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Text-Auszug aus: Sebastian Haffner, Der Verrat. 1918/19 - als Deutschland w�rde, wie es ist. 1969,1979, Verlag 1900 Berlin 1994 2. Aufl.

[Kapitel] 10 (S.123-137)

"Entscheidung im Januar

Das Schicksal der deutschen Revolution entschied sich in Berlin in der Woche vom 5. bis 12. Januar 1919. Diese Woche ist als �Spartakuswoche� in die Geschichte eingegangen - zu Unrecht. Was in dieser Woche vor sich ging, war kein kommunistischer Aufstand gegen die sozialdemokratische Regierung. Es war ein Versuch der Berliner Arbeitermassen, das am 9. und 10. November Errungene und inzwischen Verlorene noch einmal zu erringen, und zwar auf dieselbe Weise wie damals. Der 5. Januar war ein zweiter 9. November.

Aber was im November wenigstens scheinbar gelungen war, scheiterte im Januar v�llig. Es scheiterte zum Teil daran, da� die F�hrung, die wiederum bei den Revolution�ren Obleuten lag, noch planloser und unf�higer operierte als damals. Haupts�chlich aber daran, da� Ebert sich jetzt stark genug f�hlte, das zu wagen, was er damals noch nicht gewagt hatte: n�mlich die Revolution zusammenschie�en zulassen. Was am 5. Januar in Berlin geschah, hatte niemand vorausgeplant oder vorausgesehen. Es war eine spontane Massenexplosion. Der Anla� war trivial. Der Berliner Polizeipr�sident, ein herzlich unbedeutender Mann !' namens Emil Eichhorn, der nie vorher oder nachher eine Rolle gespielt hat, weigerte sich, seine vom preu�ischen Innenministerium verf�gte Entlassung anzunehmen. Er war ein Mitglied der USPD und wandte sich an die Berliner Ortsgruppe seiner Partei um Unterst�tzung. Am 4. Januar, einem Sonnabend, trafen sich im Polizeipr�sidium der Vorstand der Berliner USPD, die Revolution�ren Obleute und zwei Vertreter der frischgebackenen KPD, Liebknecht und Pieck, mit Eichhorn und beschlossen, f�r den Sonntag zu einer Protestdemonstration gegen Eichhorns Absetzung aufzurufen; das war alles, was ihnen einfiel. Dann erlebten sie ihr blaues Wunder.

Aufgerufen hatten sie f�r Sonntag um zwei Uhr �zu einer imposanten Massenkundgebung in der Siegesallee�. Aber schon am Vormittag str�mten wieder, wie am 9. November, aus allen Arbeitervorst�dten riesige Marschkolonnen ins Berliner Stadtzentrum, und um zwei Uhr standen Hunderttausende Kopf an Kopf, nicht nur in der Siegesallee, sondern quer durch den Tiergarten, die Linden entlang, auf dem Schlo�platz und von dort die K�nigstra�e hinunter bis zum Alexanderplatz, wo das Polizeipr�sidium lag. Es war keine friedliche Versammlung. Es war ein Aufmarsch. VIele waren bewaffnet. Alle waren erbittert und tatendurstig. Nachdem sie sich Reden angeh�rt hatten - die meisten h�rten allerdings gar nichts, es gab ja damals noch keine Lautsprecheranlagen -, gingen die Massen keineswegs auseinander. Genau wie am 9. November ergriffen vielmehr �berall pl�tzlich einzelne beherzte Leute die Initiative, gaben Parolen aus und stellten bewaffnete Gruppen und Z�ge zusammen. Man wollte ja nicht nur demonstrieren, man wollte handeln - irgendwie handeln.

