Wolfram Pfreundschuh

Ein Heiland der herrschenden Ordnung

Der Kultur-Chauvinismus des Bert Hellinger

Die meisten, die eine Familienaufstellung bei Hellinger mitgemacht haben, fanden das eigentlich erstmal ganz gut. Irgendwie hat sich bei ihnen dabei was gel�st – vielleicht auch nur, weil es angesprochen war –, etwas Unklares, f�r das man keine Worte hat. Es gibt eben diese "stillen Wahrheiten", die erkennt man nicht, die f�hlt man nur. Es hat sich wie von selbst gelegt, etwas, das bedr�ckt hatte, zumindest eine best�ndige Anspannung war. In der Aufstellung hat sich das ge�ndert, war n�her gekommen. Und dieser Kontakt zu sich selbst hat zumindest das Vertrauen geweckt, dass eben doch alles seinen Sinn hat und dass man damit umgehen kann. Das jedenfalls ist „r�bergekommen“. Danach hat man keine Fragen mehr. Man kann sich und der Welt wieder zustimmen. So wie sie ist, so ist sie nun mal. Und weil es so ist, hat alles wieder seine Ordnung. Das beruhigt. Man kann es nicht so recht beschreiben. Und man soll das auch garnicht.

Hellinger kann das. Er spricht unentwegt davon. Es sei eine besondere Fähigkeit seines Erkennens: Die ganzheitliche Wahrnehmung. Da wird "aus einer Fülle von Phänomenen plötzlich das Wesentliche erfaßt. Das nenne ich eine phänomenologische Vorgangsweise" (Hellinger). Bei ihm ist das so: Er erkennt blitzartig "das Ganze" eines Lebens, dessen "innere Ordnung", also alles auf einmal. Deshalb geht es auch so schnell, ein paar Minuten nur. Das ist nicht ein Ergründungsprozess oder gar ein analytisches Begreifen oder dergleichen. Es hat keine Beschaffenheit, keine Logik oder Wirklichkeit oder Struktur oder Bedingtheit. Es sei wie eine "Erleuchtung", so etwas wie eine übergeschichtliche Gewissheit, so eine gewisse Magie des Augenblicks, das Zusammentreffen von vielschichtigen Eindrücken. Jedenfalls geht es dabei nicht mehr um Erklärungen, Begründungen oder Diskussionen; eigentlich überhaupt nicht um Sprache: Es ist etwas Wunderbares, eine im Grunde religiöse Erkenntnis des natürlichen Wahrnehmens, die Erfahrung einer natürlichen Ordnung, einer „richtigen Ordnung“, die empathische Erfahrung des eigentlich Gesunden, auch wenn es krank ist:

"Wenn ich eine Ordnung finde, die richtige Ordnung finde, ... dann bewirkt das etwas Heilendes oder L�sendes in einem System. Ordnung ist etwas Vorgegebenes. Ein Baum zum Beispiel entfaltet sich nach einer Ordnung. Sie ist ihm vorgegeben. Er kann aus dieser Ordnung nicht herausfallen, sonst ist er kein Baum mehr. So entwickelt sich auch der Mensch nach einer Ordnung. Und menschliche Systeme entwickeln sich nach einer Ordnung. Diese Ordnungen sind uns vorgegeben." (http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/bert_hellinger/)

Das k�ndet von etwas ganz Einfachem, etwas Sch�nem und Urspr�nglichem, dem wir entr�ckt sind, nicht mehr entsprechen und deshalb auch nicht mehr zu uns selbst finden k�nnen. Das m�ssen wir einfach mal f�hlen. Und dann kommt sie �ber uns, die Ruhe:

"Die Ruhe kommt wie die Wahrnehmung aus der Zustimmung zur Welt, wie sie erscheint, also ohne die Absicht, sie zu ver�ndern. Das ist im Grunde eine religi�se Haltung, weil sie sich einf�gt in ein gr��eres Ganzes, ohne sich herauszunehmen, es besser zu wissen, oder einen besseren Ausgang erreichen zu k�nnen, als in die tiefen Kr�fte von sich aus anzusteuern." (http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/bert_hellinger/)

Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn wir der Welt zustimmen, "wie sie erscheint", wenn wir sie in uns aufnehmen und uns mit ihr vers�hnen, dann finden wir unsere Ruhe. Das ist auch nichts besonders Neues. Es war ja immer schon in jeder Kirche zu h�ren und auch in allen sonstigen Gebetsm�hlen des ordentlichen Selbstverst�ndnisses. Neu ist nur, dass dieser R�ckzug aus den Widerspr�chen unseres Lebens, aus unserem praktischen Leben �berhaupt, etwas mit unserem Gewissen zu tun haben soll. Wer den Gegebenheiten des Lebens n�mlich zustimmt habe immer ein gutes Gewissen. Wer nicht, der hat es wohl nicht.

"Das Gewissen ist ein systemisches Gleichgewichtsorgan, mit dessen Hilfe jeder sofort wahrnehmen kann, ob er sich im Einklang mit dem System befindet oder nicht; ob er etwas tut, was ihm die Zugeh�rigkeit sichert, oder ob er etwas tut, was seine Zugeh�rigkeit gef�hrdet oder aufhebt. Es hat sich also herausgestellt, da� gutes Gewissen nichts anderes bedeutet, als: Ich darf noch dazugeh�ren, und da� schlechtes Gewissen hei�t: Ich mu� bef�rchten, da� ich nicht mehr dazugeh�ren darf." (http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/bert_hellinger/)

Folgsamkeit war schon immer das Einfachste. Jetzt ist sie Kern der gewissenhaften Naturerfahrung: N�mlich als Form der Zugeh�rigkeit. F�r den Psychotheologen Hellinger �st es das "systemische" seiner Theorie, die Ordnung des inneren Zusammenhangs, die er als „Wahrheit“ ansieht, die heilt, wenn sie entdeckt wird und Unheil mit sich bringt, wenn man sie nicht befolgt und sich ihr entfremdet. Das n�mlich ist die Grundlage von allem, was unser Leben ausmache: Wer die Ordnung vollzieht, wird gl�cklich, wer sie st�rt, der muss leiden. Und wer von seinem Leiden geheilt sein will, der muss die Ordnung finden.

Nat�rlich ist das nicht ganz so einfach, wie es sich anh�rt. Wie kann man wissen, wo man sie findet, was man im Innersten leidet und wovon man sich entfremdet hat? Tja, um Ordnung zu finden, da muss man man schon was tun. Sie steht ja �ber uns, und um sie zu erfahren braucht man deshalb auch noch eine Prise katholische Bioenergetik. Die kommt durch die Demut, denn die bewirkt ein komplexes Geschehen zwischen K�rper und Geist und Leben und Seele. N�mlich, wenn man sich aus Demut verneigt:

"...es ist offensichtlich, da� es verschiedene Demutsgeb�rden auch in den Religionen gibt, zum Beispiel das Hinknien oder das Sich-so-ganz-Niederbeugen. ... Ich habe diese Geb�rden abgelesen aus konkreten Verl�ufen, ohne Bezug zu irgendwelchen Religionen. Das erste, was ich abgelesen habe, war, da� die leichte Verneigung des Kopfes nach vorne Energie im R�cken hochsteigen l��t, da� also die Haltung des Nach-oben-Schauens den Energieflu� hindert. Wenn einer den Kopf leicht nach vorne neigt, flie�t Energie, und er kommt mehr in Kontakt mit der Erde." (http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/bert_hellinger/)

In der Demut also steckt jene Kraft der Natur, von der wir entfremdet sind: Die Erdung. Das „zu Boden gehen“ macht sensibel f�r die h�heren Weihen des Lebens. Das ist das ganze Geheimnis. Das ist eine alte Glaubenslehre des Katholizismus und hat sich in diesem Sinne �ber fast zweitausend Jahre schon durch Selbstkasteiung, Selbsterniedrigung, Unterwerfung bew�hrt, wie auch in ihrer �berhebung, in der Doktrin der allm�chtigen „Wahrheit“, in der Inquisition, der Verfolgung und der Verf�hrung und Verst�mmelung. Man sagt nun leicht, das sei doch ein knochenharter Konservatismus, eigentlich l�ngst �berwunden; h�chstens bei der Prieserweihe, da liegen sie noch auf dem Boden. Aber was will denn Hellinger damit? Und warum hat er seine katholische Kanzel dann verlassen und ist Psychologe geworden?

Hellinger will den Menschen das Gl�ck der Bescheidenheit vor der Gr��e der Welt und ihrer Geschichte vermitteln. Wir w�rden das Leben �bersehen, seine innere Ordnung nicht mehr erkennen. Er will Vers�hnung mit dieser "Lebensordnung", denn diese sei Grundlage f�r das Gl�ck der Menschheit (so Gunthard Weber: "Zweierlei Gl�ck", S. 152 ff). Bert Hellinger will aufr�umen auf dieser Welt. Deren Unordnung mache uns krank.

Man kennt das schon. Heidegger nannte es die „Seinsvergessenheit“, damals vor 80 Jahren, als er den Menschen vorwarf, sie hätten sich durch die Moderne, durch die Technik und die Industrie verführen zu lassen und sich von ihrem wahren Leben, ihrem Sein entfremdet. Er hat eine ganze Philosophie daraus gemacht. Hellinger hat sie gründlich studiert. Und deshalb ist er sich auch so sicher und kann darüber reden. Für ihn ist die Lebensordnung die Wahrheit allen Seins, die Ordnung des Lebens und die Ordnung der Liebe. Und die ist eben was ganz Schönes, Großes und Gutes und bestimmt jedes Leben.

 

Die "Ordnung" als "Wahrheit"

Natürlich kann eine derart hervorgeholte Ordnung nichts anderes sein, als was sie immer schon war: Das Konglomerat einer altbackenen Ursprungsmythologie der Gattung und Begattung, der Geschlechter und Generationen, die Phänomenologie einer Wesenslehre. Wer die Liebe zur Ordnung kürt, meint eben auch immer eine Urtypologie der Natur, die Geschlechtlichkeit und ihre Triebe und Begierden, die ihre Selbstbeherrschung nötig hat und ihre Kultivierung dies enthalte: Die "Ordnung" der Männer und Frauen, wie sie sorgen und dienen, der Eltern und Kinder, wie sie sein dürfen und sein müssen, der Liebespflicht und Liebesschuld.

Alles, was der katholische Missionar Hellinger einst den afrikanischen Kindern und Erwachsenen zu verk�nden hatte, das kehrt beim Psychologen Hellinger wieder. Jetzt aber etwas anders, n�mlich umgekehrt: Nicht Gottes Wille macht die Gebote f�r uns, nach denen wir leben sollten, die gro�e Pflicht der Menschheit, welche aus der Erbs�nde folgt und Gehorsam verlangt. Nein: Gottes Gebote seien eigentlich Menschenwille, Ordnung seiner Natur. Wer gegen sie verst��t, verst��t gegen sein Menschsein, also gegen sich selbst. Und das ist um einiges brutaler: Gegen Gott kann mensch noch opponieren, nicht aber gegen sich selbst. Solche Verst��e gegen das Menschsein sind Verst��e gegen das Menschenleben, gegen das Leben �berhaupt. Das sind keine S�nden mehr, keine kleinen B�ndnisse mit dem Teufel. Das ist teuflisch und das macht dann auch das Leiden aus, mit dem sich Hellinger befassen will. Er glaubt es in jeder Verwirrung und Verspannung der Psyche zu finden und er verfolgt es in allen Ph�nomen, die er zu greifen bekommt – so jedenfalls versteht er seine "Ph�nomenologie".

