Wolfram Pfreundschuh (7/2005)

Thesen zur Diskussion des Begriffs der "flexiblen Pers�nlichkeit"

 

In fast jedem Stellenangebot der besseren Art wird ausdr�cklich eine "flexible Pers�nlichkeit" gesucht. Wer den Begriff �ber Google sucht, bekommt auf Anhieb �ber 1000 Vermerke, die zu 90% aus Stellenangeboten – vorwiegend aus dem Dienstleistungsgewerbe - stammen. Flexibel muss man sein, um eine Stelle zu bekommen, in der man beweglich ist, sich auf die Gegebenheiten einrichten und anpassen kann. Flexibel meint im Wortsinn Beugen, und darum geht es auch. Es geht vor allem gegen pers�nliche Widerst�nde, gegen Eigenheiten, die nur noch st�rend sind. Das neue Management und die Team-Arbeit kleiner Elitearbeitsgruppen bestehen offenbar daraus, sich an jede Situation anpassen und sich auf jeden Menschen vorbehaltslos und bedingungslos einlassen zu k�nnen. Das unterstellt, dass vor allem dies als F�higkeit einer Pers�nlichkeit gesucht wird, die als Eigenschaft einer Arbeitskraft genutzt werden kann. Und das hei�t, dass die Beziehung eines Menschen auf andere am Arbeitsplatz dadurch bestimmt sein muss, sich gleichg�ltig gegen seine Person zu verhalten, also von allem Sinn abzusehen, den die Arbeit f�r ihn haben kann.

Die Arbeitswelt hat sich ver�ndert; bestimmte F�higkeiten und Ziele, die das eigene Leben betreffen, lassen sich darin nicht mehr umsetzen, das alte Bild vom Beruf, der auch ein besonderes Verh�ltnis zu einer Sache, Berufung impliziert, ist l�ngst f�r den Zweck aufgegeben, dass die Dinge eigenschaftslos bearbeitet werden m�ssen und in der Arbeit nur Geld verdient werden kann durch irgendeine T�tigkeit, in welcher reine Anpassung und Einordnung vonn�ten ist. Das m�ssen keine T�tigkeiten sein, die bestimmte Bildung verlangen, selbstbewusstes erarbeiten einer Probleml�sung oder Herstellung von Dingen des Bedarfs, sondern vor allem Bedienung nach Ma�gabe von fremden Erfordernissen, Hilfereichungen bei Abl�ufen, die in sich schon vollst�ndig von der Sache her oder der Logik, dem Algorithmus der Computer bestimmt ist. Die Arbeit ist vor allem Bedienung und Flexibilit�t ein hierzu passender Begriff.

Und der entspricht auf der anderen Seite auch dem abstrakten Anliegen von Menschen, die nichts anderes mehr erreichen k�nnen, als durch ihre Arbeit das blanke Geld f�r ihre Reproduktion zu verdienen. Jede Arbeitswirklichkeit ist darin gebeugt, gesellschaftliche Beziehung in der Arbeit findet nicht durch sie, sondern bestenfalls nur zwischenmenschlich statt. Und so wie sich hier die Flexibilit�t aus der Notwendigkeit des Geldverdienens in einer ganz bestimmten Gesellschaft, in einer Dienstleistungsgesellschaft begr�ndet, so sind daher auch alle zwischenmenschliche Beziehungen bestimmt. Auch sie gr�nden auf blo� abstrakten Existenzsorgen, auf Geldverkehr und Geldbesitz.

Um den Wandel der Arbeits- und Beziehungswelt zu diskutieren, sind die Momente der Lebensbasis von Flexibilit�t und ihre Replexion in den Menschen selbst in sechs Thesen zusammengefasst,welche ihre inneren Verh�ltnisse und Bezogenheiten als Logik der pers�nlichen Flexibilit�t ausmachen. Dies reicht von den Bedingungen der Arbeitswelt und ihrer Ver�nderung bis zur Ebene der Parzellierung und Mythologisierung des Alltagsbewusstseins reichen. Es geht hierbei nicht um die Kritik der davon betroffenen Menschen, sondern um die Herausarbeitung des Menschlichen aus den Bedingtheiten seines Lebens, die sich als flexible Pers�nlichkeit in ihm manifestieren, solange er sich diesen zu opfern bereit ist.

 

1. Flexibilit�t ist die Erfordernis einer Arbeit, die auf der bedingunslosen Bedingtheit von Geldverh�ltnissen gr�ndet.

Die Globalisierung ist im Wesentlichen eine neue Form des Kapitaleinsatzes im Verh�ltnis zur Arbeit. Diese war durch die Krisen der alten Kapitalformationen notwendig geworden, deren Beschr�nkungen sich in der internationalen Kapitalakkumulation gezeigt hatten, die an den Landes- und W�hrungsgrenzen dadurch verlustig wurden, dass die kapitalisierten Werte im Verh�ltnis der Devisenwerte wieder verschwanden, entwertet wurden, solange der Kapitalverkehr durch Nationalbanken und nationale Politik und Verwaltung beschr�nkt werden konnte. Derweil hatte sich die Wertmasse der transnationalen Kapitalverflechtungen l�ngst �ber das Volumen vieler Staatsbanken hinausentwickelt. Die Deregulierung der nationalen Politik war nicht Ursprung, sondern Folge dieser Entwicklung. Der Kapitalverkehr hatte sich von da her hinter dem R�cken der Nationalstaaten zu einem globalen Handel mit fiktivem Kapitals gewandelt, das sich nicht mehr in die Produktion als Besitzer von Produktionsanlagen einbinden musste, sondern sich frei hiervon nur um Wertauspressung vorhandener Produktionsstrukturen �ber alle Grenzen hinweg bem�hte. F�r dieses Kapital sind nicht mehr der Ort und die Logistik des Arbeitsprozesses und seine materielle Effizienz tragend, sondern die Arbeit als Potenzial der Kapitalanwendung, als sich selbst tragende und regenerierende Existenzform menschlicher Reproduktion, die nur angelegentlich einer besonderen Verwertungschance mit besonders hierf�r bestimmtem Kapital versehen wird (z.B. durch Aktienkapital bei g�nstiger Verwertungslage).