Sp�ter ist behauptet worden, da� Regierungsspitzel als agents provocateurs dabei ihre Hand im Spiel gehabt h�tten. M�glich -aber unm�glich h�tten sie die Massen, so, wie es geschah, zur Tat mitrei�en k�nnen, wenn diese Massen nicht selber zur Tat entschlossen gewesen w�ren. Am Nachmittag hatte sich aus der Demonstration eine bewaffnete Aktion entwickelt. Ihr Hauptziel war das Zeitungsviertel. Alle gro�en Zeitungsverlage Scherl, Ullstein, Mosse, der Vorw�rts -wurden besetzt, die Maschinen stillgelegt, die Redaktionen nach Hause geschickt. Sp�ter besetzten andere bewaffnete Gruppen die gro�en Bahnh�fe. "Noch in der Nacht waren �berall in der Berliner Innenstadt aufgeregte Zuge unterwegs, auf der Suche nach strategischen Zielen, die es zu besetzen, oder auch nach Feinden, die es niederzuk�mpfen galt. Es zeigten sich keine. Die Revolution, die seit dem I0. November stillgelegen hatte, war wieder ausgebrochen. Scheinbar beherrschte sie in dieser Nacht Berlin. Niemand wurde von diesem gewaltigen Massenausbruch mehr �berrascht als die Leute, die ihn ausgel�st hatten. Sie hatten keine Ahnung gehabt, was f�r eine Lawine sie lostraten.

Am Abend dieses Sonntags waren im Berliner Polizeipr�sidium sechsundachtzig M�nner versammelt: siebzig Revolution�re Obleute, zehn Vorstandsmitglieder der Berliner USPD mit dem alten Georg Ledebour an der Spitze, dazu zwei Soldaten- und ein Matrosenvertreter, Liebknecht und Pieck als Abgesandte der KPD und schlie�lich Eichhorn selbst. Die Konferenz stand, nach dem Bericht eines Teilnehmers, �ganz im Banne der gewaltigen Demonstration, ohne sich zun�chst dar�ber schl�ssig zu werden, was weiter geschehen m�sse�. Es herrschte �eine Stimmung, die keine objektive Stellungnahme aufkommen lie�. Die Redner �berboten sich gegenseitig mit Kraftworten und Forderungen.� Am wildesten geb�rdete sich Heinrich Dorrenbach, der F�hrer der Volksmarinedivision, der wohl nicht nur, wie alle anderen, von den �berw�ltigenden Eindr�cken der letzten Stunden berauscht war, sondern dem auch

sein Sieg in der Weihnachtsschlacht auf dem Schlo�platz ein wenig zu Kopf gestiegen war: Er behauptete jetzt, �nicht nur die Volksmarinedivision, auch alle anderen Berliner Regimenter stehen hinter den Revolution�ren Obleuten und sind bereit, mit Waffengewalt die Regierung Ebert-Scheidemann zu st�rzen�. Darauf erkl�rte Liebknecht, bei diesem Stand der Dinge sei der Sturz der Regierung m�glich und unbedingt notwendig. Ledebour sagte: �Wenn wir uns entscheiden, mu� das rasch geschehen.� Die beiden Soldatenvertreter warnten zwar: �Vielleicht stehen die Truppen hinter uns�, erkl�rte der eine, �aber sie haben immer geschwankt.� Der andere war noch pessimistischer: Es sei sogar fraglich, ob Dorrenbach seine eigenen Leute hinter sich habe (eine Skepsis, die sich bald als nur zu begr�ndet herausstellen sollte). Aber die Warner kamen gegen den Siegesrausch- den merkw�rdigerweise nicht die F�hrer in die Massen, sondern die Massen in die F�hrung getragen hatten -nicht auf. Mit achtzig gegen sechs Stimmen wurde beschlossen, �den Kampf gegen die Regierung aufzunehmen und bis zu ihrem Sturz durchzuf�hren�. Folgender Aufruf ging noch in der Nacht heraus: �Arbeiter! Soldaten! Genossen! Mit �berw�ltigender Wucht habt ihr am Sonntag euren Willen kundgetan, da� der letzte b�sartige Anschlag der blutbefleckten Ebert-Regierung zuschanden gemacht werde. Um Gr��eres handelt es sich nunmehr. Es mu� allen gegenrevolution�ren Machenschaften ein Riegel vorgeschoben werden! Deshalb heraus aus den Betrieben! Erscheint in Massen heute elf Uhr vormittags in der Siegesallee! Es gilt die Revolution zu befestigen und durchzuf�hren. Auf zum Kampfe f�r den Sozialismus! Auf zum Kampfe f�r die Macht des revolution�ren Proletariats! Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann!�

Es wurde ein �provisorischer Revolutionsausschu߫ von nicht weniger als dreiundf�nfzig Mann gebildet, mit Ledebour, Liebknecht und einem gewissen Paul Scholze an der Spitze; dieser Revolutionsausschu� erkl�rte, er habe �die Regierungsgesch�fte vorl�ufig �bernommen�. Tats�chlich hat er weder die Regierungs- noch auch nur die Revolutionsgesch�fte je �bernommen. Der Aufruf zu dem erneuten Aufmarsch am Montag war die einzige Tat, die er zustande brachte.

