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Peter Lehmann

"Atypische" Neuroleptika: Unwahrheiten f�r schlichte Gem�ter

Kurzfristigen Erleichterungen durch "atypische" Substanzen steht die m�gliche langfristige Verst�rkung psychotischer Symptome gegen�ber. Die ersten neuen Neuroleptika sind wegen t�dlicher vegetativer Zwischenf�lle bereits vom Markt genommen. Nichtsdestotrotz macht man "Atypische" den Betroffenen schmackhaft. Doch wer hilft ihnen beim Absetzen?

Wundermeldungen

"Das neue Waschmittel 'Wasch' w�scht so wei� wie nie zuvor." Wer kennt sie nicht, diese Werbung, die uns aufkl�rt dar�ber, dass die fr�her als bl�tenwei� angepriesene W�sche eigentlich grau war. Fatal an solche Reklamemechanismen erinnert die Anpreisung der modernen Neuroleptika (z.B. Leponex, Risperdal, Seroquel, Solian, Serdolect, Zyprexa), die mit neuen und teuren Patenten gesch�tzt sind. Pl�tzlich sind die herk�mmlichen Neuroleptika Indexup1a verp�nt. Sie werden mit h�ufigem Zahnausfall, chronischen Muskelst�rungen und massiver Einbu�e von Lebensqualit�t in Verbindung gebracht – siehe der aktuelle Spiegel-Artikel von Beate Lakotta im deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel, ein wahllos herausgegriffenes Exemplar mutma�licher verdeckter Werbung. Herk�mmliche Neuroleptika w�rden mit ihren Folgesch�den unn�tigerweise zu Berentung und Pflegekosten f�hren, noch keine F�lle von Arztregress seien wegen der Verordnung "atypischer" Neuroleptika bekannt geworden. Nur teilweise groteske Gewichtszunahme, Herzrhythmusst�rungen, Knochenmarks- und Blutbildst�rungen k�nnten als Nebenwirkungen auftreten – Risiken, die mit regelm��igen Laborkontrollen zu begrenzen seien. Die "atypischen” Neuroleptika w�rden gezielter auf jene Botenstoffe einwirken, die Stimmenh�ren oder Verfolgungswahn ausl�sen (Lakotta 2002). Beate Lakotta ist Preistr�gerin des "Lilly Schizophrenia Reintegration Awards", gestiftet vom Pharmahersteller Lilly Pharma Holding GmbH. Lilly ist der Hersteller des weit verbreiteten Zyprexa.

Der kleine Unterschied

Den modernen Neuroleptika werden diejenigen Neuroleptika zugeordnet, die in ihrer Wirkung dem in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts eingef�hrten Prototyp Clozapin (im Handel auch als Elcrit und Leponex) entsprechen. Worin sich die Wirkung der modernen clozapinartigen Neuroleptika prinzipiell von derjenigen herk�mmlicher Neuroleptika unterscheidet, zeigten Bart Ellenbroek und Kollegen von der Psychoneuropharmakologischen Forschungsabteilung der niederl�ndischen Catholic University Nijmegen in ihrem Aufsatz "Der Pfotentest: ein Verhaltensparadigma zum Unterscheiden von herk�mmlichen und atypischen neuroleptischen Medikamenten". W�hrend Ratten unter dem Einfluss herk�mmlicher Neuroleptika wie Haloperidol oder Chlorpromazin ihre Vorder- und Hinterpfoten nur sehr langsam aus L�chern zur�ckzogen, in die man die Pfoten zu Versuchszwecken hineingesteckt hatte, war unter Clozapin nur die R�ckziehzeit der Hinterpfoten verl�ngert. Erfreut berichteten die Forscher:

"Die Ergebnisse zeigen, dass der Pfotentest ein n�tzliches Modell zum Aufsp�ren atypischer neuroleptischer Medikamente darstellt." (Ellenbroek u.a. 1987, S. 343)

�ber M�rchen vom gezielten Einwirken auf Stimmen hervorrufende Botenstoffe kann man angesichts solcher Unterscheidungskriterien nur noch lachen.