Das Reproduktionsverh�ltnis der Arbeit ist damit als vorausgesetzt unterstellt, als sich quasi selbst erledigender Teil des Produktionsverh�ltnisses, um den sich das wertheckende Kapital nicht mehr sonderlich bem�ht, sondern dies dem Reproduktionsverm�gen der Individuen oder Nationen (z.B. als Binnenmarkt) als deren "Naturerfordernis" �berl�sst. Dass dies von der Mehrwertproduktion abgetrennt werden konnte, setzt einen Reichtum an Reproduktionsmittel voraus, der die Armut und Notwendigkeit blo�er Regeneration zu einer isolierten Selbstausbeutung (Indexup2b3a1a) gebracht hat. Die Menschen werden in voller Abh�ngigkeit von diesem Reichtum als Reproduzenten ihrer Existenz durch Leasing, Krediten, Mieten und Lizenzen auf m�glichst niederer Stufe so gehalten, dass die Auspressung von Mehrarbeit je nach Verwertungslage ergeht. So haben sich Binnenm�rkte zu Parzellen der Reproduktion entwickelt, wo weit mehr gearbeitet wird, wie an den �berkommen Produktionst�tten der gro�en Industrie. Weltweit wird in Haushalten, Hinterhofb�ros oder in kleinen Gruppen f�r ein Kapital gearbeitet, das als Ordinator der Arbeit, Besitzer der Produktionsmittel und als Agent eines Verwertungsinteresses gar nicht mehr in Erscheinung tritt. Es regelt sich alleine durch Chance und Risiko des isolierten arbeitenden Menschen in desozialisierter Arbeit ein.

So ist die Reproduktion der Menschen zur vollst�ndigen Gesellschaftslosigkeit gebracht und die Reichtumsproduktion zu einem gesellschaftlich erscheinenden Enwicklungsbed�rfnis des Kapitals verkehrt. Wenn es w�chst, so sei dies f�r alle gut. Wo auf der einen Seite die Not der Natur zwingend erscheint, die Notwendigkeiten der Menschen und Kulturen naturalisiert sind, wird auf der anderen Seite ein blinder Fortschrittsglaube des Verwertungsverm�gens zum Ma� der Dinge.

F�r das reine Reproduktionsverh�ltnis zirkuliert Geld f�r den einfachen Zahlungsverkehr nur als Zahlungsmittel. Hierf�r muss ein bestimmtes Geldquantum vorhanden sein und hinreichen, und also auch die Waren, die es decken. Da diese Werte einen geschlossenen Kreislauf des variablen Kapitals (Indexup2b3a1a2) darstellen, das keinen Mehrwert (Indexup2b3a1a1) bilden kann, m�ssen diese Waren oder Geldwerte zu einem entsprechend gro�en Teil dem Mehrprodukt �rmerer L�nder entspringen, die von den Lieferungen der reichen abh�ngig sind. Sie stellen also Handelsprofite auf den Import- und Devisenm�rkten (Indexup2b3a1a3) dar und erm�glichen hierdurch eine Arbeitswelt, die �berwiegend aus Dienstleistungen f�r den Wirtschaftsstandort der reichen L�nder besteht.

Die Reproduktion ist somit von der Kapitalanwendung abgetrennt und den Lebenserfordernissen �berlassen wie eine Naturerfordernis, die in jeder Form privatisiert ist, wiewohl sie dem gr��ten Druck einer Gesellschaft entspringt, die solche Armut n�tig hat, um ihren Reichtum zu vermehren. Geld wird damit selbst zur einfachen Lebensbestimmung, zur Verkehrsform der Naturalien, die zur Selbsterhaltung n�tig sind, zur Vorraussetzung von Arbeit �berhaupt – und Arbeit wendet die Mittel an, die hierf�r auf dem Markt der Produktionsmittel individualiert sind. Damit wird Heimarbeit und die Arbeit in Kleinbetrieben zur Massenarbeit von Individuen und Industriearbeit als Gesellschaftsform von Arbeit zunehmend unn�tig. Die Bindung der einzelnen Menschen an den Geldkreislauf ist durch die Notwendigkeit des Selbsterhalts (einschlie�lich dem Erwerb von Produktionsmittel) total naturalisiert, die materiellen Reproduktionsmittel und ihre Erzeugung dem Geldverh�ltnis lebensnotwendig unterordnet. Aus dieser Verkehrung von Gelderwerb und Arbeit, aus der Unterordnung der Arbeit unter das Geld ist der Mythos der Selbstbestimmung entstanden, der in Wirklichkeit nichts als Selbstausbeutung ist, die an vereinzelten Arbeitsst�tten oder auch in gr��eren Zusammenh�ngen betrieben wird, und die Selbstvertretung oder gewerkschaftliche Vertretung arbeitender Menschen zunehmend unm�glich macht.

Arbeitslosigkeit ist die notwendige Bedingung einer solchen Gesellschaft, weil sie Lebensangst um die Arbeit, und damit das "Naturma�" der Arbeitsauspressung in einer hochentwickelten Gesellschaft erzeugt, in welcher ohne dies die vorhandene Technologie zum Selbsterhalt ausreichen k�nnte. Dies macht den Wandel von der Ausbeutung durch unbezahlte Arbeitszeit zur Selbstausbeutung durch Existenzangst (d.i. die Sorge um die eigene Reproduktion) erst m�glich. Diese ist daf�r tragend, dass der gr��te Teil der Bev�lkerung auf billigste Art und Weise und mit rohesten Mitteln und einfachster Arbeit und Handlangerei ihr Leben fristet.