Dieser Aufruf wurde befolgt. Die Massen waren am Montagvormittag wieder auf den Stra�en, vielleicht noch zahlreicher als am Sonntag. Kopf an Kopf standen sie wieder von der Siegesallee bis zum Alexanderplatz, bewaffnet, erwartungsvoll, tatbereit. Sie f�hlten sich jetzt stark. Gestern hatten sie wie im Spiel ihre Kraft und Macht gezeigt -ganz spontan, ganz f�hrungslos.

Jetzt glaubten sie eine F�hrung zu haben, jetzt erwarteten sie Entscheidung, Kampf und Sieg. Und dann geschah nichts. Die F�hrung lie� nichts von sich h�ren. Einzelne Gruppen machten sich wieder selbst�ndig und besetzten noch ein paar �ffentliche Geb�ude - das Wolffsche Telegraphenb�ro, die Reichsdruckerei. Den entscheidenden Sturm auf die Regierungsgeb�ude wollte offenbar ohne Befehl niemand wagen; und Befehle kamen nicht. Auch standen vor der Reichskanzlei einige tausend Regierungsanh�nger, ebenfalls bewaffnete Zivilisten, die die SPD am Morgen zusammengetrommelt hatte.

Die Stunden vergingen. Der Tag, der mit sch�nem Wintersonnenschein begonnen hatte, nebelte sich ein, es wurde unangenehm na�kalt und dann langsam dunkel. Und es kam kein Befehl. Die mitgebrachten Stullen waren aufgegessen, und der Hunger meldete sich wieder, der ewige Hunger dieses Revolutionswinters.

(...) Was war geschehen? Vor allem dies: (...) Die Truppen schwankten, diskutierten, wu�ten nicht recht, was gespielt wurde; wie immer schon, waren sie zugleich f�r Revolution und f�r Ruhe und Ordnung. Jedenfalls hatten sie keine Lust, ihre K�pfe hinzuhalten. Selbst die Volksmarinedivision erkl�rte sich �neutral�. Am Vormittag war der dreiundf�nfzigk�pfige Revolutionsausschu� hoffnungsvoll aus dem Polizeipr�sidium in das Hauptquartier der Matrosen, den Marstall, umgezogen. Am Nachmittag war er wieder hinauskomplimentiert worden. Dar�ber war der Tag vergangen.

Am Abend war man wieder im Polizeipr�sidium versammelt, in ganz anderer Stimmung als am Tage zuvor. Es ging nicht mehr darum, ob man die Regierung st�rzen k�nnte, sondern nur noch darum, ob man sich auf leidliche Art aus der M�re ziehen k�nnte. Das schien an diesem Montagabend noch m�glich, auch an den folgenden zwei oder drei Tagen noch. An diesen Tagen hatten beide Seiten Angst voreinander: auch die Regierung vor der Revolution. Der Schreck vom Sonntag sa� ihr in den Gliedern, und am Montag konnte man von der Wilhelmstra�e aus den neuen riesigen Massenaufmarsch sehen; die Linden glichen einem Heerlager: Was w�rde geschehen, wenn sich dieses Heer zum Sturm auf die Regierungsgeb�ude in Bewegung setzte? Wie hilflos die Revolutionsf�hrung in Wirklichkeit war, wu�te man noch nicht. Auf die Mehrzahl der Berliner Truppen war anscheinend kein Verla� f�r die Regierung sowenig wie f�r ihre Gegner.

