"Je mehr Magenschmerzen, desto s��er l�cheln sie"

POSITIVES DENKEN - VOM ESOTERIK-IDEOLOGEM ZUM KLASSISCHEN GLEITMITTEL

von Maria W�lflingseder

 

(Vorabdruck aus "Dead Men Working - Gebrauchsanweisung zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs", hg. von Ernst Lohoff,Norbert Trenkle, Karl-Heinz Lewed,Maria W�lflingseder, das im Juni 2004 im Unrast Verlag erscheint.)

In seinem Roman "Herrn Kukas Empfehlungen" schildert Radek Knapp h�chst treffend die anstandslose Unterordnung unter den Guru Verwertbarkeit. Sein junger polnischer Held, zum ersten Mal nach Wien gereist, ist bass erstaunt �ber die Sitten im goldenen Westen. Die Menschen "sitzen vierzehn Stunden am Tag �ber ihren Computern. Ihre ganze Abwechslung liegt darin, dreimal am Tag auf die Toilette zu gehen, und das Essen holen sie aus einem Automaten,der auf dem Flur steht.Sie verzehren es �ber ihren Computertastaturen. Die H�lfte davon landet zwischen den Tasten, und sie merken nicht mal was davon.In ihren Armani-Sakkos tragen sie eine ganze Apotheke gegen Kopfschmerzen und Gastritis. Nach B�roschluss sehen sie wie Zombies aus.Aber glauben Sie, dass sich jemals einer deswegen beschwert h�tte? Im Gegenteil.Je mehr Magenschmerzen,desto s��er l�cheln sie."

War Positives Denken, einst Esoterik- Ideologem, ist es nunmehr zum selbstverordneten Gleitmittel f�r die bedingungslose Anpassung an die herrschenden sinnlosen, wahnsinnigen Verh�ltnisse geworden.

 

Volkshochschulen - gespenstische St�tten der St�hlung der "automatischen Subjekte"

Volkshochschulen (VHS), einst gesellschaftskritischer Hort, sind im Laufe der vergangenen beiden Jahrzehnte immer mehr zu einer wahrlich gespenstischen St�tte der St�hlung der "automatischen Subjekte" mutiert.

Aus dem Kursprogramm zweier Wiener Volkshochschulen vor ein paar Jahren:

l "Kraft und Wirkung von Gedanken: Unsere Gewohnheiten kreieren unsere eigene Welt. Es gibt kaum eine gr��ere Kraft als die Kraft unserer Gedanken, und k�rperliche sowie seelische Gesundheit h�ngen davon ab. Erst wenn wir anfangen, die Verkn�pfung von Gedanken,Gef�hlen und Handlungen zu verstehen, k�nnen wir Eigenverantwortung �bernehmen und die Qualit�t unseres Lebens bestimmen.Unser Schicksal liegt in unserer Hand."

Die Esoterik predigt seit Jahrzehnten: Das Bewusstsein schafft die Realit�t, durch dein Bewusstsein schaffst du dir deine eigene Realit�t. Jeder ist seines Gl�ckes Schmied.Alles,was dir passiert, ist notwendig und gut,weil es dein Karma ist.

Im VHS-Programm klingt's fast genauso, aber nicht etwa in Ank�ndigungen esoteriknaher Kurse,sondern in jenen der unz�hligen Selbstmanagement-Kurse.

l "Stressbew�ltigung: Der Stresspegel ist rapide angewachsen. Das Leben befindet sich auf der �berholspur, um den beiden Verfolgern, n�mlich dem chronischen Ersch�pfungssyndrom und dem Erleben eigener Unf�higkeit, zu entkommen. Bauen Sie sich wieder auf und werden Sie belastbarer!"

l ",Krieg' am Arbeitsplatz - Den Kampf gewinnen: Die Luft am Arbeitsmarkt ist d�nn, das Raumklima dementsprechend: Ungerechtes Gehalt, aufreibende Arbeitszeiten, schlechte Stimmung unter den Kollegen, Arbeitsdruck, Konkurrenz, Neid, Mobbing, despotische Chefs und schlechte Aufstiegschancen machen vielen Menschen den Berufsalltag zur H�lle. Harmonie ist nicht immer erreichbar,einen Kampf zu gewinnen aber allemal besser als ihn verlieren."