Solche Arbeit hat daher das Etikett selbstbestimmte Arbeit erhalten, weil jeder sich hierf�r nach seiner Not selbst "bestimmen" kann. Das hat die Hierarchisierung des Arbeitsprozesses und die vom Kapital bestimmte Arbeitsordnung aufgehoben. Arbeit zeigt damit auch keinen unmittelbaren Zusammenhang der Menschen, kein Zusammenwirken, weil menschliche Arbeit privatisiert und maschinelle Arbeit vergesellschaftet ist.

"Der �neue Kapitalismus� betrifft also ein soziologisches Ganzes und nicht blo� Wirtschaft oder Technologie. Die Institutionen, in denen wir uns bewegen, haben nach Sennetts �berzeugung unsere Zeitwahrnehmung ver�ndert: Arbeitsplatz, Sozialstaat und Gemeinschaftsleben sind als Bezugsrahmen einem immer rascheren Wandel unterworfen; Ursachen lassen sich kaum noch Wirkungen zuordnen; Absichten und Vorhaben verlieren sich in einem Netz von Unw�gbarkeiten und Zuf�lligkeiten, �ber die Einzelne und Gruppen immer weniger Kontrolle haben. Kurzum: Institutionelles Leben vermag nicht mehr als Erz�hlrahmen zu dienen, als eine Geschichte, in der Menschen eine signifikante - aktive - Rolle spielen." (Umschlagtext von Richard Sennett, "Die Kultur des neuen Kapitalismus")

 

2. Flexibilit�t entspringt der Spekulation auf eine Lebensverbesserung durch Selbstausbeutung: Selbstbestimmung durch Bew�ltigung von Sachzw�ngen

Der Ausbeutungsprozess (Indexup2b3a1a5) der Arbeit verl�uft in der Selbstausbeutung (Indexup2b3a1a6), die sich in der Arbeit f�r den Maschinenkonsum ausdr�ckt. Kapital wendet selbst immer weniger Maschinen f�r die Endproduktion an; es produziert vor allem Maschinen, Kommunikationsmittel, Pharmazie, Saatgut, H�user usw. und verkauft sie an Menschen, die sich damit reproduzieren und davon leben sollen, die auf Arbeitserfolge durch eigene Leistung und Selbstmanagement spekulieren und sich als Sch�pfer ihres Lebens sehen, als Verursacher einer selbstbestimmten Wirklichkeit. Mit Miete, Leasing, Maschinen- und Linzenzverkauf wird Wert erpresst, der erbracht wird, um "frei und autonom" arbeiten zu d�rfen.

Diese Arbeit allerdings verlangt den sich selbst unternehmenden Arbeitskr�ften sehr viel mehr Aufwand ab, als es der Lohnarbeit �berhaupt m�glich war. Der �ber privatisierte Arbeitsbedingungen vermittelte Arbeitsdruck stellt sich ja auch nicht mehr als Betriebsnotwendigkeit einer Arbeitsassoziation, sondern nur im Preis der Arbeitsger�te und der Miete usw. dar. Mehrwert entspringt der Arbeit, die �ber ihren Reproduktionswert, �ber die Ern�hrung der Arbeiter und den Wert (Indexup2b3a1a7) der Produktionsanlagen hinausgeht. Er wird daher jetzt aus �berwertigen Grundkosten und dem �berwertigen Verkauf von Technik, Rohmaterial oder Saatgut in Geldform eingebracht, der durch den Existenzdruck der Arbeit m�glich ist - so nat�rlich, wie einst die Pacht der Grundbesitzer zur Befreiung aus Leibeigenschaft erscheinen konnte.

Die Menschen beuten sich selbst aus, um ihre "Lage zu verbessern". Vielleicht meinen sie, so einfacher ihr "Brot zu verdienen" und "ihr Leben selbst zu bestimmen", tun aber all dies nur, um �berhaupt existieren zu k�nnen unter gesellschaftlichen Bedingungen, wo nicht die Arbeit, sondern Geldverh�ltnisse Lebensgrundlage der einzelnen Menschen ist. Um den Selbstbetrug zumindest als potenzielles Gl�ck zu vermeinen, ist es f�r sie am einfachsten, wenn Arbeit selbst als freie T�tigkeit aufgefasst wird, die sich nur graduell von den T�tigkeiten der Freizeit unterscheidet, wenn sie, wenn schon nicht gesellschaftliche Lebensvielfalt, so doch die pers�nliche Leistungsf�higkeit, Fitness und Erlebensf�higkeit best�tigt und vermehrt als Bereicherung isolierter Lebensformation. Darin ist jeder Mensch vor allem materiell und k�rperlich in Aktion und als h�chster Zweck erscheint die leibliche Ert�chtigung, die Basis f�r ein k�rperliches Selbstbewusstein, das jeden gesellschaftlichen Mangel vergessen macht.

In dieser Allgemeinheit entwickeln sich auch Teile der assoziierten Diensleistungs- und Verwaltungsarbeit, wo es die besser Verdienenden betrifft. Die selbstbestimmte Freizeit muss hier die unterworfene Arbeit, die flexible Arbeitskraft kompensieren. So treffen sich auf individueller Ebene sowohl assozierte wie die durch ihre Arbeit isolierten Menschen zumindest in der Freizeit, in den Gesundheitsparks und auf den Wander- und Radwegen. Ihre Gemeinschaft der Selbstbestimmung steht vor allem in krassem Gegensatz zu den Randst�ndigen, den Kranken und Alten, den Alleinerziehenden, den gr��eren Familien und den Erwerbslosen. Selbstbestimmung erscheint so als ein Besch�ftigungsreichtum in einer vergesellschafteten Freizeit, die sich von der Armut der Arbeitslosigkeit und �berforderung isolierter Menschen abhebt. Freizeitkultur wird zu einem Sinn der Besch�ftigung und zum Grund f�r m�glichst selbstbestimmtes Arbeiten mit gleitenden Arbeitszeiten und flexiblen Arbeitsbedingungen.