Was Hellinger unter Phänomenologie versteht, entspricht dem, was jeder Ursprungstheorie und Mythologie zugrunde liegt: Ein Prinzip des Lebens, das als „eigentliches Wesen“ hinter allem steht, was in den wirklichen Wesen nur erscheint wie eine Wesenskraft, die sich dort entfaltet. In der Wirkllichkeit hat alles dieses Wesen, ist aber nicht wirklich wesentlich. Das Seiende ist darin unterschieden vom Sein (Heidegger), bloße Empirie, die nichts Wesentliches enthält, weil das Wesen über allem erhaben ist, sich wie die Jungfrau aus der Venus aus den Fakten des Daseins herausschält. Somit bekommt alles wirklich Lebende eine überwirkliche Dimension. Und diese macht alle Aussagen über das Leben größer, als dieses selbst, alles Konkrete schwächer, als die Abstraktionen hiervon. Die Hellingerschen Lebensweisheiten werden somit dimensioniert auf Überlebensgröße, auf ein Ordungsprinzip, das also auch überweltlich ist - und nicht und nur die Ordnung, sondern auch der Verstoß gegen sie. Das Leben der Menschen und der Natur wird dadurch zum Lebensträger einer Wahrheit, die selbst nicht wirklich lebt. Als Träger dieser Wahrheit müssen wir uns mit ihr also auch einkriegen in unsere kleine Welt. Diese Lebenshaltung ist so simpel wie total: Wer seinem Wesen nicht gerecht wird, ist selbst schuld, wenn er daran leidet.

Und genauso simpel wird dann ein Wahrheitsverst�ndnis hervorgeholt, welches das Wesen der Wahrheit kennen will. Es sei eine Wahrheit in uns, die durch uns nicht begr�ndet ist, eine Wahrheit, die zwar kein Sein hat au�er uns, die aber doch gr��er ist als wir, als die konkrete Natur, als die ganze Welt, ja, als der ganze Kosmos. Es ist eine Wahrheit, die wirkt ohne wirklich zu sein. Sie habe ein Wesen, das uns durchdringt und wodurch wir auch nur in einer Welt leben, wie sie erscheint, und nicht in der Welt, wie sie ihrem eigentlichen Wesen nach ist. Diese "Wahrheit" sei daher auch nicht konkret und einzeln zu begreifen oder gar nachzuweisen. Jeder Nachweis w�re so l�cherlich wie ein Gottesbeweis. Alleine alles Falsche sei bewiesen - n�mlich darin, dass es krank ist, dass es abf�llt und untergeht. Die Wahrheit ist die Gesundheit, die in der Ordnung steckt.

Sie sei das Ganze, das ganz große Ganze - nicht das Ganze des Begriffenen (Hegel), sondern das Unbegreifbare, das Ganze, das wir nicht begreifen, sondern das wir nur vollziehen können. Das kann man nicht mehr wissen oder denken, das kann man nur fühlen, verspüren, erahnen wie ein Raunen in der Tiefe unserer Lebensgefühle. Es verkehrt in uns, aber es bezieht sich nicht durch uns; es besteht nicht durch unsere einzelne Persönlichkeit, nicht durch unsere Konflikte und Getriebenheiten, in denen es erweisbar wäre und förderlich für uns, wenn wir solche Wahrheit in unserer einzelnen Wirklichkeit auch erkennen könnten. Nein. Sie durchzieht unser ganzes Werden wie ein ganz großes, von uns unabhägiges Wesen über alle Generationen hinweg. Sie durchströmt unser Leben und das unserer Vorfahren, Jahrhunderte unserer Ahnenreihe wie eine lebende Genealogie. Sie ist gewaltig, ist außer uns und in uns zugleich, und doch so verborgen, dass sie sich uns nur mühsam erschließt. Aber sie mache die Geschichte unseres ganzen Lebens aus, bestimme uns wie eine Naturgewalt und lasse uns ahnen, woher wir „eigenlich“ kommen und wohin wir „in Wahrheit“ gehen. Da können wir machen, was wir wollen: Sie ist unser Schicksal. Ohne sie sind wir nichts und durch sie sind wir alles.

Ein solches Wahrheitsverst�ndnis als Ordnung des eigentlich Wesentlichen ist ein Prinzip, das jeder Ursprungstheorie zugrunde liegt, das Prinzip der reinen Art, der Reinheit des Typischen, der Archetypus, wie er von C. G. Jung ausgef�hrt worden war. Er ging als Grundlage der Sortierung der Ph�nomene der Art und Sippe in die Rassentheorie der Nazis ein.

Alles, was besteht, besteht nur in dieser Lebensordnung, die in dem nur wahr ist, was sein soll, was eigentlich hinter allem steht, weil es f�r alles von einem Geist h�herer Wahrheit vorgesehen ist. Es ist eine Vorsehung der Ordnung, die in ihrer Tiefe rein und wahr ist wie ein Gott des Ursprungs und gegen die das wirkliche Leben geradezu zwangsl�ufig verst��t wie ein Geist der Moderne. An ihr werden wir dann unsere Lebensverst��e erkennen und messen m�ssen. Ihr sollten wir uns �berlassen, denn sie sei die Kraft, die �ber uns steht, die allgegenw�rtige Ursache von aller Gegenwart, die Geschichte, die wir nicht beeinflussen k�nnen, weil wir ihre Tiefe nicht gew�rtigen k�nnen. Und zu dieser Kraft m�ssen wir finden und hierzu will Hellinger uns verhelfen. Das ist seine Mission und Aufgabe:

"Wenn ich so bei mir gesammelt bin, bin ich in Verbindung mit etwas Gr��erem. Ich kann das nicht definieren. Ich nenne es manchmal Seele oder gro�e Seele, etwas Geheimnisvolles, aus dem Kraft kommt. Wenn ich damit in Verbindung bin, erkenne ich Strukturen, die helfen oder die hindern."

Das k�nnen Menschen f�r sich nicht erkennen, denn die „Tiefe“ der gesunden Ordnung ist ihnen weitgehend verschlossen. Es verlangt den Menschen, der sich mit Gro�em verbinden kann und deshalb brauchen die Menschen f�r diese "Verbindung mit dem Gro�en" einen F�hrer. Es ist ja nicht mit dem Verbundenheitsgef�hl allein getan. Es bedarf der Anleitung, dass sie �berhaupt merken, was sie „eigentlich“ wollen, einen Wissenden, der ihnen ihre Gr�nde erschlie�t und ihnen auch die Folgen und Konsequenzen ihres Lebens auftischt, einen F�hrer: "Ein guter F�hrer sieht, was die Leute wollen, und das befiehlt er." (Hellinger zit. nach Gunthard Weber 1999: "Zweierlei Gl�ck", S. 212). Hellinger will ein Psychologe und Lehrer sein, der sich als Praktiker des Heilens und Erhebens gibt, und zugleich sein besonderes "Wissen" als Heil f�r alle Lebensungewissheiten auf dieser Welt versteht. Er will unser F�hrer sein, der uns auf das Wesentliche in unserem Leben hinweisen will, auf die Ordnung der Natur unserer Liebe und Liebeswelten, auf unser „eigenliches Leben“.

Wer eine �bergeschichtliche Ordnung glaubhaft machen kann, der hat Definitionsmacht, setzt Begriffe, die ontologische Qualit�t haben wollen und die dies f�r wesentlich menschlich befinden - nur weil ihnen anderes als unwesentlich gilt. Er sortiert damit keine Sache, sondern uns selbst. Er beschreibt damit nicht nur eine Ordnung f�r uns, die wir noch nicht selbst gefunden haben, sondern er beschreibt damit uns, was wir durch sie seien. Er macht uns zu einer Auspr�gung der Typologie eines allgemeinen Wesens, das in uns wirke - und er beweist das an der Wirkung, die damit nichts anderes ist als unser Versagen.

Zugleich behauptet er, dass wir uns in unserem bisherigen Leben dem verschlossen haben und deshalb nicht mit uns eins sein können. Er behauptet dies als das Wesen unseres Unglücks. Jetzt können wir darin erst mal geboren und geborgen werden. Das ist Esoterik und da hilft Esoterik: Wir müssen diese Wahrheit verspüren. In unserem Gefühl verströmt dieses Wesen sich als "Wissen" um die Geborgenheit im All seiner Energie, im Kosmos dieses Wesens. Bei Hellinger ist es die Liebesordnung. Um uns in diesem energetischen Raum zu begreifen, müssen wir uns dann auch darin erfahren, müssen in diesen Raum eintreten wie ein Psychonaut in eine große Seelenwelt, umgeben von Wissen, das nichts gemein hat mit Gewissheiten, die es auf der Erde gibt. Es ist Wissen von Energie und Kraft und es geht um die Erfahrung dieses Wissens, das von überall her einströmen kann, und gefühlt werden kann und uns dem näher bringt, was wir in Wahrheit seien, die gefühlige Innerlichkeit unseres Lebens, zu dem wir bisher noch nicht in der Lage waren. Das haben wir noch nicht gebracht, denn wir sind darin verletzt, ohne dies erkannt zu haben, verletzt in unserer Liebe und damit auch in unserem Liebesvermögen und unserem ganzen Leben. Das alles ist viel größer und weiter. Unser Leben ist eng und macht ängstlich, wenn wir nicht dahin kommen, unsere Kinderseele zu diesem Sinn für das Wahre zu entwickeln. In Hellingers Familienaufstellung. In 15 Minuten.

Der Scharlatan der Liebe kann nun seine H�hneraugenpaste auspacken und uns damit die Augen �ffnen: Die Liebe ist unser Schicksal. Sie ist also etwas Gro�es, worin sich niemand einfach nur so von sich her verhalten kann. Sie l�sst sich, so Hellinger, erst erfahren, wenn wir uns ihr unterwerfen, wenn wir dem�tig hierf�r sind, wenn wir unsere Welt als Gegebenheit unseres Lebens akzeptieren, wenn wir uns klein machen und klein f�hlen und mit allem vers�hnen um dies Gro�e auch zu empfinden, um ihm zu entsprechen. Dadurch n�mlich erst erfahren wir auch selbst Gr��e. Wir haben sie selbst noch nicht in uns aufgenommen und in ihrer "vollen Tiefe" erf�hlt und erfahren, haben sie einfach nicht gew�rdigt. Wir haben in unserem Leben nicht wirklich liebend gelebt. Das m�ssen wir lernen, um sie zu erleben und weitergeben und forttragen zu k�nnen. Der Heiland streckt uns seine g�tigen Arme entgegen.