Drau�en zwar, auf den m�rkischen Truppen�bungspl�tzen, formierten sich jetzt die Freikorps. Noch am Sonnabend hatten Ebert und Noske in Zossen das neugebildete Landesj�gerkorps des Generals Maercker besichtigt, freudig erstaunt, wieder �richtige Soldaten� vor sich zu sehen; Noske hatte dem zwei K�pfe kleineren Ebert auf die Schulter geklopft und gesagt: �Sei nur ruhig, es wird alles wieder gut werden.� Aber das war Sonnabend in Zossen gewesen, und jetzt war Montag in Berlin, und Unter den Linden stand kein Landesj�gerkorps, sondern die bewaffnete Revolution. Da war es mehr als willkommen, da� die am 29. Dezember aus der Regierung ausgeschiedenen USPD- Volksbeauftragten an diesem Montag ihre Vermittlung anboten. Ebert ging gern darauf ein; zum mindesten war damit Zeit zu gewinnen. Er stellte nur eine Bedingung: Aufhebung der Zeitungsbesetzungen. Dar�ber hatte der Revolutionsausschu� am Montagabend zu entscheiden. H�tte er ja gesagt, vielleicht w�re noch einmal alles ungeschehen zu machen gewesen. Aber er sagte nein.

Das Schauspiel, das dieses handlungsunf�hige Unget�m von einem Ausschu� vom ersten bis zum letzten Augenblick bietet, ist erbarmungsw�rdig. Vorw�rts konnte er nicht, zur�ck wollte er nicht. Der Stimmungsabsturz seit dem gestrigen Siegesrausch war zu steil; die Niederlage erkennen und zugeben, den R�ckzug antreten: das war mehr, als die dreiundf�nfzig innerhalb von vierundzwanzig Stunden seelisch leisten konnten. Au�erdem nagte an den dreiundf�nfzig vielleicht auch ein heimlicher Zweifel, ob sie die R�umung der Zeitungen �berhaupt garantieren k�nnten. Sie hatten die Besetzung ja gar nicht befohlen und �ber die bewaffneten Gruppen in den Zeitungsgeb�uden �berhaupt keine Gewalt, sie wu�ten in vielen F�llen noch nicht einmal, wer sie eigentlich kommandierte. In Wirklichkeit spielte in dieser Revolution der Revolutionsausschu� im Polizeipr�sidium die Rolle des dummen August. Das aber durfte doch nicht herauskommen! Er sagte nein.

Ebert war das im Grunde recht. Er wollte keinen neuen Scheinfrieden mit der Revolution wie am 10. November, er wollte die Abrechnung. (�Die . Stunde der Abrechnung naht!� hei�t es in einem von ihm formulierten Regierungsaufruf, der zwei Tage sp�ter, am 8. Januar, hinausging.) W�hrend er die aussichtslosen Verhandlungen noch. ein paar Tage hinauszog, traf er seine milit�rischen Vorbereitungen. Sie liefen auf zwei Linien.

Die eine war die Linie Noske, die Linie der Freikorps. Noske war noch am Montag, in der halbbelagerten Reichskanzlei, zum Oberbefehlshaber ernannt wurden. (�Meinetwegen�, hatte er nach eigenem Zeugnis erkl�rt, �einer mu� der Bluthund werden.�) Er hatte sich sofort aus der Gefahrenzone wegbegeben, mitten durch die bewaffneten Massen am Brandenburger Tor hindurch, die keine Ahnung hatten, wer der lange Zivilist mit der Brille war. (�H�flich bat ich wiederholt darum, mich durchzulassen, denn ich h�tte eine dringende Besorgung. Es wurde mir bereitwillig der Weg freigegeben.�) Seitdem sa� er im West-Berliner Vorort Dahlem, im Luisenstift, einem vornehmen T�chterpensionat, das verl�ngerte Weihnachtsferien geno�. Dort hatte er sein Hauptquartier aufgeschlagen, von dort trieb er die Aufstellung der neuen Freikorps rings um Berlin voran und bereitete ihren Einmarsch in Berlin vor. In Dahlem gab es keine Revolution, kein Arbeiter verirrte sich dorthin. In den weiten, winterlichen G�rten herrschte vornehme Stille. Noske konnte ungest�rt arbeiten.

Aber seine Arbeit brauchte Zeit, und Ebert hatte keine Zeit. Immer noch herrschte ja in Berlin Generalstreik, immer noch waren die Zeitungen und Bahnh�fe besetzt, immer noch sa� im Polizeipr�sidium der Revolutionsausschu�, immer noch gab es im Osten und Norden gro�e Massenaufm�rsche. Wenn die Freikorps noch nicht marschbereit waren, konnte man mit den Berliner Truppen gar nichts anfangen? Ebert wollte es jedenfalls versuchen. Der eine oder andere Truppenteil mu�te doch in Gottes Namen gegen die �Spartakisten� zu gebrauchen sein!