"Die Arbeit wird zum Event. Damit verschwindet die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit und dies wird noch beg�nstigt durch die Vernetzung von Heim- und Arbeitsplatz und der Integration des Alltags in die Produktion.

Der Arbeitsbegriff totalisiert sich, alle Bereiche des Lebens gehen ineinander �ber. Zeiten und Orte der Arbeit und Freizeit verschwimmen, es gibt keine Grenzen mehr zwischen Intimen und �ffentlichen. Die Spannung zwischen Arbeit und zu Hause verschwindet, die aber wichtig ist f�r unsere Rituale und Lebensordnung.

Die "selbstbestimmte Arbeit" f�hrt in vielen F�llen zur Entwertung und Selbstausbeutung, w�hrend Arbeitslosigkeit als leere, sinnlose Zeit gilt. Arbeit wird zum Lohn und Investment, sie hebt sich dadurch auf, da es kein Gewinn mehr ist zu arbeiten. In der Zukunft ist denkbar, dass wir f�r unsere Arbeit zahlen m�ssen" (aus einer Rezension zu Alexander Meschnig: Unternehme Dich selbst - Anmerkungen zum proteischen Charakter http://de.wikipedia.org/wiki/Proteische_Pers%C3%B6nlichkeit).

3. Flexibilit�t ist die Beugung menschlicher Eigenschaften durch die Vernunft des Erfolgsprinzips

Dem Erfolg ihres nat�rlich begrenzten Arbeitsverm�gens ordnet sich alles im Leben der "selbst�ndigen Arbeitskr�fte" unter. Sie passen sich an alles an, was hierf�r n�tig ist, um potenziell erfolgreich zu sein. Es ist ein Dasein f�r das Ungewisse, das durch Beugung aller Eigenschaften der Menschen versprochen scheint, durch "Flexibilit�t". Eine entsprechende Dienstfertigkeit entwickelt sich auch in den Verwaltungen und Agenturen, die sich nun auf einer Ebene mit der Masse der Reproduzenten verstehen k�nnen; die Gemeinschaft der Dienstleister ist entstanden, in welcher jedes Einzelschicksal als Beitrag zu einem dubiosen "gesellschaftlichen Fortschritt" gilt.

Dem entspricht auch die Logistik und Logik der Arbeit selbst, die Funktionalit�t der Arbeitsmittel, die vor allem durch Computertechnologie und Medien vermittelt wird. Ihre Vernunft, die als Algorithmus der Anwendungsroutine nur noch massenhaft abl�uft, vollstreckt die Logik der Sachzusammenh�nge wie eine eherne Naturnotwendigkeit, deren Ausfall nur Schaden bedeuten kann. Die Vernunft, welche die Aufkl�rung zur Befreiuung aus der Mythologie entwickelte, ist zur Mythologie der technischen Vernunft geworden, die selbst schon als Kategorie der Anwendung sich maschinell vollstreckt, ohne das dies des menschlichen Eingriffs noch bed�rfte. Sich ihr anzupassen erscheint als das einzig vern�nftige, was Menschen noch zu vollbringen h�tten. Der Zeitgeist solcher Vernunft ist der Geist vollendet dienstbereiter Technologie, seine Erfordernis ist Flexibilit�t, seine Politik die isolierte Selbstbestimmung, die Selbst�ndigkeit in der Bew�ltigung der Sachzw�nge.

"Durch die Flexibilisierung ver�ndert sich das Verh�ltnis zur Arbeit: jeder ist Animateur seiner eigenen Arbeitskraft, permanenter Wandel ist die einzige Konstante im Arbeitsleben, sich mit etwas zu identifizieren hat den Nachteil nicht mehr flexibel zu sein. Bis vor kurzem hat Erwerbsarbeit die Identit�tsbildung gesichert, das Individuum hat Sinnkonstrukt durch Arbeit bekommen. Heute geht die Einheit von Arbeit und Identit�t auseinander durch das Patchwork von T�tigkeiten und Arbeitspl�tzen.

Die Identit�ts- und Markenbildung einer Ich-Marke folgt den gleichen Gesetzen wie bei der Produktmarkenbildung. Die Patchworkidentit�t wird von der Marke zusammengehalten. Der Arbeitsmarkt funktioniert genauso wie der Warenmarkt, Angebot und Nachfrage bestimmt �ber den Preis. Die Marke Ich und die Ich-AG sind aber nur politisch instumentalisierbare Termini. Es gibt keine Arbeit, also mach dich selbstst�ndig - lautet die Aufforderung. Ein Arbeitsloser wird in der Logik zum Kunden, der Arbeit konsumieren m�chte - man wird nicht mehr arbeiten um zu konsumieren, sondern konsumieren um zu arbeiten." (aus einer Rezension zu Alexander Meschnig: Unternehme Dich selbst - Anmerkungen zum proteischen Charakter http://de.wikipedia.org/wiki/Proteische_Pers%C3%B6nlichkeit)

4. Die selbstbestimmte Individualit�t beruht auf einem abstrakten Beziehungsgeflecht, worin Selbstwert vor allem durch Image entsteht.