Clozapinartige Neuroleptika produzieren grobmotorische Muskelst�rungen seltener oder gar nicht, was sie vielen Betroffenen subjektiv vertr�glicher erscheinen l�sst. Der deutsche Psychiater Hans-Joachim Haase warnte allerdings davor, darin eine Besonderheit zu sehen, und erkl�rte,

"... dass Clozapin zun�chst, wie auch die anderen Neuroleptika, extrapyramidale feinmotorische Symptome ausl�st, wobei mit steigender Dosierung die zunehmend st�rkeren anticholinergen sowie muskarinartigen (der Wirkung des Pilzgiftes Muskaridin gleichkommenden und ebenfalls anticholinergen) Wirkungen dazu f�hren, dass es nur in Einzelf�llen zu grobmotorischem Parkinsonismus kommt. Gleichzeitig bleibt aber der eigentliche Effekt der neuroleptischen Wirkung weitgehend aus, so dass paranoid-halluzinatorische Psychosen mit Clozapin zwar affektiv durchaus positiv beeinflusst, insbesondere auch ent�ngstigt werden, dass jedoch zur Behandlung dieser Symptomatik im allgemeinen Neuroleptika hinzugegeben werden, mit denen dann die neuroleptische Schwelle eindeutig �berschritten werden muss. Clozapin verh�lt sich also �hnlich wie andere Neuroleptika, denen man eine zunehmend hohe Dosis eines Antiparkinsonmittels hinzugibt." (Haase 1988, S. 143)

Sch�den

Eine Vielzahl erprobter clozapinartiger Substanzen kam gar nicht erst auf den psychiatrischen Markt, z.B. Fluperlapin. Nichtsdestotrotz werden Neuroleptika dieser Art als nebenwirkungsarm angepriesen, wobei haupts�chlich auf die vermeintlich verminderte F�higkeit dieser Substanzen, Dyskinesien (Muskel- und Bewegungsst�rungen) zu bewirken, Bezug genommen wird. Das clozapinartige Neuroleptikum Remoxiprid (Roxiam) war 1991 als "Rose ohne Dornen" angek�ndigt worden, als gut vertr�gliches Medikament ohne Nebenwirkungen. Drei Jahre sp�ter wurde es von der Herstellerfirma wieder vom Markt genommen: wegen einer Reihe von lebensgef�hrlichen F�llen aplastischer An�mie – Blutarmut mit Verminderung der roten und wei�en Blutk�rperchen, beruhend auf einem Defekt im blutbildenden System (vgl. Lehmann 1996b, S. 133). Ein anderes Beispiel ist Sertindol (Serdolect), das lange als nebenwirkungsarm galt. Im November 1998 fand sich im Internet in medizinischen Datenbanken noch der Begriff nebenwirkungsfrei. Am 2. Dezember 1998 meldete die �rzte Zeitung:

"Vertrieb von Serdolect(R) gestoppt – Anlass sind schwere kardiale (das Herz betreffende) Nebenwirkungen und Todesf�lle"

Risperidon (Risperdal) ist ein weiteres clozapinartiges Neuroleptikum, das die Lebensqualit�t erh�hen und die Reintegration ins gesellschaftliche Leben erleichtern soll. "Zur�ck ins Leben", "Anna ist wieder da", so oder �hnlich lauten die Werbespr�che. In der Medical Tribune vom 26. Mai 2000 lobte der Hamburger Psychiater Dieter Naber Risperidon als "gut vertr�gliches Medikament" (Naber 2000). Just am gleichen 26. Mai 2000 wurden in Philadelphia der Psychiatriebetroffenen Elizabeth Liss 6,7 Millionen US-Dollar Schmerzensgeld zugesprochen, zahlbar vom behandelnden Psychiater. Frau Liss war nach vierzehnmonatiger Verabreichung von Risperdal an tardiver Dyskinesie erkrankt, Unterform tardive Dystonie in Form von Kr�mpfen der Gesichts- und Nackenmuskulatur (vgl. Breggin 2000).