Inzwischen h�rt man so was wieder gerne, denn das Leben ist wieder schwerer geworden. Hinzu kommt, dass Psychologie als Lebensberatung abgewirtschaftet ist und als Kanzel des "gesunden Menschenverstands" und der affirmativen Tipps und Tricks nicht mehr funktioniert. Das taugt heute nicht mehr viel, denn funktional und vern�nftig ist ja doch l�ngst so gut wie alles. Vor allem der Computer und die Arbeitsstrukturen. Es leuchtet daher leicht ein, dass uns etwas fehlt, was mehr ist als all dieses, das lediglich Logik und Struktur hat ... Und gerade wenn es um die Liebe geht, da erscheint eine tiefergreifende Psychologie von selbst als wichtig. Wenn die Liebe darin dann die ganz gro�e Wahrheit ist, dann trifft sich das gut, um die Niederungen der Welt damit zu ertragen, sogar um sie zu �berwinden. Damit landet man im All des wirklich freien, des ganz allgemeinen und abstrakt Menschlichen, dem Seelenraumes des Menschseins, unendliche Weite und ozeanische Tiefe. Die kennt Hellinger. Und damit der Ozean nicht zur Pf�tze wird, macht er aus diesem das Zeitlose schlechthin. In der „Tiefe“ ruht unsere Vergangenheit, die zugleich Gegenwart ist, unser Werden und Tun, unsere Geschichte, ununterscheidbar, aber daf�r in allen Momenten unseres Lebens bewahrt und aufgehoben.

"Es gibt eine Tiefe, in der alles zusammenflie�t. Sie liegt au�erhalb der Zeit. ... In der Tiefe sind Zukunft und Vergangenheit identisch." (Hellinger/ten H�vel 1996, zit. nach Goldner S. 268).

Die Zeitlosigkeit macht die Tiefendimension seiner Begriffe, die dadurch zum ewigen Licht seiner Erleuchtungen werden. Je tiefer er sie in die Unendlichkeit treibt, desto umfassender wird seine Wesenslehre und will auch so wirken, desto unbeweisbarer ist sie und desto totaler sind ihre Urteile. Darin lassen sich dann auch die „Verst��e gegen das Leben" aus der Zeitlosigkeit des Augenblicks, dem „Wissen“ der Situation, aus der Empfindung in einem „wissenden Feld“ erkennen. Das Gef�hl f�r die „Tiefe“ eines Augenblicks ist die Wahrheit einer Ewigkeit, die jedem Ereignis inne ist wie ein Grund, den es nicht gibt, der sich aber der wesentlichen Erkenntnis durch ein m�chtiges Erf�hlen seiner Tiefendimension, durch ein Gef�hl f�r das Menschseins schlechthin erschlie�t, das dem profanen Leben verstellt ist (Nietzsche).

Jede Situation l�sst sich als solches Ereignis begreifen und damit ihrer Lebendigkeit berauben: Ihre Spannung besteht nicht mehr aus ihrem Bewirktsein und Wirken, sondern aus einem m�chtigen „Gef�hl f�r die Wahrheit“, aus dem Machtgef�hl der Wesenslehre einer Psychologie die wesentlich religi�s ist und als dieses Gef�hl eine praktische Wirklichkeit bekommt, die jede wirkliche Gegenw�rtigkeit aufhebt. Sie begreift das Ereignis nur als Gleichnis seiner Wahrheit und des Vergehens im doppelten Sinn dieses Wortes: Das Schuldigwerden im geschichtlich sein des Erscheinenes und des Verschwindens (Heidegger). Leben wird zum Erleben, das einen wesentlichen Status haben soll, dem es folgen muss, zu einem Zustand von Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, zu einem Raum, in welchem alles zugleich festgehalten ist, was darin aufeinander bezogen sein soll. Unser Versagen beruht auf den Verstrickungungen dieses Raumes, in welchem Geschichte nur ein einziger r�umlicher Lebenszusammenhang sein kann, eine Lebensabfolge im Dreieck der �berkommenen Gewohnheiten: unsere Familiengeschichte. Wir m�ssen unsere pers�nlichen Verstrickungen mit dem Kosmos unserer Vergangenheit darin nachvollziehen, versp�ren, aus der eigenen Geschichte und der Geschichte der Vorfahren unsere umfassende Lebensschuld gegen diese Liebesordnung begreifen, und diese vor allem �berwinden durch W�rdigung der Menschen, die sie verk�rpern.

Das ist ja auch leicht zu begreifen. Wir sind ein Naturprodukt der Liebe und m�ssen also die Pers�nlichkeiten unserer Naturgeschichte anerkennen, wollen wir uns auch selbst anerkennen: Unsere Ahnen und Eltern. Daran k�nnen wir nicht vorbei, daran k�nnen wir nichts �ndern; es ist unser nat�rliches "Schicksal". Wir leben durch das Schicksal unserer Natur in dieser Welt, diesem kleinen Kosmos der Liebe, der zugleich ein gro�er ist. Die Welt unserer Familie n�mlich gilt als die Konkretion der Gro�en Welt. Darin haben wir alles erfahren und erfahren alles, was uns wichtig ist und uns bestimmt. Unsere pers�nlichen Beziehungen sind darin menschliche Bezogenheit schlechthin und unsere pers�nlichen Konflikte und Unangemessenheiten sind die Unangemessenheit unseres Daseins als unsere Lebenswahrheit.

Alles klar! Das kann man ja auch tats�chlich und praktisch nachvollziehen und versp�ren. Die wichtigsten Kr�nkungen und Verletzungen, das urspr�nglichste Gl�ck und Leid wurden hier erfahren. Und so kommt die ganz gro�e Begrifflichkeit als die ganz gro�e Erweckung in unser ganz kleines Leben. Durch die Tatsache, dass wir alle Eltern haben, ist die Br�cke unserer einzelnen Gegenwart zu einer Allgemeinheit errichtet, die alles irgendwie durchstr�mt wie die Energie das All. Es ist unsere private und einzelne Welt zugleich die ganz gro�e Welt der Liebe, eigentlich unmittelbar das Allgemeine. Das individualisierte Leben ist somit das Leben der Menschen und der Gesellschaften schlechthin.

Jeder wirkliche Konflikt, jede Verletzung und jede Bedr�ngnis ist damit nur eine Nichtigkeit gegen�ber dem, was da in der Tiefe steckt, was da so wesentlich missachtet ist und nach W�rdigung verlangt. Und durch diese Tiefe verliert sich jede Unangemessenheit wie von selbst, wenn sie erkannt, beachtet und gew�rdigt wird. Das kann jeder nachvollziehen, der sich solcher Geschichte unterwirft, sie als Notwendigkeit anerkennt und alles, was darin geschehen war und noch geschieht eben auch f�r n�tig h�lt und schlie�lich n�tig hat. Wir geraten auf den Boden unseres Lebens, wenn wir diese "Achtung vor den Urspr�ngen unseres Lebens" erfahren, unsere Lieben lieben und unsere Pflichten erf�llen. Indem unsere Lieben uns vor Augen sind, durch Symbole aufgestellt werden, stellen wir uns ihnen und versp�ren, was die Achtung gebietet. Der Heiland breitet seine Arma aus und gebietet die Achtung, die wir nun erfahren - nicht, weil er die Macht dazu h�tte, sondern weil es den Menschen selbst tats�chlich hilft: Das Kleine und Enge wird gro� und weit, indem wir es als Moment einer gro�en Liebe begreifen. Demut gegen diese erzeugt ja erst die Gr��e, welche das Kleine ertr�glich und die Enge als Beeicherung erfahrbar macht. In der Kleinfamilie m�ssen gro�e Gef�hle geboren werden, damit die dort Geborenen auch gl�cklich sind. Das funktioniert und hat schon immer funktioniert. Esoterik macht jedes Leben ertr�glich, weil das bescheidenste Leben und lieben damit zu einem Kosmos wird. Das vermittelt schon jedes Horoskop. Aber mit einer Familienaufstellung wird es zu einem ganz gro�en Ereignis, zu einer Welterfahrung, die uns ganz konkret und praktisch und im wahrsten Sinne auch forttr�gt ... wenn wir sie in uns aufnehmen und wirken lassen, wenn wir also unser bescheidenes Dasein als Weltereignis erfahren wollen, um es ertragen zu k�nnen.

Nat�rlich versetzt solche Liebe uns erst mal in ihre Pflicht. Nat�rlich wusste man das schon immer irgendwie. Nur hat es niemand wirklich auch gemacht. Das mit der Liebe und den Pflichten war in der Familie ja f�r sich ziemlich �tzend - und vor allem diese unm��igen Schuldgef�hle, weil die Pflichten nicht mehr so ganz klar waren und die Abh�ngigkeiten auch nicht. Und dass man in ziemlich vielem verstrickt war, das zeigen ja eben diese Schuldgef�hle. Eigentlich versteckt sich in ihnen das R�tsel unserer Beziehungen. Und durch eine Form des Verhaltens l�sst es sich zumindest empfinden. Wenn es schon nicht aufl�sbar ist, so wird es wenigstes zu einem Bestandteil unseres Repertoires an Verhaltensm�glichkeiten. Um unser Leben zu kultuvieren, brauchen wir einfach einen Kult, durch den es entsprechende Gestalt gewinnt, der Ursprung seine Form bekommt und achtbar wird. Dies ist der Kult von Demut und W�rde und Schuld und Pflicht. Und er ereignet sich in Ritualen, durch die wir unsere zwischenmenschlichen Beziehungen ritualisieren und pflegen k�nnen. So macht er vieles wirklich einfach, weil er das Einfache verwirklicht.

 

Das Leben als Kult

Ein Ritual vollzieht eine Ordnung, an welche man glaubt. Es ist eine Kulthandlung, worin diese verehrt und bew�hrt wird. Darin wird Glaube als Sinnbild erlebt und erfahren. Jeder Pfarrer wei� das. Die katholische Liturgie ist eine Ritualisierung des ganzen Lebensprozesses und dessen Natur, von Geburt bis zum Tod, vom Fr�hling bis zum Winter, von Welterschaffung und Welterl�sung. Sie vollzieht sich in den Farben der Kirchendekoration, wie in der Ordnung des Versammelns, der Bestimmung des Wortes und der Schrift, der Einstimmung der Gef�hle usw. Darin entsteht und vollzieht sich die eigentliche und sinnliche Bindung an den Glauben denn darin wird er sozialisiert. Er ordnet sich selbst erst wirklich durch die Rituale, die ihn zum ordentlichen Glauben machen, zu einem Glauben, den man leben kann. Da wird dann gleichg�ltig, was das Leben f�r die Menschen sonst wirkllich ist; es ist lediglich dessen Umstand. Das Ritual l�st dies auf. Die Lebensbedingtheiten werden hierin bedeutungslos, die Schmach des Alltags das schm�chtigste Moment des Schicksals.