Die "sich selbst bestimmenden" Individuen sind keine auf ihre gesellschaftliche T�tigkeit und Bed�rftigkeit bezogene Menschen, sondern Zentren ihrer Beziehung auf unendlich viele Lebensmomente, als Knoten einer im Grunde unbestimmten und unbestimmbaren Beziehungswelt, Egozentren in einer Welt, die als blo�es Mittel hierf�r wahrgenommen wird. Das wird auch von den Vertretern des postmodernen Existenzialismus in dieser Ph�nomenologie aufgenommen und – wenn auch doppelb�dig unkritisch kritisch - affirmiert: "Wir existieren nicht mehr l�nger als Subjekte, sondern eher als Terminal, in dem zahlreichreiche Netze zusammenlaufen" (Jean Baudrillard: Das andere Selbst, Wien 1987, S. 14, zitiert nach Rifkin: Access, S. 283). Das Leben besteht nach solcher Auffassung aus beliebigen, v�llig relativen Momenten ohne jede Wahrheit und Allgemeinheit, deren Sinn sich aus einem aktuellen Beziehungsgeflecht ergibt, in welchem gut leben kann, wer sich darauf einzustellen vermag, wer also so flexibel ist, dass er alles und jeden gut zu nutzen versteht und zugleich solchem Nutzen auch verpflichtet ist. Flexibilit�t ist letztlich auch nur die subjektivierte Objektivit�t des N�tzlichkeitsprinzips, des Utilitarismus, welcher zugleich den unendlichen, weil unbestimmten Glauben an den Erfolg ausmacht, Erfolgsideologie ist.

Flexibilit�t kann keine menschliche Identit�t ausmachen; sie ist vor allem eine Unterwerfung unter die Zw�nge individualisierter Arbeitsverh�ltnisse, deren Bezugspunkte Knoten von Notwendigkeiten sind, von Know-How, Kumpanei, Effektivit�t und dergleichen mehr. Der Selbstwert einer hierin abh�ngigen Pers�nlichkeit, die sich auch selbst als individualisierter Verkehrsknoten erf�hrt, realisiert sich daher nicht mehr so sehr in der Arbeitswelt als Welt der Arbeit, sondern in ihrer zwischenmenschlichen Kompetenz, in ihren menschlichen Beziehungen hier wie dort, wie sie nach Sachlage bezweckt sind. Pers�nliche Identit�t besteht daraus, wie sich die Personen in diesem Geflecht best�tigt finden, was ihnen in ihrer Arbeits- und Lebenswelt an menschlicher Beziehung jedweder Art zukommt oder zuf�llt. Es ist ihr Image, das Design ihrer sozialen Position als Beziehungsmacht, ihre "Marke". Darin ist das Erfolgsprinzip als Lebenswert verk�rpert, als Mensch, der in den zwischenmenschlichen Beziehungen Erfolg hat und darin sein Leben best�tigt findet, - und sich auch in seinen zwischenmenschlichen Eroberungen als Mensch empfindet.

Die Lebensabsichten hierin beziehen sich vor allem auf die Macht der Erscheinung, auf den optimalen Auftritt auf der B�hne �ffentlicher Pers�nlichkeiten, die sich dort auff�hren, wie sie privat verstanden sein wollen. Privates wird unmittelbar �ffentlich, weil alle �ffentlichkeit als Mittel und Vermittlung der Privatheit erscheint. Die �ffentlich private Daseinsform macht sowohl die Pers�nlichkeitsspaltung wie auch ihre Identit�t aus: Die Lebenswerte bestimmen den Wert ihrer Beziehungen, wie sie auch ihre Bezogenheit zu einer Selbstverst�ndlichkeit machen, zu etwas, was unhinterfragbar ist. Wie man lebt und liebt geh�rt zum �ffentlichen Selfunderstatement so, wie es eben auch die �ffentliche Gesundheit erfordert. Was hiervon abweicht, wird entweder kulturell vereinnahmt (z.B. als Gemeinnutzen origineller Travestie o.�.) oder gesellschaftlich entleibt, zum Monster gemacht und mit Kampagnen der Ausgrenzung oder auch Bemitleidung bedacht, die in jeder Form der Stabilisierung der herrschenden Lebenswerte dienen.

"Im permanenten Wandel wird die Identit�tsstabilit�t nicht mehr gew�hrleistet, sie wird vor neue Anforderungen gestellt. Heute sind nur noch Angebote der Marken- und Imagemacher identit�tsstiftend, die Marken und die damit verbundenen Werte treten an Stelle traditioneller Sozialisationsinstanzen. Markenprodukte definieren die pers�nliche Haltung zur Welt und positionieren die Individuen in bestimmte Klassen. Die Arbeiter in der New Economy identifizierten sich mit dem Lifestyle ihrer Arbeit und des Unternehmens, das als Marke platziert war, weil durch die Fluktuation im Unternehmen fast keine Identit�tsbildung durch die Arbeit mehr m�glich war.

Es existiert eine Schere zwischen den Anforderungen des Berufslebens (Flexibilit�t) und den privaten/famili�ren Werten (Kontinuit�t), dies f�hrt zur psychischen Zerrei�probe. Die Grenze der Zumutbarkeit ist bald erreicht, durch das Vordringen der Prinzipien der Arbeitswelt in die Freizeit. Dies stie� schon auf Widerstand in der Zeit der New Economy. Die Arbeitswelt kollidierte mit famili�rer/privater Welt, weil ein junger, flexibler Arbeitnehmer auch �lter wird. Soziales Leben ist nur dort m�glich, wo es minimale Bindungen gibt, aber verl�sslich, intensive Bindungen ver�ndern sich nicht in spielerische, sich stets wandelnde Beziehungen." (aus einer Rezension zu Alexander Meschnig: Unternehme Dich selbst - Anmerkungen zum proteischen Charakter http://de.wikipedia.org/wiki/Proteische_Pers%C3%B6nlichkeit)

"Politisches oder soziales Engagement wird abgelehnt. Anstatt sich kollektiv zu organisieren, um ihre Situation zu verbessern, versuchen die proteischen Menschen ihr eigenes Leben so angenehm wie m�glich zu gestalten, selbst wenn es noch so elend ist. Realit�t ist f�r sie das Ereignis, das am m�chtigsten ist, dass ist aber immer h�ufiger die Simulation. Proteische Pers�nlichkeiten haben zu viele Fragen keine eigene Meinung oder �ndert diese laufend. Zitat: "Was du gesagt hast, klingt glaubw�rdig. Ich w�rde aber auch das Gegenteil glauben, wenn es nur �berzeugend vorgetragen wird."