l "Ohne Wollen geht nichts! Key Mind - der neue Weg zur Selbstmotivation:K�nnen Sie nur das tun,was Sie wollen? Sch�n w�r's! Wir haben tagt�glich auch jede Menge Aufgaben zu erledigen, die wir uns nicht ausgesucht haben und die uns keinen Spa� machen. Damit verdeckte Widerst�nde nicht zu heimlichen "Energiefressern" werden und wie Sie mit inneren Widerst�nden konstruktiv umgehen."

Neben all den unz�hligen "Durchhalte"- Kursen gibt es keinen einzigen, der den menschenverachtenden Alptraum kritisch hinterfragt, keinen einzigen, der die Mechanismen durchleuchtet, warum alle, ohne mit der Wimper zu zucken,blindlings ihr eigenes Grab buddeln und sich dabei einreden, ein Haus zu bauen.

Das Gegenteil von Positivem Denken ist keineswegs Negatives Denken, sondern schlicht Kritik und Ver�nderung in Richtung Emanzipation.Legionen von ArbeitslosentrainerInnen, Legionen von Arbeitslosen, Legionen von Arbeitslosenverwaltern, Legionen von Angestellten in Sozialinstitutionen - darunter zahlreiche fr�here lautstarke GesellschaftskritikerInnen - beten heute jedoch inbr�nstig die makabren Litaneien des Marktes.Nirgendwo ist die Rede von all den Arbeitslosen, die sich das Leben nehmen,weil ihre "Wert"losigkeit unertr�glich ist - sie werden h�chstens als Kranke abgehakt.Kein Aufschrei ob der sozialen und gesundheitlichen Folgen des t�glichen Kampfes: von der Ausd�nnung der zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu Herzinfarkt und Gehirnschlag bei 30- und 40-J�hrigen.

Dazu hat die Esoterik unerm�dlich ihr Scherflein beigetragen, indem sie seit zwei Jahrzehnten die Flucht in Scheinwelten �bt und damit dem Zugang zu grunds�tzlicher Kritik im Wege steht.

 

Jeder ist sein eigener Sklaventreiber

In der gesamten Arbeitswelt und noch st�rker in der Arbeitslosenwelt ist jede/r vom (inneren) Zwang zum Positiven Denken beherrscht.Wer seinen Arbeitsplatz erhalten und noch mehr, wer wieder einen ergattern will,hat nur so vor Optimismus und Charme zu strahlen. Frappant: Business- Adepten ist dasselbe entr�ckte L�cheln, besser gesagt Grinsen, ins Gesicht gemei�elt, wie es einst nur esoterisch Entr�ckten und Sektengurus eigen war.

Von Arbeitslosen wird behauptet, sie h�tten den Dreh noch nicht raus. Sie werden vom Arbeitsamt mit Kursen zwangsbegl�ckt, in denen sie in die Geheimnisse des Positiven Denkens eingeweiht werden: Ihnen wird eingebl�ut, sie m�ssten alle �ngste, Zweifel und schlechten Erfahrun- gen einfach beiseite schieben, stattdessen br�uchten sie nur vor Optimismus und �berzeugung zu strahlen wie ein Sieger,sie br�uchten nur vollkommen �berzeugt zu sein,einen Job zu finden,dann bek�men sie auch einen.

In einer Welt, die immer mehr an ihren Widerspr�chen zugrunde geht, in der der Schein l�ngst mehr z�hlt als alles andere, ist Positives Denken das wirksamste Mittel zur Anpassung. Fr�her wurden Sklaven brachial zur Arbeit gezwungen, heute ist jeder sein eigener Sklaventreiber - ganz positiv eingepeitscht.