In den Hellinger‘schen Aufstellungen erwirbt man Rituale, die oft schon in Haltung und Wortlaut vorgegeben sind wie in einem Gottesdienst. Sie sind der eigentliche H�hepunkt, die wirkliche Praxis seiner Therapie. Es sind die Versinnbildungen von Verh�ltnissen, wie sie nach Hellinger sein sollten. Und sie schlie�en vor allem das eigene Sinnieren hier�ber aus. Ein Ritual ist die Unterbrechung der wirklichen Verh�ltnisse durch ein gebotenes Verhalten, das sie konterkariert. Nat�rlich nicht ohne Folgen. Da verneigen sich pl�tzlich die erwachsenen Kinder vor ihren imaginierten Eltern, auch wenn sie von ihnen missbraucht und geschunden worden waren (vergl. hierzu "Gehirn-W�sche" von Elisabeth Reuter, 2004) und da werden sie "verabschiedet", weil sie nicht richtig betrauert worden seien, nachdem sie gestorben waren, und damit Schuldgef�hl bew�ltigt wird usw. usf.

In allem geht es um ganz einfache Sinnbilder von Ehre, W�rde, Demut, Reue, Schuld. Und so einfach und zugleich allgemein funktioniert das auch, da kann jeder mit sich machen, was er will. Hauptsache, er denkt sich nichts dabei und f�hlt, was die Situation hergibt. Einfach praktisch: "Wenn man den Eltern Ehre erweist, kommt etwas tief in der Seele in Ordnung." (Hellinger in "Ordnungen der Liebe"). So vers�hnt man sich dann also mit dem urgeschichtlichen Liebeskosmos der eigenen Familie, dem Astralraum dieser privaten Welt, ohne dass konkret auch nur irgendetwas davon begriffen oder ver�ndert werden m�sste: Man bekennt eine Schuld, die eine Dimension hat, die niemand wirklich kennt, zu der man sich bekennt, weil es guttut, weil es vorbei ist, zu Ende. Das eben ist es. Das Bild wird wahr, wenigstens irgendwie. Und was dabei entsteht ist dann auch seine Wahrheit.

Die Wirklichkeiten des Lebens, deren Auseinandersetzungen, K�mpfe und Streitigkeiten, werden hierdurch zu Pseudowirklichkeiten, ihre Begr�ndungen zu blo�en Verstellungen gegen�ber dessen Urgr�nde. Die Aufstellungen machen dies einfach darin erfahrbar und setzen es damit auch wirklich um, dass sie eine Sensibilit�t erheischen, die alleine durch das bestimmt ist, was in der Konstruktion des "Aufstellens" schon als Struktur vorgegeben ist, was l�ngst gef�hlt und gelitten ist, was aber noch niemals wirklich beachtet wurde. Im Ritual entsteht die Achtung hierf�r als Verschmelzung der eigenen Lebensgewissheiten mit allgemeinen Lebenswahrheiten, die "in medias res" nachvollzogen werden. Diese Beachtung hat das Leben schon ver�ndert, bevor es sich irgendetwas wirklich ereignet und das Ritual vermittelt dies als eine besondere Achtung, die zum Ereignis wird. Denn alleine im Ereignis kehrt sich Wahrheit seiend hervor (Heidegger) – allerdings nur die Wahrheit, die wahr sein soll.

Der Zirkus hat System: Wie bei jeder esoterischen Erfahrung, wird die besondere Sensibilisierung zu einer besonderen Welt gestaltet. Sie wird damit zugleich eine allgemeine Welt, eine Welt, in der alle Welt enthalten zu sein scheint. Die eigene erinnerte Welt inmitten einer konstruierten Allgemeinwelt erscheint als ein Selbstgef�hl, das starke Empfindungen enth�lt. Es ist die Macht der Verallgemeinerung, durch welche sie allf�llige Wirkung bekommen. Diese Macht entspringt den Umst�nden des Rituals, ist seine letztliche Bedeutungsmacht. Sie hebt den einzelnen Menschen aus der Erinnerung seiner Geschichte heraus, nimmt ihn wirklich heraus, indem sie ihm deren Besonderheit und Einzigartigkeit nimmt und als Beispiel einer „tief empfundenen“ Gerechtigkeit vorf�hrt. Sie wird als einzelne Schw�che �berh�ht und als allgemeines Verdikt aufgel�st, dienstbar gemacht f�r die Anschaulichkeiten, die unter der Ma�gabe einer bestimmten Weltanschauung einstr�men, ohne sich je anders beweisen zu k�nnen als durch Gef�hlsassoziationen. Und die sind immer stimmig – je nachdem, unter welchen Bedingungen assoziert wird. Denn Gef�hle der Errinnerung sind meist ununterscheidbar von den Umst�nden des Erinnerns (vergl. das �bertragungsproblem in der Psychoanalyse und die Aufmerksamkeit, die diesem von Experten gezollt wird).

Der allgemeine Bezug auf sich selbst hebt den Menschen als Quelle seiner Erkenntnisse auf und macht ihn zum Muster von allgemeinen Lebensweisheiten unter allgemeinen Bedingungen, die ihm seine konkrete Gewissheit notwendig entfremdet, denn alle Wahrnehmung von anderem ist ausgeschlossen, die Selbstwahrnehmung einziger Inhalt der „Wahrheit“. Die derart besonderte Allgemeinheit wird durch die Versammlung vieler Menschen auch wirklich mitgetragen. Deren Masse wirkt als Anwesenheit mit dichter K�rperlichkeit allgemein und ungeheuer sinnlich. Es ist der Akt einer konstruktiven Vernichtung von eigener Gewissheit durch die Beherrschung der Wahrnehmung vieler Sinne, �berm��iger K�rperlichkeit f�r d�nne Abstraktionen. Aus dem Erkenntnisverm�gen des Wahrnehmens werden so Gef�hle erwirkt, die sich nirgendwo best�tigen lassen, als aus der Situation selbst. So ist jedes Gef�hl und jede Eingebung schon best�tigt, bevor es da ist: Durch die Emporhebung der einzelnen Wahrnehmung wird ein allgemeines Selbstgef�hl erzeugt, welchem zugleich die Wirkung der eigenen Geschichte genommen ist, weil es unter eine allgemeinen Geschichte von Lebensordnungen gestellt ist und als diese durch die Bedeutsamkeit des Rituals auch so empfunden wird. Alle Empfindungen sind also so bestimmt, wie sie unter der vereinigten Vielheit von Gef�hlen und Menschen erscheinen und werden so best�tigt, wie es das Ritual vorschreibt. Die eigene Geschichte, die viele Empfindungen enth�lt, wird zum Gleichnis von Lebensgeschichte �berhaupt. Indem ihr „W�rde“ verliehen wird, wird sie nur als solche Allgemeinheit gew�rdigt. Ihre Bilder werden getilgt, die Geschichte vergessen, das Ged�chtnis verallgemeinert. Gedankenlosigkeit ist programmiert.

Und genau dies hilft und macht bisweilen sogar gl�cklich: Die erfahrene Abstraktion von jeder Wirklichkeit bef�rdert die Wirkm�chtigkeit des eigenen Ichs, st�rkt ihm den R�cken und hinterlegt sich ihm als allgemeine Menschlichkeit, die keinen Boden und also keinen wirklichen Sinn mehr haben muss – den sie vielleicht auch sowieso schon l�ngst nicht mehr hatte. Das erleichtert und befreit und bringt viel f�r die Egozentrik der allt�glichen Wahrnehmung und auch f�r die Welt einer unwirklich gewordenen Sinnlichkeit. Wenn solche Wahrnehmung nicht mehr von der wirklichen Welt gest�rt wird, erbringt diese immerhin die abstrakte Selbstbest�tigung einer allgemeinen, einer kosmischen Lebensgewissheit, die ansonsten nirgendwo zu haben ist, eine Art Weltseele die in jedes Volk und jeden Menschen passt, und an der man teilhaben durfte. Das bereichert das eigene Leben in jedem Fall. Und dieses bietet dann auch das aparte Gef�hl einer weltumspannenden Verbundenheit und Vers�hnlichkeit, die sich �ber alle Lebensbr�che und �ber jeden Widerstreit erhaben wei�. Wer daran nicht verr�ckt wird, der ist zumindest der Ungewissheit seiner Gef�hle endlich entr�ckt - nicht in eine Gewissheit, sondern in eine „Ordnung“, in eine Welt, die in ihm selbst funktioniert so wie sie ist, und in der auch er so funktioniert, wie die Welt ist. In jedem Fall ist er mit ihr vers�hnt.

 

Das Prinzip Vers�hnung

Die Psychologie der Ordnung geht von einer Einheit aus, in der sich ein Wesen ungebrochen gestaltet. Die „Ordnung der Liebe“ behauptet z.B. eine bestimmte Zugeh�rigkeit und Zuordnung ihrer Lebensmomente. Damit werden quasi ontische Notwendigkeiten des Liebeslebens festgemacht, z.B. dass der Mann im Wirklichen �ber der Frau st�nde, er ihr aber im Hause zu Diensten sein m�sse, dass die erste Liebe wichtiger sei als die zweite, das Erstgeborene wesentlicher als das N�chstgeborene usw. Es ist eine Bilderwelt seelischer Bedeutsamkeiten, die allen Lebenserscheinungen zugrunde liege, eine naturw�chsige Archetypie der Seelenwelt, die darin ausgeglichen w�re, wie diese Ordnung begriffen ist. Nach ihr werden daher auch die Lebensereignisse sortiert und oft auch Sitte und das, was hierf�hr als Verhalten ansteht (Anstand) abgeleitet.

Mit der Wesensbehauptung solcher Ordnung wird sie als menschliche Identit�t ausgegeben. Das sollte schon immer die Macht des B�rgertums festigen und es ist heute noch dasselbe, auch wenn es inzwischen um das Weltb�rgertum geht. Mit der Wesentlichkeit von Ordnung ist zugleich behauptet, dass Menschen, wenn sie nicht auf diese Grundprinzipien ihres Lebens zur�ckkommen, sich von ihm entfremden und ihr Wesen entzweien. Das Prinzip einer seelischen Ordnung begreift alles in einem seelischen Ursprung, alle Menschen lediglich als die Glieder einer "h�heren Ursache" des Seelischen, sei es Gott oder Natur oder Rasse oder Urzeit. Es sei die Urspr�nglichkeit ihrer Ordnung in der sie sich vereint begriffen sehen wollen. Dies gelte auch f�r ihre Herkunft, z.B. ihre Familie, ihre Heimat und ihren Ahnen. Hierf�r ist gleichg�ltig, was die Menschen wirklich sind und was sie tun, sie sind darin ohne jede Wirklichkeit und Tat ein Wesen allgemeiner und gleicher Art, identische Menschen.

Wenn man dies umkehrt, so hei�t dies, dass sich die Menschen in allem, was sie tun, mit ihrer Ordnung vers�hnen m�ssen. Das ist vielleicht etwas einf�ltig. Aber daf�r wird damit auch einiges sehr einfach: Die Menschen sind prinzipiell gleich, Kinder einer Wesenheit. Den Begriff der Vers�hnung verwendet man zwar normalerweise f�r eine Friedesstiftung, die nach Streitigkeiten f�llig ist. Hier aber geht es um ihren praktischen Zweck, und der ist das Gegenteil: Die Vermeidung von Unausgeglichenheit und Streit. Vers�hnung will die Harmonie einer Wesensbehauptung im bestehenden Leben der Menschen. So schaltet Vers�hnung als Prinzip Streit und Auseinandersetzung von vornherein aus und macht sie an sich schon unsinnig, unwesentlich, peripher. Er geh�rt damit nicht mehr zum Leben, sondern st�rt es. Es ist das Prinzip einer repressiven Angleichung. Solche Vers�hnung verlangt den Gleichschritt als Gewohnheit und bef�rchtet, dass eigene Schritte die Ordnung st�ren. Von daher dient Vers�hnung als Legitimationsbegriff zur Unterdr�ckung von Eigenheiten, die unangemessen erscheinen.