Auf dieser zweiten Linie bereitete er selbst den Gegenschlag gegen die Revolution vor, w�hrend er nebenbei immer noch verhandelte und seiner Abneigung gegen Blutvergie�en Ausdruck gab. "Und tats�chlich sollten die Berliner Truppen schlie�lich die Entscheidung bringen. Die Freikorps marschierten erst in Berlin ein, als die Schlacht geschlagen war. Die Entscheidung fiel in den Tagen vom Donnerstag, dem 9. bis zum Sonntag, dem 12. Januar 1919. In diesen Tagen wurde auf Befehl Eberts die Revolution in der Hauptstadt zusammengeschossen. Berlin h�rte nun Tag f�r Tag, wie bisher nur am 24. Dezember, die Kanonen donnern, und eine buntscheckige Truppenschar - die immer schon besonders konservativen �Maik�fer�, das neugebildete Ebert-treue �Regiment Reichstag�, das in den Weihnachtstagen aufgestellte rechtsradikale Freiwilligenregiment �Reinhard� und schlie�lich die am Weihnachtsabend so blamabel geschlagenen, seitdem reorganisierten Potsdamer Bataillone unter Major von Stephani, eroberte in schweren Stra�en- und H�userk�mpfen die besetzten Geb�ude eines nach dem andern zur�ck, zuletzt, am Sonntag, das Polizeipr�sidium.

Die schwerste Schlacht tobte am Sonnabend, den 11. Januar, vormittags im Verlagsgeb�ude des Vorw�rts in der Lindenstra�e: Die erste Kanonade blieb, �hnlich wie seinerzeit am Schlo�, erfolglos, der erste Sturmangriff wurde abgeschlagen, dann folgte eine zweite, schwerere Kanonade, und dann geschah Gr��liches: Die Vorw�rts-Besatzung schickte sechs Parlament�re mit der wei�en Fahne, um �ber freien Abzug zu verhandeln. Einer von ihnen wurde mit der Forderung nach bedingungsloser �bergabe zur�ckgeschickt, die �brigen f�nf wurden zur�ckgehalten, abgef�hrt, furchtbar mi�handelt und schlie�lich zusammen mit zwei abgefangenen Kurieren erschossen. Dann wurde der Vorw�rts gest�rmt. Dreihundert der Verteidiger wurden gefangengenommen.

10. Januar 1919: Minenwerfer der Regierungstruppen auf dem Alexanderplatz. Major von Stephani rief in der Reichskanzlei an und fragte, was er mit den vielen Gefangenen anfangen solle. Nach eigener schriftlicher Bekundung erhielt er die Antwort: �Alle erschie�en!� Das verweigerte er; er war noch ein Offizier alter Schule. Sieben der Gefangenen wurden trotzdem erschossen, fast alle mit Gewehrkolben furchtbar mi�handelt, ohne da� von Stephani es verhindern konnte. Der Reichsarchivrat Volkmann, der eine durchaus milit�rfreundliche Revolutionsgeschichte geschrieben hat, berichtet folgendes: �Die Soldaten sind in ihrer Wut kaum zu b�ndigen. Als sie sehen, da� einer ihrer eigenen Offiziere, der von den Aufr�hrern gefangengenommen und im Vorw�rts-Geb�ude w�hrend der Beschie�ung festgehalten worden ist, den Spartakisten die Hand reicht, um sich f�r die anst�ndige Behandlung, die ihm zuteil geworden ist, zu bedanken, schlagen sie ihn blutig.�

