"] eine dogmatische, an die Stelle der materialistischen eine idealistische. Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße Wille zum Triebrad der Revolution. Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzuzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern Euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt Ihr im Gegenteil: "Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen."

Während wir speziell die deutschen Arbeiter auf die unentwickelte Gestalt des deutschen Proletariats hinweisen, schmeichelt Ihr aufs plumpste dem Nationalgefühl und dem Standesvorurteil der deutschen Handwerker, was allerdings populärer ist. Wie von den Demokraten das Wort Volk zu einem heiligen Wesen gemacht wird, so von Euch das Wort Proletariat. Wie die Demokraten schiebt Ihr der revolutionären Entwicklung die Phrase der Revolution unter." (Marx MEW 8, S. 412)

Durch die Abhebung von der Kritik der politischen Bestimmung der Arbeit durch das Kapital wurde der Begriff des Proletariats zu einem Kulturbegriff, zum Begriff des Lebensverhältnisses eines bestimmten Kreises "werktätiger Menschen". Ein solchermaßen proletarisierter Kulturkreis muss sich nicht mehr als Produkt des Kapitals erkennen, das die Menschen auf ihre Arbeitskraft reduziert, sondern wird zum Begriff einer natürlich scheinenden Lebensweise. In dieser Romanze gereicht er immer auch zur Selbstbegründung eines eigentlichen Menschsein, die wie ein natürlicher Anspruch auf eine eigene Wahrheit gegen die Scheinhaftigkeit des Seienden (Heidegger) gehalten wird. Von daher wurde "der Arbeiter" zum Synonym des sich selbst verwirklichenden Menschen, zum Kulturbegriff eines an und für sich selbst bestimmten Menschseins, zu dessen Kultfigur. Damit kann man viel machen, denn die Anwendung solcher von Formbestimmtheit abstrahierenden Begrifflichkeit ist unendlich. Kultur wird dabei zur Gesellschaft schlechthin, Kapital zum Kulturfeind als bloßes Feindbild, das unendlich viele Erscheinungsweisen haben kann und das man aus sich herauszusetzen hatte, aus seinen Lebenszielen und aus seiner Gesinnung. Es ist dies eine konstruierte Einheit von allgemeiner Selbstbezogenheit der eigenen Kultur als selbstverständliche Eigentlichkeit mit der Abweisung eines zum Kulturschädling gemachten Bürgertums, dessen Dekadenz durch eine Wahrheit eigener Art, durch die Reinheit der menschlichen Art, also mit Rassismus und Antisemitismus politisch gewendet wird. ↓(8)

6. Der "Klassenstandpunkt" als Avantgardismus eines "proletarischen Staats"

Friedrich Engels sah in der "Ergreifung" der Staatsgewalt durch das Proletariat den notwendigen Schritt zum Übergang in eine sozialistische Gesellschaft, die sich per Staatsmächtigkeit zum Kommunismus entwickeln würde ↓(9a). Das impliziert einen Zentralismus der Staatsgewalt, die alle notwendigen Entscheidungen systematisch von unten nach oben zu überweisen hatte. Es hatte dazu geführt, dass der optimate Nutzen der Produktivkraft, die Wirtschaftlichkeit der Arbeit durch den Staat politisch so bestimmt war, wie durch einen einzigen kapitalistischen Konzern (siehe hierzu auch die geschichtliche Darstellung von Wal Buchenberg im Marx-Forum):

„Die höchstmögliche Nutzung aller verfügbaren Arbeitskräfte..., die richtige Verteilung und Neuverteilung dieser Kräfte sowohl auf die verschiedenen Regionen als auch auf die verschiedenen Zweige der Volkswirtschaft sind unabdingbar für die Verwirklichung einer planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft, was die nächste Aufgabe der Wirtschaftspolitik der Sowjetmacht sein muss.“ (Resolution des 8. Parteitages der KPDSU).

Schon Lenin griff in seiner Revolutionstheorie die Übergangsvorstellung von Engels auf, als er in "Staat und Revolution" schrieb: „Alle Bürger verwandeln sich hier in entlohnte Angestellte des Staates... Alle Bürger werden Angestellte und Arbeiter eines das gesamte Volk umfassenden Staats’konzerns’. ... Die gesamte Gesellschaft wird ein Büro und eine Fabrik .... sein.“ (Lenin, Staat und Revolution, Ausgewählte Werke II, S. 402f.)

Die Fixierung von Engels und Lenin auf den Staat wäre eigentlich unverständlich, wenn es nicht um das Problem der Macht und ihrer Mittel unter der Fragestellung ginge, wie Macht politisch zu erwerben ist, um die Mächtigen wirtschaftlich ohnmächtig zu machen. Es geht also um das Festhalten an einer politischen Machtfrage, das hier sehr unsinnige Zusammenhänge in ihrer Verwirklichung entwickelt: Dadurch, dass das Proletariat sich die Staatsgewalt aneignet und die Produktionsmittel in Staatseigentum verwandelt, würde der Staat für einen Augenblick zu einem allgemeinen "Repräsentanten der ganzen Gesellschaft", macht ihn sogleich aber auch überflüssig, weil er zu einer Bürokratie wird, zu einer "Verwaltung von Sachen" und zur "Leitung von Produktionsprozessen". Der Staat wird damit also als Bürokrat zum sozialistischen Staat und begründet sich zugleich avantgardistisch durch eine "revolutionäre Macht der Bürokraten", welche das Kapital ersetzen, indem sie das Eigentum der Gesellschaft als Soiwjetmacht verwalten.

Aber weshalb soll hierbei der Staat "absterben"? Ist schon diese Unbedachtheit sonderbar, so wird ihre Konsequenz zugleich ungeheuerlich: Der Staat, der nicht mehr wirklich Staat ist, aber als Bürokrat Staatsgewalt hat, soll von selbst zum Kommunismus führen, die Bürokraten also kommunistische Führer werden. Das hat man erlebt: Es wurde der Führerstaat verselbständigter Staatsgewalt als kommunistische Partei, welche sich alleine durch ihre Gesinnung staatsmächtig erhalten ließ und daher auch eine Gesinnungskultur nötig hatte, eine Staatsideologie der politischen Macht.

Ein solcher Kommunismusbegriff wurde zur Ideologie einer Staatsgewalt, die sich zunehmend gegen ihre eigene Wirklichkeit wenden musste, weil die gesellschaftliche Produktion zu einer Produktion durch den Staat und vermittels seiner Macht verkehrt wurde. Indem sie diese Variante von Volkswirtschaft zu einer Wirtschaft des Volks idealisierte, sanktionierte und kontrollierte sie deren Arbeit und befahlt die nötige Arbeitszeit (5-Jahreplan) nach Maßgabe der staatpolitisch umformulierten Politik des Kapitals, der politisch begründeten Akkumulation der Arbeit durch Aneignung menschlicher Arbeitskraft. Solche Wirtschaftstheorie war damit Gesinnungstheorie eines Staatskapitalismus und als politisch begründeter Wille mit einer Geschichtsdetermination der "Selbstverwirklichung des Menschen" begründet - wie ehedem die "Herrenmenschen" á la Nietzsche. Solch ein objektiver Subjektivismus ist als avantgardistische Gesinnungstheorie immer die Grundlage zur Legitimation absoluter Staatsmacht, faschistische Selbstbegründung des Staats.

Die Hinterhältigkeit des Missbrauchs des Marxismus hierzu bestand darin, dass Bewusstsein sich nicht mehr wirklich als wissendes Sein beweisen musste, sondern aus der vorhandenen marxistischen Kritik von Politik nun in ihrer vollständigen Verkehrung als politische Metapher für Machtpolitik entlehnt wurde. Diese wurde hierdurch auch entsprecht vulgarisiert, besonders in der Verkehrung von der Kritik an der durchschnittsbildenden Macht des Werts (Marx) zur Verdurchschnittlichung des Menschen, der Einforderung nach der vollen Gültigkeit des Wertgesetzes, wonach Gerechtigkeit aus der Gleichsetzung der Menschen bestehen musste (siehe Wertauffassung der DKP und der DDR).

Der avantgardistische Moralismus des Parteistaatssozialismus vollzog sich in theoretischer Gestalt auch in politischen Theorien der westlichen Linken, teilweise als politische Theorie zum Aufbau einer proletarischen Partei, teilweise in der Ableitungslogik eines proletarischen Bewustseins für wissenschaftliche Grundlagen, wie sie die Widerspiegelungstheorie formulierte und damit wissenschaftliche Selbstverständigung verunmöglichte. Theoriebildung und Politik wurden damit auf eine "proletarische Position" reduziert und bezogen sich daher zunehmend nur noch auf die politische Bewegung selbst, wurden zu einer Frage linker Moral, dem bloßen Bekenntnis zum objektiv richtigen Menschsein im "Arbeiterbewusstsein". Damit war die Umkehrung des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik vollzogen und die Kritik der politischen Ökonomie zur Ökonomisierung einer "Arbeiterpolitik" gewendet, die in der Arbeit selbst ihre Grundlage und ihren eigentlich "gesunden Gesellschaftskörper" sah. Wissenschaftlich und politisch abgeleitete Anforderungen wurden demnach zur Forderung nach einer funktionalen und gerechten Arbeitswelt, zu einer Perfektion des Arbeitsverhältnisses, wie es letztlich auch im Interesse der bestehenden Verhältnisse zwischen Arbeit und Konsum zu deren Optimierung liegt. Funktioniert dies, so funktioniert auch die Wertschöpfung.

Etwas versteckter war dieser Theorieansatz in strukturellen Theorien, welche Gesellschaft als eine äußere Form ihres Gegenstands, z.B. als eine Determinante hinzunahmen und Arbeit unmittelbar zu einer Wesengröße für Objektivität in ihrer Argumentation machten. Der abgetrennte Objektivismus bürgerlicher Begrifflichkeit und der ihrer Wissensbildung angepassten Methodik durchzog auf diese Weise - wenn auch mit einer anderen Fassade - die Theoriebildung linker Strukturalisten in Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften, die sich unter Berufung auf Resultate der Marx’schen Theorie per Definition als Kritiker bürgerlicher Lebensstrukturen ausgaben, ohne deren Dialektik überhaupt ausarbeiten zu müssen. Deren Resultate liegen heute als Regierungsformation vor, die zeigt, dass sie nichts anderes betreibt als das, was sie zu überwinden vorgegeben hatte. Neu ist lediglich, dass nun auch im Regierungslager und seiner Opposition mit Marx, Hegel und Berthold Brecht argumentiert wird, um die "Einsicht in die Notwendigkeit" des Bestehenden in die Bevölkerung hinein zu vermitteln.

 

In Ostdeutschland wurde analog der Staaten des Ostens und unter deren Besatzungsmacht der Stalinismus zum "Realsozialismus gegen Faschismus und Krieg" fortentwickelt. Aus den Machtverhältnissen der Nachkriegszeit heraus wurde somit eine "Partei" unter Vorgabe eines "Übergangsstaates" zur Staatsmacht und Politik als Gewalt einer politischen "Avangarde des Proletariats", als Führungsmacht eines "Arbeiter- und Bauernstaates" installiert. Die theoretischen Grundlagen hierfür ergaben sich aus dem Verschnitt eines Marxismus (siehe Dialektischer Materialismus), der schon von Lenin auf einen "politischen Machtanspruch des Proletariats" (in "Staat und Revolution") reduziert und in eine Theorie avantgardistischer revolutionärer Gewalt gewendet und von Stalin schließlich zur statischen Staatsgewalt einer Parteienbürokratie entwickelt worden war.

Die Begründung hierfür sah Lenin in der "geschichtlichen Aufgabe" des Proletariats, die er einigen Texten von Marx entnahm, worin der auf die Aufhebung der Geschichte der Klassenkämpfe reflektierte. Allerdings schrieb er darin von der Wendung der "Diktatur der Bourgoisie" in eine "Diktatur des Proletariats" als eine notwendige "Zwischenphase der Revolution", die solange währen müsse, bis der bürgerliche Staat "abgestorben" sei, weil in dem darin entstehenden Gemeinwesen jede politische Gewalt selbst unnötig wird.

"Die arbeitende Klasse wird im Laufe der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Ausdruck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist." ("Elend der Philosophie", MEW 4, S. 181 f)

"Die Mannigfaltigkeit der Deutungen, denen die Kommune unterlag, und die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in ihr ausgedrückt fanden, beweisen, dass sie eine durch und durch ausdehnungsfähige politische Form war, während alle früheren Regierungsformen wesentlich unterdrückend gewesen waren.

Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende Klasse, die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte. ...

Die politische Herrschaft des Produzenten kann nicht bestehen neben der Verewigung seiner gesellschaftlichen Knechtschaft. Die Kommune sollte daher als Hebel dienen, um die ökonomischen Grundlagen umzustürzen, auf denen der Bestand der Klassen und damit der Klassenherrschaft ruht.

Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein." (K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342).

Das waren die Grundlagen bei Marx: Formulierung der Negation von Herrschaft. Von daher musste auch Politik sich gegen die Politik von Herrschaft richten und darin untergehen. So verstand Marx den seinerzeit schon bestehende Begriff von einer "Diktatur des Proletariats" und interpretierte ihn dahin, dass er eine politische Antwort auf die politische Diktatur des Kapitals sei als letzte Form von politischem Handeln, die schon dadurch nicht ohne Gewalt sein kann, dass sie sich gegen einen Willen richtet, der in die herrschenden ökonomischen Verhältnisse eingebracht ist als Wille der Herrschaft durch Besitz. Dieser Wille formuliert sich über das gesellschaftliches Vermögen hinweg nur durch die legislative, judikative und exekutive Gewalt des bürgerlichen Staates für die private Form dieses Vermögens im Besitz und will daher auch nur diese durchsetzen – und das ist letztlich Kapital. In diesem Gegensatz von Wille und Sein hat Marx aber diese quasi logisch notwendige Umkehr von Gewalt lediglich als ein Moment im Aufhebungsprozess des Gewaltverhältnisses reflektiert als eine in der bestehenden Gewalt begründete Gegengewalt, in einem Dreischritt im Übergang zu einer von politischer Gewalt befreiten Gesellschaft:

"Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, daß die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. daß diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet." (Marx in einem Brief an Weydemeyer 1852 MEW 28, S.507)

In einem Brief wird manches verkürzt und wo es ausführlicher beschrieben wird, liest es sich auch differenzierter. Dennoch hat Lenin vor allem diesen Brief für eine "dialektische Ableitung der notwendigen Vernichtung der Staatsmaschine" gehalten und für seine Schlussfolgerungen verwendet, in denen die Übernahme dieser Macht als Voraussetzung zu ihrer Aufhebung galt. Und in dieser Dichte und als "Dialektik" genommen ist das auf eine schlimme Weise falsch: Es entsteht eine deterministische Theorie revolutionärer Notwendigkeiten, die sich nicht mehr rückvermitteln muss auf die konkreten Verhältnisse einer bestimmten Produktionsweise.

Und das ist ja auch das Problem bei Verdichtungen, die Verkürzungen erzeugen: Der arbeitende Mensch ist als Prolet der bürgerlichen Gesellschaft das Wert und Mehrwert schaffende Subjekt, das darin in seinem Leben objektiv bestimmt ist. Als dieses ist es weder wirklich subjektiv, noch wirklich revolutionär, denn es produziert vor allem den Systemerhalt und die Fortentwicklung des Kapitalistischen Systems durch Mehrwertproduktion. Revolutionär ist ein so bestimmter Mensch dadurch, dass er den Sinn dieser Gesellschaft in sich trägt und produziert, dass er das produziert, was er nicht wirklich sein kann, was er nicht als sein Eigentum hat und sich auch nicht aneignen kann: Gesellschaftliches Sein. Er muss für eine Produktion nützlich sein, deren Wirklichkeit sich ihm sinnlich entzieht. Revolutionär ist der Widerspruch zwischen Sinn und Nutzen, den Menschen in sich tragen, die diese Wirklichkeit produzieren, weil sie es so lange müssen, wie sie diesen Widerspruch in seiner Wirklichkeit nicht wirklich aufheben.

„Die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen.“ (MEW 17; 336)

Die russische Revolution war die Revolution eine verelendeten Agrarwirtschaft und Agrarkultur, die feudalistisch unterjocht war. Eine bürgerliche Revolution stand hier längst an, um die bürgerliche Gesellschaft zu entwickeln, in der die Industriealisierung der Arbeit gesellschaftlich durchgesetzt wird, um für einen Markt effektiv zu produzieren. Ein dekadenter Feudalismus musste daher in eine weltweit schon entwickelte Marktwirtschaft katapultiert werden, die zugleich nicht marktförmig werden konnte, weil ihr die gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge hierfür fehlten. Die Befreiung vom Feudalsystem wurde daher ersetzt durch eine proletarische Revolution, die vor allem nur eine Landbevölkerung betreffen konnte. Darum war es Lenin in Russland gegangen, gerade weil dort die Bedingungen für eine proletarische Revolution, die vollständig entwickelte industrielle Produktion, nicht gegeben war. Das Proletariat, das es im Sinn einer durch das Kapital versammelten und organisierten Arbeiterschaft noch garnicht gab, wurde hierbei umformuliert zu einem politischen Subjekt, zu einem politischen Menschen, der für die Menschheit schlechthin stand. Die Theorie wurde als "Theorie einer Revolution" von ihrer praktischen Entstehung abgetrennt und als "Lehre" erhoben und als Theorie eines Rätesystems (Sowjets) verkauft, das letztzlich im Staaatswesen seine einzige wirkliche Basis hatte - und behielt. Die Bauern- und Soldatenräte hatten nur in den Anfangsjahren überhaupt einen Einfluss auf die Politik.

Diese objektivistische und sehr mechanisierte "dialektische Theorie" der Aufhebung von Gewalt, wie sie im Dialektischen Materialismus sinnfällig gemacht sein sollte, wird damit aber auch in sich unstimmig, weil darin lediglich Formationen in Beziehung gesetzt sind, die aus einander hervorgehen, also nur durch einander und durch sonst nichts bestehen: Die Diktatur des einen durch die Diktatur des anderen, der dessen Objekt war und Subjekt wird, indem er sich die herrschende Gewalt zum Objekt macht – ein Widersinn in sich: Wie kann herrschende Gewalt Objekt sein? Sie ist es nimmer, weil sie selbst nur aus herrschender Subjektivität besteht und schon dadurch zugrunde gegangen ist, dass sich das Beherrschte aufrichten kann, weil und sofern es die wesentliche Subjektivität eines Gemeinwesens ist und Gewaltanwendung höchstens aus Gründen der Verteidigung gegen formelle Gewalt nötig hat. Es handelt sich in dieser formellen "Dialektik" von der "Diktatur des Proletariats" um einen eindeutigen Denkfehler, der bei Marx am Rande und inmitten der Diskussionen seiner Zeit stand und mit der Diskussion um die "Pariser Kommune" auch korrigiert, zumindest darin relativiert wurde, dass die Unterdrückung der Unterdrücker unmöglich ist, weil etwas Unterdrücktes nicht zugleich Unterdrücker sein kann, also Unterdrückung darin selbst nichtig werden muss. (Ähnliches gilt übrigens auch für andere agitatorisch gemeinte Formalismen zur Umkehrung von Antagonismen wie z.B. die "Erziehung der Erzieher").