Die Unangemessenheit gegen h�here Bestimmung war in der christlichen Glaubenslehre die Erbs�nde, die Schuld gegen das Prinzip der Wesensordnung der Welt. Mit der Hellingerschen Psychologie wird diese S�nde zur Krankheit, die das Vergehen an der Ordnung bestraft. Sie beweist die „Unf�higkeit“ von Menschen, hiernach zu leben. Das macht seine Theorie sinnf�llig und ganz einfach und ganz praktisch, denn schlie�lich ist Unf�higkeit nur eine noch nicht vorhandene F�higkeit. Die Verschuldung der Menschen an der Ordnung der Liebe verlangt einfach nach der F�higkeit, gekr�nkte Liebe zu entschuldigen, und das B�se das dem Guten angetan war, damit aus der Welt zu schaffen. Da Hellingers Verst�ndnis hiervon aber das Leiden, welches der Versto� hervorruft, selbst als Krankheit, also als Kr�nkung des T�ters ansieht, verlangt dieses ja auch selbst Entschuldigung, also Vers�hnung. Es zeigt sich innerhalb dieser Auffassung des B�sen dieses also selbst auch als Gutes, wenn es die F�hrung erf�hrt, durch die es sich aus seiner Schuld befreien l�sst. Wichtig hierf�r ist die Behauptung eines identischen Interesses von T�ter und Opfer und ihre prinzipielle Einigkeit in der Tat. Das ist zwar ein Schlag gegen jedes wirkliche Verh�ltnis, aber der Hauptgewinn f�r das seelische.

Das kann man auf die ganze Welt �bertragen: Wer sich an ihrer Ordnung vergeht, ezeugt Leid. So braucht es einen F�hrer, der dies verhindert oder die Welt auf ihre Ordnung zur�ckf�hrt und erl�st. Das Therapiekonzept von Hellinger enth�lt ja schon vom Ansatz her diese gro�e Dimension. Allgemein verstanden kann also die Vers�hnung der Menschen mit der Welt auch die Wiederherstellung der Weltenordnung bewirken. Damit erst wird beides, Seele und Welt als Naturtatsache der Seele herausgestellt, als Welt, welche Seele hat, - also Seele, die zugleich als Geist, eigentlich als Weltgeist fungiert. Das Helliner-Institut erkl�rt dies auf seiner Web-Site folgenderma�en:

„Der Blick auf die Bewegungen der Seele macht Kr�fte erkennbar, die �ber das aufgestellte System hinaus wirken und sich der unmittelbaren Einflussnahme entziehen. In dieser systemischen Sicht zeigen sich Grenzen, die - f�r manchen "Helfer" mehr als unerwartet - zu einer Haltung der Demut auffordern. Diese ist frei ist von Unterwerfung, macht frei zum Schauen auf eine wirkende Seele, die gr��er ist, als wir selbst. Damit wird Helfen nicht unm�glich, vielmehr scheint eine andere Art des Helfens auf. Es f�hrt vom intentionalen Handeln zum "Geschehen lassen" - ohne sich Verstrickungen und deren Ursachen ohnm�chtig auszuliefern - und ohne den Blick auf das Ganze zu verlieren. In dieser Zur�cknahme gelangt Hellinger heute zur Bewegung des Geistes. Der volle Blick auf das Leben, den er verlangt, ertr�gt auch den Konflikt, ja stimmt ihm als Urkraft der Entwicklung zu, l�st die Unterscheidung zwischen Gut und B�se auf. ... Mit dem Blick auf das Gro�e Ganze, wird Familienstellen endlich zur angewandten Philosophie.“ (Einf�hrung in "Helfen und Helfen lassen" Hellinger-Vortrag vom 9.-11. Februar 2004 in Garmisch-Partenkirchen auf http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/)

Die Weltenordnung zeigt sich f�r Hellinger also im Allgemeinen wie im Einzelnen. Sie verlangt einfach nur deren Vers�hnung, zu der die Menschheit bisher offenbar noch nicht in der Lage war, weil sie T�ter und Opfer nicht in ihrem Interesse gleichgestellt begriffen hatte. Diese Gleichstellung ist die Grundlage f�r eine psychologische Ethik, die Hellinger nun zu verwirklichen gedenkt. Der Psychologe wird so zu einem Weltverbesserer, zu einem Heilslehrer, der sich als Philosoph verstehen will, der sich psychologisch begr�ndet, als Sophistiker der Seele, der sich nicht nur mitteilt, sondern der auch wirkt, ohne mit Wirklichem zu tun zu haben. Nat�rlich geht es dabei nicht um die Welt, sondern um die Ordnungsprinzipien, die Hellinger schon immer zu verk�nden hatte. Aber die werden jetzt weltlich. Streit gibt es ja �berall Und so wird die Vers�hnung zu einem wirklich notwendigen Verhalten in der Welt und damit endlich zur weltlichen Botschaft, zu der es Hellinger schon immer bringen wollte. Es ist die Botschaft, dass jede Tat einen Sinn hat und dass Opfer von daher auch n�tig sind. Geschichte ist nichts als die Verwirklichung dieses inneren Gemeininteresses von T�ter und Opfer. Wo alles gemein ist, wo es sich eint, da ist es zwangsl�ufig vers�hnt. Also zwingt jede Vers�hnung auch zu einer Verallgemeinerung, jedwede Tat auch zu jedwedem Opfer.

Hellingers Vers�hnungsprinzip ist das Handwerkzeug eines allgemeinen Menschenbildes, das sich nun ausbreiten kann wie eine notwendig gewordene Therapie, eine Therapie der Menschheit f�r eine Welt, in der sich die Hellingersche Vorstellung vom Menschsein verallgemeinern soll und die also nicht jammern soll, wenn sie Opfer bringen muss. Hellinger will ihr Arzt sein, ihr �bermensch, der allzu menschlich sich �bermenschlich wei� und gibt, das Opfer versteht, wie den T�ter und beiden dazu verhilft, endlich Mensch in seinem Sinne zu werden. Das verlangt Gr��e, eine gro�e Seele, eine G�te, die dem B�sen den Weg weisen kann, die ihm zeigt, dass es selbst nur Gutes will. Das ist aus der Geschichte der Hellingerschen Lebensauffassung konsequent hervorgegangen. Es ging und geht ihm um die Weltpsyche jenseits von wirklicher Geschichte und also um eine Psychologie, die zugleich seine Philosophie der Welt ist, die sie zur Psyche macht, �berhaupt nur psychische Welt als Welt schlechthin begreift, die von denen Opfer verlangt, die nicht T�ter sein k�nnen. Das verlangt einen bestimmten Schritt, eine Art Inszenierung f�r das ganz Gro�e. F�r das ganz gro�e Gute muss es nat�rlich das ganz gro�e B�se sein.

Die bisher noch in ihrer Hausordnung eingebunkerten Hellinger-Sch�lerInnen mussten sich erst mal die Augen reiben. Es ging pl�tzlich um etwas, woran sie im Traum nicht gedacht hatten: Die Vers�hnung mit dem B�sen, mit Hitler stand an:

"Hitler. Manche betrachten dich als einen Unmenschen, als ob es je jemanden gegeben h�tte, den man so nennen darf. (...) Wenn ich dich achte, achte ich auch mich. Wenn ich dich verabscheue, verabscheue ich auch mich. Darf ich dich dann lieben? Muss ich dich vielleicht lieben, weil ich sonst auch mich nicht lieben darf? Wenn ich bekenne, dass du ein Mensch warst, wie ich es bin, dann schaue ich auf etwas, das �ber uns beide in gleicher Weise verf�gt, auf etwas, das sowohl deine wie meine Ursache ist - und unser Ende. Wie d�rfte ich mich von dieser Ursache ausschlie�en, indem ich dich ausschlie�e? Wie d�rfte ich diese Ursache anklagen und mich so �ber sie erheben, indem ich dich anklage? Doch ich darf auch kein Mitleid mit dir haben. Du stehst und f�llst der gleichen Ursache wie ich. Ich verehre sie in dir wie in mir und unterwerfe mich ihr in allem, was sie in dir bewirkt hat und was sie sowohl in mir und als auch in jedem anderen Menschen bewirkt". (Bert Hellinger 2004 in "Gottesgedanken" S. 247).

Man k�nnte meinen, da ist der Autor durchgeknallt. Man soll sich nur lieben k�nnen, wenn man Hitler liebt? Wer Hitler verachtet, der w�rde sich verachten? Wer dessen Taten unmenschlich findet, ist selbst ein Unmensch? Will er, dass wir alle Hitler lieben und achten m�ssen, dass wir Nazis werden sollen?

Nein, so platt ist Hellinger nicht. Es geht ihm tats�chlich um das Fundament seiner Glaubenslehre, von der allerdings noch niemand so recht begriffen hatte, dass es eine ist: Erst Gut und B�se macht Vers�hnung aus; ihre Handhabung und Vermengung ist die Notwendigkeit einer Ethik, die den Menschen abverlangt, dass sie die Welt so nehmen m�ssen, wie sie ist. Wenn sie sich als Psychologie versteht und nicht als Bewertung und Urteil, also moralisch auftritt, sondern als psychologische Intervention konkret und praktisch durchsetzen will, dann muss man sich eben auch mit dem B�sen vers�hnen k�nnen, T�ter und Opfer in ein und demselben Interesse begreifen. Und das verlangt er von uns allen. Wir sollen es ertragen m�ssen, dass Hitler wieder als Mensch in uns sein kann, denn das ist die Bedingung, dass seine Behandlung auch bei uns ankommen kann, unser Mitleiden Wirklichkeit vergessen l�sst und vergessen macht, was Geschichte ist.

Die Gleichsetzung von Hitler als Mensch und Hitler als Geschichtsfigur ist eigentlich schon f�r sich l�cherlich. Was aus dem Menschen Hitler schon alles gemacht wurde, war immmer schlecht f�r die, die er ausl�schen wollte. Diese verklemmte Kreatur taugt ja auch wirklich zu fast allem, was Gewaltherrschaft ausmacht. Den Nazis und dem Finanzkapital jener Zeit diente er dazu, Kriege anzuzetteln, um die deutsche Wirtschaft zu sanieren; der Kapitalwirtschaft diente er zur Ablenkung von den t�dlichen Spiralen ihrer Wirtschaftskrisen, um die „Macht des Willens“ �ber sie zu stellen und f�r Hellinger taugt er zum Seelenb�ndnis. Hitler als Mensch ist nur ein Mythos, der f�r alles steht, der aber durch sich und seine spie�igen Lebensvorstellungen und kindischen Tr�ume weder eine menschliche noch eine geschichtliche Gr��e entwickeln konnte. Er wurde eine Figur der Zerst�rung, weil Geschichte bereits zerst�rt war, und er kam an die Macht kam, weil man solche Typen brauchte, um dies zu Ende zu bringen. Und daf�r alleine taugt eine Psychosophie wie die von Heidegger und Hellinger. Sie erkl�rt Wirklichkeit f�r nichtig und besorgt dann auch ihre Vernichtung.