Am 12. Januar waren die K�mpfe in Berlin beendet. Die Revolution war niedergeworfen. War es eine �spartakistische�, also kommunistische Revolution? Das ist von Anfang an die Sprachregelung der Sieger gewesen, und sie hat sich bis zum heutigen Tag gehalten. (Man beachte die Selbstverst�ndlichkeit, mit der Volkmann von den Okkupanten des Vorw�rts als �Spartakisten� spricht.) Die Wahrheit ist es nicht. Die KPD hatte den Januaraufstand weder vorhergesehen noch gewollt, weder geplant noch gelenkt. Sie war �ber das planlose, f�hrungslose Vorpreschen der Massen sogar entsetzt. Ein solcher Massenaufstand, ehe die Partei �berhaupt noch richtig stand, verstie� ja gegen alle Regeln! Als sich Liebknecht am 8. Januar wieder im Parteivorstand sehen lie�, wurde er wegen seiner eigenm�chtigen Beteiligung mit Vorw�rfen �berh�uft. �Karl, ist das unser Programm?� soll ihm Rosa Luxemburg zugerufen haben, oder nach einer anderen Version: �Karl, wo bleibt unser Programm?� Aber auch der kl�gliche �Revolutionsausschu߫ -in dem nicht die zwei beteiligten Kommunisten, Liebknecht und Pieck, sondern die siebzig Revolution�ren Obleute tonangebend waren -hatte den Januaraufstand weder geplant noch gemacht noch gef�hrt. Dieser Aufstand war ganz ausschlie�lich das Werk der Berliner Arbeitermassen, derselben Massen, die die Novemberrevolution gemacht hatten; diese Massen waren zum allergr��ten Teil Sozialdemokraten, nicht Spartakisten oder Kommunisten, und ihr Januaraufstand war nichts anderes, als ihr Novemberaufstand gewesen war. Das ist beweisbar, denn die Massen blieben nicht stumm. In der zweiten H�lfte dieser tragischen Januarwoche, als das Versagen des �Revolutionsausschusses� auch ihnen klargeworden war und w�hrend im Zeitungsviertel schon die Kanonen sprachen, formulierten sie auf gro�en Massenversammlungen ihre Ziele, und zwar mit bemerkenswerter Klarheit. Am 9. Januar -Donnerstag -versammelten sich im Humboldthain vierzigtausend Arbeiter der AEG und der Schwarzkqpf- Werke, beschlossen genau wie am 10. November - die �Einigung der Arbeiter aller Richtungen� und setzten eine parit�tische Kommission zu diesem Zweckein. In den n�chsten Tagen ergriff die Einigungsbewegung praktisch alle Berliner Betriebe. Charakteristisch ist die Vier-Punkte-Resolution der Spandauer Betriebe (achtzigtausend Arbeiter) vom 10. Januar: �1. R�ckttitt aller Volksbeauftragten; 2. Zusammentreten parit�tischer Aussch�sse der drei Parteien; 3. Neuwahl der Arbeiter-und Soldatenr�te; 4. Inangriffnahme der Einigung der sozialistischen Parteien.� Bezeichnend f�r viele auch die Forderung der Elektrizit�tswerke S�dwest, Sch�neberg, vom 11. Januar - Freitag - nach R�cktritt der �F�hrer aller politischen Richtungen, die sich unf�hig erwiesen haben, diesen entsetzlichen Brudermord zu verhindern.� Das sind keine spartakistischen oder kommunistischen Ziele. Es sind genau die Ziele, denen am 10. November auch Ebert Lippenbekenntnisse geleistet hatte: sozialistische Einigkeit, �kein Bruderkampf�. F�r diese Ziele hatten die Berliner Arbeiter am 9. November gek�mpft, und f�r diese Ziele hatten sie, spontan und f�hrungslos, aufs neue in der blutigen Januarwoche zu den Waffen gegriffen. Sie wollten immer noch, was sie im November gewollt hatten: die Einigung aller sozialistischen Parteien und die Abschaffung des alten feudalb�rgerlichen Staats zugunsten eines neuen Arbeiterstaats. Ebert hatte das am 10. November zum Schein zugestanden. Aber er hatte es nie gewollt; er wollte von Anfang an die Erhaltung des alten Staats. Das war es, was die Berliner Arbeiter zwischen November und Januar begriffen hatten, und deswegen machten sie im Januar nicht eine spartakistische oder kommunistische Revolution, sondern dieselbe Revolution noch einmal. Aber wenn es das erste Mal noch zu einem Scheinsieg gereicht hatte - diesmal endete die Revolution in blutiger Niederlage. Die Arbeiter, die am 9. November und am 5. Januar auf die Stra�e gegangen waren und die am 9., 10. und 11. Januar ihre Ziele in Massenentschlie�ungen formuliert hatten, w�hlten am 19. Januar bei der Wahl der Verfassunggebenden Nationalversammlung immer noch zum gr��ten Teil sozialdemokratisch. Sie f�hlten sich immer noch als Sozialdemokraten nicht als Unabh�ngige oder Kommunisten. Wer in ihren Augen keine Sozialdemokraten mehr waren, das waren Ebert, Scheidemann und Noske. 9. Januar 1919: Arbeiter der Schwartzkopff-Werke.