Fr�her, als es noch etwas n�tzte, machten Arbeitslose eine Ausbildung oder eine Umschulung. Heute geht es nicht mehr darum, dass die Arbeitskraft reale Vernutzungsf�higkeiten anzubieten hat, sondern um Selbstvermarktungstechniken und Autosuggestion. Heute gibt's von den Arbeitslosenverwaltern statt Jobs Durchhalteparolen. Durchhalteparolen wie in einem Krieg, der l�ngst verloren ist.Wer glaubt denn wirklich, dass die Arbeitslosen wegzuphantasieren seien? Wer glaubt denn wirklich, dass die Arbeit noch zu retten ist?

 

Rationale Irrationalit�t und irrationale Rationalit�t - eine m�rderische Co-Produktion

Positives Denken,Visualisierung - oder wie immer es genannt werden will - mag durchaus seine Berechtigung haben;zum Beispiel, um seine Gesundheit zu verbessern oder sie wiederzuerlangen. Wer denkt schon immerzu negativ? Wer beschw�rt schon permanent eine Self-fulfilling Prophecy herauf? In der Arbeitswelt und im Umgang mit Arbeitslosigkeit haben solche Psychotechniken aber nur die Funktion, selbst die offensichtlichsten gesellschaftlichen Verr�cktheiten zum Privatproblem umzufunktionieren und f�r deren Bew�ltigung jeden Einzelnen verantwortlich zu machen. Im Lichte des Positiven Denkens erscheint nie der Zwang, das Leben vollst�ndig auf die Kriterien betriebswirtschaftlicher Rationalit�t auszurichten,als aberwitzig.Als irrational werden immer nur die psychischen und biologischen Barrieren gegen diese Zumutungen bezeichnet. Das Positive Denken spart nicht an Tipps zum Wegretuschieren nachteiliger lebensgeschichtlicher Details. Diese Techniken des Selbstmarketings helfen jedoch selten, schlie�lich ist jeder Personalchef mit den standardisierten Tricks l�ngst vertraut.Wer nicht das richtige Alter, die n�tige Erfahrung oder gar Kinder hat, bleibt trotzdem ohne Chance.Wer durch die Schule des Positiven Denkens gegangen ist, lernt h�chstens,dass alles Unverwertbare an der eigenen Biographie den Status einer Behinderung hat und dass die Kriterien der Arbeitskraftk�ufer die einzig verbindlichen sind.

Die esoterisch unterlegte R�ckbesinnung auf die "inneren Kr�fte" und den "eigenen Weg" versprach einmal einen gewissen Abstand zu den �u�eren Zw�ngen des Daseins und Erl�sung von falschen Schuldgef�hlen. Heute erf�llt sie genau die umgekehrte Funktion. Das Positive Denken hilft nicht nur bei der Durchsetzung totaler Anpassungsbereitschaft, es macht Menschen permanent f�r Umst�nde verantwortlich, f�r die sie nicht das Geringste k�nnen.Dass auf dem Arbeitsmarkt die gesellschaftlichen Verh�ltnisse nichts seien und der reine Wille alles, wird offiziell als Ermutigung verkauft;diese Botschaft hat aber eine Vorverurteilung zum eigentlichen Kern:Misserfolg beweist,der Erfolglose war des Erfolgs nicht wert. So spiegelt sich im Positiven Denken eine ins Diesseits verlegte Wiederkehr der calvinistischen Pr�destinationslehre.

Die aus der Rationalit�t der Gesellschaft erwachsene Irrationalit�t der Esoterik geht immer wieder in der Rationalit�t der Gesellschaft auf.

 