Dessen ungeachtet übernahm Lenin diesen Fehler, denn er brauchte ihn und entstellte ihn zudem noch zu einem Prinzip der Umkehr von Unterdrückung, so als sei eine andere Unterdrückung als die des politisch agierenden Kaptals geschichtlich nötig, also geschichtsnotwendig:

"Der Staat ist eine besondere Machtorganisation, eine Organisation der Gewalt zur Unterdrückung einer Klasse. Welche Klasse aber muß vom Proletariat unterdrückt werden? Natürlich nur die Ausbeuterklasse, d.h. die Bourgeoisie. Die Werktätigen brauchen den Staat nur, um den Widerstand der Ausbeuter niederzuhalten, aber dieses Niederhalten zu leiten, in die Tat umzusetzen ist allein das Proletariat imstande als die einzige konsequent revolutionäre Klasse, als einzige Klasse, die fähig ist, alle Werktätigen und Ausgebeuteten im Kampf gegen die Bourgeoisie, im Kampf um deren völlige Beseitigung zu vereinigen." (Lenin in "Staat und Revolution")

Die Inkonsistenz der Aussagen ist zwar folgerichtig, aber nur in der Fehlerhaftigkeit ihrer Begründung: Der Staat ist die Institution des besonderen Interesses des Kapitals, das sich allgemein gibt. Eigentlich geht es deshalb um die "Vernichtung des Staats" (Lenin). Aber die Ausgebeuteten brauchen ihn, diese "besondere Machtorganisation", um die Macht, den "Widerstand der Ausbeuter niederzuhalten". Was ist dann aber das besondere des Staats? Bloße Macht, die zur Macht der Arbeiterklasse werden kann? Ein Widerspruch in sich, wo diese doch schon selbst allgemein ist und von der "besonderen Macht" des Staats allgemein niedergehalten wird. ↓(9)

Dies war nur möglich durch einen Geschichtsrevisionismus, dem alle erkenntnistheoretischen Grundlagen des Marxismus entzogen und unterworfen wurden. Marxismus war zu einer Anwendungstheorie geworden, in welcher der Begriff einer sozialistischen Gesellschaft sich nicht mehr aus der geschichtlichen Entwicklung ergab und entfaltete, sondern apodiktisch definiert war und sich alle Geschichte hiernach, also nach den "Zielen des Sozialismus" zu richten hatte. Dies entsprach dem politischen Umgang mit Theorie überhaupt, wie ihn Marx ausführlich kritisiert hatte und überwunden wissen wollte als er schrieb: "Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt." (MEW 3, S. 35) ↓(10)

Geschichtliche Argumentation wird dann unmittelbar als begriffliche vorgetragen, als objektives Sollen einer Geschichtslogik, welcher die Menschen zu folgen hätten, anstatt dass ihre Notwendigkeiten hierdurch erklärt worden wären, also das ihnen Nötige gegen die Notwendigkeiten der Sachverhältnisse zu wenden waren. Was diese an Befreiungspotenzial für die Menschen enthielten (Z.B. Technologie der Arbeitserleichterung, Kommunikation, erweiterter Einfallsreichtum, Bedürfnisvielfalt usw.) wurde so zum Anpassungsargument an ihre geschichtliche Gegebenheit. Sozialistische Planwirtschaft wurde zum Parteikommando des geschichtlichen Sollens im "Selbstverwirklichungsprozess des Menschen schlechthin", der sich jede menschliche Individualität zu beugen hatte und Ideenwettbewerb ausschloss. Der Begriff der Gegebenheiten wurde also zum Gegenteil der Emanzipation, die er auftun sollte: Zur Objektivierung des Sachzwangs als Dienstleistungerfordernisse an die Notwendigkeiten der Geschichte, zum Anpassungsbegriff einer historizistischen Staatsbegründung.

7. "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnssen"

Utopien beziehen sich ihren Stoff aus Ideen, die aus der Gegenwart sich bilden und ein bloßes Anderssein als Ideal hiergegen vorstellen. Man kann darin einen Mangel der Gegenwart verdeutlichen, nicht aber ein Entwicklungsziel wirklich bestimmen. Marx hatte sich oft gegen Utopien gewendet, die eine Entwicklung bestimmen wollen. Zugleich hat er auch Vorstellungen illustriert, wie eine gegenwärtige Absurdität wegzudenken ist. Deutlich wird dies zum Beispiel an der Beschreibung von Arbeitsteilung durch ein fremdes Subjekt:

„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." (Marx/Engels, „Die Deutsche Ideologie", 1846, Werke Band 3, S. 33) [siehe Anmerkung 30]

Auch in der Diskussion um das Gothaer Programm kommt eine solche Gegenüberstellung vor, die zu erheblichen Missverständnissen geführt hat, als Marx einer populären Vorstellung von individueller Freiheit einen Platz im Kommunismus zugewiesen hat, um sie zugleich als utopisches Ziel eines Parteiprogramms, als individuellen Rechtsanspruch zu verwerfen. Eine derart bewahrte und politisierte Individualität muss über die gegenwärtige Realität einer Partei hinwegtäuschen und den Kampf gegen die herrschenden Produktionsverhältnisse ignorieren und absurd machen würde. In diesem Pareiprogramm fordert Ferdinand Lassalle ein Recht auf vollständige Individualität von Arbeit und Bedürfnis, wonach jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen sich verwirklichen können soll. Marx verwies solche Rechtsansprüche auf den Boden ihrer Lebensbedingungen:

"Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft. In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 21)

An anderer Stelle stellt er auch klar, dass sich kein gleiches Recht für alle aus solcher Parole begründen lasse, da die Unterschiede der Bedürfnisse und Fähigkeiten selbst das gesellschaftliche Verhältnis begründen und schon von daher eine Rechtsgleichheit ein Unding ist, weil sie immer einen Rechtsvergleich unterstellt. Arbeit kann nicht gleichgestellt werden, weil sie überhaupt nur im gesellschaftlichen Verhältnis von sich ergänzenden, also verschiedenen Arbeitsinhalten sich zusammensetzt. Ein die Fähigkeiten der Arbeitenden gleichsetzender Sozialismus ist immer reaktionär, weil er der bürgerlichen Rechtsvorstellung gleichgesetzter Unterschiede entspricht und damit den Fähigeren ein Privileg des Genusses zukommen lässt.

„Nun aber besteht eines der wesentlichsten Prinzipien des Kommunismus, wodurch er sich von jedem reaktionären Sozialismus unterscheidet, in der auf die Natur des Menschen begründeten empirischen Ansicht, daß die Unterschiede des Kopfes und der intellektuellen Fähigkeiten überhaupt keine Unterschiede des Magens und der physischen Bedürfnisse bedingen; daß mithin der falsche, auf unsre bestehenden Verhältnisse begründete Satz 'Jedem nach seinen Fähigkeiten' sofern er sich auf den Genuß im engeren Sinne bezieht, umgewandelt werden muß in den Satz: Jedem nach Bedürfnis; daß, mit anderen Worten, die Verschiedenheit in der Tätigkeit, in den Arbeiten, keine Ungleichheit, kein Vorrecht des Besitzes und Genusses begründet." (Marx/Engels, „Die Deutsche Ideologie", 1846, Werke Band 3, S. 528) [siehe Anmerkung 31]

Der Inhalt der Arbeit ist das menschliche Bedürfnis im Allgemeinen, nicht als persönlicher Anspruch, der aus den Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen abzuleiten und darin auszugleichen wäre. Wenn "jeder nach seinen Bedürfnissen" und "jeder nach seiner Fähigkeit" leben können soll, dann unterstellt das ein gesellschaftliches Verhältnis von beidem, in welchem auch die komplexe Arbeit nicht höher bewertet wird, weil die Bildung der Befähigung hierzu ja ebenso gesellschaftlich aufgewendet werden muss. Als individualistischer Anspruch, wie sie meist verstanden wird, ist die Parole "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnssen" reaktionär, weil sie von jeglicher gesellschaftlichen Vermittlung absieht.

8. Der Kampf um die Arbeit als Bündnis der Arbeit

Der deutsche Faschismus und seine Entstehung in den 20ger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte eine Blindheit für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse bei den politischen Bewegungen erwiesen, die sich losgelöst von den Notwendigkeiten der Ökonomie und Kultur begründet hatten. An der Frage des Faschismus hatte sich die Linke gespalten und aufgerieben. Es war nicht zu leugnen, dass die Marxisten keine substanziell adäquaten Aussagen gegen den aufkommenden Nationalsozialismus gemacht hatten, weil sich dieser als politisches Kulturphänomen vor ihnen aufgetürmt hatte, auf das sie nicht gefasst waren, dass sie keine adäuquate antifaschistische Bündispolitik zustande brachten, ein Teil der Arbeiterbewegung sogar dorthin überlief. Der Faschismus war eine Antwort auf die erstmals in der Geschichte wahr und total gewordene Selbstzerstörung des kapitalistischen Systems, die durch die systematische Vernichtung von Menschen "gelöst" werden sollte. Dies wurde weder in seiner Entstehtung noch danach von Marxisten wirklich begriffen und politisch beantwortet, weil es keine entsprechende Kulturtheorie gab. Die irrational scheinenden massenpsychologischen Phänomene blieben unerklärlich, und wurden bestenfalls mit bürgerlicher Methodik aufgefüllt (z.B. durch die triebökonomischen Theorieansätze von Wilhelm Reich oder der Todestriebtheorie von S. Freud) und damit implizit entsorgt. Eine wirkliche gesellschaftliche Überwindung des Faschismus kam nicht zustande, weil er nicht aus den Notwendigkeiten des bürgerlichen Besitzstands und dessen zwischenmenschlicher Realität heraus begriffen wurde - man hätte ganz gehörig bei sich aufräumen müssen. Doch dies blieb der nachfolgenden Generation vorbehalten, allerdings erst nach einer gründlichen Revision des Marxismus (siehe "8. Neomarxismus")

Mit der Befreiung der Deutschen durch die US-Army und dem von dort betriebenen Wiederaufbau war die deutsche Geschichte abgebrochen und westliches Kapital der Rettungsanker in der Desolation der Nachkriegsjahre - allerdings auch die Grundlage der Bildung eines kapitalistischen Westblocks. Allgemein wurde jetzt alles für einen "guten Kapitalismus" mit einer gutbürgerlichen Demokratie getan und behauptet, dass Faschismus damit nichts zu tun hätte und damit zu überwinden und zu verhindern wäre, vor allem durch die Stützung und Bestärkung des Individualismus. In der materiellen Wendung gegen den Nationalsozialismus und seine Folgen entwickelte sich in Westdeutschland vermittelst amerikanischer Finanzierung nach dem 2. Weltkrieg ein werktätiger Individualismus, der lediglich in Geld seine wirtschaftliche Basis haben konnte und darin auch gesellschaftliche Entwicklung suchte und seine gesellschaftliche Beziehung fand. Mit dem sozialpolitischen Trick des Adenauer'schen Verrentungsschlüssels wurde ein wesentlicher Kostenanteil der gesellschaftlichen Reproduktion, die Rente, auf die nachfolgende Generation abgewälzt und so konnte bald das "deutsche Wirtschaftswunder" brilieren. Die Gewerkschaften verpflichteten sich zum Friedensschluss mit dem Kapitalismus.

"Nie wieder Faschismus!" war gleichbedeutend mit "Wohlstand für alle" - und damit war Geld gemeint und Arbeit und Wideraufbau als dessen Quelle. Faschismus wurde als Politik der Proleten verstanden, als deren Massenhysterie, und daher sollte es auch wieder nur um die Sachlichkeit, um die sachliche Notwendigkeit, um die Politik der Sachzwänge gehen. Das wiedererstehende Kapital konnte sich nun einen antifaschistischen Mantel umhängen und dem amerikanischen Fordismus nacheifern. Menschlicher Reichtum wurde fortan fast ausschließlich in seiner Geldform verstanden und "sozialistische Politik" entsprechend im Lohnkampf begriffen.

Klassenkampf wurde zum Preiskampf, also zur Vertragsverhandlung über den Preis der Arbeit pro Wochenstunden. Je nach Lage der Produktiventwicklung wurden auch aus ideologischen Gründen (gegen den Ostsozialismus) relativ gute Abschlüsse für Wochenarbeitszeit und Lohn gemacht. Daraus folgte die Eingliederung der Gewerkschaften in das "Bündnis für Arbeit" und die Umkehrung von Arbeit als Reichtumsbildnerin zum reinen Subsistenzmittel, zur Geldbeschaffungstätigkeit, in welcher eine Interessensgleichheit von Lohnarbeit und Kapital gesetzt war. Entsprechend wurde auch die bürgerliche Kultur, die ihren Faschismus nicht begreifen wollte und konnte, geglättet und mit Wohlständigkeit übertüncht, damit ihr großes geschichtliches Loch nicht zum Vorschein kam.

Durch seine darauf folgende Wirkungslosigkeit in der Gewerkschafts-Bewegung veränderte sich auch der Marxismus selbst zu einer Gerechtigkeitsideologie. Auch ihm ging es nun vorwiegend um die Geldvertreilung, um den gerechten monetären Anteil der Arbeitskräfte am Bruttosozialprodukt. Das lag auch ganz im Interesse des Kapitals, das seine Produkte ja auch bestmöglich verkaufen wollte und Kaufkraft nötig hatte. Gewerkschaftsarbeit wurde zu einer Rechenaufgabe, an der sich auch die entsprechenden Wirtschaftswissenschafter auf allen Seiten beteiligten. Das später als Verhandlungsprinzip verkündete "Bündnis für Arbeit" war schon hier praktisch wirksam. Indes trieb hinter alle dem das Finanzkapital seine Finanzspekultionen auf alle Ebenen des Weltmarkts, entwickelte den globalisierten Kapitalismus, den totalen Kapitalismus, und hinterließ desolate, deregulierte und weitgehende privatisierte Nationalwirtschaften, in denen Gewerkschaften und Linkspopulisten sich um die Reste des Sozialprodukts kümmerten und mit den Herren der Deregulation stritten. Diese mussten sich einfach nur noch verhandlungsunfähig, weil gebunden und schuldpflichtig, also bankrott erklären, und schon war auch die ganze Verteilungsrationalität auf den Punkt gebracht. Unermüdliche Marxisten und Linke skandieren derweil immer noch unermüdlich "Es ist genug für alle da!" und wundern sich, dass sie niemand mehr ernst nimmt.

9. Der "Neomarxismus"

Die Krisen des Kapitalismus haben keine Wege menschlicher Emanzipation eröffnet, sondern ganz im Gegenteil gezeigt, dass sie eine gesellschaftliche Zerstörung indizieren, die den Kapitalismus zu einer selbständigen Staatsgewalt werden lässt, die seine demokratische Vermittlungsform auflöst. Eine "selbststätige Geschichte der Befreiung" – etwa als Geschichte der objektiven Selbstaufhebung des Kapitalismus - gibt es nicht. Aber gesellschaftliche Zerstörungsprozesse, z.B. als "Untergang des Abendlandes" (Spengler) zusammengefasst, eröffnen auch keine neue Einsicht in ihre fatale Notwendigkeit, in ihre Ursachen, die Krisen des Kapitals. In der Bewusstlosigkeit, in der sie verlaufen und durch die Abhängigkeit der Menschen von ihrer Gesellschaftsform als geschichtliches Dasein ihrer Naturmächtigkeit, die sich in Krisenzeiten nicht veringert, sondern verstärkt, entwickeln sich Naturängste, Mythologien und Irrationalitäten. War Gesellschaft im Kapitalismus noch der Mythos des Allgemeinnutzens von Geld, Warenfetisch, so wird sie in der kapitalistischen Krise zum Mythos der Gewalt. Und darin lösen sich psychische Prozesse der Verdrängung und Projektion aus, die zu einem massenpsychologischen Unheil werden. Die Propaganda der Nationalsozialisten griff dies auf, indem sie sich als Heilsbewegung darstellte, die einer "Endlösung" zustrebte.

Mit dem deutschen Faschismus, dem Nationalsozialismus, war die psychisch erscheinende Gewalt, die in Phasen wirtschaftlicher Verelendung in Gestalt einer Massenpsyche aufkommt, als Selbstvernichtungsspirale einer ganzen Nation augenfällig geworden. Die irrationale Subjektivität des Heilsprinzips kann bei Menschen, die in sich selbst schon tief verletzt sind, leicht zum Anpassungsprinzip an jedwede Hoffnung stiftende Macht werden. Die wurde zu einem Staatsterror, der sich durch keine Staatstheorie, auch nicht durch Machtmissbrauch und Despotismus alleine mehr erklären lässt. Faschismus ging ganz offensichtlich von einem Gemenge aus Staatsmacht und Massenpsyche aus und hatte vor allem deswegen tiefe Verletzungen, Zweifel und Selbstverstümmelungen in den Menschen hinterlassen.

Dies war weder unmittelbar in sich ökonomisch zu begreifen noch war dem ökonomisch zu begegnen. Der marxistische Erklärungsansatz, die Marx’sche Klassen- und Krisentheorie erschien hiergegen völlig kraftlos. In Ermangelung einer Kulturtheorie, die einen Begriff von kultureller Selbstvernichtung gewusst hätte, wurde die bestehende Psychologie, besonders die Psychoanalyse zur Erklärung dieses Phänomens hergenommen. In seinem Buch "Massenpsychologie des Faschismus", das schon 1933 erschienen war, stellte Wilhelm Reich ein individualpsychologisches Modell, einen Verschnitt von Psychoanalyse und Ökonomie als reine "Triebökonomie" und Arbeitsökonomie her, deren Inhalte er aus dem Freudismus und Marxismus bezog. Faschismus war für ihn damit auf doppelte Weise erklärt: Einmal als Überforderung der inneren Ausgleichsmechanismen der Individuen durch gesellschaftliche Anforderungen und Zwänge, die zur "Charakterpanzerung" der Menschen, zu ihrer seelischen Verhärtung führt, zum anderen durch die ausbeuterischen Interessen des Kapitals, wie sie von der Arbeiterbewegung thematisiert wurden. In der Verschränkung von Psychoanalyse und Marxismus sollte ein "subjektiver Faktor" mit dem objektiven zusammengebracht und ein neues Widerstandspotenzial geschaffen werden, das nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im seelischen Leben der Menschen seine Grundlagen hatte. Das war der Ausgangspunkt des sogenannten Neomarxismus.