Die theatralische Pers�nlichkeit: Die proteische Pers�nlichkeit ist von kommerziellen Massenmedien und Werbebotschaften umgeben. Beispiele hierf�r sind Computernetzwerke, das Beziehungsmarketing, die geschlossenen Communitys, Einkaufszentren, Themenparks, Tourismus und die kulturelle Produktion. Dies f�rdert die Einstellung, dass das ganze Leben aus einer Reihe von theatralischen Momenten und dramatischen Auftritten besteht. Menschen mit proteischer Pers�nlichkeit achten deshalb auch sehr stark auf ihren eigenen K�rper und auf ihr Aussehen. Auch Piercing und Tattoos dienen letztendlich einer Versch�nerung und Dramatisierung des eigenen K�rpers."(Anmerkungen zum proteischen Charakter http://de.wikipedia.org/wiki/Proteische_Pers%C3%B6nlichkeit)

 

5. In der flexiblen Pers�nlichkeit f�llt Selbstaufgabe mit Willensbildung zusammen

Ein Leben auf der Basis von Geldverh�ltnissen bereitet vielerlei Lebensangst, welche durch die Lebenspraxis der flexiblen Pers�nlichkeit �berwunden sein soll, durch die Herstellung pers�nlicher Beziehungsmacht, welche im Prinzip Leben nur nutzen kann, um Leben zu bilden – es durch Nutzung und Ausnutzung von gegebenen Bezogenheiten zu erhoffen. Daher ist f�r eine solche Pers�nlichkeit ihr Leben nicht Ausgang, sondern Ziel aller T�tigkeit. Das bedingt, dass solche Menschen sich nicht von ihren Lebensbedingungen unterscheiden k�nnen. Ihr Leben ist ein unterschiedsloses Sein und Empfinden, dessen Frucht erst Leben sein soll. Weil Leben best�ndig �berlebt werden muss, weil es ohne dies keinen Sinn hat, wird es zu einer Aufgabe und Pflicht. Die flexible Pers�nlichkeit erf�hrt sich best�ndig als ohnm�chtig und ihr eigenes Leben als eine Macht �ber sich. Um ihr gegen�ber zu bestehen, muss sie sich selbst vermitteln – zum einen mitteilen als jemand, der sie nicht ist, zum anderen einen Willen setzen und ihm dienen, durch den sie sein kann. Die selbstbewusste Darstellung ihrer Selbstausbeutung ist der Gewinn ihrer zwischenmenschliche Identit�t als naturhaft scheinender Mensch, ihre allseitige Fitness als ihr sozialer Status, der sich vor allem �sthetisch geriert.

Da sich in ihrer Erscheinung selbst soziale Macht formulieren soll, bedarf es einer �sthetik der allgemeinen k�rperlichen Bezogenheit, die Anpassung an das Ideal des f�r eine bestimmte Gesellschaft �sthetisch geltenden Menschen. Der K�rper wird selbst zu einer �sthetischen Erscheinung getrieben, die sich nicht mehr aus seinem Leben erkl�rt, sondern aus dem Willen, f�r andere lebendig f�r das zu erscheinen, was die Lebenswerte erbringen sollen. Er muss sich jung, dynamisch, nat�rlich und flexibel geben k�nnen, will er Beziehungsmacht verk�rpern: Nutzbarkeit f�r das �berleben in Verh�ltnissen, die relativ leblos sind. Das Partikularisierte versammelt sich im �sthetischen Willen zu allgemeiner Besonderung des praktischen und k�rperlichen Erlebens, das jeden Lebensausdruck zur Beeindruckung lebendiger Menschen wendet, zu einem ausdr�cklichen Eindruck, dessen einziger Sinn eine machtvolle Lebensbew�ltigung ist.

Um sich als lebendig zu empfinden, braucht die flexible Pers�nlichkeit viel Glanz, Design und Mode, - dies aber nicht nur als Mittel der Selbstverst�rkung und als Lebensausdruck, sondern als �sthetische Form ihres �berlebenswillens, zu einem �sthetischen Willen, der ihre Beziehungen aus der Dichte ihrer k�rperlichen Anwesenheit bestimmt. Da geht es dann um K�rperkult (s.a. K�rperfetischismus), um Selbstwahrnehmung, die sich aus dem Verh�ltnis des k�rperlichen Wesens Mensch als Sinn der Wahrnehmung, als best�ndig nach Erneuerung trachtendes Selbstgef�hl ergibt, das sich durch die Art und Weise ihres k�rperlichen Daseins als Sinn f�r sich wahr f�hlt.

Eine flexible Pers�nlichkeit besteht aus unendlich viel Gef�hl f�r sich selbst, das dort entsteht, wo sie sich unter anderen Menschen als Mensch f�hlt. Solche Selbstgef�hle sind die in der Entleibung der Gef�hle gewonnene Gef�hlsgewohnheiten, die sich unendlich ausbreiten lassen in Ton und Bild, Musik und B�hne, so beweglich, wie die Bedingungen, die sie in sich �berwunden und aufgehoben haben.

Selbstgef�hle werden dadurch selbst zum Kult, zu einer belebenden Substanz kultischer Bezogenheiten, die sich �ber die N�he und Ferne der Menschen in ihren Lebensr�umen ausbreiten und ihre Zeit vergessen sein lassen. Das konkrete Leben erscheint darin selbst nur noch zeitlos, ohne wirkliche Geschichte, weil daf�r keine Zeit ist, weil die Zeit selbst schon im Ereigniswechsel bestimmt ist, in der Endlichkeit der Gef�hle, die darin auftreten. Freundschaften, Liebe, jede Zwischenmenschlichkeit hat darin keinen wirklichen Verlauf, keine bestimmte Entwicklung und Geschichte, sondern besteht aus aus der Wechselhaftigkeit der Lebensintensit�ten. Sie sind von ihrem �berlebensprinzip nicht nur bestimmt, sondern ausdr�cklich verneint, zur Nichtigkeit bestimmt. Daran muss man sich gew�hnen, um es ohne Lebensangst zu ertragen: Jede Auseinandersetzung scheitert an der Ausschlie�lichkeit der �berlebensinteressen und Leben gelingt darin nur in einer ziemlich toten Form, n�mlich wenn man sich damit abfindet und sich daran gew�hnt, es selbst als Lebensumstand nimmt.