Infantile Omnipotenzphantasien

Traditionell verbindet man mit dem Prozess des Erwachsenwerdens so etwas wie zunehmende Einsicht in die eigenen M�glichkeiten. Als erwachsen gilt,wer eine realistische Vorstellung jener Schranken entwickelt hat,die seiner eigenen Person durch Biographie, Charakter und soziale Umst�nde gesetzt sind. Infantiles Verhalten ist demgegen�ber von Omnipotenzphantasien gepr�gt und schwebt (noch) traumt�nzerisch �ber solche Grenzen hinweg. Das Positive Denken stellt diese Ordnung auf den Kopf, aber nicht in einem emanzipativen, sondern in einem durch und durch repressiven Sinn.Positives Denken steht nicht f�r den Traum, die eigenen Grenzen �berschreiten zu k�nnen, sondern f�r den Zwang,permanent den Eindruck erwecken zu m�ssen, dazu jederzeit in der Lage zu sein.Allmachtstr�ume sind nichts mehr,was Menschen besser verstecken,wenn sie von ihrer Umgebung als zurechungsf�hig anerkannt werden wollen. Sie sind als Vermarktungsargument zu pr�sentieren. Psychologisch betrachtet ist Positives Denken somit als kontrollierte Ein�bung in Regression und infantilen Gr��enwahn zu charakterisieren.Es f�hrt Menschen zur�ck in die Entwicklungsstufe des magischen Denkens. Ein klinisches Symptom ist zum Sozialisationsziel aufgestiegen.

 

Die Arbeits"kirche" nimmt immer sektenhaftere Z�ge an

Heute ist nicht mehr allein die Arbeitskraft gefragt, sondern der "ganze Mensch" hat sich einzubringen - nach dem Vorbild des K�nstlers oder des Sportlers. Ein pseudomenschliches Management, das anstatt auf Soft Skills und Selbstverantwortung auf klassische Hierarchien setzt, verhilft zur Vollauspressung bis an die physischen und psychischen Grenzen.Seine klassische Auspr�gung hat diese Tendenz in der New Eco- nomy gefunden. In diesem Sinne werden heute alle trainiert - vom Arbeitslosen bis zum Manager -, um f�r den Konkurrenzkampf gest�hlt zu sein:von Autosuggestion bis zum ber�chtigten Survival-Kurs wird so manches mit ihnen angestellt. Solch Inszenierungen und Methoden sind jenen von Sekten nicht un�hnlich. Etwa der in Wien lange Zeit f�r alle Arbeitslosen gleich zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit zwingende "Bewerbungs-Impulstag" �hnelte frappant einer "Gehirnw�sche".Wie ein Fernsehprediger besprengte der Trainer die versammelten 500 Arbeitslosen mit Wortgeklingel:" Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig, aber man braucht nur von der Schattenseite in die Lichtseite treten."

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Sekten und der Zurichtung von Humankapital f�r den Arbeitsmarkt ist eine Regression bis zur Infantilisierung: immerzu l�cheln, immer super-gut drauf sein, das Leben ist ein Hit! Selbstindoktrination jenseits jeglicher Realit�t.Fr�her wurde Realit�tsverlust als psychische Krankheit betrachtet, heute wird er kollektiv verordnet.

Schlie�lich sorgt sowohl bei Sekten als auch in der Arbeitswelt oftmals eine Uniformierung der Kleidung - Stichwort Corporate Identity - einerseits f�r eine Beschr�nkung der Individualit�t und bietet andererseits eine Identifikationsm�glichkeit.

Das kommt hier wie dort einer negativen Aufhebung der Trennung von Arbeit und Privatheit gleich. Sowohl Sektenmitglieder als auch immer mehr jede Arbeits" monade", und jeder Arbeitslose erst recht, stehen rund um die Uhr im Einsatz.

 

Job und Weiterbildung als Pyramidenspiel

Die negative Aufhebung der Trennung von Arbeit und Privatheit betrifft nicht nur das rund um die Uhr Arbeiten der Ich-AGs oder Angestellten, sondern in variierter Form das Jobben im so genannten Strukturvertrieb, im Schneeballsystem. Arbeitslose sto�en bei der Arbeitssuche unweigerlich immer wieder auf Organisationen, die solcherlei anbieten.Was sich einst als klassische Tupperware-Party pr�sentierte, ist heute zum finanziellen �berlebenskampf f�r viele geworden. Bei dieser Verkaufsmethode, geht es nur bedingt darum, viel zu verkaufen, sondern darum, neue Verk�uferInnen zu finden, an deren Umsatz man mitverdient.Das Ganze ist hierarchisch,wie ein Pyramidenspiel, aufgebaut. Die ganz oben sind, k�nnen wom�glich tats�chlich gut verdienen, aber je weiter unten man steht, desto aussichtsloser ist das Unterfangen. Wer rechnen kann, wird merken, dass bald die halbe Erdbev�lkerung zu Mitverk�uferInnen werden m�sste, damit es sich auszahlt. Die meisten, die sich auf solche Machenschaften einlassen, kommen nicht ohne riesigen Schuldenberg davon. �ber einen exemplarischen Fall berichtete der WDR am 29.M�rz 2001.Ein junger Mann nahm einen Kredit von 70.000 DM auf,um den Vertrag, die Waren und das n�tige Outfit zu finanzieren. Er schaffte es nicht, seinen Irrtum den Angeh�rigen gegen�ber einzugestehen und nahm sich das Leben.