Clozapinartige Neuroleptika stehen generell unter Verdacht, insbesondere vegetative St�rungen wie Neuroleptische Maligne Syndrome und Leberst�rungen zu produzieren. Agranulozytosen (abruptes Absterben der wei�en Blutk�rperchen mit lebensbedrohlichen Folgen) sind ebenso publik geworden wie die un�bersehbare und rasche Zunahme des K�rpergewichts mit seiner f�r Herz und Kreislauf immensen Gefahren, was zumindest Internisten wissen.

Beim Menschen senkt die neuroleptikabedingte Blockade von Dopamin die nat�rliche, hemmende Wirkung auf die Absonderung des Hormons Prolaktin, so dass dessen Konzentration im Blut ansteigt. Eine wichtige Rolle bei der Prolaktinfreisetzung spielen Dopaminrezeptoren. Deren Beeinflussung gilt so manchem Psychiater als kleinster gemeinsamer Nenner aller Neuroleptika. Eine Studie an der Gyn�kologischen Abteilung der State University of New York in Buffalo ergab bei Psychiatriepatientinnen ein 9,5mal h�heres Brustkrebsvorkommen als bei der Durchschnittsbev�lkerung, so die �rzte im American Journal of Psychiatry:

"Falls best�tigt, k�nnte das bef�rchtete h�here Brustkrebsvorkommen unter den psychiatrischen Patientinnen den Medikamenten geschuldet sein..." (Halbreich / Shen / Panaro 1996, S. 559)

Auch clozapinartige Neuroleptika erh�hen den Prolaktinspiegel. Anders als in den USA muss im deutschsprachigen Raum �ber das erh�hte Risiko der Geschwulstbildung in den Brustdr�sen nicht aufmerksam gemacht werden.

Generell ist davon auszugehen, dass mit fortdauernder Zulassung clozapinartiger Neuroleptika die Liste der bekannt gewordenen Risiken und Sch�den l�nger wird. Hierzu bedarf es allerdings einer ausreichenden Zahl von Betroffenen, die sich die Substanzen einverleiben lassen.

Depressionen und Suizidalit�t

Depressionen und Suizidalit�t sind weitere Risiken, �ber die Psychiater eher reden, wenn sie unter ihresgleichen sind, obwohl sie laut internen Berichten bei zwei Drittel der Betroffenen behandlungsbedingt auftreten. Suizidale Auswirkungen haben auch moderne Neuroleptika wie Leponex, wie der Bericht der �sterreicherin Ursula Fr�hlich in "Sch�ne neue Psychiatrie" zeigt:

"Mein Leben, das einst so leicht und sch�n gewesen ist, so abwechslungsreich und interessant, lebenswert und vollgeladen mit Aktivit�ten, ist zur H�lle geworden. Seit Beginn der Leponex-Einnahme habe ich keine Lust mehr auf Sex, keine Lust an der Bewegung und keine Freude am Leben. Ein Leben ohne Freude ist jedoch �rger als der Tod. Alles, war mir geblieben ist, ist das Fernsehen, wo ich seit sieben Jahren anderen zusehe, wie sie leben. Ich bin zwar biologisch noch am Leben, doch meine Sinne sind schon l�ngst tot, alles, was mir fr�her Freude gemacht hat, kann ich nicht mehr machen. Mein Leben existiert eigentlich gar nicht mehr, ich komme mir so leer und so unbedeutend vor. Am schlimmsten ist es am Morgen. Jeden Tag nehme ich mir vor, am n�chsten Tag mit einem gesunden Leben zu beginnen, die Medikamente wegzuschmei�en, viele Vitamine und Fruchts�fte zu trinken und mit einer t�glichen Fitnessroutine zu beginnen. Durch die Neuroleptika entsteht ein Gef�hl, als ob es mir gelingen w�rde, am n�chsten Tag mit einem ganz anderen, einem neuen Leben zu beginnen. Wenn ich dann aber in der Fr�h aufwache, bin ich wie zerschlagen und komme vor 9 Uhr nie aus dem Bett, meine Depressionen sind so arg, dass ich jeden Tag an Selbstmord denke." (zit.n. Lehmann 1996a, S. 70f.)