Aber es waren Ebert, Scheidemann und Noske, die nun die Macht hatten und die bestimmten, wer fortan das Recht hatte, sich Sozialdemokrat zu nennen, und wer sich �Spartakist� schimpfen lassen mu�te. Sie hatten auch die Macht, alle Arbeiterresolutionen der Januarwoche einfach in den Papierkorb wandern zu lassen. Freilich, um die Macht gegen ihre eigenen Anh�nger zu behaupten, mu�ten sie sich von jetzt an auf seltsame Verb�ndete st�tzen -Verb�ndete, f�r die sie selber halbe �Spartakisten� waren. Mit derselben Arglosigkeit, mit der vor zwei Monaten die Revolution sich Ebert ausgeliefert hatte, lieferte sich jetzt Ebert der Gegenrevolution aus. Als der Kampf um Berlin von Ebert gewonnen war, hatte auch Noske seine Vorbereitungen abgeschlossen. Die ersten Freikorps standen; sie konnten in Berlin einmarschieren. Am Sonnabend, dem 11. Januar - nach der Erst�rmung des Vorw�rts- gab es eine Kostprobe: einen Demonstrationsmarsch des Landesj�gerkorps Maercker durch den b�rgerlichen Berliner Westen, von Lichterfelde �ber Steglitz und Sch�neberg zum Potsdamer Platz und weiter zum D�nhoffplatz. Die konservative Post berichtete dar�her am n�chsten Tag unter der �berschrift �Ein Lichtblick�: Panzer der Regierungstruppen am Alexanderplatz.

�Gestern nachmittag gegen drei Uhr konnte sich manches national denkende Herz wieder einmal an einem langentbehrten Anblick erfreuen. �ber den Potsdamer Platz zogen Truppen in Richtung auf den D�nhoffplatz. Eine ungeheure Menschenmenge bildete Spalier und begr��te sie mit begeisterten Hochrufen. Der Marsch stockt, die Truppe mu� halten. Scharfe Kommandos >Kompagnie halt! Gewehr ab!< werden ebenso exakt wie stramm ausgef�hrt. Bravo! erschallt es aus dem Publikum. Mit Bewunderung blickten alle auf diese famose, tadellose, disziplinierte Truppe und ihre F�hrer.�

Was die Post verschwieg, war, da� dieser famosen Truppe ein einsamer, langer, bebrillter Zivilist vorausmarschierte: Gustav Noske. Er hatte es sich nicht nehmen lassen. Der schon zitierte Volkmann gibt einen Schnappschu� des seltsamen Bildes: �In dem todernsten Gesicht steht eiserner "Wille. Neben ihm, halb sp�ttisch, halb verlegen, ein Oberst.� Dieser Marsch war nur ein Vorspiel. Am 15. Januar, dem Mittwoch nach der Revolutionswoche, wurde der ganze S�den und Westen Berlins und die Innenstadt von dem neugebildeten �Generalkommando L�ttwitz� besetzt. Den Norden und Osten - die Arbeiterviertel - sparte man einstweilen aus. Ihre Unterwerfung, die nicht ohne Blutvergie�en abgehen konnte, war f�r sp�ter vorgesehen. Den Westen Berlins �bernahm die neugebildete �Garde-KavallerieSch�tzendivision�. Im feudalen Eden- Hotel schlug sie ihr Hauptquartier auf. Sie f�hrte Plakate mit, auf denen stand: �Die Garde-KavallerieSch�tzendivision ist in Berlin einmarschiert. Berliner! Die Division verspricht euch, nicht eher die Hauptstadt zu verlassen, als bis die Ordnung endg�ltig wiederhergestellt ist.�

Noch am Tage ihres Einzuges gab die Division ihre Visitenkarte ab: mit der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs." (Auszug aus Sebastion Haffner)