Aber die zur Gewohnheit gewordenen Lebensumst�nde zeigen auch dann ihre vertraxte Dialektik, wenn sie ihre Ausschlie�lichkeit behaupten: Im Dasein des Ungew�hnlichen, des ganz und gar Unstetigen der gesellschaftlichen Lebensbedingungen, verschlei�t sich menschliches Leben bis zur Unkenntlichkeit und evoziert Verr�ckungen und Verr�cktheiten, die von einer heftiger Lebenssehnsucht getrieben sind. Ihre Wahrheit aber kann nicht von dieser Welt sein; sie findet sich in esoterischen �bungen, Selbstheilungen, Familienaufstellungen usw., in denen die Ordnung der Urspr�nglichkeit, die Geister der Vergangenheit zu leben beginnen (siehe hierzu "Hellinger, ein Heiland der herrschenden Ordnung").

Die Ordnungen aus dem Jenseits machen daher Sinn, der in der Sinnlosigkeit des Diesseits wie eine �bersinnliche Wesenstiefe empfunden werden kann, wenn man da etwas nachhilft und davon �berzeugt ist. Je extremer die Ereigniswechsel im Alltagsleben sind, desto hilfreicher ist das Geraune der Selbstfindung aus den Urspr�nglichkeiten des Innersten. Das "Cool-Bleiben" im Arbeits- und Lebensalltag, das sich damit best�ndige Abfinden und das drein Einfinden, um sich an die abrupte Wechselhaftigkeit des Seins zu gew�hnen, wird ausgeglichen durch eine flapsig verbr�mte und doch hoch bewertete Innerlichkeit, die jedem zugestanden ist, wenn er sich rechtzeitig auch wieder daraus zur�cknimmt, durch Lebenswerte, die eine Lebensweise der Selbstbezogenheit abdecken und abdeckeln.

 

6. Die flexible Pers�nlichkeit ist Meister ihrer Selbstentfremdung als Subjekt und Objekt ihrer Gottverlassenheit, letztlich �bermensch.

Die Welt erscheint einer Pers�nlichkeit, die sich vollst�ndig an sie angepasst hat, als Wesen ihrer selbst, das sich nicht mehr fremd werden kann und dem nichts fremd ist, weil es sich mit allem zu identifizieren vermag. Sie erf�hrt darin sowohl ihre Macht wie ihre Ohnmacht so wesentlich, wie sie sich als Wesen dieser Welt versteht, darin also ein sich selbst erscheinendes Wesen ist. Welt und Pers�nlichkeit vereinen sich also in einem Wesen, das sich selbst zur Welt gebracht hat und sich durch sich selbst regelt und erh�lt, das eine Macht inne hat, die sich durch kein menschliches Handeln beeinflussen (oder besch�digen) l�sst. Die Menschen sind ihr in derselben Weise ausgeliefert, wie sie darin auch verwirklicht sind.

Zwar haben eigentlich nur Politik und Technik sie zu dem gemacht, als was sie sich erscheinen k�nnen, aber andererseits m�ssen sie sich aus der Not ihres pers�nlichen Willens, aus dem Bed�rfnis nach der Allm�chtigkeit menschlicher Bezogenheiten, sich gerade darin mit der Welt identifizieren, dass sie der Inbegriff aller Lebens�u�erung ist, sozusagen allgemeiner Entwicklungsstand des Menschseins, in welchem der Einzelne per se untergeht – eben weil dies zur Welt geh�rt. Das In-der-Welt-sein hat dadurch die besondere Ph�nomenologie bekommen, dass der Untergang des Einzelnen allgemein aufgehen soll. Darin wird Existenzialismus �berholt, die Konfrontation mit dem Tod nicht Lebenstatsache, sondern lebensnotwendig, �berm�chtig. Was dereinst als Gott fungiert hatte, fungiert somit im Menschen selbst. Die moderne Religion ist der Glaube an das Wunderwirken des Menschen, an das Verm�gen seiner Politik, Kultur, Forschung und Wissenschaft, dem zur Not auch konkretes Leben �berantwortet und �berschrieben wird. Kultur wird dadurch zur Kulturmacht, dass sie sich als besonderen Lebenswert herausstellt und sich gegen andere Kultur, �konomie und Forschung herauskehrt. Der "Kampf der Kulturen" dient einzig einer Kultur, die sich dadurch �bermenschlich begreift, dass sie sich nicht mehr mit anderen auseinandersetzt, sondern sich als �berlebenskultur bestimmt (und bewaffnet).

Macht wird so eine Frage der zur Selbstbestimmung gewendeten Entfremdung des Menschen vom Menschen, zur Frage einer Religion des �berlebens. Dies bewirkt die Welterfahrung ebenso wie die Selbsterfahrung: Das menschliche Leben erscheint darin in keiner sinnlichen Bezogenheit der Lebenswelten mit ihren wirklichen Gegens�tzen und Widerspr�che, sondern als �berlebensnotwendigkeit einer Welt, die ihren Reichtum zu solcher Armut, ihre Vielfalt zu solcher Einfalt, konkretes Leben zur blo�en Abstraktion der Werte getrieben hat.