Man kann nicht glauben, dass er zu Hitler auch nur die geringste Beziehung hat. Er will durch ihn nur schlicht und brutal an sein gro�es Ziel gelangen, f�r das jene Zeit Ma�st�be gesetzt hatte: Alle Geschichte zu einer Geschichte der Seele zu verkehren und damit alle Wirklichkeit zu einer Wirklichkeit der Seele zu machen. Damit wird alles zum Gegenstand seiner Psychologie, seine Behandlung des Psychischen zum Handeln schlechthin und er zum Behandler der Welt. Es braucht keinen Nationalsozialismus mehr, wenn solche Psychologie funktioniert. Schon der Weg dahin ist ein Vorgeschmack auf ihre Verfahrensweise, der Witz ihrer Taktik: Wer Hitler als Unmensch begreife, sei selbst einer. Um selbst als Mensch zu gelten, m�sse man Hitler anerkennen. Und um ihn zu �berwinden, d�rfe man ihn nicht hassen. Also m�ssen wir ihn lieben.

Das ist zwar verquer aber logisch. Es ist die Botschaft der Wesenslehre, die Hellinger in der Logik von Martin Heidegger vermittelt. Und deren Hintergrund ist ein Wissen um die Ereignishaftigkeit von inszenierten „Wahrheiten“ f�r seelische Identit�t gegen wirkliche, logische Anwendung von Psychosophie: Habe ich mich damit vertraut gemacht, dass mir Hitler als Mensch gewahr ist, dass sich mein Menschsein in ihm ereignet, so werde ich Teil seiner Wahrheit: Ich lasse ihn und seine Gedanken zwangl�ufig auch in mir zu. Es geht also garnicht um den Menschen Hitler sondern um seine Gedanken. Das soll der Vers�hnungsbegriff vertuschen. Doch das merkt man vielleicht erst sp�ter wenn Hellinger sich zum Judentum �u�ert oder zur Wei�en Rose oder zur Waffen-SS.

Es ist jedenfalls geschickt, auch wenn er hiermit erst mal von seinen Verehrern Probleme bekommen hatte. Das kapiert eben nicht mehr jeder sofort. Es ist ziemlich doppelb�dig und das ist so gewollt. Hellinger ist nicht alt geworden, dumm oder einf�ltig. Das Verm�gen, die wirklichen Konsequenzen von einem solchen Akt zu kennen, kann man ihm nicht einfach absprechen. Er ist wirklich ein rechter Heilslehrer und verehrt rechte Mystik und verkehrt in rechten Kreisen (vergl. hierzu Colin Goldner: „Ein Rottenf�hrer der Szene“). Aber um einen Nazi-Staat geht es ihm nicht. Wohl aber um das Heil der Ordnung und um die Umkehrung von geschichtlicher Wirklichkeit zu seelischer, um die Macht seiner Psyche �ber die Welt. Und deshalb betreibt er die Einf�hrung Hitlers durch die Hintert�r der seelischen Ordnung: Durch das Gute in uns, das uns die Angst vor dem Barbaren nimmt. Der gute �bermensch wei� eben den b�sen �bermenschen zu sch�tzen. Das f�llt ihm gar nicht schwer, denn es dient letzlich nur ihm und seiner Sache, dem allgemein seelisch �bermenschlichen. Dieses ist die „hohe Ursache“. Die ist f�r Hellinger final, also endg�ltig und ewig. Darin ist er sich mit Hitler auch einig, wenn auch in ganz anderer Wirklichkeitsform. Suchte Hitler die �bermenschliche Seele als Volksseele im faschistischen Staat zu verankern, so geht es Hellinger um die Allgemeinseele als soziales Prinzip des Zusammenlebens, als Psychokratie. Es ist das H�chste, wozu es Psychologie bringen kann.

In fast jeder Psychologie steckt eine geh�rige Portion einer Seelen-Ethik, eine Ideologie des guten Menschseins, Monismus des Guten. Schon der Begriff von Seele, den wir latent und ohne besseres Wissen mit uns rumschleppen, macht sie zu unserem guten Geist, zu einem an sich unergr�ndlichen Wesen unserer Pers�nlichkeit, zum guten Kern unserer Individualit�t und Individuation. Der kann eigentlich nur von Au�en gest�rt werden, von der Lebensh�rte, den Bedingungen der b�sen Welt, von den Verh�ltnissen in unserer Gesellschaft. Es macht bei solcher Begrifflichkeit Angst, wenn anerkannt werden m�sste, dass diese gute Seele nicht unbedingt selbstverst�ndlich ist und die individualisierte Gesellschaft in uns unbedingt besser sein m�sste, als die wirkliche. Dieser Begriff des guten Wesens steht doch aber f�r unsere Identit�t. Und die Gespaltenheit solcher Identit�t w�rde die Gewissheit jeder Entwicklung zerst�ren, den Glauben an uns selbst als positive Kraft der Geschichte. Wenn wir Seele so begreifen, dann haben wir ein Problem mit Hitler: Warum wurde er von den Deutschen gew�hlt und noch weit �ber den Zusammenbruch Deutschlands hinaus verehrt? Wie konnte sich „das B�se“ mitten unter den Menschen stark machen? Diese Fragen hatten Sigmund Freud dazu gebracht, den Todestrieb einzuf�hren, denn er konnte mit der seelischen Entfaltung des Luststrebens nicht mehr erkl�ren, warum Menschen dieses Streben so grundlegend zu pervertieren verm�gen. Das lie� sich nicht mehr durch Abwehr- oder Verdr�ngungsmechanismen begreifen. So erkl�rte es sich ihm nur noch als eine ontische Selbstzerst�rungswut und erbrachte die notwendige und folgenschwere Abwendung von seinem urspr�nglich emanzipatorisch gemeinten Hedonismus.

Hellinger l�st dieses Problem als Argument f�r sich auf, indem er mit Hitler zweierlei deutlich macht: Wir alle haben auch das B�se in uns und wir alle k�nnen es �berwinden. Es ist die Spannung dazwischen, die moralische Diskrepanz, die zu seiner psychologischen Praxis taugt. Das Gute ist gefragt und das Gute kann sich nur im B�sen bew�hren; dadurch erst wird es zum absolut Guten. Um das eine zu erreichen, muss das andere damit aufgehoben werden: Das B�se muss dem Guten dienen. Hellinger sucht eben nicht einfach nur das Gute und Sch�ne zu vermitteln, wie es die platte lebensberatende Psychologie mit Esoterik und positivem Denken betreibt. Ihm geht es um das Urspr�ngliche, um die gesunde Ordnung. Aber daf�r muss man auch zu einem Verhalten gegen das Kranke bereit sein: Man muss f�r das Gesunde gerade stehen und eingreifen und das verlangt vor allem Macht �ber "das B�se", Rechtfertigung und Gewalt dadurch, dass es vernichtet werden muss. Das Heil unseres „Schicksals“ liegt ganz in unserer Hand. Und wenn alles Unheil erstmal darin zusammengepackt ist, dann kann man es im Keim ersticken. Das ist simpel und die Logik jeder Mythologie, die auf dem gr�ndet, was sie ausschlie�en will, auf diesem Wesen, das so gut erscheinen mag, obwohl es b�se ist.

Das konservative Denken wird dadurch reaktion�r, dass es sich solchen Mythos zu eigen macht, sich durch das Raunen dieser unheilvollen Wesenstiefe beeindruckt hat. Eine Bereitschaft hierf�r steckt schon in der Esoterik selbst, die voll ist von Schwingungen und Kr�ften, von Energien und Kraftfeldern, von guten und b�sen Stoffen und dergleichen mehr. Das B�se ist der Gegner und jeder Gegner ist b�se. Der Mythos heftet sich leicht an alles, was feindlich erscheint, solange es unerkennbar, unbegreifbar, also fremd ist. Ihn muss man sich nutzbar machen, um geistige Verh�ltnisse, um Leben und Kultur der Menschen zu bestimmen. Daraus erst besteht die wirkliche psychologische Macht. Der Mythos des B�sen ist die Mythologie des Guten und dieses gilt darin als einzige Gew�hr des �berlebens inmitten der Zerst�rungsprozesse, in die wir gestellt sind, bzw. in die uns „das Schicksal“ gestellt hat. Hellinger ist hochger�stet mit G�te gegen jeden Gegner, sei er nun wirklich oder nur vorgestellt. Und er �berliefert sein psychologisches Programm hierf�r: Es bietet die psychologische F�higkeit, einen Gegner nichtig zu setzen durch dessen menschliche und seelische Ausschaltung: Man muss erst zulassen, was man bek�mpft, es erst �ffnen, bevor man es aufhebt. Man muss darin einbrechen, es erst best�tigen, um es dann zu vernichten.

"Es ist gut, dass du so b�se bist" (Hellinger in "Die Entr�stung", Vortrag vom 11.5.2003). Darin ist sich der vers�hnte Mensch sicher, dass er die G�te des Menschseins verk�rpert, dass er der gute Mensch, der Mensch schlechthin ist, in welchem sich auch ausdr�ckt, was Menschlichkeit �berhaupt ist. Zugleich ist er sich sicher, dass er das B�se kennt. Er ist sich sicher, dass es nichts wirklich Wesentliches gibt f�r das Verhalten in den Verh�ltnissen dieser Welt. Sie muss geschehen, wie sie ist, muss getan werden. Und Ihre Opfer geh�ren dazu wie ihre T�ter, ja: Opfer m�ssen sein. Die Geschichte kann nur vorankommen durch sie. „Und das ist gut so“ (Gerhard Schr�der).

Der gute Mensch ist der eigentliche T�ter, der die Opfer kennt, die er verlangt. Er ist nicht nur Tr�ger der Macht und deren Verwirklicher, er ist auch darin gut, dass er Opfer verlangt. Ihm ist dies gleichbedeutend mit dem seelischen Wesen des Menschseins, das als Allgemeinwesen sich zwischen Tat und Opfer ausbreitet und durchsetzt - dank der verf�gbaren Mitteln der Macht und ihrer Gewalt. Aber um dies Menschseins geht es und um dieses soll es gehen: Um den in dieser Seelenwelt gleichgeschalteten Menschen, der Tat und Opfer ertr�gt und sich dadurch erhofft, dass sich hierdurch der zur Hellinger-Seele erweckte Mensch bilden und entfalten wird. Es ist das Bild des modernen �bermenschen, der Einheitsmensch der Seele, worin alles wirklich menschliche gleich gelten und alle Wirklichkeit im Grunde gleichg�ltig sein soll. In dieser angezielten Unterschiedslosigkeit des Menschseins wird der Einheitsmensch zum sozialen Ma�stab und zum L�sungsprinzip f�r alle Probleme, die es als Krise des Kapitalismus wirklich gibt. Es ist die Grundlage f�r einen krisenfesten Sachzwang, der daurch fortbesteht und sich entfaltet, dass die Menschen darin alle Notwendigkeiten des Tuns und Opferns in ihrer Seele auf sich nehmen und sich hierf�r an die Fachleute wenden, die ihnen dies fortw�hrend vermitteln. Aufstellungen wird es dann auf Krankenkasse geben. Es w�re, was Orwell mit dem „gro�en Bruder“ beschrieben hatte.