Tardive Psychosen

Eine besondere Stellung unter Neuroleptika nimmt Leponex schon seit seiner Zulassung ein. Nach Bekanntwerden einer leponexbedingten Todesserie in Finnland galt die Substanz lange Zeit zu giftig, um ohne spezielle Auflagen und Genehmigungsprozeduren in der Psychiatrie eingesetzt zu werden. Erst bei Arzthaftungsklagen un�bersehbar gewordene Langzeitsch�den durch herk�mmliche Neuroleptika machten den Einsatz akzeptabel. Mit St�rungen, die au�erhalb der bekannten Blutbildrisiken lagen, verfuhr man allerdings wie gehabt. Man ver�ffentlichte sie in internen Fachschriften, um sie anschlie�end zu ignorieren und insbesondere den Betroffenen vorzuenthalten.

Tardive Psychosen sind hierf�r ein Beispiel. Dies sind Psychosen, die im Lauf der Verabreichung von Neuroleptika, beim Absetzen oder danach auftreten – behandlungsbedingt. Die genannte St�rung, die als besonderes Risiko bei clozapinartigen Neuroleptika gilt, geht – wie ihr Gegenst�ck tardive Dyskinesie – zur�ck auf behandlungsbedingte Ver�nderungen des Rezeptorensystems. Als Ursache vermutet man Ver�nderungen von Dopamin-D1- und -D4-Rezeptoren, speziellen Dopaminrezeptoren-Subtypen. Durch die herk�mmlichen Neuroleptika werden speziell Dopamin-D2-Rezeptoren beeintr�chtigt, was als mittel- und langfristiges Risiko eher eine tardive Dyskinesie bewirkt (vgl. Lehmann 1996a, S. 100).

Urban Ungerstedt und Tomas Ljungberg, Mitarbeiter der Histologischen Abteilung des Karolinska Instituts in Stockholm, stellten fest, dass Clozapin bei Versuchsratten besonders stark auf die limbischen Dopaminrezeptoren wirkt:

"Klinische Erfahrung l�sst erkennen, dass Clozapin 'spezifischer' als Haloperidol bei der Behandlung der Psychose sein kann. Unsere Verhaltensdaten zeigen, dass diese 'Besonderheit' des Clozapin auf seine vergleichsweise st�rkere Hemmung von limbischen Dopaminrezeptoren zur�ckzuf�hren ist. Diese Rezeptoren k�nnen somit am ehesten etwas mit der Entwicklung der Supersensitivit�t nach chronischer Clozapinbehandlung zu tun haben. Das Gegenst�ck zu tardiven Dyskinesien nach chronischem Haloperidol kann somit die Potenzierung von psychotischem Verhalten nach chronischem Clozapin sein! Diese Ergebnisse werfen augenf�llig ernste Fragen auf hinsichtlich der Strategie f�r den Versuch, neue, wirksame antipsychotische Medikamente zu finden. Wird ein Medikament, das 'spezifische' Rezeptoren blockiert, eine 'spezifische' Rezeptorensupersensibilit�t und somit 'spezifische' Nebenwirkungen verursachen, d.h. die Krankheit selbst potenzieren?" (Ungerstedt / Ljungberg 1977, S. 199)

In Schweden, wo man Clozapin intensiv einsetzte, wurden denn auch bei einer ganzen Reihe von Betroffenen nach dem Absetzen von Clozapin psychotische Symptome in einer St�rke festgestellt, die vorher nicht vorhanden war. Auch bei 1988 publizierten Forschungen in den USA wurde auf die Verschlechterung des psychischen Zustands nach dem Absetzen von Clozapin hingewiesen, was auf eine behandlungsbedingte erh�hte Sensibilit�t der Neurotransmitter zur�ckgef�hrt wurde. Mit dem Entstehungsverlauf neuroleptikabedingter Supersensitivit�tspsychosen hatten sich der Pharmakologe Guy Chouinard und Kollegen der Uni-Anstalt Montreal befasst (vgl. Lehmann 1996a, S. 100):

• Im ersten Stadium bilde sich – entsprechend der Entzugsdyskinesie bei herk�mmlichen Neuroleptika – eine kurz andauernde Supersensitivit�tspsychose, die sich spontan zur�ckbilde.