Hinzu kamen noch andere Aspekte zur Internalisierung von ökonomischer und institutioneller Gewalt in die Persönlichkeitsstrukturen der Bürger (z.B. durch Reimut Reiche). Darin wurde das Kapital als bloßer Autoritatismus aufgenommen und mit der Gewalt einer Anpassungsmacht gleichgesetzt, die sich als solche Macht in ein quasi naturwüchsiges Lebensinteresse der Individuen einbringt und dieses an sich bindet, indem es institutionelle Macht als notwendige Vernunft zur Repression individueller Freiheiten ausgibt ("Repressive Entsublimierung"). Diese Einbeziehung verlief auf allen Ebenen der Institutionen, der Arbeitsabläufe und -technologie und auch der Werbung, die insgesamt für die Manipulation der Menschen im Sinne des Kapitals verantwortlich gemacht wurden. Die Blender der Menschheit waren Warenästhetik und Kulturindustrie, und Selbstbestimmung schien von daher Hilfsmittel bei der Wahrheitssuche nötig zu haben, die in psychologischen Aufklärungstheorien gefunden wurden. Kritische Texte, Kampf gegen die Autoritäten der bürgerlichen Institutionen (Uni, Staat, Familie) wie auch Aktionsformen gegen Manipulation (z.B. Kunst als politische Aktion, antiautoritäre Erziehung) macht die Grundlagen der antiäutoritären Studentenbewegung aus.

Hiernach wurden die Hierarchien des Kapitals und dessen Interessen in ihrer praktischen Funktion als Staatsgewalt wesentlich nur als Ausdruck psychischer Autoritätsstrukturen begriffen, welche in analoger Autorepression in den Menschen implantiert sei. So galten Kapital und Staatsmacht lediglich als Momente der Verfälschung der Menschen und deren Emanzipation wurde daher als Befreiung von repressiver Autosuggestion angesehen, die mit der "Befreiung der Gesellschaft" vom Kapital, mit der Aufhebung der "Verdinglichung des Menschen" gleichgesetzt war.

Die antiautoritäre Bewegung machte sich allgemein an der Behauptung fest, dass Faschismus sich aus der charakterlichen Entstellung der Menschen, aus einem autoritären Charakter begründet habe (vergl. hierzu Adorno: "Der autoritäre Charakter") und psychologischer Antifaschismus sich als notwendiger Teil einer sozialistischen Bewegung hiergegen begreifen müsse, z.B. auch als kämpferische Front antiautoritärer Erziehung und befreiter Sexualität (vergl. Wilhelm Reich "Die Funktion des Orgasmus"). Der Kampf gegen psychische Autoritätsstrukturen galt somit als Befreiungskampf gegen das kapitalistische System und gegen den Faschismus in einem. Jede seelische Freiheit, die man sich gab, war unmittelbar menschliche Befreiung und damit das Moment einer neuen Gesellschaft.

Das hatte auch Folgen für das Emanzipationsverständnis linker Politik, indem sich das Aufbegehren gegen die herrschenden Lebensstrukturen nicht mehr aus dem praktischen Leben der Menschen, aus ihrem gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Zusammenwirken begründete, sondern aus einer Psychologie, die sich als eine Theorie der Befreiung der Triebe und Empfindungen ausgab. Sie unterstellte eine Psyche als menschliche Wesensbestimmung schlechthin, die einen Willen zu menschlicher Güte implizierte und bei deren allgemeiner Freisetzung per se der neue Mensch aus einer inneren Natur heraus entstünde, die menschliche Natur an sich sei, wenn sich aus ihrer Individualform, aus dem Individuum, das sich von gesellschaftlichen Zwängen frei gemacht hat, eine neue Gesellschaft begründen würde. Der psychisch befreite Mensch wäre so die Keimform einer Gesellschaft, in welcher er sich von selbst zum sozialistischen Menschsein mit innerer Notwendigkeit verwirklichen müsse.

Marxismus wurde mit solcher Art von Sozialpsychologie unterlegt und zu deren sozialem Umsetzungskonzept auf dem "langen Marsch durch die Institutionen", als sei das Wissen um deren repressive Macht selbst schon das Bewusstsein einer besseren Gesellschaft, eine gesellschaftliche Utopie befreiter Seelen, die letztlich die Kernvorstellung einer sozialistischen Gesellschaft sei. Die Alternativbewegung versuchte sich in der Umgehung autoritärer Strukturen (alternative Betriebe, Selbstverwaltung), bemühte sich um die Reinhaltung von Mensch und Natur vor den Verschmutzungen des Kapitalismus und sah dies als Grundlage neuer Gesellschaftsformen und auch eines neuen Ökologie- und Staatsverständnisses (daraus wurde später die Grüne Partei).

Zwar traf dieser sozialpsychologische Marxismus die Selbstwahrnehmung der Nachkriegsgeneration und ermöglichte ihr auch eine Selbstfindung gegen die Rigidität ihrer Herkunft, aber als soziale Bewegung hob sie praktisch jeden Grund gesellschaftlicher Veränderung in dem Maße auf, wie die Selbstveränderungen ihr den freien Seelenraum bescherte. Durch ihre Ontologisierung menschlicher Bedürfnisse waren schon im Ansatz deren gesellschaftlicher Grund aufgehoben und eine wirkliche gesellschaftliche Begründung der Emanzipation der Individuen zur Befreiung menschlicher Subjektivität in menschlicher Gesellschaft verstellt. Die Marx'sche Theorie hatte lediglich eine Schattenfunktion einer Selbsterklärung, die nun in einen penetranten aufklärerischen Moralismus einer gut eingebürgerten Linken in den Institutionen und Parlamenten und Familien gewendet war, also in das, wogegen diese Theorie unter anderem angetreten war. Sie hatte sich als eine Theorie individueller Selbstermächtigung erwiesen, welche dem naturhaften Schein der Selbstgefühligkeit diente und die Natur der bürgerlichen Gesellschaft erneuerte.

Aber dies war nicht erst in diesen Resultaten zu erkennen. Es durchzog die psychologisch formulierte Aufklärung die Argumentation der Linken wie ein kategorischer Imperativ für politisches Handeln, der sich vorwiegend auf moralischer Ebene artikulierte und wenig an theoretischer Analyse interessiert war. Dessen Widerspruch zwischen Erfordernis zukunftsbildenden Verhaltens aus der Allgemeinheit gegenwärtiger Vorstellungen wurde damit verselbständigt zur politischen Parole der Linken, die sich für alles Gute im Nichts des Bösen einsetzt, die Politik der bloßen Gutmenschen, die sich vor allem psychologisch gut zu begründen verstanden. ↓(11)

Der Bürger war mit seiner Vorstellung von Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit wieder in die Linke zurückgekehrt und dessen politische Illusionen wurden zum Maßstab ihres Selbstverständnisses. Innerhalb der linken Bewegung evozierte die moralische Definition des richtigen Menschseins so etwas wie eine "linke Ethik", die letztlich einen unendlichen Streit zwischen Objektivismus und Subjektivismus darstellte, den Streit um den "subjektiven und den objektiven Faktor" des Widerstands. In der Ablösung vom ökonomischen und kulturellen Potenzial des Widerstands wurde damit eine quasi psychologische, eine selbstreflektierte Ethik des guten Menschseins gegründet, die in den multikulturellen Selbstverwirklichungstrends, im psychoemanzipativen Teil der Frauenbewegung und der Partei der Gutmenschen, den Grünen, zugunsten bürgerlicher Subjektivität wieder aufging, welche natürlich immer auch gut bürgerliche Geldverhältnisse voraussetzt und entproblematisiert.

10. Marxismus und Existenzialismus

Für den Marxismus ergab sich in den 70/80ger Jahren eine verhängnisvolle Verbindung mit dem Existenzialismus. Nicht ganz grundlos: Beiden Denkrichtungen geht es um menschliche Emanzipation, um Selbstbestimmung und Befreiung durch Existenzveränderung. Doch das Verständnis von Freiheit und Existenz ist vollkommen verschieden. Im Existenzialismus ergibt sich Freiheit aus einem "Nichts an Sein" (Sartre), aus der Selbstunterscheidung des Menschen hiervon und hiergegen durch die Gründung seiner Beziehung hierzu. Der Marxismus versteht Freiheit in der Befreiung von einer überkommenen gesellschaftlichen Macht in einem ihm vorausgesetzten gesellschaftlichen Verhältnis, das gegenständlich zu erkennen und in seiner geschichtlichen Entstehung und Veränderung zu begreifen ist und als Selbstfindungsprozess des Menschen in der Revolutionierung entäußerten Menschseins sich vollzieht. Dies aber weist der Existenzialismus grundsätzlich als Determinismus ab und versteht in der Freiheit existenzieller Setzung die Geschichte der Menschen als permanenten Prozess seiner Selbsterfindung. So wird für den Existenzialismus politisches Verhalten zur Konstruktion von Wirklichkeit, in welcher das Leben dadurch entsteht, dass es sich selbst wählt, sich aus dem Nichts erhebt. Durch sein Leben ist der Mensch "zur Freiheit verurteilt" (Sartre), durch die Freiheit der anderen Menschen aber wird ihm "seine Hölle bereitet" (Sartre). Durch die Vereinigung der Menschen in ihrem Freiheitsstreben müsse sich also das "menschliche Dilemma" auflösen. Es ist eigentlich die Grundlage bürgerlichen Selbsterlebens als Freiheitsstreben in Einigkeit, das jetzt zu einer Wesensreflexion einer radikalen Selbsterzeugung des Individuums gewendet war, die ihm alle Verantwortung für alles zuwies und keine "Entschuldigung" durch gesellschaftliche Bedingungen zuließ.

In der Auseinandersetzung mit den ML-Marxisten entstand auf dieser Basis ein radikaler Individual-Marxismus, der sich auch mit den Produkten der Psychoanalyse und des Neomarxismus ziemlich frei und beliebig verbinden konnte. Vom Erkenntnisinteresse lag das nicht weit auseinander. Aber als Freiheitsbewegung im Kampf gegen andere Menschen, welche als Charaktermasken der herrschenden Macht begriffen wurden, hat sich Marxismus und Existenzialismus in einem katastrophalen Wirklichkeitsverlust vereint und gerieten in der Verschmelzung mit den Widerstandsbewegungen in der Dritten Welt zum Terrorismus als Aktionsform der Befreiung - zum Teil direkt von Sartre unterstützt (z.B. im Verhältnis zum SPK in Heidelberg oder durch seine öffentlich dargestellte Beziehung zu Andreas Baader). Dieser Wirklichkeitsverlust hat den Marxismus in eine vollständige Gegnerschaft zu seiner gesellschaftlichen Grundlage, der praktischen gesellschaftlichen Lebenserzeugung der Menschen, gebracht, ihn von der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgetrennt, eine große Abstumpfung und Stumpfheit seines Denkens und seiner Theoriegeschichte beschert und ihn zum Teil auch auf die Gleise seines bedeutsamsten Gegners, dem philosophischen Reaktionär und Phänomenologen Martin Heidegger gebracht.

Bis heute bringt der damit geistesverwandte Dekonstruktivismus (Derrida, Foucault) bürgerliches Selbstverständnis auf Hochform, allerdings eher indirekt, indem die Erscheinungsformen bürgerlicher Institutionalisierungen von ihm angegriffen werden - nicht unbedingt als wirkliche Institutionen oder Staatsformationen, aber doch als Träger funktioneller Gewalt, wie sie sachlich, ideologisch und psychologisch auftritt. Der "Angriff" ist dann zwar so zahm, dass sich solche Widerstände gut integrieren lassen und viel Aufbegehren in die Arme ihres Adressaten (z.B. als "Mitarbeiter in den psychiatrischen Anstalten") getrieben hat, wo sie lernen durften, wie nötig dem radikalen Individuum doch die Menschenliebe als Beziehung zu den Ohnmächtigen durch die Stringenz einer gut gezielten Lebenshilfe (z.B. durch die "Lebensmittel" der Psychologie und der Pharmaindustrie) ist. Aber es hat den Wirklichkeitsverlust radikal individualisierter und psychologisierter Gesellschaftskritik nicht aufgehoben, sondern bis in die Lähmung des Erkenntnisvermögens für gesellschaftliche Wirklichkeit fortgetrieben, weil sie diese ja nur als aufgehäufte Konstruktion individueller Selbstverwirklichungen ansehen konnte.

11. Der philosophische Marxismus einer negativen Identität

"Das Bewußtsein kann nie etwas andres sein als das bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß." (Marx in MEW 3, S. 26).

Dieser Satz und ähnliche Sätze erbrachten zweierlei Missverständnisse in der Marx-Rezeption: Zum einen die Widerspiegelungstheorie, wonach das Bewusstsein das bloße Abbild der Lebensverhältnisse im Menschen wäre, zum anderen die Identitätstheorie, wonach in der Welt die Identität des Seins mit dem Bewusstsein darin zu begreifen wäre, dass der Mensch seine Lebenswirklichkeit weiß, dass er Wissender von dem ist, was er geäußert hat. Beide Interpretationen sind zirkulär und objektivistisch, die erstre vom Standpunkt der seienden Objektivität, die sich lediglich im menschlichen Bewusstsein abbilde, die letztre vom Standpunkt des Subjekts, wonach das Sein identischer Ausdruck seiner Subjektivität wäre, die es nur zu wissen und weiterhin zu verwirklichen gelte. Ist im erstren Fall das Bewusstsein lediglich Schablone des Seins, der Kopf eingefügter Menschen, der nichts anderes kann, als nachzuvollziehen, was ist, so ist im zweiten Fall der Mensch das objektive Agens seiner Selbst, der sein Leben also als objektives Leben begreift, seinen Schmerz als Widersprüchlichkeit der Welt, Geburtswehe einer besseren auf dem "dornenreichen Weg der Selbstverwirklichung" (Hegel). Der "wirkliche Lebensprozess" wird damit sehr unwirklich: Die Entfremdung des Menschen von seinem Gattungswesen ist in beiderlei Verständnis schon im Vorhinein verschwunden, der Widerspruch von Wesen und Erscheinung und der von Inhalt und Form aufgehoben und also gegenstandslos für das Bewusstsein - und für jede Kritik an den herrschenden Verhältnissen.

Dem fügte Adorno nun ein drittes Missverständnis - allerdings als Kritik - hinzu: Die Seinsbestimmung des Bewusstseins sei als dessen unverwirklichte Wahrheit zu entwickeln, als Möglichkeit eines Lebens, das die Wahrheit hat, welche im wirklichen Leben ausgeschlossen ist, das also die Auflösung eines falschen Seins vollzieht und ein richtiges Bewusstsein nur darin ist, dass es den Zusammenhang des herrschenden Ganzen in Zweifel stellt und sich hierin in einem unmittelbaren Lebensprozess versteht. Dies vollziehe sich auf der Ebene der Erkenntnis, die von herrschenden Totalitäten blockiert sei, von der Vernunft der Aufklärung, welche ihren Begriff als Macht gegen das Einzelne und damit implizit gegen alles Werdende einsetzt. Den Ursprung dieser Macht sieht Adorno im Wahrheitsverständnis der etablierten Philosophie, nach welcher die Wahrheit einer Theorie sich nur aus einem ganzen Zusammenhang ergebe. Gegen eine vermeintliche Totalität des Wahrheitsverständnisses von Hegel ("Das Ganze ist das Wahre") wendet sich sein Satz "Das Ganze ist das Unwahre". Das Ganze bleibt hierdurch allerding als Anderes, als das Unwahre erhalten und wird auch als solches, als falsches Leben totalisiert. Adornos totaler Antitotalitarismus wendet sich als erkenntnistheoretische Konstruktion, als Anspruch auf lebendige Wahrheit gegen jede Theorie, die eine Totalität formuliert, und will den Erkenntnisprozess der Wahrheit als gesellschaftlichen Prozess selbst unmittelbar vollziehen. Hierzu nimmt Adorno die Notwendigkeit des Nicht-Identischen als Aufbegehren gegen das Bestehende als Ganzes – die totale Negation einer negativen Identität als revolutionäre Position.

Eine negative Identität kann es an und für sich nicht in einer Geschichte geben, solange sie noch als Entwicklung zu begreifen ist. Erst durch das Unendlichwerden einer Selbstwiederholung eines systematischen Unvermögens, in einer schlechten Negation oder in einer unlösbaren Krise entsteht eine Nichtung, welche in einer Verselbständigung ihrer Bestimmtheit, in einer Formbestimmung der Ökonomie, der Kultur oder im Prozess der Selbstwahrnehmung zu einer negativen Identität in einer abstrakt allgemeinen Substanz kommt, die sich als Trieb der Geschichte fortbestimmt und auch Vernichtung und Zerstörung betreiben kann (s.a. Perversion), sich schließlich sogar gegen sich selbst entwickelt (siehe auch Negativverwertung), soweit sie dafür noch Material (siehe auch Natur) vorfindet.

In die "Negative Dialektik" von Adorno geht diesbezüglich ein Missverständnis ein, welche die Negation überhaupt mit negativer Identität gleichsetzt und von daher ein falsches Leben, eine an sich seiende Falschheit für möglich hält. Die macht Dialektik aber zur Ontologie einer Wahrheit, die dadurch wäre, dass sie nicht sein kann - ein Widersinn in sich.

Es ist derselbe Widerspruch, den Hegel eingegangen war, als er die positive Wendung der Negation durch ihre Negation als Zurückkommen auf ihre Idealität, als die Selbstbejahung auf die durch und zu sich selbst erhobene Idee beschrieb. Ludwig Feuerbachs Kritik hieran war längst der Umkehrpunkt einer kritischen Philosophie, die Karl Marx ausführlich gewürdigt und diesen Widerspruch dem rein abstrakten Denken zugewiesen hat:

"Feuerbach faßt also die Negation der Negation nur als Widerspruch der Philosophie mit sich selbst auf, als die Philosophie, welche die Theologie (Transzendenz etc.) bejaht, nachdem sie dieselbe verneint hat, also im Gegensatz zu sich selbst bejaht.

Die Position oder Selbstbejahung und Selbstbestätigung, die in der Negation der Negation liegt, wird für eine ihrer selbst noch nicht sichere, darum mit ihrem Gegensatz behaftete, an sich selbst zweifelnde und darum des Beweises bedürftige, also nicht durch ihr Dasein sich selbst beweisende, als nicht eingestandne Position gefaßt und darum ihr direkt und unvermittelt die sinnlich gewisse, auf sich selbst gegründete Position entgegengestellt.

Aber indem Hegel die Negation der Negation – der positiven Beziehung nach, die in ihr liegt, als das wahrhaft und einzig Positive, der negativen Beziehung nach, die in ihr liegt, als den einzig wahren Akt und Selbstbetätigungsakt alles Seins – aufgefaßt hat, hat er nur den abstrakten, logischen, spekulativen Ausdruck für die Bewegung der Geschichte gefunden, die noch nicht wirkliche Geschichte des Menschen als eines vorausgesetzten Subjekts, sondern erst Erzeugungsakt, Entstehungsgeschichte des Menschen ist." (Marx in MEW 40, S. 569)

Adornos Theorie wollte eine Erkenntnistheorie als Gesellschaftstheorie sein, wodurch die Menschen in die Lage versetzt werden sollten, die Scheinhaftigkeit ihres Lebens durch Erkenntnis zu durchdringen und hieraus ein anderes Leben zu schöpfen. Dies aber ist eigentlich ein Unding, setzt ein solcher Gedanke doch schon die Wahrheit des Theoretisierens, das Wissen um die Scheinhaftigkeit eines Wesens voraus, das verkehrt erscheint. Aber nicht dieses Wesen war Gegenstand dieser Theorie, sondern das erkennende Subjekt selbst, das sich in einer verlorenen Objektivität erhält und sich in einer scheinhaften Autonomie gegen sie totalisiert. Es bedürfe daher wieder einer Philosophie, welche Erkenntnis selbst problematisiere, indem sie über das begriffliche Denken hinausgreife, den Begriff befreit zu einem lebendigen Denken, das sich im Undenkbaren selbst gesellschaftlich bewegt. Das Denken selbst wird damit zum Subjekt, der Begriff des Gedankens durch das Undenkbare bewegt, das Ganze zur Dialektik des Denkens. Adorno vertrat also die Erkenntnis, dass Wahrheit in der Unwahrheit der Lebensverhältnisse gelebt werden müsse, weil sie selbst schon das werdende Anderssein enthalte und von da her auch die Weltveränderung in sich trage. Das allerdings umfasst die Behauptung, dass Erkenntnistheorie selbst eine Theorie der Gesellschaft sei und von daher in ihrer Konsequenz eine andere, eine wahre Gesellschaft beanspruchen müsse, worin ein "richtiges Leben" möglich sei.