Hellingers Theorie ist das Modernste, was die Psychologie als reine Theorie, als Lehre von der Seele, zustande gebracht hat. Sie sollte sich dessen eingedenk und auch klar dar�ber sein, dass sie daran beteiligt war und ist.

 

Die Politik mit der Seele - oder die Psychokratie

Man muss es ihm lassen, dass er sehr nahe an das Selbsterleben der Menschen herangekommen ist, an die Alltagsempfindungen und Gef�hle, an die Grundlagen zwischenmenschlicher Lebensbedingtheit und an die Schmerzen der Liebesverh�ngnisse. Das hat auch viele intelligente Menschen angezogen, die weder politisch klar nach rechts tendierten, noch durch langj�hrige Esoterik-�bungen verwirrt worden waren oder s�chtig nach „h�herem Wissen“. Was Hellinger sich da aus der ganzen bisherigen Psychologie zusammengemischt hat, trifft ihre Funktion und ihren Umgang mit Wissen und Begriffen zumindest an dem Punkt, wo er ihre Ph�nomenologie zusammenfasst. Wie Menschen wahrnehmen und f�hlen, das hat er erkannt – und auch, wie dies allgemein in der Familie jenseits aller Bewusstheit stattfindet.

Aber Hellinger zieht hieraus keine Schl�sse auf das wirkliche Leben der Menschen, auf ihre konkreten Verh�ltnisse und Lebensbedingtheiten. Umgekehrt: Er nutzt dies alles zur Etablierung seiner Weltenordnung, in der alles aufgehoben ist, was wirklches Leben ausmacht, indem darin alles aufgel�st werden soll, was unvers�hnt ist. Daher geht es ihm nicht wirklich um die Arbeit an und in den Erkenntnissen der Menschen, die er ansticht, anstachelt und benutzt, sondern um deren Verformung zu einem ordnungsgl�ubigen Bewusstsein, in das sie eingebunden werden wie die Fliegen an die Leimstange. Das macht sein Werk erst wirklich gef�hrlich, ja, teuflisch: Wo er f�r die Leiden der Menschen Freiheit, Gesundheit und Gl�ck verspricht, da erzeugt er Unterwerfung an seine Prinzipien. Und diese blenden vor allem die Bed�rfnisse nach Erkenntnis, nach Licht in den dumpfen Abh�ngigkeiten und Bedingtheiten des Lebens, aus, die eigentlich zu ihm gef�hrt hatten. Sie werden �berdeckt von Antworten, die alles aufl�sen durch Vorstellungen, die unter gew�hnlichen Umst�nden keine Chance mehr h�tten, in dieser Plattheit �berhaupt ernst genommen zu werden: Demut und Vers�hnung, Liebe und Ordnung, Leiden und W�rdigen - Schicksal. Doch mit dem Beiwerk von esoterischem Zauber kann ihm gelingen, sie als Methode der Selbstausrichtung zu verwenden. Und darin liegt sein Ziel: Wenn die Menschen darin ausgerichtet sind, dann ist endlich Ruhe im Land ...

Hellinger gibt sich sehr viel liberaler und sehr viel unbedarfter, als er in Wirklichkeit ist. Er ist eigentlich jetzt erst so richtig politisch t�tig geworden, zu einem politischen Psychologen wie einem psychologischen Theologen in einem. Es ist die Politik der "Menschenliebe", die er als Lebensnotwendigkeit vorstellt und n�tzlich machen will im Prinzip der "Vers�hnung und des Ausgleichs". Die Wirklichkeit erscheint dabei nur noch als Sandkastenspiel der Betroffenheiten, die von nichts Wirklichem betroffen sein sollen und also auch leicht zu bew�ltigen sind. Nicht, dass die Wirklichkeit nicht mehr vork�me. Im Gegenteil: Sie wird mehr denn je thematisiert. Hellingers Spektrum greift l�ngst weit �ber die bornierten Grenzen des Familienlebens hinaus. Seine Aufstellungen drehen sich jetzt auch um Kriege, Geschichten, Ideologien, Lebenshaltungen usw. Der Israel-Pal�stina-Konflikt kommt dort geauso vor, wie Holaucaust, Golfkrieg, 11. September, Terrorismus und anderes mehr.

Und so prescht Hellinger mit seiner „Psychologie der Menschenliebe“ jetzt auch offen gegen seine politischen Gegner vor. Diese macht er daran fest, dass sie die Welt nicht so sein lassen k�nnen, wie sie ist, dass sie die immer kritisieren w�rden und �ber alles m�gliche entr�stet seien. Da tritt er dann sogar auch mal wieder so auf, wie er es verabscheut - mit F�rsorglichkeit:

"Denn Entr�stete sind in der Regel nicht eher befriedigt, bis sie die T�ter vernichtet und gedem�tigt haben, selbst wenn es die Leiden der Opfer verschlimmert." ("Die Entr�ctung", aaO)

Ja. Hellinger steht auf der Seite der Opfer, wenn es um die T�ter geht. Und er steht auf der Seite der T�ter, wenn die Opfer dran sind. Dies ist zumindest in der Politik neu: Um die Sache selbst geht es �berhaupt nicht mehr. Es geht um ihre Ertr�glichkeit f�r beseelte Menschen. Das eben macht beseelte Politik und ihre politische Absicht aus: Sie will den Ausgleich der Gewalt, um f�r sich so walten zu k�nnen, wie es ihrem Willen entspricht und nicht wie es wirklich ist. Es ist das Konzept f�r politischer Willk�r.

Eigentlich m�ssen sich politische Entscheidungen an der Wirklichkeit orientieren und die Menschen, ihre W�hler, von ihrer Richtigkeit �berzeugen. Hier ist es umgekehrt: Die Entscheidung ist prinzipiell beliebig, solange sie dem aktuell m�chtigen Willen n�tzt. Der W�hler muss hierf�r garnicht mehr irgendeine Sache, irgendetwas wirkliches kennen, f�r das entscheiden wird. Er muss nur dem Willen vertrauen. Und das entsteht dadurch, dass er seine Absichten schmackhaft gemacht hat. Da hat Wirklichkeit nichts mehr zu sagen.

Politische Absichten benutzen Gef�hle, um ihre Vorstellungen und ihren Willen durchzusetzen. Um dies geht es Hellinger, wenn er sich als Psychologe und Philososoph poltitisch artikuliert. Nicht, weil er sich um die Zukunft von W�hlbarkeit der Politiker Gedanken macht, sondern weil er selbst die ganze Welt politisch behandeln will. Wenn er die ganz gro�en Dinge anr�hrt, die Notwendigkeiten der gro�en B�hne, die Vers�hnung mit Hitler, die T�terenergie der Nazis, den Holocaust, den Irak-Krieg, den Terrorismus. Da entkommen ihm hie und da seine wahre Auffasssung der Verh�ltnisse, von denen er meist in so mildem Tonfall daherredet. Nicht, dass es ihm versehentlich entschl�pft. Er will es streuen, unterschieben, wirken lassen. Und da verhilft vor allem seine Gleichg�ltigkeit gegen die Wirklichkeit, gegen die Welt der Taten, zu einer Aufhebung des Unterschieds von T�ter und Opfer, Aktion und Reaktion. T�ter ist damit immer auch Opfer. Besser kann man die Grundlagen reaktion�rer Sichtweise nicht formulieren. Und deshalb redet Hellinger so viel �ber die Welt, von der er eigentlich nichts will, als sie zu lassen wie sie ist. Er will Wirklichkeit gleichschalten, den Menschen sagen, dass sie eigentlich nichts bedeudet. Und er will die Menschen gleuichschalten und ihnen sagen, dass sie selbst als Opfer auch die T�ter sind, Opfer und T�ter in einem. Das zeige sich �berall, wo man „in die Tiefe“ geht, besonders und wiederum und zum wiederholten Male an den Juden, wie sie sich selbst untereinander zum Holocaust und den j�dischen Opfern dort verhalten h�tten:

"Es war dort am Anfang verp�nt, von den Opfern des Holocaust zu sprechen. Man hat sie als Feiglinge abgestempelt. Aber indem man sie ausgeklammert hat und indem man die T�ter nicht haben wollte, hat man von den T�tern deren Energie �bernommen. Man sieht das im Verhalten von vielen Israelis den Pal�stinensers gegen�ber. Weil man den T�tern keinen Platz geben wollte, wird nationalsozialistische T�terenergie unbewusst �bernommen." http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/bert_hellinger/vortraege/judentum_in_unserer_Seele.shtml

Das ist so hinterh�ltig formuliert, wie es nur einem sehr bewussten Mann m�glich ist. Hellinger schmiert Verstand und Bewusstsein mit einem vermeintlichen Wissen zu, das garnicht gefragt ist, wo er es einbringt. Und er bringt es nur ein, um den Menschen Beispiele zu vermitteln f�r seine Heilpraxis. Ihm geht es bei alledem angeblich nur um eines: Um die Harmonie des Gewissens, um die Einheit des Selbstgef�hls, um das Gl�ck der Menschen. Doch das ist nur insoweit wahr, wie es allen Politikern nur darum geht, wenn sie an die Macht wollen, an die Macht als Linke oder Rechte oder als Faschisten. Es ist der Populismus der Politik, der sich so begreift und sich auch so verwirklicht.

Der Populist Hellinger nutzt Psychologie, verh�lt sich zu Menschen, die nicht nach politischen Taten verlangen, sondern nach Klarheit f�r sich und ihr Leben und manchmal auch Hilfe brauchen f�r ihre Leiden und „Verstrickungen“. Sie geraten bei Hellinger an einen politichen Psychologen, der zugleich psychologischer Politiker ist, ein Heiland, der die Welt verbessern will, indem er die Menschen von ihren „Verstrickungen“ befreit, ihnen die Ordnung vermittelt, die er als allgemeing�ltiges Lebensprinzip erkannt und begriffen haben will. Er will nicht politisch sein, sondern alle Politik durch sich aufheben. Wie einst Jesus verbindet er Heilung mit dem Heil des allgemeinen Lebens. Er verhilft den Menschen zu Entlastungen, indem er sie ihrer Welt enthebt und er will die Welt verbessern, indem er die Menschen nach seinem Willen und seinem gro�en Ziel „verbessert“. Er will die Welt gestalten, indem er die Menschen gestaltet, da ist er ganz eins mit seinem gro�en Vorbild Heidegger, dem Philosophen des Nationalsozialimus, dem „Hitler des Denkens“ (Martin Buber). Und er hat noch einiges vor. Nicht von ungef�hr hat er sein Quartier und sein Institut auf den Obersalzberg gelegt - direkt in Hitlers Urlaubs-Reichskanzlei, in dessen Privatwelt, die zugleich politische Welt war. In Hitlers einstigem Arbeitszimmer entwickelt er jetzt seine Zukunftspl�ne.