Die flexible Pers�nlichkeit entspricht in ihrem Verhalten und F�hlen diesem Prinzip und hat einen Bedarf an �berm�chtigkeit. Aus ihrer Leblosigkeit kann sie sich nicht unentwegt mit Macht herausheben. Ihr Dasein als solches, ihre blo�en Gegenwart muss ihr Sinn und Zweck werden, zu einem Potenzial der �berwindung der Gefangenschaft, der Bedingtheit. Und gerade dies erzeugt das letztendliche Paradox: Es macht die Bedingtheit zum Potenzial ihrer �berwindung, macht sie absolut n�tig, ihren Besitz lebensnotwendig und die Gewohnheit hieran ausschlie�lich. Es ist der Kern eines reaktion�ren Bewusstseins, das sein Sein vergessen machen will.

Das bringt solche Pers�nlichkeiten zu eigent�mlichen Verarbeitungsprozessen ihrer Seelenschmerzen, die sich besonders durch reaktion�re Lebenswerte f�llen, um sich darin in ihrer Empfindungslosigkeit zu best�rken. Sie ist von da her auch eine h�chst religi�se Person, die fr�her oder sp�ter, n�mlich dann, wenn ihre Beziehungsm�chtigkeit bodenlos wird, jeden Bruch vorwegnehmen will und aus ihrem Glauben an die Welt einen Glauben an den �bermenschen macht. Darauf eben l�uft vorweggenommenes Leben hinaus, das als �berleben aus dem Nichts angetreten war: Sich endlich selbst zu begr�nden als Prinzip der Erl�sung durch das Heil des Ganzen, als Heilsprinzip.

In einer Welt eruptiver Weltenwechsel gibt es nichts mehr, worauf man sich verlassen und also auch nichts, worein man sich wirklich einlassen kann. Die Verlassenheit erweckt immer das Bed�rfnis nach R�ckbindung, das Gef�hl der Gottverlassenheit und damit allerlei Religiosit�t und Sinnfragen. So paradox es ist: Die flexible Pers�nlichkeit ist ein gottverlassener Mensch, der zugleich h�chst religi�s ist, ob er das nun praktiziert oder nicht. Das Verlangen nach Sinn entsteht ja gerade dort, wo er zerst�rt wird. Und so wundert es nicht, dass hinter allem Unsinn der Verh�ltnisse, die sich darin forttreiben, das Bed�rfnis nach Erl�sung sich herausstellt, das Gef�hl eines gigantischen Elends, das nicht mehr mit den Mitteln dieser Welt zu beherrschen ist, sondern nur durch ein h�heres Wesen aufgehoben werden kann. Unendliche Beziehungswelten machen die Weite unendlicher Beziehungslosigkeit aus, und die setzt sich das h�here Wesen als etwas Geistiges, das die Welt verlassen hat und das als Kultst�tte des Geistes, der sich vom Gew�hnlichen abhebt, der untergehenden Hoffnung auf menschliche Beziehung abstrakte Nahrung gibt. So lassen sich die Gewohnheiten der Welt wenigstens als Gef�hl f�r sie fortleben, wenn sie in einem �bermenschlichen Wesen fixiert sind - sei dies nun Gott oder irgendeine andere Verg�tterung. Darin muss es einen �bermenschlichen Sinn geben, eine Ordnung, der alles entspringt, was ohne dies keinen Sinn mehr hat (siehe Ph�nomenologie).

Hieraus entsteht ein weiteres Paradox: Die an ihre Welt gew�hnte, die gew�hnliche Pers�nlichkeit ist so flexibel, wie sie sich zugleich an dem einregelt, was ihr widerf�hrt. Sie nimmt die Welt als Medium ihrer Selbstbeziehung wahr und sich als Medium ihrer Ordnung, sich automedial (siehe Multimedia). Sie ist sozusagen Meister in der Selbstbeherrschung der herrschenden Ordnung, ein Mensch, der genau dem entspricht, was zum Leben notwendig ist, ohne darin wirklich leben zu k�nnen. F�r ihn ist nichts mehr identifizierbar als fremd oder eigen, weil er darin ununterschieden ist, seine �u�erung zugleich Ent�u�erung von allem ist, was ihm zu eigen sein k�nnte. Kein bestimmter Inhalt ist hierin lebensbestimmend, keine Gewissheit m�glich. Das fremd bestimmte ist ebenso Lebensform, wie Eigenes darin ge�u�ert sein kann, ohne ihm fremd zu erscheinen. Ihm ist daher Aufbegehren ebenso fremd wie Autoritarismus und Hierarchie. Die neueren gesellschaftlichen Entwicklungen haben ihm seine Eigenheiten bis ins Mark ausgetrieben.

Trotzdem nun die herrschende Ordnung selbst wie eine �bermenschliche Ordnung anerkannt ist, bleibt in der Unterschiedslosigkeit der Flexibilit�t die Wahrnehmung selbst vor allem von der Dichte der Ereignisse bestimmt, vom Quantum ihrer Anwesenheit, der Abfolge der kontinuierlichen Wechsel, worin sich die Selbstwahrnehmung in Bewegung erh�lt. Alle Mittel der Wahrnehmung, die unendlich vielen Kulturereignisse, Computerspiele, Medienauftritte, Musiktr�ger usw. dienen weiterhin vor allem dem, dass innere Bewegungungen und Erregungen die Welt unbetrefflich und eint�nig erscheinen lassen, lediglich geeignet als Mittel des Gelderwerbs. Allerdings ist jetzt der �bermensch in den Selbstgef�hlen verfestigt und bereitet sich darin auf wie eh und je als Gef�hl f�r Gr��e, Macht und Masse. Der Kulturkonsum wird hierdurch nicht geringer sondern breitet sich nun auch in die vertikale Dimensionen der Scheinwelten aus, die das Leben nicht mehr leiden m�gen. Die hiervon bestimmten Menschen schlie�en jedes wirkliche Leiden aus, bestehen gerade in dem Zweck, kein Leiden, keine wirkliche Empfindung aufkommen zu lassen

 

Wolfram Pfreundschuh