So war diese Rückbeziehung auf die Philosophie neu begründet aus der Desolatheit der bürgerlichen Objektivität und dadurch politisiert, dass Erkenntnis und ihre Zerstörung (ihre Verdinglichung zu einem Verblendungszusammenhang) selbst das Problem des Kapitalismus sei. Damit aber war die Frage aufgeworfen, wie sich Erkenntnis für sich als Wahrheitsfrage überhaupt politisch verstehen lässt. "Wahrheit" als Begriff für sich – also unabhängig von ihrer Substanz (wie z.B. Hegels Idee oder Marxens Abstraktion) - ist ein erkenntnistheoretisches Konstrukt, das von Hegel als das Identische des Begriffs bezeichnet wird, als das, was das Begriffene, das Begriffen-Haben kennzeichnet, weil es in sich widerspruchsfrei, also im Ganzen unzweifelhaft sein muss. Dieses Konstrukt soll aber laut Adorno Totalitarismus begründen und müsse daher umgekehrt werden. Und aus der Umkehrung soll sich Gesellschaft erst konstitutieren, indem alles Ganze bezweifelt wird, Gesellschaft also dadurch menschlich wird, dass darin der Zweifel herrscht, weil der Zweifel für die Philosophen Leben bedeutet. Darin finden sie, was sie in ihrer Systematik verloren haben und das genau ist es, was Adorno über den Begriff hinausgreifen und im Nicht-Identischen finden will – nicht als Frage des Denkens, wozu es objektiv sein will oder muss, sondern als begriffene Objektivität, die im Nachhinein ihrer Totalität nicht vorhandenes Leben im Zweifel sucht.

Es ist eigentlich eine praktisch schon vollzogene Umkehrung des Erkenntnisprozesses, die hier im Zweifel aufgelöst werden soll. Und die hat Folgen: Wenn Erkenntnistheorie zu einer Gesellschaftstheorie werden soll, dann wird Gesellschaft und Erkenntnis gleichgesetzt und Gesellschaft als solche unerkennbar, ungegenständlich. Das verkehrt das Verhältnis von Analyse und Wahrheit, macht aus den philosophischen Werkzeugen des Denkens selbst schon gesellschaftliche Werkzeuge, die den Menschen anzutragen wären, um sich nicht den Fetischen der Gesellschaft zu unterwerfen, um sich nicht zu verdinglichen in einer Gesellschaft, welche nicht Erkenntnis, welche also nicht wahr ist. Gesellschaftliche Veränderung wird demnach vor allem zu einem Prozess der Erkenntnis, gesellschaftliche Macht zu einer bloßen Unwahrheit. Der gesellschaftliche Stoffwechsel hat darin kein notwendiges Sein.

Es ist ein verhängnisvoller Zirkel, gesellschaftliches Handeln darin zu begründen, dass man ihre Wahrheit als Ganzes in Frage stellt und zugleich die Wahrheit des Zweifels als gesellschaftlich notwendige Erkenntnistheorie behauptet. Ein gesellschaftlich notwendiger Zweifel am gesellschaftlichen Ganzen kann nicht theoretisch begründet sein. Er selbst ist die subjektive Basis aller Theorie, ihre Bedingung und ihr Anlass. Und die Theorie selbst muss zweifelsfrei sein, erst recht eine Erkenntnistheorie. In der Analyse ihres Gegenstands wird der Zweifel in der Erkenntnis eines Widerspruchs aufgehoben oder verworfen. Wird er selbst als Lebensprozess im Sinne einer negativen Dialektik verstanden, so entgegenständlicht er sich zur reinen Theorie, die sich selbst Stoff genug ist. Dieser ist aber genau das, was der Gegenstand ihrer Kritik sein soll: Identität eines Ganzen, wenn auch eines ausgeschlossenen Ganzen. Aber gerade in der hier notwendigen Beziehung von Kritik und der Veränderung der Gesellschaft, also dort, wo Theorie ihren wichtigsten Grund hätte, das Ineinander Übergehen, die Transzendenz und Erneuerung zu begreifen und voran zu treiben, da versagt kritische Theorie, weil es ihr um selbstreflektierende Wahrheit geht, nicht um wahre Aussagen zu einem geschichtlichen Gegenstand. Es reicht seine Abweisung, seine Absurdität als solche, Kulturindustrie, die sich alleine aus ihrer Lüge zu begründen scheint.

So wurde das adornitische Denken selbst zu einer Wahrheitsbehauptung, die sich nicht mehr an ihrem Gegenstand beweisen muss, weil sie durch dessen Unwahrheit schon begründet ist. Es wurde also zu einer Theorie vom wahren Bewusstsein als solches, das im unreflektierten Sein durch Verdinglichung verblendet ist, vom grellen Schein der Warenwelt, dem Warenfetischismus, der wie von einer Macht betrieben wird, die in der Lage ist, die Menschen zu verblenden. Nicht ihr ureigendstes Bewusstsein ist im Schein der Welt befangen, solange es ihn nicht – z.B. mithilfe des theoretischen Bewusstseins - zu durchdringen vermag, sondern die Übermacht kapitalistischer Inszenierung verstellt eine Wahrheit, für welche die Menschen zu sensibilisieren seien, um sich dem Kapital widersetzen zu können. Sein und Bewusstsein fallen darin auseinander. Seltsamerweise sieht sich Adorno gerade in diesem Zusammenhang als Marxist. Immerhin bezieht er ja aus Marx allein die Begründung der Falschheit seines Gegenstands. Aber der war zu diesem Beweis gerade durch die Kritik des erkenntnistheoretischen Verhaltens der Philosophie gelangt, durch die Kritik des interpretativen Verhältnisses zu ihrem Gegenstand.

Der nicht-identitäre Marxismus ist wie der identitäre eine Verabsolutierung des Denkens als Prinzip einer Erkenntnistheorie, eine Verkehrung von dem, was Marx unter Analyse der Wirklichkeit und "Diesseitigkeit des Denkens" verstanden hatte. Er forderte, dass Philosophie sich den "wirklichen Lebensprozess" der Menschen zum Ausgang ihres Denkens zu machen habe, weil "die Wirklichkeit zum Gedanken drängt". Identität kann nur in der Erkenntnis widersprüchlicher Wirklichkeit sein und diese verlangt nicht nach Nicht-Identität des Gedankens, sondern nach ihrer Veränderung. Hinter dem Prinzip der negativen Dialektik als Prinzip des nicht Identischen versteckt sich eine ungeheuerliche Identität als bloßer Wirklichkeitsentzugs. Diese selbst wird als unwahr angesehen, als falsche Totatlität, als System an sich: Kapitalismus, als Täuschung an sich. Dem kann man sich nur durch Verneinung entziehen, durch die Sensibilisierung des Bewusstseins, das sich selbst gegen die Täuschung verändern, sich selbst ästhetisch befreien, schön werden will. Es wird zu einem Bewusstsein des Bewusstseins, eine ästhetische Theorie, die letztlich nur in einer Kunst eine Lebensform hat, die sich als eine ewige Wahrheit zwischen Hässlichem und Schönen bewegt: Die klassische Kunst. Darin aber wird Theorie unendlich und unnötig, verlebt sich in der Wahrheit, dass das Ganze mit sich nicht identisch ist – dass es also keine Tautologie sein kann. Und das ist trivial.

Zwar gründet der Kapitalismus nicht auf einer Täuschung, sondern auf einer Abstraktion. Aber auch Marx hatte konstatiert, dass die Lebensverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft nicht als das erscheinen, was sie gesellschaftlich sind, dass sie in dem verkehrt erscheinen, was ihre Wirklichkeit ausmacht:

"Das Geheimnisvolle der Warenform besteht ... einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen." (Marx im Kapital I, MEW 23, S. 86-87)

Mit seinen Ausführungen zu diesem notwendigen Schein, der sich im Geld verkörpert und der den Warenfetischismus ausmacht, dem die Menschen in ihrer Vereinzelung ausgesetzt sind und dies in ihrem praktischen Bewusstsein auch formulieren, hatte Marx aber lediglich die objektiven Gedankenformen angegriffen, welche sich vor die Erkenntnis des wirklichen Lebensprozesses stellen. Aus dem Warenfetischismus begründen sich die Ideologien, welche die Bürger sich zu ihren Lebensverhältnissen machen, was sich also die Träger des Besitzstands, des Geldes, in der Gebundenheit hieran von ihrem Leben vorstellen, solange sie es haben. In ihren Ideologien erscheinen die Verhältnisse als das, was durch Geld in seiner absoluten Gedankenform möglich scheint: Freiheit, Gleichheit und Verbundenheit aller Menschen. Diese objektiven Gedankenformen, welche die bürgerliche Gesellschaft wie eine Naturnotwendigkeit zur "Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" (Immanuel Kant) erscheinen lassen, kann nur durch die Erkenntnis menschlicher Subjektivität in ihren Verhältnissen überwunden werden, indem diese als Form ihrer Lebensäußerung und Selbstentfremdung begriffen werden. Mit seinen Ausführungen zu diesem notwendigen Schein, der sich im Geld verkörpert, hatte Marx die Notwendigkeit eines kritischen Bewusstseins, eines theoretischen Bewusstseins aufgezeigt, das sich von den Gegebenheiten des praktischen Lebensprozesses unterscheidet und sich darauf durch Hinterfragung seiner Begründung bezieht. Dieses begegnet dem praktischen Bewusstsein als Theorie der Praxis und vereint sich darin, weil Gedanken und Wirklichkeit in ihrer Trennung nichtige Verselbständigungen, ihrer Vereinzelung dem Inhalt nach inadäquat sind und weil daher "der Gedanke zur Wirklichkeit drängt" (Marx in der Einleitung zu Hegels Rechtsphilosophie), weil diese nach ihm zur Erneuerung der menschlichen Lebenspraxis verlangt.

Bei Marx waren die objektiven Gedankenformen keine Unwahrheiten, sondern durch die Form ihrer Gesellschaft bedingt, in welcher die privaten Arbeiten und Bedürfnisse nur in der Geldform wirklich gesellschaftlich auftreten. Es waren gedankliche Formen der gesellschaftlichen Formation des Geldes, denen durchaus beizukommen war durch Hinterfragung und Aufarbeitung ihrer Begründungen. Es ging dabei also nicht um Täuschung oder Fehlerhaftigkeit, sondern um die Diskussion ihrer Gründe, dem Fortschreiten des Bewusstseins im Seienden, nicht um den Vorwurf des Ideologisierens, sondern um die Darstellung, was Ideologie überhaupt reflektiert.

Aus dem emanzipatorischen Verständnis in der Aufarbeitung des notwendigen Scheins der bürgerlichen Lebensverhältnisse, im Bedenken ihrer Ideologien, war aber in der Fortentwicklung des Marxismus vor allem durch Lukács eine Verdopplung des Bewusstseinsbegriffs entstanden, indem er das bürgerliche Bewusstsein als "notwendig falsches Bewusstsein" hinstellte und damit implizit das marxistische Bewusstsein als notwendig richtiges, weil der Arbeitswirklichkeit entnommen. Von der Seite der Philosophie her meint Adorno etwas ähnliches: Der Begriff des Warenfetischismus wurde zur Rückführungsformel auf falsches Bewusstsein, das lediglich in Methodik und Denken aufgespürt werden muss, um schon abgewiesen zu sein, das also nicht mehr bedacht und auf seine eignen Gründe hin nachvollzogen werden muss.

Dadurch war ein kritisches Verhältnis zu den Prozessen der Bewusstseinsbildung aufgehoben: Angepasstes - und das meint "verdinglichtes" – Bewusstsein, ist lediglich eine Unsensibilität gegen das Wahre und also ein Problem der Ästhetik, welche die "Wunde der Erkenntnis" (Adorno in der Einleitung zur Asthetik) als Kunst hervortut. Konsequent gedacht, kann eigentlich nur diese hiernach zur Befreiung verhelfen, weil sie im Widerspruch der Erkenntnis und ihrer Beugung ist.

Der Warenfetischismus war aus seiner Erklärung herausgenommen und zum Phänomen der Verfälschung geworden, welche die "Verdinglichung" den Menschen aufzwingt und das solange wirkt, wie sie den Schmerz darin nicht empfinden, nicht "wahr sein" wollen. Der Vorwurf des "Fetischisierens" reicht damit aus, um Sensibilität zu beanspruchen – ein El Dorado des intelligiblen Intellekts, der seine Empfindungslosigkeit mit Gedanken garniert. Dies reicht bis in unsere Tage (vergl. z.B. die Ableitungsbemühungen von Postone zum Antisemitismus und die Argumentation der daraus hervorgegangenen Antideutschen) und hat wesentlich dazu beigetragen, Reaktion und Faschismus als Resultat einer Geschichte falscher Gedanken, also als Denkfehler aus bloßem Verfälschungsinteresse abzutun. Falsches Bewusstsein wird somit nicht durch die Rückführung auf die Verhältnisse, die es reflektiert, und den Beweis seiner falschen Bezugnahme und Schlussfolgerung erwiesen und zu einem "Schmerz der Erkenntnis" (Hegel) der Gründe des Seienden (Marx) gebracht, sondern durch "marxistische Identität" bekämpft, die sich aus den von Marx überlieferten theoretischen Resultaten begründet. Die Frage der Wahrheit war mit der Unmöglichkeit des Zweifels abgewiesen. Wirkliches Denken als Denken der Wirklichkeit war damit aufgehoben und Marxismus zur Meßlatte, an welcher sich alles andere Denken abhandeln ließ.

In Politik und Wissenschaft wurde Wahrheit, Wissensbildung und Bewusstsein von marxistischer Seite her zunehmend moralistisch und die Erkenntnisproblematik zwischen Wissen und Gewissheit unter bürgerlichen Existenzbedingung verdrängt, bzw. im Sinne der Kant’schen Vernunft zurückgenommen und zu einer Wissenschaft für linke Ethik gewandelt, die keiner materialen Grundlage mehr bedurfte. Das positiv Menschliche wurde zu einer schlichten Selbstverständlichkeit des gutmeinenden Theoretikers, dessen Güte mit marxistischem Humanismus hinreichend ausgewiesen sein sollte und der darin seine Erkenntnisprobleme zum Pragmatismus eines sublimen, weil selbstbestimmten Positivismus kehrte und die Kritische Theorie zu einer Anwendungswissenschaft einer freien, also unbestimmten Dialektik verkehrte. Darin vervollständigte sich der Zusammenschluss imperativer Vernunft einer abstrakten Gutmütigkeit mit der Lebenspraxis von Intellektuellen und verwirklichte sich auch in entsprechender Lebensverfremdung eines identitären Marxismus, der sich in der Einforderung nach Identität, nach einem richtigen Leben verstand – für jede Identität ein Unding.

Der Marxismus ging in seiner Rückbeziehung auf die Identitätsphilosophie der Frankfurter Schule (namentlich mit Adornos Negativer Dialektik als marxistisches Selbstbewusstsein zwar ästhetisch und kulturell innerhalb der Schicht einiger Intellektuellen wunderbar auf, opferte dafür jedoch seinen wirklichen existenziellen Boden. Das "notwendig falsche" Bewusstsein wurde zum Identitätsstifter einer abgehobenen Selbstwahrnehmung, Entfremdung durch den Begriff vom "falschen Leben" ersetzt und damit die konkrete Befassung mit entfremdeter Objektivität implizit abgewiesen, beziehungsweise mit dem Etikett der "Verdinglichung" zur Hölle gejagt. Die herrschende Wirklichkeit wurde auf ihre Falschheit reduziert und das richtige Leben als Erlösung im Anderssein begriffen.

12. Postmarxismus

In Folge des identitären Marxismus entstand eine Position, die mit "negativer Dialektik" nun auch die grundlegenden Aussagen von Marx zu Arbeit und Kapital überwunden sehen wollte – zweifelsohne eine Stringenz adornitischer Weltsicht. Mit der Abweisung eines angeblich ontologischen Arbeitsbegriffs von Marx wurde ein rein intelligibles Terrain für ein Gemisch aus ökonomischer, philosophischer, kultureller, feministischer und sozialpsychologischer Systemkritik geschaffen, in welchem Marx als Zulieferer fundamentaler Gedanken erhalten blieb und als Kritiker der Lohnarbeit zu einem Kritiker der Arbeit selbst verbogen wurde. Und hierfür musste eben auch ein “schlecher Marx” errichtet werden, der mit seinem Verständnis von Arbeit schwere Fehler gemacht habe. Das ging am einfachsten, indem Marxismus selbst mit der Tradition der Teile der Arbeiterbewegung, die er schon immer angegriffen hatte, gleichgesetzt und als "traditioneller Marxismus" abgetan wurde und das “Richtige von Marx”, nämlich der Wertbegriff, zu einem Nominalbegriff von abstrakter Arbeit werden sollte, zu Arbeit schlechthin. Es war ein Rückgriff in den Frühsozialismus, den Marx einst überwunden hatte, indem er mit dem Wertbegriff die Substanz einer Formbestimmung, die Wertsubstanz eines widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisses aufgezeigt hatte, aus welchem sich die Kritik der politischen Ökonomie begründen müsse. Nun war man mit “Wertkritik” aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit dieses Widerspruchs ganz ausgestiegen. Und das kam gut an als erste Äußerungen zum Bankrott des Sozialismus im "Ostblock".

