Dieser Artikel wurde dem ISW-Spezial Nr. 28 entnommen. Autorin: Angela Müller
Landgrabbing
Landgrabbing, das "Grapschen" nach Land, ist an sich kein neues Phänomen. Feudalherrschaft und Kolonialismus war nichts anderes und ist ja eigentlich überwunden. Doch seit sich nach der Finanzkrise das weltweite Kapital neue Anlagemöglichkeiten sucht, ist Land wieder im Fokus. Auch hier in Deutschland steigen die Bodenpreise- durch die Nachfrage nach Agrogas und dem nötigen Flächennachweis für die" Gülle von großen Tierställen. Das lockt nichtbäuerliche Investoren an. Vor allem in Ostdeutschland, wo durch die ehemaligen LPG große Flächen bestehen und bei der Landverteilung Familienbetriebe benachteiligt wurden, gehört schon viel Land auswärtigen Investoren. Weltweit gesehen sind die Ausmaße beträchtlich" 200 Millionen Hektar zwischen 2000 und 2010.66 Am stärksten betroffen sind der Südsudan, Papua Neuguinea, Indonesien, die beiden Kongos und Mosambik. Bevorzuqte Ziele sind Länder mit schwacher Gesetzgebung und Demokratie, niedrigen Steuern sowie oft auch einem Defizit an Nahrungsmitteln und einem hohen Anteil an Hungernden.
Die Investoren lassen sich in drei Gruppen aufteilen" Zum einen sind es Investmentfonds oder Firmen auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Manche wollen mit dem Land spekulieren. Andere zielen auf langfristige Gewinne durch vertikal integrierte Kapitalgesellschaften, die sowohl Boden, Produktion als auch Vermarktung kontrollieren. Zum anderen sind es finanzkräftige Länder, die die Ernährung ihrer eigenen Bevölkerung sichern wollen, wie z.B. die Golfstaaten oder bevölkerungsreiche Schwellenländer. Eine kleine aber wachsende Rolle spielen auch Privatpersonen, die-lokal oder in den Nachbarländern Land kaufen, um es bewirtschaften Zu lassen. Angebaut werden außer Lebensmitteln (allerdings oft für den Export) auch Blumen, Energie- und Futterpflanzen.
Um die Kauf- oder Pachtverträge zu erhalten, wird den Regierungen und der lokalen Bevölkerung viel versprochen. Ein wichtiges Argument sind Arbeitsplätze vor Ort und Investitionen in die Infrastruktur wie Straßen, Krankenhäuser und Schulen. Aber auch Großprojekte wie ein Hafenausbau (Katar in Kenia) sind im Angebot. Leider werden diese Versprechungen häufig nicht eingehalten.
Oft wird angeführt, dass es sich um ungenutztes Land handelt. Es ist aber meist gar nicht ungenutzt, sondern es werden darauf Nahrungs- und Medizinpflanzen gesammelt oder es dient Nomaden als Weideland. Interessant sind vor allem die-Flächen, die fruchtbar, wasserreich und außerdem an Transportwege angeschlossen sind- das sind die auch bisher intensiv genutzten Regionen. In vielen Ländern ist der Anteil des von Ausländern kontrollierten Landes schon jetzt immens.
In ihrem eigentlich wohlwollenden Bericht stellt die Weltbank gravierende Mängel bei den Landdeals fest: Die Konsultationen der Bevölkerung seien schwach und oberflächlich, es gebe häufig Rechtsverletzungen und Landrechtkonflikte. Die Investitionen seien fast nie in eine Entwicklungsstrategie eingebunden und Arbeitsplätze und Infrastrukturinvestitionen blieben weitestgehend aus.
Als ökologische Folge ist die Abholzung von Wäldern und Savannen mit der Freisetzung von CO2 und dem Verlust der Artenvielfalt zu nennen. Aber auch die Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit durch Erosion, Versalzung und Staunässe sowie die Verschmutzung von Wasser sind gravierende Probleme.
Die neuen Großbetriebe bieten weniger und oft nur saisonale Beschäftigung -die meist Männer erhalten, während vorher viele Frauen in der Landwirtschaft tätig waren.69 Manchmal werden die Wege zu Wasserstellen oder Weiden durch Kanäle oder Zäune abgeschnitten, wie in Äthiopien, wo die Hirten deshalb ihre Lebensgrundlage, das Vieh, verkaufen mussten.7° Immer wieder kommt es vor, dass Bauern-, Hirten und Fischerfamilien von ihrem Land vertrieben werden. Soziale Unterschiede und Konflikte treten vermehrt auf und Konflikte ums Wasser spitzen sich zu. Die Konzentration von Landbesitz steigt. Das ist fatal, da eine gerechte Verteilung von Land ein wichtiger Beitrag zu Produktionssteigerung, Entwicklung und Armutsbekämpfung ist. Eine Struktur mit vielen kleinen Betrieben ist produktiver, bringt breiteren Wohlstand und stabilisiert Gesellschaften, wie z.B. die Landreformen in Lettland 1919 und Indien 1972 zeigen.
Zwar gibt es die freiwilligen Leitlinien der FAO und andere Richtlinien, wie Landverkäufe abgewickelt werden sollten, doch nach wie vor ist mit den großflächigen Aufkäufen die Zerstörung der lokalen Ernährungssouveränität verbunden.