• Im zweiten Stadium, wenn sie erneut auftrete, k�nne man die psychopharmakabedingte Psychose noch mit Neuroleptika kontrollieren.

• Im dritten Stadium schlie�lich w�rden Neuroleptika �berhaupt nichts mehr bewirken, die entstandene Psychose sei irreversibel.

Hilfen beim Absetzen?

Die meisten Betroffenen werden von Psychiatern mit der Drohung "Beim Absetzen kommt der n�chste R�ckfall sofort" v�llig verunsichert, auch wenn l�ngst

• eine Vielzahl von Studien ergeben hat, dass die Gefahr, ohne Neuroleptika wieder verr�ckt zu werden, eher geringer ist als mit Neuroleptika

• Berichte von Betroffenen dar�ber vorliegen, wie sie Psychopharmaka abgesetzt haben, ohne sofort wieder im Behandlungszimmer des Arztes zu landen

• professionell T�tige publizieren, wie sie Absetzprozesse erfolgreich unterst�tzen (Lehmann 2002).

Dass weniger sch�dlichen oder risikobehafteten Medikamenten und Psychopharmaka der Vorzug gegen�ber riskanteren zu geben ist, ist eine Binsenweisheit. Wenn jedoch Risiken neuer Substanzen �bergangen oder bagatellisiert werden, so lassen sich mit solchen Strategien vielleicht einfache Gem�ter �bert�lpeln. K�rperliche und psychische Sch�den durch clozapinartige Neuroleptika k�nnen lebensbedrohliche Ausma�e annehmen. Besonders beachtenswert ist das "atypisch" hohe Risiko einer tardiven Psychose und der sich daraus ergebende Teufelskreis aus Entzugspsychose, steigender Dosierung und gesundheitlichem Niedergang.

Wie in allen Bereichen des Lebens lassen sich auch im Problemfeld clozapinartiger Neuroleptika kurzfristige Erfolge erkaufen. Doch bevor man sich entschlie�t, diese Substanzen in den eigenen K�rper einzuverleiben, sollte man an den mittel- und langfristigen Preis denken, den dieser K�rper zu zahlen hat. Und man sollte sich �berlegen, wo die Hilfen sein werden, die man sp�ter ben�tigt, um den K�rper wieder frei von synthetischer Chemie zu bekommen. Schon beim Absetzen herk�mmlicher Neuroleptika beklagen sich Betroffene und Angeh�rige weltweit �ber das v�llige Fehlen jeglicher institutioneller Absetzhilfen. Die Psychologin Pirkko Lahti, Pr�sidentin der World Federation for Mental Health (Dachverband nichtstaatlicher psychosozialer Hilfsvereinigungen, dem auch Pro mente sana angeh�rt), klagte j�ngst:

"Welche Bedingungen k�nnen zu einem schnellen R�ckfall nach dem Absetzen f�hren? H�rten wir nicht schon von psychopharmakabedingten Absetzproblemen, von Rezeptorenver�nderungen, Supersensitivit�ts- und Absetzpsychosen? Wer kann R�ckf�lle von verdeckten Entzugsproblemen unterscheiden? Welche Bedingungen unterst�tzen ein erfolgreiches Absetzen – erfolgreich in dem Sinn, dass die PatientInnen danach nicht sofort wieder im Behandlungszimmer des Arztes sitzen, sondern frei und gesund leben, so wie wir uns das alle w�nschen? Lassen wir unsere PatientInnen nicht allein mit ihren Sorgen und Problemen, wenn sie sich – aus welchem Grund auch immer – selbst entscheiden, ihre Psychopharmaka absetzen zu wollen? Wo k�nnen sie Unterst�tzung, Verst�ndnis und positive Vorbilder finden, wenn sie sich entt�uscht von uns abwenden (und wir uns von ihnen)?" (Lahti 2002, S. 10)

Wo? – Wer moderne clozapinartige Neuroleptika (wie auch herk�mmliche) empfiehlt, sollte zuerst einmal diese Frage beantworten.