Die Fehler der Arbeiterbewegung hatten ja ihre Spuren im Zusammenbruch des "Realsozialismus" hinterlassen und die Innereien eines Machtapparats bloßgelegt, der in seiner Willkür und Kontrolle einige Ähnlichkeiten mit dem deutschen Faschismus aufzeigte. Darin ließen sich auch Elemente erkennen, welche den Gebrauch von sozialistischem Gedankengut der Arbeiterbewegung durch einen Nationalstaat demonstrieren. Dieser wurde von interessierter Seite nicht als Missbrauch marxistischer Gedanken sondern als dessen notwendige Konsequenz ausgelegt. Und auch die Marxisten haben es versäumt, die Arbeiterbewegung so aufzuarbeiten, dass eine deutliche Unterscheidung marxistischen Denkens und dieser Bewegung herauskam. Von daher entstand eine hinterhältige Ausschaltung des Marxismus durch den sogenannten Postmarxismus, der wesentliche Grundlagen der Kritik der politischen Ökonomie einfach ausblendete und sie mit eigenen Ansätzen unter Verwendung dieser Grundlagen übermalte bzw. verzerrte. Das Revival der Kritischen Theorie auf Kosten des Marxismus war äußerst flach, nominalistisch und strukturalistisch, und bestand im Wesentlichen aus dem adornitischen Imperativ gegen Antisemitismus, Wertkritik als Kritik am Wert (nicht als Kritik der politischen Ökonomie), Ideologiekritik als kritische Philosophie, Kulturkritik als Ökonomiekritik und einer nicht so neuen "Neufassung" feministischer Grundlagen in einer "Wertabspaltungstheorie".

"Der Begriff Postmarxismus tauchte in den 80er Jahren das erste Mal auf. Er steht nicht für eine bestimmte Schule, sondern eher für eine Tendenz in der gesellschaftkritischen Theorieentwicklung. Philosophen wie Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Jürgen Habermas, Ernesto Laclau, Alain Touraine, Roswitha Scholz und Robert Kurz. Theorieströmungen wie die Kritische Theorie, die Wertkritik und die Antideutschen lassen sich ihm zuordnen." (Wikipedia)

Postmarxisten weisen das Verständnis von Klassenkampf als Geschichtsreflexion von Herrschafts-Knechtschaftsverhältnissen einfach ab und sehen darin einen ökonomistischen Determinismus am Wirken, der per se ein Totalitätskonzept darstelle. Von daher bestreiten sie auch die wissenschaftliche Analyse einer gesellschaftlichen Subjektivität, also des Menschseins unter der politischen Formation der bürgerlichen Ökonomie. Sie ersetzen diese durch bürgerliche Theorien individueller Subjektivität (z.B. der Psychoanalyse), in welchen das isolierte Individuum in seiner Abspaltung selbst schon naturalisiert wird und als diese Natur seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit entgegengehalten wird. So wurde diese Wirklichkeit für die “Postmarxisten” zu dem Brei, den sie für bürgerliche Sozialwissenschaften schon immer darstellte, zu einem Gemisch von Anforderung, Zwang, Gewalt, Macht oder kurz: Wert. Von daher verbleibt die Ohnmacht als eine Wahrheit des Leidens, Wertkritik seine ebenso ohnmächtige Emanzipation, eine Erektion kritischen Verhaltens gegen alles und jeden, das mächtig erscheint ohne dass zu begreifen wäre, warum und wodurch diese Macht wirksam ist.

Die Kritik der politischen Ökonomie wurde somit durch Wertkritik zu einer politischen Ökonomie, die schließlich in eine Kritik der Ökonomie überhaupt endete. Hierzu musste der marxistische Arbeitsbegriff zum Begriff einer Abstraktion verfälscht werden, zur abstrakt menschlichen Arbeit schlechthin, der jedes konkrete Sein abgesprochen und sie selbst mit Kapitalismus gleichgesetzt wurde, letztlich reduzierbar sei auf „verbrannte Energie“.

Damit entglitt der Wertkritik die ganze Gesellschaft zu einer Energieform der Natur, die im Kapital verbrannt wäre, also dort nicht als tote Arbeit mächtig ist, sondern einfach nur sinnlos vernutzt. Solche platten Darstellungen sind zwar ganz praktisch, um aus der Kritik der politischen Ökonomie eine ideologiekritische Theorie zu machen, aber durch die Abkehr von der Naturmächtigkeit menschlicher Arbeit, welche im Kapital versammelt ist, macht er das Kapital selbst zu einer bloßen Fiktion und die Menschen zu bloßen Idioten, die nicht Geist genug hätten, um die Abstraktion der Arbeit zu begreifen. Sie sind eben "fetischisiert", einfach irgendwie krank, bekloppt oder beknackt. Er gewinnt sich als "Postmarxist" mit der Behauptung, dass die Arbeit selbst keine Rolle mehr spiele, weil sie selbst nur abstrakt bestünde, also keine konkreten Verhältnisse nötig habe. In dieser Abstraktion versteht er die Arbeit selbst schon als Kapital, als abstrakte Arbeit überhaupt, denn er will von der Tatsache menschlicher Arbeit absehen, um den Konsumenten zum Subjekt der Gesellschaft zu machen, z.B. weil die Arbeit nach seiner Auffassung den Robotern überlassen bleiben könne. Indem Robert Kurz aber von der Gesellschaftsform der Arbeit, wie automatisiert sie auch immer sein mag, absieht, sieht er auch von der Wirklichkeit der gesellschaftlichen Gestaltung ab und letztlich auch von der Wirkung, die Konsum hat, wenn er nicht auf die Erzeugung seiner Gegenstände als menschliche Vergegenständlichung bezogen ist: Barbarei. Aber genau die haben wir schon.

Mit der Verkehrung der von Marx analysierten Wertsubstanz der Ware zu einer phänomenologischen Gedankenabstraktion als ideelle Naturform einer Energie wird diese zur Grundlage einer esoterischen Ideologie und kann als sinnentleerendes Schlagwort überall verwendet werden, wo intellektuelle Ideologen sich der herrschenden Barbarei mit der Barbarei ihrer Kritik dort entgegenstellen, wo Kapital phänomenal wirksam ist und Energie "verdampft", wie Robert Kurz das nennt. Dass es sich bei Kapital um eine tote Form menschlicher Arbeit handelt, ist damit aus der Welt, denn dort soll durch ihn die Kritische Theorie einer Esoterik des Lebens an die Macht gelangen: Dessen konkrete Energie. Das wird wohl viel "verbrannte menschliche Energie" in den Köpfen seiner Gläubigen hinterlassen.

Jedes Nachdenken über Formbestimmungen der warenproduzierenden Gesellschaft im Widerspruch zu ihrer geschichtlichen Substanz als Reichtum bildende Arbeit geriet somit zu einem intellektuellen Showgeschäft mit stark populistischen Touch, an dessen Ende lediglich die Übernahme des vorhandenen Reichtums ohne Arbeit stehen soll - ein Unding der Wirklichkeit, Unwirklichkeit des Denkens, das keinerlei Gegenständlichkeit mehr kennt, keinen Arbeitskampf, keinen Arbeitstag, keine Ausbeutung und keinerlei objektive Notwendigkeit dialektischer Wirklichkeitsformen.

Die geschichtliche Entwicklung der Menschheit hin zur Aufhebung der Knechtschaft der Arbeit durch die Entwicklung selbsttätiger Produktionsmittel, also das, was dem Marxismus als Geschichtsdeterminismus vorgehalten war, wurde selbst zum unmittelbar politischen Inhalt, zur Keimform des Müßiggangs, der von der bürgerlichen Gesellschaft durch Arbeit und Aufwände der Lebensgestaltung verstellt sei. Für deren Beseitigung reicht dann die Feststellung, dass der Kapitalismus ebenso am Ende sei wie der Marxismus und die Aufforderung zum nicht Mitmachen, zum Nichtstun. Marxismus endet im Postmarxismus in einer gewaltigen Denklähmung, die sich im bloßen Protest gegen Zumutungen austoben darf und sich im Vorwurf an die Menschheit erschöpft, dass sie dem Warenfetischismus frönt. Er wurde darin zum Zirkelschluss einer Denkstruktur, die sich in der Kritik der Lebensstrukturen bestätigt und sich ohne einen einzigen substanziellen Gedanken aus den wirklichen Verhältnissen heraussetzt, um ihr Herausgesetztsein zum Gegenstand ihrer Kritik zu machen, dass nämlich die Welt nicht das ist, was ihre Kritik schon zu sein vermeint: Kritisches Sein - und das ist ein vom kritisierten Sein unterschiedenes Sein ohne Kritik, ein Widersinn in sich.

13. Die missratene Rezeption des Wertbegriffs

Die Probleme des Marxismus treffen sich alle in der Theorie einer grundlegenden gesellschaftlichen Verkehrung menschlicher Beziehungen in Subjekte, die von ihren Objekten bestimmt sind, von den Produkten ihres gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebensverhältnisses, in welchem sie dazu getrieben sind, ihre Existenz durch Unterwerfung an die objektive Macht der Märkte zu gewinnen, auf den Gebrauchsgüter- und Arbeitsmärkten gesellschaftlich zu konkurrieren, um sich privat für sich erhalten zu können. Dieses Lebensverhältnis muss daher als objektives Problem menschlicher Subjektivität in der Form einer bürgerlichen Gesellschaft begriffen sein. Auf dieser Ebene sind alle Objekte ihrer warenförmigen Existenzform und vollziehen ihre Unterwerfung je nach dem Maß, wie sie darin am Wert ihres allgemeinen Existenzmittels Geld beteiligt werden. Niemand ist über diese objektive Bestimmtheit erhaben, auch wenn er hieran nicht unbedingt wirklich leiden, Mangel verspüren muss. Solange die Produkte der Gesellschaft über die Märkte vermittelt werden, lebt jeder unter dem Diktat des Warentauschs und gewinnt seine Privatheit, indem er ihm seine Subjektivität unterstellt - sei es als Arbeitskraft, als Arbeitsloser oder Randständiger, als Agent des Staates oder als Manager von Betriebs- oder Infrastrukturen oder als Broker im Geldgeschäft. Weder das Proletariat noch instututionelle und auch nicht intellektuelle Identität kann an und für sich eine Gesellschaft menschlicher Subjekte begründen und hierduch schon die gegebene Objektivität transzendieren.

Subjektivität ist immer nur geschichtlich in der Entwicklung einer Gesellschaft, besteht darin, Geschichte zu machen, zu leben und zu verändern, was sich dem widersetzt. Sie entsteht daher in und durch die Aufhebung einer über die Menschen herrschende Objektivität, einer gegen sie gewendeten Vergegenständlichung ihres Lebens. Eine Gesellschaft menschlicher Subjekte entsteht in der Aufhebung einer den Menschen fremden Objektivität, in der Aufhebung menschlicher Entfremdung, in der Überwindung abstrakt von den Menschen begründeter Lebensbedingungen, so dass deren wirkliche Lebensäußerungen freigelassen sind und sich hieraus eine neue gesellschaftliche Gegenständlichkeit von und für Menschen erzeugt.

Das Wesen abstrakter Vergegenständlichung der Menschen ist der Wert, den ihre Gegenstände als Waren auf den Märkten der Welt haben, die als das, was sie von ihnen sind nicht für sie sind, weil sie im Warentausch auf dem Markt eine abstrakte Beziehung gründen, die den Menschen als gesellschaftliche Macht des Geldes, als objektives Subjekt ihrer Gesellschaftlichkeit gegenübertritt. Das ist die Grundlage des Marxismus, die im "Frühwerk" und im "Spätwerk" von Karl Marx ausgeführt ist, wissenschaftlich ausgewiesen im Wertbegriff und entfaltet als kapitalistisches und kapitalisierendes gesellschaftliches Verhältnis. Die ganze Beweisführung, welche diese historische Form menschlicher Selbstentfremdung als Objektivität von Sachverhältnissen als Ganzes darstellen und erweisen kann, ist so dialektisch, wie ihr Gegenstand selbst, denn dies ist die einzige Methode, die eine solche Formverwandlung von Subjektivität in Objektivität nachweisen kann.

Marx hat sie in der Analyse der Wertform in seinem Hauptwerk, dem Kapital, ausführlich dargelegt. Doch dass dieser Wert in der Darstellung von Marx nichts anderes ist als der Begriff des Besitzverhältnisses, des Privateigentums ist, wie es Marx schon in seinen Frühschriften in der Kritik des Privateigentums als Ausdruck menschlicher Selbstentfremdung dargelegt hatte, ist weitgehend untergegangen, um sich der Subjektivität des Marx'schen Werks möglichst leise zu entziehen - mit fatalen Folgen für dessen Gesamtverständnisses.

Wie die Geschichte der Marx-Rezeption zeigt, wurde der spezifisch gesellschaftskritische Gehalt des Wertbegriffs als durchschnittsbildende Substanz der Arbeit, als auf ihre Abstraktion reduzierte Arbeit, auf abstrakt menschliche Arbeit verwirklichte Produktion und Reproduktion weitgehend missverstanden. Nicht nur dass Wert menschliche Arbeit wie menschliche Bedürfnisse nur abstrakt darstellt, ist für die Kritik der politischen Ökonomie von Bedeutung, sondern auch wie und warum sich darin die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu leeren und mächtigen Formbestimmungen verwandeln. Als Ware verhält sich das Privateigentum im Warentausch zwischen einem Dasein als Mittel des privaten Nutzen zum Dasein seiner abstrakt allgemeinen Bedingung seiner gesellschaftlichen Produktion. In diesem Verhältnis ist kein konkreter Wert als bestimmtes Quantum realer Verhältnisse möglich. Er ist nur durch den Tauschwert als Preisform, also relativ zur zirkulierenden Geldmenge gegeben, in der er wie ein zufälliges Verhältnis auftritt, das sich erst durch seine Wertform erklären lässt (siehe hierzu auch "Über die Grundlagen und Ziele der Marx'sche Dialektik  in der Entwicklung der Wertform aus den Verhältnissen der Tauschwerte")

Von da her kann es kein formales marxistisches Argument geben, keinen "Klassenstandpunkt" als solchen (siehe hierzu Klassengegensatz), kein Geld als solches und auch keine bloß monetäre Ungerechtigkeit (siehe Verteilungsgerechtigkeit). Das bürgerliche Recht ist ein Unrecht im Großen und Ganzen, weil es als Privatrecht auf die Aneignung gesellschaftlich erzeugter Produkte gründet, also die private Macht des Besitzenden gegen den Besitzlosen bestärkt, der Leisten muss, was durch Geldbesitz angeeignet wird, und der einen Wert erzeugt, dessen Preis ihm nicht bezahlt wird (siehe unbezahlte Arbeit). Durch die Einforderung einer leeren Gleichheit der Menschen in Sein und Bewusstsein werden Menschen gleichgemacht im Interesse einer Gleichschaltung, zum Objekt einer Gleichbehandlung durch die Institutionen, die sie vergleichen und sortieren.

Der Ruf nach Gerechtigkeit kommt aus der Erfahrung von Ausbeutung, Ohnmacht und Gewalt. Indem er sich als Forderung nach monetärer Gerechtigkeit artikuliert, verharrt er in der Ohnmacht, der er entspringt, in der Abstraktion seiner Isolation, die nur Geld einfordern kann, um zu bleiben zu können, was sie ist. Es stand im Anfang der Kritik , im Proletariat seine menschliche Subjektivität zu begreifen, die von einem objektiven Subjekt des Geldes, dem Kapital, beherrscht wird. Aber die Wendung des Proletariats zum Subjekt einer neuen Gesellschaft reicht nicht aus, um diese damit zu begründen. Einmal deshalb, weil Proletariat selbst noch ein Formbegriff ist, mit dem kein Subjekt beschrieben werden kann. Zum anderen deshalb, weil es sich alleine aus einem Arbeitsprozess begründet, der in der Abtrennung von seinem Sinn, seiner Kultur, nur als Aufwand, also selbst als rein objektiver Nutzen seiner wirtschaftlichen Effizienz begriffen ist. Und schließlich auch deshalb, weil sich aus ihm nicht ein wirkliches Gemeinwesen erklären lässt. Dieses kann nur dort entstehen, wo Kultur und Ökonomie, wo Sinn und Nutzen zusammenfinden.

14. Der Kommunalismus als Transformation des Kapitalismus durch Vergemeinschaftung

Die Pariser Kommune war als geschichtliches Beispiel für einen Kommunismus im Kommunistischen Manifest erwähnt. In der Tat fand in den wenigen Monaten ihrer Existenz ein Zusammentreffen aller gesellschaftlichen Beziehungen darin statt, bevor sie von den Regierungstruppen niedergemacht wurde. Ihre Bildungsgeschichte zeigt einen wesentlichen Schritt zu einer gesellschaftlichen Produktion: Die gesellschaftliche Beschlussfassung und Verteilung der Produktion und ihrer Produkte. In dieser noch kleinen Gestalt ließ sich die Möglichkeit beweisen, abstrakte Arbeitsteilung durch konkrete gesellschaftliche Beziehungen aufzuheben. Von daher ist eine kommunalistische Bewegung durchaus in diesem Sinn verständlich. Viele solcher Bewegungen, die hiernach entstanden, reduzierten ihre Ziele auf die bloße Humanisierung ihrer Beziehungen, auf eine solidarische Vergemeinschaftung ihres Besitzes, dessen Erzeugung von daher immer noch auf einer bloß willentlich vorgestellten, und damit willkürlichen Bestimmung der Arbeit beruht, - entweder durch die Freiwilligkeit der Beitragenden oder durch einen höheren Zweck jenseits der konkreten Verhältnisse bestimmt, der die Güte oder den Reichtum der Gemeinschaft als ihr Gemeinwohl befördern soll.

Menschliche Gesellschaft gründet jedoch auf den Notwendigkeiten ihrer Naturmächtigkeit, begründet sich also immer aus ihrer Produktivkraft. Diese erfordert eine gesellschaftliche Organisation ihrer Nutzung und Fortbildung und verlangt ein hierauf gerichtetes Bewusstsein. Der Kapitalismus hat eine industrielle Produktion hervorgebracht, welche die historische Grundlage seiner Überwindung ist, auch wenn eine solche Produktionsweise mit zunehmender Automation sich zunehmend aufheben lässt. Diese Entwicklung einzugehen verlangt ihre bewusste gesellschaftliche Bildung. Eine Kritik der industriellen Produktion ist keine Kritik des Kapitalismus, sondern eine Kritik seiner produktiven Verwertungsstrukturen, deren Überwindung schon durch die Aufhebung seines Rechtsverhältnisses, dem Privatrecht der politischen Ökonomie freigemacht wird. Dem Bedürfnis nach einer Vergemeinschaftung der Menschen kann nur die politische Gemeinschaft ihrer Beschlussfassung über die Produktion als Vergegenständlichung ihrer Bedürfnisse entsprechen. Es verlangt nach einer Gesellschaftsform, welche nicht unmittelbar politisch und nicht unmitelbar ökonomisch, sondern durch eine wirtschaftliche Politik begründet ist. Das Verlangen nach einer Gemeinschaft der Menschen im unmittelbarem Verhältnis zu ihrer Natur ist hiergegen reaktionär (siehe "Transformation in eine "bessere Welt" - oder die Permakultur der Reaktion?").

Leicht wird Marxismus in der Absehung von konkreten Machtverhältnissen, Interessen, Zwängen und Gewalten zu einer humanitären Gesinnung, die mit der bürgerlichen Humanitas, der Besorgnis der Reichen um die Unmenschlichkeit ihres Reichtums wetteifert. Marxismus hat humanitäre Grundlagen, aber er ist keine Lehre vom guten Menschsein. Er kritisiert die Verhältnisse nicht vom Standpunkt des Guten und Schönen ihres Überwunden-Seins, sondern vom Standpunkt eines Lebens, das die ihm entfremdete Form zu überwinden sucht - also subjektiv. Daher geht es ihm wesentlich um die Auflösung von Abstraktionen, durch welche solche Formen entstehen, in denen dieses Leben untergeht. Es geht ihm um die Kommunalisierung menschlicher Beziehungen durch eine menschliche Gegenständlichkeit der Sachen und eine sachliche Menschlichkeit der Gesellschaft, die sich in der Wechselwirkung von Einzelnem und Allgemeinem, von Individuum und Gesellschaft, von Unten und Oben gestaltet.