Er will mit seinen psychologischen F�higkeiten eine Politik der Lebensgef�hle entwickeln, des vers�hnten und vers�hnlichen Menschseins durch Allgemeinanspr�che der Selbstgef�hligkeit, das er als das Mitmenschliche schlechthin begriffen wissen will. Darin soll alles durchgehen, was vers�hnbar ist. Auch die h�rteren Dinge des Lebens, z.B. der Terrorismus. In einem Interview mit Hans-Joachim Reinecke meint Hellinger daher zum 11. September 2001 - ganz im Gegensatz zur ansonsten aufgeregten Welt �ber die Terroristen (am 31. Oktober 2001):

"Ich sage einfach, dass wir tief in der Seele Mitmenschen sind, und dass wir sowohl die einen Opfer beklagen als auch die anderen. Wir f�hlen uns als Menschen mit beiden verbunden. Das ist eine menschliche Regung. Sie ist die eigentliche Voraussetzung f�r Vers�hnung. Insofern halte ich das f�r eine wichtige Bewegung. Sie wirkt d�mpfend auf jene, die meinen, mit �berheblichen Vorgaben oder �berheblicher Taktik im Sinne von "Wir besiegen die und rotten sie aus." Sie werden damit in ihre Schranken verwiesen. Insofern hat diese Gegenbewegung in den Seelen eine heilsame Wirkung. Gleichzeitig muss man sehen, dass auch die anderen in Ihre Schranken verwiesen werden m�ssen. Es ist f�r viele schwer einzusehen, dass oft erst Ohnmacht Frieden stiftet."

Wirkliche Aufregung und Gefahr oder eine an der Wirklichkeit orientierte Aussage gibt es nicht. Hellinger spricht als Psychologe �ber Politik wie ein Pfarrer �ber Gef�hle, die hiervon unber�hrt scheinen, Gef�hle, nicht wie sie sind, sondern wie sie sein sollen. Wir sollen Ausgleich darin haben, beides zu empfinden, Tat und Wirkung, und doch nicht betroffen sein von dem einen oder dem anderen, beides wahrnehmen und sogleich in uns vers�hnen, in uns aufheben. Selbstgef�hl entsteht eben nur wirklich, wo Wirklichkeit ausgeschaltet werden kann. Da kommt ihm die Selbst�ndigkeit der allgemeinen Seelenlage entgegen. Die b�rgerliche Seele selbst verkehrt schon immer gerne die wirklichen Verh�ltnisse in ihr Gegenteil, macht sie selbst schon zu Bestandteilen des Selbstgef�hls: Nicht was geliebt wird, macht Liebe aus, sondern das Gef�hl hierbei. Hellinger verabsolutiert diese Verkehrung als solche und isoliert sie als die Liebe, mit der er hantiert: Die Hilfreichung der Selbstgef�hle.

Und darin findet er schlie�lich auch seine Gegner in denen, die hierf�r nicht hilfreich sind: Die kritischen Intellektuellen, die Aufger�hrten und Emp�rten, die Aufst�ndigen und Fordernden. Deren Begehren ist f�r ihn nichts als pures Unverm�gen, die Welt so zu verstehen, wie sie ist. Das ist Lieblosigkeit gegen alles bestehende, gegen der Menschen und Gottes Werke. Und wo Liebe fehlt, da ist dann alles umgekehrt: Emp�rend ist die Emp�rung! Nicht was emp�rend ist, sondern die Emp�rung ist es selbst.

"Die Entr�stung ist in erster Linie moralisch. Das hei�t, es geht hier nicht um Hilfe f�r jemanden, sondern um die Durchsetzung eines Anspruchs, als dessen Vollstrecker sich der Entr�stete darstellt und f�hlt. Daher kennt er im Gegensatz zu jemandem, der liebt, kein Mitleid und kein Ma�." ("Die Entr�ctung", aaO)

Wo er seine Gegner behandelt, da kehrt sich bei Hellinger alle Wahrheit um. Seine Weisheiten erweisen sich insgesamt und praktisch auf diese Weise als eine gigantische Paralyse mit System: Seine S�tze hier bestreiten, was seine S�tze dort vertreten – je nachdem, wie es f�r das angeschnittene Thema beliebt. Hier h�lt er mangelndes Mitleid seinen Gegnern vor, f�r sich h�lt er Mitleid f�r falsch, weil seine Philosophie "keinerlei Bedauern" kennt, weil es f�r sie n�mlich nichts Schlimmes gebe, weil sie eben von den Notwendigkeiten des Schicksals wisse. Hier ist er gegen Moral, weil sie Anspr�che setzt, dort h�lt er sie f�r n�tig, weil es "Gesetze der Liebe" geben muss. Er gibt vor, gegen Gewalt und Herrschaft zu sein, aber wer sich gegen Naziherrschaft und Krieg entr�stet, der wolle einen Anspruch durchsetzen, und sei damit genau wie sein Gegner! Hellinger ist vollkommen willk�rlich. Insgesamt vor allem gegen Kritik und Protest und gegen Demonstranten.

"Jetzt schaut euch mal die an, die gegen die NS-Verbrecher Stellung beziehen und sagen: "Nie mehr! Das darf nie mehr passieren." Wie viel Kraft haben sie? Sie gehen auf die Stra�e manchmal und werfen Steine und werden genau wie die, die sie verdammen." (Hellinger in "Helfen und Lieben").

Die Grundlage eigener Identit�t, die Selbstunterscheidung in der Bildung des Kritikverm�gens, wird zum wichtigsten Gegner dieser Helfer-Psychologie. Sie will ja auch nur dazu verhelfen, Menschen an die herrschenden Ordnungen heranzuf�hren, sie darin einzuvernehmen und ihre Verstrickungen in die Urgr�nde des Gegeben zu �bermitteln. Die Ruhe, die dort entsteht, ist eine zur Identit�tslosigkeit getriebene Gem�tslage, die Einf�ltigkeit eines bodenlosen Selbstverst�ndisses, die Geborgenheit im Kosmos des Schicksals. Mit ihm sich zu vers�hnen verlangt die Selbstaufgabe aller wirklichen Erkenntnis.

Hellinger ist von altem Schrot und Korn, aber die Praxis als Missionar und Pfarrer und Psychologe hat ihn gelehrt, dies in Sanftm�tigkeit zu h�llen, durch weltliche Werte zu hinterlegen und vor allem durch esoterische Praxis zu �bermitteln. Aber er selbst ist knallhart f�r die gute Sache, die er in seine Sophistik verh�llt, wenn er �ber die Nationalsozialisten schreibt:

"Philosophisch oder theologisch gesehen ist es nicht denkbar, dass jemand durch sein Verhalten aus der Ordnung herausf�llt. Der Einzelne kann sich seine Rolle nicht aussuchen, und im Gesamten ist sein Verhalten sinnvoll." Im Gesamten sei "systemisch betrachtet" auch das Verhalten der Nationalsozialisten sinnvoll gewesen: "Wir w�ren in Europa weit zur�ck, wenn das alles nicht geschehen w�re." (zitiert nach Goldner: "Der Rottenf�hrer der Psychoszene").

Menschliche Geschichte ist damit aufgehoben, verschwindet in der Vorsehung des Systems, ist Moment seiner Systematik. Das System wird somit selbst zum "Schicksal", systemisches Denken zu seinem Handlanger und Implikat. Das System erf�llt sich in jedem Fall. Also ist es besser, es auch gleich zu erf�llen, sich der Geschichte des Systems zu ergeben und darin zu tun, was sowieso getan werden muss. Wer sich dem beugt ist ihm auch w�rdig und weiter als alle Menschen, die sich ihm entgegensetzen. Das ist der Sinn des Ganzen.

Bei Hellinger wird zur Gesinnung erzogen, indem Würde vergeben und Demut verlangt wird und es wird Wirklichkeit zerstört, um über sie gestellt zu sein und allgemein zu sein im Selbstgefühl des Gerechten einer höheren Ordnung, eines Systems der Natur und der Welt, das jedes „Schicksal“ bestimmt hat, bevor es sich ereignet. Nur wer sein Schicksal in sich spürt und fühlt, ist dem ganzen Menschsein nahe gekommen, hat ein Wesen in sich, das andere erst erfahren und lernen müssen: Die Seele des Weltgeschehens. In diesem Sinne ist er mit sich und allen Menschen versöhnt und teilt den Sinn der Welt auch als seelische Gesinnung mit.

Psychokratie ist die Herrschaft eines Menschenbildes der Seele zur Gleichschaltung der Menschen. Dieses Bild leitet sich nicht mehr wie in der Religion aus dem Metaphysischen ab, sondern aus praktischer Notwendigkeit, aus dem Menschen, wie er sein muss, um m�glichst reibungslos und konfliktfrei zu leben, gleichg�ltig, was seine Lebensverh�ltnisse f�r ihn sind. Und um dies geht es Hellinger wirklich. Wenn er �ber Gott spricht und verkehrt, dann meint er nur dies. er ist v�llig areligi�s, ohne jeden Glauben. Seine „Erkenntnisse“ k�nnen nur deshalb �berzeugen, weil sie platte Anschauungen sind, Betrachtungen des Lebens, wie es praktisch vorkommt ... eben wie ein Baum, dem man beim Wachsen zuschaut. Aber er benutzt den Glauben und seine Metaphysik. Und dazu braucht er die Seele und ihre Probleme, als Menschenbild zur Bildung der Menschen.

Als Menschenbild dient ihm die Seele einzig zur Gleichschaltung allen Menschseins. Damit werden sie in ihrem Verh�ltnis zu ihrem konkreten Leben ausgeschaltet, ihr Kritikverm�gen aufgel�st und die herrschenden Lebensverh�ltnisse zur Lebenswelt einer Menschenpsyche aufgerichtet, die zugleich Massenpsyche ist. Die herrscht darin als tote Menschlichkeit, als Psychokratie �ber das Leben der Menschen. Dies bedeutet die Herrschaft aller Verh�ltnisse �ber die Menschen und das ist nichts anderes als die Geistesform einer Herrschaft barbarischer Beziehungen unter den Menschen. Wo sich Macht gegen Menschen dadurch als notwendig behauptet und durchsetzt, dass sie als allgemeine Notwendigkeit den Menschen auferlegt wird, da herrscht auch immer Fashismus. Aber Hellinger ist kein Faschist, der einen starken Staat mit einer m�chtigen Staatskultur will. Er will ja nur dessen Seele praktizieren, den Staat der Seele in die Menschen versetzen, sie zum Status des Menschseins kultivieren. Das kann ihm durchaus noch gelingen. Es w�re, was Orwell mit dem „gro�en Bruder“ beschrieben hatte.

 

Wolfram Pfreundschuh