Eine der vielen weitergehenden Fragen, die im Rahmen dieses Artikels keinen Platz haben, betrifft den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt derzeitiger politischer Planungen auf Durchsetzung des Rechts auf ambulante psychiatrische Zwangsbehandlung und der Entwicklung der modernen clozapinartigen Neuroleptika.

Literatur

� Breggin, Peter: http://www.breggin.com/6_7million.html (2000)

� Ellenbroek, Bart A. u.a.: "The paw test: a behavioural paradigm for differentiating between classical and atypical neuroleptic drugs", in: Psychopharmacology, Vol. 93 (1987), S. 343 – 348

� Haase, Hans-Joachim: "Neuroleptika: Fakten und Erlebnisse", in: Ofried K. Linde (Hg.): "Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit", Klingenm�nster 1988, S. 137 – 154

� Halbreich, Uriel / Shen, Jianhua / Panaro, Victor: "Are chronic psychiatric patients at increased risk for developing breast cancer?", in: American Journal of Psychiatry, Vol. 153 (1996), S. 559 – 560

� Lahti, Pirkko: Vorwort zu: Peter Lehmann: "Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin und Tranquilizern", 2. Auflage, Berlin 2002, S. 9 – 11

� Lakotta, Beate: "Abschied vom Kettenhemd", in: Spiegel, 56. Jg. (2002), Nr. 52, S. 132 – 133

� Lehmann, Peter (Hg.): "Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin und Tranquilizern", 2. Auflage, Berlin 2002

� Lehmann, Peter: "Sch�ne neue Psychiatrie", Band 1: "Wie Chemie und Strom auf Geist und Psyche wirken", Berlin 1996a

� Lehmann, Peter: "Sch�ne neue Psychiatrie", Band 2: "Wie Psychopharmaka den K�rper ver�ndern", Berlin 1996b

� Naber, Dieter: "Schizophrene in Deutschland – Per Rezeptblock ausgegrenzt?", in: Medical Tribune, 35. Jg. (2000), Nr. 21

� Ungerstedt, Urban / Ljungberg, Tomas: "Behavioral patterns related to dopamine neurotransmission", in: Advances in Biochemical Psychopharmacology, Vol. 16 (1977), S. 193 – 199

Die �bersetzung der englischsprachigen Zitate stammt von Peter Lehmann.

Copyright by Peter Lehmann 2003. Alle Rechte vorbehalten

Der Artikel wurde gek�rzt und unter dem Titel "'Atypische' Neuroleptika, typische Unwahrheiten" abgedruckt in: Pro Mente Sana Aktuell (Schweiz): Biologismus - Stirbt die Seele aus? Heft 1/2003, S. 16 - 18

Siehe: www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/gesundheit/pdf/tips-zum-absetzen.pdf

Eine aktualisierte Fassung des Artikels steht unter http://www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/gesundheit/atypische.htm

Peter Lehmann: www.peter-lehmann.de Autor ("Schöne neue Psychiatrie", "Der chemische Knebel"), Herausgeber ("Statt Psychiatrie", "Statt Psychiatrie 2", "Psychopharmaka absetzen") und Verleger (www.antipsychiatrieverlag.de) in Berlin. Gründungsmitglied von PSYCHEX (http://psychex.org). Bis 2010 langjähriges Vorstandsmitglied des Europäischen Netzwerks von Psychiatriebetroffenen (www.enusp.org).

email: mail@peter-lehmann.de