Hierfür müssen alle wesentlichen Bereiche dieser Gesellschaft, namentlich Ökonomie, Kultur und Gemeinwesen, in ihrer dem Menschen entfremdeten Gestalt, in ihrer Besessenheit durch Besitzverhältnisse, aufgedeckt, erklärt und begriffen sein, um darin die Formen zu sprengen, die nichts als überkommene Strukturen einer Entfremdungsmacht sind, die sich die Menschen im Lauf ihrer Geschichte zugelegt haben.

Marx hat gezeigt, dass dies ihren Sinn durch ältere gesellschaftliche Formen der Arbeit gehabt hatte, dass z.B. zur Entwicklung wirklich menschlichen Reichtums die große Industrie des Kapitalismus und die Zusammenführung einer hoch komplexen Arbeitsteilung nötig war. Und er hat gezeigt, dass sich darin zugleich die Macht entwickelt, welche die Menschen an ihrer Entwicklung zu hindern sucht in dem Maße, wie diese gesellschaftliche Notwendigkeit der Geschichte der Arbeit überholt ist. Das gleiche gilt für den bürgerlichen Staat und die bürgerliche Kultur. Ihre Herrschaftsformen sind längst von ihrem Grund her am Ende und für die Menschen unnötig geworden und zum Organ ihrer Ausbeutung geraten. Es wird aus der Untersuchung entfremdeter Formen sich von selbst die Möglichkeit entwickeln lassen, ihre Aufhebung zu betreiben und die Zusammenhänge, die darin formalisiert und getrennt sind, durch die Menschen in eine unmittelbare Beziehung von Ökonomie, Kultur und Gemeinwesen zu bringen und zu verwirklichen (siehe hierzu auch internationale Kommunalwirtschaft. Die entfremdeten Formationen müssen insgesamt und ganz begriffen sein, um in Geschichte, d.h. in einen praktischen Aufhebungsprozess überführt zu werden - wie immer man diesen auch bezeichnen will. Zwischen Transzendenz und Revolution sehe ich als wesentlichen Unterschied, dass Transzendenz dem Begriff nach (transzendieren versus revolare) auf eine Rückführung der Geschichte auf den Menschen verzichtet. Es wird eine politische Frage sein, wie weit das gelingen kann, wie weit sich aus reformistischen Interessen überhaupt eine Subversion der bürgerlichen Gesellschaft ergeben kann. Diese Frage wird zugleich nur durch die Kritik des politischen Willens wirklich gelöst werden können. Denn bei allem gilt: "Die Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffen nicht ersetzen" (Marx). Kritik der Politik heißt aber letztlich, dass Wirklichkeit nur durch Bewusstsein angeeignet und verändert werden kann, - nicht als politischen Bewusstsein, sondern als Bewusstsein der Wirklichkeit, welche ihre Veränderung schon in sich trägt und diese durch Aufhebung ihrer Verkehrung wahrgemacht wird, die Kritik der politischen Ökonomie zu einer ökonomischen Politik gewendet werden kann. Von daher muss sie in all ihren Momenten in Form und Inhalt begriffen sein, soll daraus ein neuer Lebenszusammenhang hervorgehen, der den alten wirklich und ohne Revision zu überwinden vermag.

B) Von der Kritik der politischen Ökonomie zu einer wirtschaflichen Politik der Menschen

Man kann die vielen oben aufgeführten Aspekte als Gesamtproblematik des Marxismus darin zusammenfassen, dass er ein Missverständnis von Emanzipation enthält. Dieses lässt sich in drei Momente gliedern:

Die Arbeiterbewegung war bisher nur entweder als eine ökonomische oder als eine politische Bewegung aufgetreten, welche einmal mehr Anteile am Produkt erstrebte oder welche die Ökonomie selbst durch Politik bestimmen wollte. Von daher konnte sie Ökonomie nicht als die wesentliche Eigenschaft der Politik selbst begreifen, sich also nicht gegen die Rechtsform der bürgerlichen Ökonomie adäquat zur Wehr setzen. Es geht aber darum, die bürgerliche Ökonomie als Politik eines Besitzstandes anzugreifen, um eine wirtschaftlich arbeitende Gesellschaft zu erreichen, in welcher Arbeit Sinn für die Menschen hat und bildet. Weder Arbeit noch Proletariat kann bestimmend für eine Gesellschaft sein. Gesellschaftsbildung und -entwicklung ist der Prozess der Kulturbildung in einem Gemeinwesen, worin Arbeit ihr wichtigstes Mittel und Kultur der Ort ihrer Auseinandersetzung ist, ökonomischer Nutzen und die Bedürfnisse der Menschen zusammenfallen, das Lebensmittel selbst menschliche Kultur vermittelt.

Der Arbeitsbegriff als Erzeugungsbegriff für menschlichen Reichtum, als Begriff eines nötigen Aufwands, kann kein Bedürfnis nach menschlicher Emanzipation artikulieren, weil Reichtum sich nicht aus Aufwendungen erklärt, sondern aus der Entfaltung menschlicher Subjektivität und Sinnlichkeit. Diese ist zwar in ihrer Negation tätig, wenn sie die Formen der Beherrschung und Aneignung von Arbeit und Kultur angreift. Sie muss zugleich aber auch als Sinnfrage die Auseinandersetzungen der Menschen erfüllen und sich darin entwickeln, um die Beschränktheiten und Selbstbeschränkungen der bürgerlichen Ökonomie und Kultur auch wirklich zu überwinden. Kultur und Ökonomie werden nur durch dies beides zu einem neuen Gemeinwesen gelangen und in der Bewegung dahin eins.

Alle Gedankenformen politischer Identität bleiben Interpretationen von Geisteshaltungen, die ihren Willen darin verbergen und naturalisieren. Solange sie sich nicht in ihrer Wirklichkeit erkennend verhalten und beweisen, bleibt ihr praktisches und theoretisches Interesse eine politische Formation dieses Willens. Marxistische Politik besteht ganz wesentlich aus der Kritik des politischen Willens selbst und damit aus der Aufhebung von Politik. Unabhängig von den Inhalten kommunaler Kulturen kann keine politische Entscheidung wirklich menschliche Geschichte begründen. Politik muss daher durch Wissenschaft und Arbeit ersetzt werden, die sich auf ihr Gemeinwesen beziehen und darin ihren Sinn erweisen und beweisen und sich also einfach darin bewahrheiten, dass sie zu einer freien Beziehung von Individuum und Gesellschaft verhelfen, indem sie jedes Individuum als "Ensemble der Gesellschaft" begreift – gesellschaftlich bedingt wie auch Gesellschaft stiftend.

Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass die wissenschaftliche Arbeit von Karl Marx und ihre Resultate die Anstürme der Zeit und verkürzter Gedanken überstanden hat und nötiger sind denn je. Darauf ist öfter nochmal zurückzukommen (siehe hierzu auch ../../systematik/oekonomie/index.html). Außerdem liegen bereits Skizzen einer Kritik der politischen Kultur vor, die noch ausgeführt und weiter diskutiert werden müssen (siehe hierzu z.B. ../../systematik/kultur/index.html). Es fehlt noch an der Darstellung der Formationen des bürgerlichen Staats, an der Kritik des politischen Willens, weil dagegen auch von der Linken noch am wenigsten aufgegriffen wird.

Doch was sich aus der Kritik des bisherigen Marxismus schon deutlich herausschält ist die Notwendigkeit, die Wendung der kapitalistischen Gesellschaft neu zu begreifen als Revolutionierung einer ganzen Wirtschaftsweise von dem Äquivalentenstausch (Marktwirtschaft) zu einem wirtschaftlichen Verhältnis, das durch die politische Synergie einer Ergänzungswirtschaft getragen wird. Ein Äquivalententausch, also die Gleichsetzung von Unterschiedenem, beruht immer auf einer Abstraktion zugunsten eines abstrakt allgemeinenen Zusammenhangs gegen den wirklichen Lebenszusammenhang der Menschen. Gesellschaftliche Lebensbeziehungen der Menschen beruhen aber in Wirklichkeit auf dem Zusammenhang des Unterschiedenen in einem gesellschaftlichen Ganzen, auf einem ergänzenden Verhältnis der Individuen, die in ihrer Gesellschaft nur wirkliche Geschichte machen, wo sie durch ihr Ergänzungsverhältnisse Gesellschaft nicht nur erzeugen, sondern auch sich an ihrem Erzeunis gesellschaftliche bereichern und fortentwickeln. Der Weg in eine internationale Ergänzungswirtschaft kann konkret nur über die einfachen wirtschaftlichen Verhältnisse gehen, die an ihrer unmittelbaren Wahrheit auch erwieden werden kann. Die Umkehrung der politischen Ökonomie des Kapitals zur wirtschaftlichen Politik eines gesellschaftlichen Gemeinwesens kann daher auch nur über die Kommunen in die Regionen, Länder und Kontinente verlaufen. Im Prinzip handelt es sich um ein internationes Netzwerk der Kommunen, wie sie horizongtal und vertikal, also auf Aufenhöhe und in einer sich immer wieder neu erweisenden und sich bewährenden politischen Hierarchie durch qualifizierte Delegation in einer internationalen Kommunalwirtschaft umsetzbar ist.

 

1. Es geht um die Geschichte aus der Marktwirtschaft zu einer internationalen Ergänzungswirtschaft

Die Aufhebung der gegenwärtigen Gesellschaft wird ein langer Prozess sein, der parallel zur Verelendung eines immer größeren Teils der Menschen verläuft. Die bisherigen Vorstellungen müssen wissenschaftlich analysiert, zu Ende gedacht und ihre Umsetzung erarbeitet werden. Eine erfolgreiche Handlung verlangt diese Arbeit, um sich in einem gesellschaftlichen Zusammenhang auch begreifen zu können, um gesellschaftlich bewusst zu handeln. Ohne dieses Bewusstsein werden früher oder später alle Proteste zu Seifenblasen, alle Streiks zum Selbstbetrug und die Verbesserungen der Möglichkeiten des Kapitalismus zu seiner Stabilisierung beitragen und seine fortschreitende Zerteilungsmacht die Isolation und Zersplitterung der Verhältnisse totalisieren. Es muss einen Weg zwischen dem Reformismus der Armutsverwaltung und Selbstorganisation und der endlosen Ausweitung der Möglichkeiten des Kapitalismus (z.B. Lohnkämpfe, Arbeitszeit) geben. Zur Aufhebung der Verwertungsindustrie wird es kommen, wenn sich als Erstes eine kommunale Subsistenzindustrie für die Grundsicherung der Menschen schaffen lässt, welche die "Naturmacht des Kapitals" unwirksam macht, weil sich immer mehr Menschen seinen Erpressungen entziehen können und ihm also auch sein Humankapital ausgeht. Besetzungen und Blockaden müssen eine Richtung bekommen, durch die sich ein Weg auftut, der über die Momente hinausweist. Und die Schrittfolge in diese Richtung wird immer größere Füße bekommen, wenn sie ihre adäquaten Mittel findet.

Für ihre Umsetzung und Verwirklichung sind eigentlich nur vier Bedingungen zu erfüllen:
1. Überwindung des Privateigentums an gesellschaftlichen Gütern durch Entrechtung von Schuldverhältnissen und Eigentumstitel und der Vergesellschaftlichung eines Rechengeldes
2. Überwindung der repräsentativen Demokratie durch die qualifizierte Delegation von demokratisch ausgemachten Ratspersönlichkeiten (Rätesystem)
3. Überwindung der Marktwirtschaft durch Vertragswirtschaft zur Subsistenz- und Reichtumsbildung
4. Sozialisierung des Mehrprodukts durch regionale und überregionale Akkumulation (internationale Kommunalwirtschaft)

Das Problem dabei ist, dass alles fast gleichzeitig geschehen muss, um auch Kraft zu bilden - nicht in einem Moment, doch in den Verhältnissen einer Geschichte, die sich aus lokalen wie globalen Beziehungen ergibt. Die Ohnmacht muss mit jedem Schritt an Boden verlieren. Gewerkschaften, Genossenschaften, Belegschaften, Arbeitslose, Ingenieure, Ärzte, Künstler und, und, und ... werden nötig sein, um sich in diesen Zielen zu versammeln und zu einer gesellschaftlichen Kraft zu werden, wenn sie mit ihrem Fortschritt zugleich auch ihre Selbsterhaltung sichern können. Niemand wird das für sich und alleine schaffen und schon gar nicht durch kühne Entwürfe einer durch sich selbst und ihrem Willensentschluss ermächtigten revolutionären Politik. Revolution ist ein langer Prozess, der mit dem Kopf beginnt und in der Verwirklichung der vorhandenen gesellschaftlichen Potenziale, den Substanzen der Veränderung aufgeht. Von der lokalen Notgemeinschaft ausgehend werden sich Notwendigkeiten eines Netzwerks entwickeln, denen sich auch zunehmend allgemeinere politische Entscheidungen fügen werden, da auch das Parlament in seiner bloßen Repräsentanz überflüssig wird und sich die Parlamentarier dem Kapital zu entziehen lernen. Sie werden selbst beratend tätig, wenn sie in die Entwicklung einer wirklich wirtschaftlichen Politik entsprechend einbezogen sind. Denn jede Klasse wird sich darin aufheben, wenn sie die Isolation ihrer Formbestimmtheit in einer längst vorhandenen gesellschaftlichen Verbundenheit der Menschen aufhebt, indem sie für alle verträglich gemacht wird. Eine internationalen Kommunalwirtschaft kann nur das Werk aller sein. Und das ist ihre große Chance. Wenn das allgemeine Ziel eine klassenlose Gesellschaft ist, so ist der einzig mögliche Weg die Aneignung aller Wirtschaftskraft durch die Menschen. Der Übergang ist fließend, eine Übergangsgesellschaft unnötig.

Aber eine solche Gesellschaft kann es letztlich nur als Weltgesellschaft geben. Solange das Leben der Schwachen zum Mittel der Starken wird, ist sie absurd. Außerdem ist die Lebensgrundlage aller Menschen die ganze Natur dieses Planeten. Jeder wird in seiner Ecke etwas anderes finden. Eine klassenlose Gesellschaft ist durch Ergänzungswirtschaft erst rational. Internationale Verträge müssen diese Rationalität aushandeln, wenn sie wirklich allen Menschen nützen sollen. Und nur dieser Nutzen kann das wirkliche Ziel sein, weil er die Rationalität der Notwendigkeiten dieser Geschichte enthält, ganz gleich, wie die verschiedenen Kulturen sich darin bestätigt finden können. Der Nutzen ist nur wirtschaftlich bestimmt. Und seine Vernunft muss ein politisches Ziel formulieren, das die Unwirklichkeiten, Mystifikationen und Ressentiments dieser Welt Schritt um Schritt auflöst, wie immer sie auch kulturell verankert sein mögen. Denn Kultur wird immer subjektiv sein und muss dies auch bleiben, weil ohne Subjektivität keine Objektivität sinnvoll sein kann.

2. Die Grundpositionen

1. Die bürgerliche Gesellschaft hat sich darin aufgehoben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, die Produktion von Mehrwert durch produktive Arbeit in einem zur Werterhaltung des umlaufenden Geldes nötigen Ausmaß sicher zu stellen. Weder lässt sich die Ausbeutung der Arbeit im Verkauf ihrer Produkte wertmäßig adäquat realisieren, noch können die Eigentumstitel des Grundkapitals (Grundrente) weiterhin Wertanteile einer an sich unproduktiven Arbeit (z.B. Dienstleistung) in hinreichendem Ausmaß einnehmen, sodass die gesamte Realwirtschaft an ihre Verwertungsgrenze gelangt ist.

2. Die Folge ist, dass Ausbeutung de facto über die Verbürgungen der Bürger für das Kapital als Ganzes sich entfaltet, indem deren Lebensräume immer umfassender durch die politische Verschärfung und Ausweitung der Schuldverhältnisse bestimmt werden.

3. Wir befinden uns nicht in der Phase eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs, sondern eines Übergangs in einen Feudalkapitalismus, in dem die Austeritätspolitik zur tragenden Einnahmequelle der Finanzwirtschaft durch die Staatsverschuldung wird, also durch die Totalisierung der Einflusssphären des Finanzkapitals vermittels der Politik der bürgerlichen Staaten, die sich objektiv gegen ihre Bevölkerungen richtet, und von daher zunehmend faschistisch strukturiert sein wird.

4. Die Bekämpfung der Menschen durch deren Ausbeutung in Arbeit und Lebensraum hat globale Dimensionen, der sich alle nationalen Strukturen verfügbar halten müssen, um die Fiktionen einer relativ kleinen Glaubensgemeinschaft, die ihnen als Gläubiger gegenübersteht, zu bedienen.

5. Dem Totalitarismus einer hieraus bestimmten politischen Gewalt können sich die Menschen nur aus der Kraft ihres ganzen Lebensverhältnisses entgegenstellen, als Bürger der Staaten und Staatenbündnisse, als Einwohner eines Verwertungsmittels, für die sie verbürgt wurden. Der Bruch ihrer Bürgschaft muss sich daher in den hieraus bestimmten Lebensverhältnissen verwirklichen und wird zunehmend mit der Staatsgewalt des Finanzkapitals konfrontiert sein.

6. In ihren Lebensverhältnissen besteht das Material der Subsistenz weiterhin neben der politischen (rechtlichen ) Macht über diese. Dieses muss zum Träger der Kraft hiergegen werden, um sie disfunktional zu machen. In den Kommunen und Regionen müssen alle Infrastrukturen von der Bevölkerung verteidigt und weiter entwickelt werden, bis sie deren Selbsterhalt im Ganzen sicherstellen, deren Verhältnisse uneinnehmbar machen.

7. Hieraus wird sich eine neue Gesellschaft fortentwickeln können, wenn sie alle politischen und ökonomischen Mittel für sich selbst in einem organischen Verhältnis zu gestalten und zu verwirklichen vermag. Deren Grundlage werden die Wirtschaftskreisläufe der regionalen Verhältnisse sein, weil nur dort ein bestimmtes Verhältnis von Produktion und Konsumtion politisch bestimmt sein kann. Aus der Kritik der politischen Ökonomie wird eine wirtschaftliche Politik für die Menschen herausgebildet werden, wenn es ihnen gelingt, eine politische Form der Auseinandersetzung zu finden, die ihrer Wirtschaftsweise entspricht.

8. Diese Form muss sowohl inhaltlich wie substanziell begründet sein und in ihrer Allgemeinheit auch das Einzelne dem adäquat darstellen. Zugleich muss deren geschichtliche Dimension durch wissenschaftliche Mediation darin einbezogen werden, denn Wissenschaft verarbeitet die substanzielle Beziehungen von Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, soweit sie deren historische und aktuelle Materialien begriffen hat. Zur Beschlussfassung verlangt dies ein qualifiziertes Delegationsverhältnis (siehe qualifizierte Delegation), in welchem sich diese Beziehungen sowohl bestimmen als auch vermitteln lassen.

9. Es wird ein Rätesystem hierzu notwendig sein, in welchem Menschen mit hohen Vermittlerqualitäten eine Auseinandersetzung führen, die in ihrer Ausgangslage von den Menschen bestimmt und in ihrem Ergebnis von ihnen auch bestätigt wird und politisch wie wissenschaftlich einen wirtschaftlichen Fortschritt bestimmen kann, der im Nutzen eines Gemeinwesens steht. Wirtschaftlicher Fortschritt kann nur heißen, dass immer weniger Aufwand für immer sinnvollere Produkte aufgebracht wird. Gesellschaftlicher Fortschritt kann also nur sein, wenn etwas gänzlich Subjektives - Sinn - sich mit etwas gänzlich Objektivem - dem Nutzen - vereint hat.


Anhang:

↑(0) Es genügte hierzu, Arbeit selbst zum Subjekt der Emanzipation zu erklären und ihre gesellschaftliche Wirklichkeit darauf zu reduzieren, dass alles eben durch Arbeit nur entstehen kann. Das Wesen des Kapitalismus, dass Arbeit nicht nur in Warenform sich darstellt, sondern darin auch ihren Antrieb erfährt, dass Arbeit nicht nur die lebende Substanz des Kapitals ist, sondern sich mit der Zirkulation seiner toten Form, der Wertform der Waren, zugleich zum Trieb seiner Verwertung entwickelt hat, wurde weitgehend nur als Umstand seiner Verhältnisse, nicht aber als deren Grund und Bedingung begriffen. Von daher wurde der produktiv arbeitende Mensch des Kapitalismus mit dem durch seine Bedürfnisse emanzipierten Menschen einer kommunistischen Gesellschaft gleichgesetzt, obwohl jener als Produzent des Mehrwerts und dieser als Produzent eines gesellschaftlichen Mehrprodukts praktisch nichts gemein haben kann.

Die Wertform selbst, namentlich das Geld, blieb hierbei außen vor, wurde als dieser Umstand sogar zum Ziel einer "gerechten Aneignung" und Geld blieb daher auch das höchste Maß der Dinge. Auch der "Arbeiter- und Bauernstaat" sollte sich weiterhin über nationales Geld und Kapital formieren und sich daher letztlich auch weltpolitisch an den internationalen Märkten ausrichten. Von daher blieb der Nutzen der Produktion ebenso abstrakt vorbestimmt wie bei einer kapitalistischen Produktionsweise und konnte sich mit Sinn und Kultur der gesellschaftlichen Entwicklung nicht vereinen, verselbständigte sich geradezu mit ungeuerer Gewalt gegen diese. Die Entfremdung des Menschen von sich, seiner Produktion und von seinem Gattungswesen, seiner Gesellschaft überhaupt, deren Aufhebung seit langem ansteht, wurde zu einer Staatsgewalt, die Entfremdung per Bürokratie und Staatsdisziplin als aufgehoben definierte, um die Menschen sich im Mittelmaß des Staatsdieners zu unterwerfen. Die Gewalt eines solchen "sozialistischen Staates" stand in nichts der politischen Gewalt des Kapitals nach.

↑(1) Die 1. Internationale, in der noch Marx und Engels aktiv anleitend waren, gründete auf dem "Kommunistischen Manifest", in welchem von den Lebensverhältnissen des größten Teils der Menschen, der damaligen Arbeiterschaft, ihrer Alltagserfahrung, ihrem Verhältnis zu Kapital und bürgerlicher Gesellschaft, zu sich als Verhältnis von Mann und Frau und Kind ausgegangen wurde, dem die Macht der Bourgeoisie als herrschende und überkommene Lebensform toter Arbeit entgegen steht. Sie wollte internationale kommunale Lebensstrukturen und die Übernahme der Macht und scheiterte an den Erfahrungen der Pariser Kommune, nach welcher die bloße Übernahme politischer Macht für falsch erkannt wurde: "Die Kommune (hat) den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse die fertige Staatsmaschine nicht in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann" (Marx/Engels im Vorwort zum kommunistischen Manifest in der Auflage von 1872).

Man muss daraus eigentlich entnehmen, dass den eigenen Zwecken nicht über die Staatsmacht zu verhelfen ist, sondern über eigene Formen von Gemeinwesen, welche der Staatsmaschine entgegen stehen. Die Staatsgewalt wäre von daher die reaktionäre Gewalt einer Klassenherrschaft, die in der Form einer unterdrückten Klasse schon eine neue Gesellschaft zu ihrem Antagonisten macht, eine Herrschaft also, die sich gegen das Fortschreiten des menschlichen Lebens stellt. Der Klassenkampf ist hiernach ein Kampf zwischen überkommener Form einer gesellschaftlichen Herrschaft und dem Keim einer neuen Gesellschaft, in welcher ein neues gesellschaftliches Leben gegen Klassenherrschaft überhaupt zu verteidigen ist und bürgerliche Staatsgewalt als Macht toter Arbeit aufgedeckt und überflüssig gemacht (Marx) wird. Gerade deshalb, weil es um ein neues Leben geht, "kann die Waffe der Kritik die Kritik der Waffen nicht ersetzen" (MEW 1, S. 385) - auch wenn es sich manchmal damit verteidigen muss.

Aber Lenin schloß (in "Staat und Revolution") aus der Unmöglichkeit der Inbesitznahme der Staatsgewalt durch die unterdrückte Klasse der Besitzlosen, dass das "Zerbrechen der bürokratisch-militärischen Maschinerie" des bürgerlichen Staates überhaupt die "Hauptlehre des Marxismus von den Aufgaben des Proletariats" (ebd.) sei und es also vor allem um proletarische Politik gegen die bürgerliche Staatsgewalt gehen müsse. Das aus dem eigenen Wesen der Menschen, das aus ihrem gesellschaftliche Wesen abgeleitete Gemeinwesen wurde damit ausgeschaltet, dass dieses selbst schon die bestehende Arbeiterklasse, also ein Klassenwesen sei, und dass das "Zerbrechen" des bürgerlichen Staatswesens zur Hauptaufgabe für Marxisten werden müsse, damit die Arbeiterklassde hierdurch befreit sei - aber frei wovon? Das war die Täuschung: Es wurde zu ihrer Machtbestimmung. Es war ein fataler, reaktionärer Schluß: Das Gemeinwesen war damit zur Arbeiterklasse verewigt, zur ewigen Herrschaft einer Klasse der Arbeit bestimmt - wenn auch "nur" als vorübergehende geschichtliche Notwendigkeit, als geshichtliche Determinante formuliert -, also als Arbeit, wie sie im Kapitalismus bestimmt ist, eben als Klasse, damit auch als Affirmation einer Klasssengesellschaft. Es war ein verheerendes, wenn auch nicht neues Missverständnis der Grundlagen des Marxismus. Schon zuvor in der sozialdemokratisch ausgerichteten 2. Internationale war die Arbeit als ewige Nutzbringerin des Fortschritts verherrlicht und das Proletariat zum Subjekt einer Politik, wonach die "Arbeit an die Macht kommen" müsse und "die Müßiggänger" beiseite "gefegt" und der Staat zu einem Arbeiterstaat werden müsse. Den Texten von Marx ist das nicht zu entnehmen - im Gegenteil.

Die 3. Internationale bildete dann schließlich das Tribunal einer leninistischen Weltpolitik, die einen "antiimperialistischen Staat" gegründet hatte, der die "Weltrevolution" dadurch durchsetzen sollte, dass er die Zerschlagung bürgerlicher Staaten beförderte. So verstand sich die Sowjetmacht als Außenstelle einer Weltrevolution in einer Art Wächterfunktion über die Einigkeit des Proletariats, als politische Avantgarde seiner Weltherrschaft der Arbeiterklasse. Dem entgegen standen andere Weltenherrscher, die einen nationalen Arbeiterstaat durch Ausdehnung der eigenen Ressourcen befördern wollten. Der deutsche Faschismus hatte sich als kapitalförderliche Pervertierung sozialistischer Dogmatik auf den Kampf um Weltherrschaft eingeschossen und wurde hierdurch zum realen Gegner der Sowjetrepublik. Revolution war zu einem Begriff bewaffneter Auseinandersetzung geworden, die sich bis in den 2. Weltkrieg hinein internationalisierte und die hierin zögerlichen Kräfte wurden zu Feinden der Revolution, aus der "Wahrheitsfrage der Weltgeschichte" exkommuniziert. Die Maoisten überboten dies schließlich noch mit einer Massenanleitung zur wahren Geschichte der Menschheit, die durch eine Kultrurevolution auf den rechten Weg gebracht, zum neuen Menschsein erzogen und bei Missachtung auch durch Todesstrafe der "Menschheit entzogen werden sollte. Hier war Politik die Feudalmacht des Gleichschritts, die sich nur noch von Revisionisten bedroht fühlte.

Die Geschichte des Marxismus erscheint in der Dichte dieser Zusammenfassung furchterregend. Die Furcht aber ist nicht dem Marxismus anzulasten, denn sie entspringt der Geschichte der Gegensätze, die er analysiert und auch in ihrem Verlauf vorausgesagt hatte. Er war und ist immer noch das einzige Bewusstsein, das auf der Höhe der Zeit sein könnte, wenn er sich seiner Probleme bewusst wird und sich daraus weiter entwickelt. Schließlich lassen sich diese Probleme auch begreifen und zu einem Teil dieses Bewusstseins machen. Sie rühren zum einen aus einer unvollständigen begrifflichen Auseinandersetzung her - zum Beispiel des Verhältnisses von Arbeit und Reichtum, Kritik und Politik, Gemeinwesen und Staat, Kultur und Kapital, politischer Avantgardismus und Antipolitik, Wille und Macht. Zum anderen kommen sie aus der hieraus entwickelten Zerstückelung des Marx’schen Gesamtwerks, dessen Grundlagen vor allem in der Arbeiterbewegung in Vergessenheit geraten sind. Hierdurch hatte es sich zum Teil mit entgegengesetzen Geisteshaltungen vermengt und paralysiert, wie es Marx schon in seiner Kritik des Gothaer Programms vorausgesehen hatte. Ohne den marxistischen Kontext voll und ganz durcharbeit und Marxismus in seinen wesentlichen Grundlagen begriffen zu haben, werden marxistische Aussagen schnell zu ihrem Gegenteil, zum Argument der Anpassung an eine Gesellschaftsdoktrin. Aber auch in der Marx’schen Theorie selbst gibt es einige Undeutlichkeiten, die neu überdacht werden und genauer unterschieden werden müssen.

↑(2) Im Gebrauchswert stellt sich der Sinn der Arbeit eben nur ökonomisch dar, nur als Nutzen, nicht als vollständige Lebensäußerung der Menschen, wie sie das Ding als Kulturgut enthält. Der Nutzen ist die Form einer Wirtschaftlichkeit, welche sowohl der Arbeit wie auch ihren Produkten zukommt. Wirtschaft ist die Methode, mit minimalem Aufwand optimalen Nutzen hervorzubringen. Hiernach werden die Dinge auch als Waren ökonomisch wertgeschätzt. Als Kulturgüter, wiewohl auch Waren, haben sie einen ganz anderen Bezug zu den Menschen (z.B. Authentizität, Wahrheit, Empfindung).

"Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert" (Marx, Kapital I). Für ein ökonomisches Ding reduziert sich die Beziehung der Menschen auf seine Nützlichkeit, also auf seine Brauchbarkeit und die Effizienz in seiner Herstellung. In der Abtrennung von seiner sonstigen Eigenschaftlichkeit begründet sich sein Bezug auf andere Dinge daher auch im Ausschluss der Dinge voneinander, in der bloßen Besonderheit des Nutzens als Teilprodukt nützlicher Arbeit, als Produkt der Arbeitsteilung in der Abtrennung und Ausschließlichkeit ihrer Nützlichkeit im einzelnen Ding. Dieses ist anderen Dingen in der Form des Nutzens darin gleich, als Produkt nützlicher menschlicher Arbeit zu existieren. Von da her ist es mit ihnen austauschbar, und daher verwirklicht der Gebrauchswert seine gesellschaftliche Form erst im Austausch mit anderen Gebrauchswerten. Schon im Bezug des Nutzens und der darin betriebenen Abtrennung der Eigenschaften der Dinge ist eine gesellschaftliche Beziehung im Tausch angelegt. Und darin haben die Dinge ihre Wertform.

Als Kulturgut ist ein Ding unmittelbar auch schön und sinnlich und bereichert menschliche Sinnlichkeit als menschliches Verhältnis im Reichtum ihrer Gegenstände, als sinnliche Lebensäußerung von und für Menschen. Der gesellschaftliche Inhalt der Arbeit ist also nicht nur nutzbringend, sondern verwirklicht auch Kultur, welche die Entwicklung menschlicher Sinnlichkeit als Entwicklungsstufe ihrer Produkte und Produktivkräfte ausmacht.

"Der Reichtum ... erscheint als eine ungeheuere Warensammlung" (Marx, Kapital I). Dass dieser Reichtum als etwas anderes erscheint, ergibt sich aus der ausschließlichen Gebrauchsbeziehung der Menschen zu den Dingen, in welcher sich menschliche Arbeitsteilung reflektiert. In der ökonomischen Form des Gebrauchswerts erscheinen die Dinge, welche den Reichtum ausmachen, schon in der Warenform und sind in dieser sein Element, Elementarform des bürgerlichen Reichtums. Von da her sind sie zwar Träger des Reichtums, aber zugleich eine nur reduzierte Form desselben. Ihre vielfältige Sinnbeziehung ist die Potenz, worin sich diese Form erübrigt. Die Überwindung der kapitalistischen Produktionsform begründet sich somit aus dem sinnlichen Verlangen nach einem gesellschaftlich wirklichen Zusammenhang der Menschen, nach der Aufhebung von Arbeitsteilung und Warenbeziehungen, damit letztlich nach Aufhebung der Klassenverhältnisse, dem Nutzungsverhältnis menschlicher Arbeitskraft.

Davon war auch Marx ausgegangen, der die Menschheitsgeschichte als Geschichte ihrer Reichtumsproduktion begriff, als "Bildungsgeschichte der menschlichen Sinne" (Marx in den Philosophisch-Ökonomischen Manuskripten) und öfter darauf hinwies, dass andere Wissenschaften hierauf eingehen müssen (z.B. die Warenkunde). Aber weil dieser Reichtum in der "hier zu betrachtenden Gesellschaftsform"(Marx, Kapital I) als Warensammlung erscheint, war bedeutet, dass diese Form der Ökonomie die grundlegende Wissenschaft ist, welche heute vom Standpunkt menschlicher Sinnbildung als Zustand menschlicher Geschichte zu betrachten ist. Die Untersuchung einer Warensammlung, worin gesellschaftlicher Reichtum erscheint, macht Ökonomie zur formellen Grundlage der menschlichen Geschichte, Kulturbildung bleibt ihr Sinn.

↑(2a) "Welches immer die gesellschaftliche Form des Reichtums sei, Gebrauchswerte bilden stets seinen gegen diese Form zunächst gleichgültigen Inhalt. Man schmeckt dem Weizen nicht an, wer ihn gebaut hat, russischer Leibeigner, französischer Parzellenbauer oder englischer Kapitalist. Obgleich Gegenstand gesellschaftlicher Bedürfnisse, und daher in gesellschaftlichem Zusammenhang, drückt der Gebrauchswert jedoch kein gesellschaftliches Produktionsverhältnis aus. Diese Ware als Gebrauchswert ist z.B. ein Diamant. Am Diamant ist nicht wahrzunehmen, daß er Ware ist. Wo er als Gebrauchswert dient, ästhetisch oder mechanisch, am Busen der Lorette oder in der Hand des Glasschleifers, ist er Diamant und nicht Ware. Gebrauchswert zu sein scheint notwendige Voraussetzung für die Ware, aber Ware zu sein gleichgültige Bestimmung für den Gebrauchswert. Der Gebrauchswert in dieser Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbestimmung, d.h. der Gebrauchswert als Gebrauchswert, liegt jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie.*) In ihren Kreis fällt er nur, wo er selbst Formbestimmung. Unmittelbar ist er die stoffliche Basis, woran sich ein bestimmtes ökonomisches Verhältnis darstellt, der Tauschwert.
*) Dies ist der Grund, warum deutsche Kompilatoren den unter dem Namen Gut fixierten Gebrauchswert con amore (mit Lust) abhandeln." (MEW 13, S. 16, Fußnote).

↑(2b) Diese Form der Kultur wurde von Marxisten bisher weitgehend unterschätzt als menschliche Notwendigkeit, in irgendeiner Form auf sich zurückzukommen als gesellschaftliches Wesen, das in der Ökonomie nur seine bornierte Einzelheit, seine isolierte Borniertheit erkennen kann (siehe hierzu auch "Das Verhältnis von Kultur und Ökonomie"). Die mit der Auftrennung der Gesellschaft in eine ökonomische und eine kulturelle Tatsache des Kapitalismus verbundene Gleichzeitigkeit von Ökonomie und Kultur wurde von Marxisten völlig falsch als Beziehung von Sein und Bewusstsein hierarchisiert und in die Menschen als Träger der nützlichen Arbeit als ökonomische Basis einerseits und der Kultur der Menschen als deren Überbau andererseits verlegt. Dies denunzierte ein schon vorhandenes gesellschaftliches Ganzes von Arbeit und Kultur, dessen Getrenntheit als Widerspruch bürgerlicher Lebensverhältnisse zu begreifen wäre, als eine Beziehung zwischen Wahrheit und Täuschung über den Gehalt der Arbeit. Kultur wurde so zur bloßen Widerspiegelung der gesellschaftlichen Arbeitsverhältnisse in einer falschen Form, bestenfalls als Spiel derer Interpretation oder aber auch direkt als manipulatives und suggestives Arrangement des Kapitals begriffen. Arbeit wurde damit zur Persönlichkeit eines rechtschaffenden Lebens einerseits, welcher die Dekadenz des Betrugs auf der anderen gegenübersteht als bürgerliche Kultur.

↑(3) Arbeit war hierdurch nicht mehr als notwendiger Aufwand in der Entwicklung menschlicher Geschichte, in der Bildung von Reichtum als menschliche Kultur angesehen, sondern dem Wirkungspotenzial einer bestimmten Bevölkerungsschicht zugeschrieben, den körperlich arbeitenden Menschen und der praktischen Intelligenz. Arbeit in ihrer Reduktion auf ihren Nutzen galt somit per se antibürgerlich als Klasse, die in ihrem Nutzen nun auch kulturell als Gesellschaftkritik gegen das unnütze Kapital gestellt war. Dieser "Klassenbegriff" reduzierte die Wirklichkeit von Arbeit auf eine reine Körperform von Nützlichkeit und Gesellschaftskritik bestand demnach auch nur aus der Hervorkehrung dieses Nutzens als gesellschaftstranszendierendes Perpetuum Mobile, ewige Notwendigkeit menschlicher Gesellschaft, die sich in eigener Kraft beständig zu reproduzieren habe, Kreislauf von Natur und Mensch zu sein hat als klassenlose Friedensgemeinschaft mit überwundener Vergangenheit und ohne Zukunft. Damit war das marxistische Geschichtsverständnis der menschlichen Gesellschaft als Bildungsprozess menschlicher Sinnlichkeit verkehrt zu einer unendlichen Selbstbeziehung nützlicher Einvernahme produzierter Gegenstände und Ausscheidung ihrer Schlacken. Es ist dies die Idealbildung bürgerlicher Selbsterfahrung, wie sie z.B. im "Realsozialismus" des Ostblocks bis zum Erbrechen praktiziert wurde als substanzielles Bürgertum, das sich als überwundene Form der bürgerlichen Gesellschaft ausgab. Es war der totalisierte Selbstbetrug einer revisionistischen Marx-Rezeption, die auch heute noch in ähnlichen Variationen fortbesteht.

Die gesellschaftliche Klasse der Arbeiter war bei Marx überhaupt nur als eine der drei Klassen des Besitzstands (Arbeitskraft, Produktionsmittel, Boden und Ressourcen) begriffen, durch welche sich Kapitalismus reproduziert als Form der Selbstentfremdung des Menschen vom Menschen, von seiner Gattung und von seiner Tätigkeit. Der Aufhebungsprozess des Kapitalismus kann nicht durch die Verabsolutierung einer dieser Klassen geschehen, sondern nur durch die Aufhebung der Besitzverhältnisse überhaupt in menschliches, das ist individuelles wie gesellschaftliches Eigentum in einem wirklich kommunalen Verhältnis der Menschen.

↑(4) Die Wendung gegen objektive Gedankenformen, gegen Ideologie ist nötig, um sich der Affirmation der Gegebenheiten zu widersetzen, den Schein ihrer Natürlichkeit aufzulösen und objektive Gedankenformen durch das Bedenken scheinhafter Objektivität, durch subjektive Erkenntnis objektiver Verhältnisse zu überwinden. Dies verlangt eine erkennende Beziehung zur gegebenen Gegenständlichkeit, die durch ihre Wahrheitsbildung gegenständliche Resultate vorzuweisen hat. Mit einer vorausgesetzen "Grundwahrheit", die schon eine Verfälschungsmacht als Gegner der "Wahrheit" mit sich bringt, geht ein solcher Erkenntnisprozess unter und wird zur Doktrin. Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit gerät zu einer notwendigen Selbstbestätigung, die sich nur damit beschäftigt, das mit der Doktrin ausgegrenzte Erkenntnisproblem zu beherrschen. Kulturkritik und Ideologiekritik erarbeiten sich keine wahren Aussagen mehr über ihren Gegenstand, sondern werden Selbstzweck, Kritizismus. Dies ist besonders undurchschaubar, wenn Ideologiekritik als Kulturkritik auftritt.

↑(5) Die Grundlagen hierfür war die Moral der Wahrheitskämpfer, die im Vorwurf des Missbrauchs der Arbeitskraft sich aufzurichten verstanden und deshalb die schlecht gebrauchte Arbeitskraft in eine gut gebrauchte tauschen wollten und also für eine gute Arbeitsbedingung sich hierfür stark machten - wie das eigentlich schon der "weiße Sozialismus" des Henry Ford längst umgesetzt hatte. Als politisierte Wahrheitsfrage interessierte dies jedoch wenig, denn es ging dabei um eine Arbeitskultur dieser Kraft, welche die bürgerliche Kultur zu ersetzen hatte. Klar, dass die sich natürlich auch aus der Wirtschaftsleistung der Arbeit, aus ihrer nützlichen Wirkung für eine abstrakt verbleibende Gesellschaft begründete. Nach diesem Verständnis wird Arbeit in der Getrenntheit von ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit, von der Welt ihrer Produkte, fortbestimmt. Das unterscheidet sich kaum von der bestehenden Bestimmung der Arbeit durch das Kapital, das ja diese abstrakte Gesellschaftlichkeit verkörpert. Einzig im Begriff des Missbrauchs der Arbeiter und Arbeiterinnen (gemeint war Ausbeutung) unterschied sich solche Marx-Interpretation vom bürgerlichen Verständnis von Ökonomie, das allerdings den Vorzug hatte, mit der Wertförmigkeit der Arbeit ihre Ausbeutung legitimieren und ihren Missbrauch wirklich ausschließen zu können, denn Ausbeutung war lediglich Nutzung der Arbeitskraft als gesellschaftlich notwendige Wirtschaftskraft zur Herstellung eines Mehrprodukts, auch wenn es als Mehrwert in privater Hand bleibt. Wenn "Sozialisten" dieses Mehrprodukt aber in der Hand eines gesellschaftlichen Subjekts der "wahren Arbeit", als proletarischen Staat haben wollen, dann wollen sie nicht nur Macht als Besitz, sondern Macht als gesellschaftliche Übermacht, als Diktatur. Und so wurde die "Diktatur des Proletariats" ja dann auch verstanden. Kein Wunder, dass Hitler und Stalin sich doch auch ganz gut über den Rest der Welt verständigen konnten

↑(6) Der Marxismus hatte sich darin vollständig verloren. Nicht der Widerspruch der nützlichen Arbeit zwischen ihrer Privatform als lebendige Arbeitskraft und ihrer toten gesellschaftlichen Existenz als Kapital war somit tragend für eine emanzipatorische Bewegung zu einer lebendigen Gesellschaft. Es wurde umgekehrt die sogenannte Wirtschaftskraft der Arbeit, die sich im Selbstbewusstsein lohnabhängiger Menschen als kulturelle Reserve kollektiver Selbstbehauptung eingeschlichen hatte, zu einem kollektiven Subjekt, das sich leicht auch mit einem nationalen Charakter versehen lässt. Die "wahre Arbeit" war der Totschlag des Marxismus, die ihn zu einer Gesinnung, quasi als Kulturtheorie versteinerte. Der Marxismus-Leninismus wurde von dieser kulturellen Seite her von einem verhängnisvollen Fehler getragen.

↑(6a) Die gesellschaftlichen Klassen bestehen in der bürgerlichen Gesellschaft als widersprüchliche Besitzverhältnisse zwischen Arbeit, Grund und Produktionsmittel in der Form von Besitzer der Arbeitskraft, Besitzer der Produktionsmittel und Besitzer von Boden und Lizenzen (siehe Eigentumstitel). Die Krisen dieser Besitzverhältnisse offenbaren in ihren Disfunktionen für die gesellschaftliche Selbsterhaltung und Entwicklung ihren Anachronismus und verlangen zu ihrer endgültigen Bewältigung deren Auflösung. Die private Form der gesellschaftlichen Entwicklung widerspricht ihr selbst und wird zu ihrem Hemmschuh. Objektiv entsteht in dieser Gesellschaftsform also selbst schon die Möglichkeit, die Formen des Privatbesitzes aufzuheben, um aus der Wertproduktion, welche zu einer immer größeren existenziellen Krise durch die Verselbständigung und die Entwertung des Werts führt, zu einer wirklich gesellschaftlichen Entwicklung des menschlichen Reichtums überzugehen. Doch was als geschichtliche Möglichkeit im Bewusstsein zur Notwendigkeit eines emanzipatorischen Handelns wird, hatte der Dialektische Materialismus des Leninismus zu einer überhistorischen Gewalt erklärt, die eine Diktatur des Proletariats als quasi geschichtliche Aufgabe begründet sieht.

↑(7) Dieser Prozess kann auch garnicht in einem "Sieg" enden; er ist lediglich die Wirklichkeit von gesellschaftlicher Macht und Ohnmacht der Menschen unter bürgerlicher Formbestimmung, die sich darin dann verewigt, wenn es Sieger gibt. Klassenkampf bedeutet zwar einen Fortschritt ohnmächtiger Menschen aus ihrer Ohnmacht heraus, nicht aber durch den Sieg über das Kapital, sondern durch dessen Aufhebung, durch die Vereinigung ihres menschlichen Potenzials mit dem Potenzial einer Gesellschaft, zur Verwirklichung eines menschlichen Lebenszusammenhangs. Darin wird das Proletariat in der Tat zur Sprengkraft, zum Zünder eines gesellschaftlichen Umsturzes im Aufhebungsprozess des Klassenkampfs. Die "Diktatur des Proletariats" war lediglich als Moment dieses Kampfes, als Kampfruf gegen die Diktatur der Bourgeoisie gemeint.

↑(8) Ein solcher Arbeitsbegriff ist ein Gesinnungsbegriff und kann auch leicht national verstanden werden, also Nationalkultur meinen, besonders, wenn diese als notleidend empfunden wird. Man musste dies dann nur aus der Enteignung einer ganzen Nation zu begründen verstehen (z.B. Versailler Vertrag) und kann damit leicht die Vorstellung von einem ausgeplünderten Volkskörper entwickeln, in welchem sich auch die Arbeiterschaft erkennen konnte. Ein solches Arbeits- und Kulturverständnis lag ganz im Sinne des politischen Kapitals, das aus seiner Krise in den 20ger Jahren nur durch völkisches Engagement für die Arbeit, durch Selbstausbeutung herauskommen konnte. Es unterstützte von daher die hieraus gewonnenen Begeisterung für nationalen Sozialismus. Der Volksbegriff wurde (schon lange vor Hitler) nationalisiert und umschrieb den Nationalstaat als Kulturstaat. Die so ausgestattete Naturalisierung des Staates wurde damit zu einer Staatskultur, die notwendig auf Rassismus gründete und Antisemitismus beförderte und diesen auch im Sinne seiner Staatsräson totalisierte, also zu einer ungeheuerlichen staatlichen Vernichtungstechnik brutalisierte.

↑(9) Mit der "sozialistischen Begründung" aus dem "proletarischen" Avantgardismus einer Partei, die sich als Elite der Bevölkerung mit militärischer Gewalt intronisierte, entstand so ein besonders hinterhältiges Staatsmodell, das sich auch im Lauf seiner Geschichte und seines Versagens zunehmend militant gegen die Bevölkerung und deren Kultur durchsetzen musste. Fatal für den Marxismus war die Begründung eines solchen Systems mit der "Diktatur des Proletariats", einem Kampfbegriff, der im Kommunistischen Manifest - wenn auch in einem anderen Zusammenhang als dem der Staatsbildung - erwähnt ist. Der Bezug auf Marx wurde so zu einem wesentlichen propagandistischen Werkzeug eines "Kommunismus", der sich wesentlich im Widerspruch zum Marxismus befand und durch ihn einen fortdauernden proletarisierten Faschismus versteckte, indem er ihn zu einem Heilsbegriff verkehrte. Kommunismus, der für Marx ausdrücklich kein Ziel, kein Ideal und also auch kein Heil bedeuten konnte, sonderen lediglich Begriff für eine wirkliche Bewegung der Geschichte war, wie sie im historischen Materialismus formuliert ist, wurde so zur Ideologie seines Gegenteils, zum Legitimationsbegriff der Gesinnungsmacht einer Bürokratie der Staatsgewalt.

↑(9a) "Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf, und damit auch den Staat als Staat. ... Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt - die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft -, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht 'abgeschafft', er stirbt ab." (Engels im "Anti-Dühring", "Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft", MEW 20, S. 262)

↑(10) Eine wirkliche Geschichte hat einen Begriff, der ihre Gründe benennt, sie aber nicht erfinden oder vorstellen muss. Wahrend Geschichte sich materialisiert entsteht ihr Begriff, ihre Epoche - und nicht umgekehrt. Ein Begriff macht keine Epoche, aber die Epoche hat einen Begriff. Geschichte ist zwar dialektisch, aber Dialektik macht keine Geschichte. In der Gleichsetzung und Austauschbarkeit von historischem und dialektischem Materialismus wurde ein dialektischer Objektivismus errichtet, welcher begriffliche und geschichtliche Entwicklung in eins setzte und damit ein determinierendes Geschichtsverständnis entwarf, das den avantgardistischen Heilsbegriff der Politik legitimierte, das Sozialismus einforderte, um ihn nicht in seiner materiellen Geschichte zu entwickeln. Politik entspringt dann nicht mehr dem Bewusstsein als Wissen des Seienden, sie wird zur Tätigkeit einer Bewusstseinsmacht, die es bestimmen will, zu einem politischen Willen.

↑(11) Weil damit eine qualitative gesellschaftliche Begründung ausbleibt, kann Politik nicht über die Forderung nach Aufhebung von Mängeln hinausreichen. Im Gegenteil: Im Grunde wurde eingefordert, was die Gegebenheiten nur noch mehr formalisierte: Gleichbehandlung und Gerechtigkeit in der Ausbeutung der Menschen durch das Kapital. So reduzierten sich politische Forderungen auf die Maßgebung eines Gerechtigkeitsprinzips, das sich substanziell von der Logik bürgerlicher Ideologie nicht mehr unterscheiden konnte, weil es wie diese die Wertform von Produktion und Produkt voraussetzt und affirmiert, sich um ihre Funktionalität durch Verwertungsgerechtigkeit bemüht - und das ist Wertbildung in der Verdurchschnittlichung gesellschaftlicher Arbeitszeit zur Geldform.

 


Fußnoten:

↑(1) "Woher (kommt) die sonderbare Erscheinung ..., dass wir auf dem Markt eine Gruppe Käufer finden, die Besitzer von Boden, Maschinerie, Rohstoff und Lebensmitteln sind, die alle, abgesehen von Boden in seinem rohen Zustand, Produkte der Arbeit sind, und auf der anderen Seite eine Gruppe Verkäufer, die nichts zu verkaufen haben außer ihrer Arbeitskraft, ihre werktätigen Arme und Hirne. Dass die eine Gruppe ständig kauft, um Profite zu machen und sich zu bereichern, während die andere ständig verkauft, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Die Untersuchung dieser Frage wäre eine Untersuchung über das, was die Ökonomen ,ursprüngliche Akkumulation' nennen, was aber ursprüngliche Enteignung genannt werden sollte." (MEW 16, Seite 130f)

↑(2) "In der großen Industrie und Konkurrenz sind die sämtlichen Existenzbedingungen, Bedingtheiten, Einseitigkeiten der Individuen zusammengeschmolzen in die beiden einfachen Formen: Privateigentum und Arbeit. Mit dem Gelde ist jede Verkehrsform und der Verkehr selbst für die Individuen zufällig gesetzt. Also liegt schon im Gelde, daß aller bisherige Verkehr nur Verkehr der Individuen unter bestimmten Bedingungen, nicht der Individuen als Individuen war." (MEW 3, S.66).

↑(3) "Das Geld ist ... ein äußerlich Ding, das Privateigentum eines jeden werden kann. Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson. ... Die Ware als Gebrauchswert befriedigt ein besondres Bedürfnis und bildet ein besondres Element des stofflichen Reichtums. Aber der Wert der Ware mißt den Grad ihrer Attraktionskraft auf alle Elemente des stofflichen Reichtums, daher den gesellschaftlichen Reichtum ihres Besitzers." (MEW 23, S.146).

↑(4) "Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt einen unvermittelten Widerspruch ein. Soweit sich die Zahlungen ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Soweit wirkliche Zahlung zu verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute Ware. Dieser Widerspruch esklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt. Sie ereignet sich nur, wo die prozessierende Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung völlig entwickelt sind." (MEW 23, S. 151 f)

↑(5) "Der Warenaustausch schließt an und für sich keine andren Abhängigkeitsverhältnisse ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter dieser Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Ware nur auf dem Markt erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer, der Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Ware feilgeboten oder verkauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Ware verkaufe, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein. Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und treten in Verhältnis zueinander als ebenbürtige Warenbesitzer, nur dadurch unterschieden, daß der eine Käufer, der andre Verkäufer, beide also juristisch gleiche Personen sind. Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit verkaufe, denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven, aus einem Warenbesitzer in eine Ware. Er als Person muß sich beständig zu seiner Arbeitskraft als seinem Eigentum und daher seiner eignen Ware verhalten, und das kann er nur, soweit er sie dem Käufer stets nur vorübergehend, für einen bestimmten Zeittermin, zur Verfügung stellt, zum Verbrauch überläßt, also durch ihre Veräußerung nicht auf sein Eigentum an ihr verzichtet....

Die zweite wesentliche Bedingung, damit der Geldbesitzer die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware vorfinde, ist die, daß ihr Besitzer, statt Waren verkaufen zu können, worin sich seine Arbeit vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeitskraft selbst, die nur in seiner lebendigen Leiblichkeit existiert, als Ware feilbieten muß. " (MEW 23, S. 181 f)

↑(6) "Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, daß der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt. ... Eigentum erscheint jetzt auf Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eignes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging."
(Karl Marx – Band 23, "Das Kapital", Bd. I, S. 609f)

↑(7) "Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich ... fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Race bedarf. Der Preis einer Ware, also auch der Arbeit, ist aber gleich ihren Produktionskosten. In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demselben Maße, wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demselben Maße nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der Maschinen usw."
(Karl Marx/Friedrich Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, Seite 467)

↑(8) "Die Bildung des fiktiven Kapitals nennt man kapitalisieren. Man kapitalisiert jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem man sie nach dem Durchschnittszinsfuß berechnet, als Ertrag, den ein Kapital zu diesem Zinsfuß ausgeliehen, abwerfen würde... Aller Zusammenhang mit dem wirklichen Verwertungsprozess des Kapitals geht hier bis auf die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem sich durch sich selbst verwertenden Automaten befestigt sich." (MEW 25, Seite 484)

↑(9) "Nachdem wir gezeigt, daß der periodische Widerstand der Arbeiter gegen eine Lohnherabsetzung und ihre periodisch sich wiederholenden Versuche, eine Lohnsteigerung durchzusetzen, untrennbar sind vom Lohnsystem und eine gebieterische Folge eben der Tatsache sind, daß die Arbeit in die Kategorie der Waren versetzt und daher den Gesetzen unterworfen ist, die die allgemeine Bewegung der Preise regulieren; nachdem wir ferner gezeigt, daß eine allgemeine Lohnsteigerung ein Fallen der allgemeinen Profitrate zur Folge haben, nicht aber die Durchschnittspreise der Waren oder ihre Werte beeinflussen würde, erhebt sich nun schließlich die Frage, inwiefern in diesem unaufhörlichen Ringen zwischen Kapital und Arbeit letztere Aussicht auf Erfolg hat." (MEW 16, Seite 147)

↑(10) "Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Karl Marx, Kapital III, MEW Band 25, Seite 501).

↑(11) "Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge erhöhte Steuern. Andererseits zwingt die durch Anhäufung nacheinander eingegangener Schulden verursachte Steuer-erhöhung die Regierung, bei neuen außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen. Die modernen Staatsfinanzen, deren Drehungsachse die Steuern auf die notwendigsten Lebensmittel (also deren Verteuerung) bilden, trägt daher in sich selbst den Keim automatischer Progression. Die Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip." (K. Marx, Kapital I, MEW 23, 784)

↑(12) "Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. " (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 354f)