In Deutschland gibt es zwar ein Gesetz, das Strukturvertrieb ("progressive Kundenwerbung") verbietet; weil dieser aber oft schwer nachweisbar und das Strafausma� gering ist, kommt es selten zu Verurteilungen.

Mit kult�hnlich inszenierten (Werbe-) Abenden werden sowohl potentielle K�uferInnen als auch (potentielle) Verk�uferInnen bei der Stange gehalten. Geworben wird immerzu mit Selbst�ndigkeit, Unabh�ngigkeit, Gl�ck und Reichtum, und bei der legend�ren Firma Herbalife nat�rlich auch mit Gesundheit.�berdies k�nnen bei dieser Verkaufsform private Kontakte leicht getr�bt oder zerst�rt werden, wenn man Freunden etwas andreht, das sie von einem Fremden nicht kaufen w�rden.

Zur Zeit grassiert ein wahrer Weiterbildungs- und Coachingwahn.Wenn sonst schon nichts mehr verkauft werden kann, versucht man eben, den Arbeitslosen, die vor Arbeitslosigkeit rettende Idee anzudrehen. Bewerbungsratgeber, in Buchform als auch in Person, gibt es wie Sand am Meer. So verwundert es nicht, dass es bereits auch Pers�nlichkeitsbildungsseminare im Strukturvertrieb gibt - �u�erst kostspielige, mit nur vage angedeuteten Inhalten, aber garantiert mit sektenartiger Indoktrination.

 

Seri�se oder dubiose Weiterbildungen?

Verbraucherschutz-Organisationen und Sektenberatungsstellen der evangelischen und katholischen Kirche warnen immer �fter vor Aus- und Weiterbildungen,f�r die Unsummen hinzubl�ttern sind und deren Brauchbarkeit meist gering ist.Neuerdings suchen immer mehr Menschen Sektenberatungsstellen auf, die sich Sorgen um Angeh�rige machen, die durch berufliche Weiterbildungen oder Seminare zur Pers�nlichkeitsentwicklung ein v�llig ver�ndertes Verhalten und Bewusstsein an den Tag legen. Es z�hlt nur mehr der berufliche Erfolg; alles andere - ihre Familie, ihr Privatleben - nehmen sie kaum mehr wahr,sie haben weder Zeit noch Energie daf�r.Die Zahl der Menschen, die sich in Unkosten st�rzen, die ihre ganze Freizeit opfern,weil sie den Erfolgsversprechungen erliegen, nimmt immer epidemischere Ausma�e an. Der Trend geht zur Zeit in Richtung lang dauernde und teuere Seminare,die die TeilnehmerInnen meist selbst finanzieren. Zur Zeit der absolute Renner in Deutschland: "Fasten, Schweigen, Meditieren". Dieses Seminar dauert neun Tage, in denen den Leuten das Essen, das Reden und jeder Kontakt zum anderen verboten wird. (Der Standard, 20./21. Dezember 2003,Von der Wiege bis zur Bahre gibt es nicht nur Seminare)

Die Sektenberater versuchen, eine Unterscheidung zwischen seri�sen und dubiosen Weiterbildungen aufzuzeigen. Sie meinen,wenn dabei der Mensch, der Partner, Familie und Freunde auf der Strecke bleiben,wenn das Selbstbestimmungsrecht beschnitten wird, sei �u�erste Vorsicht geboten. (S�ddeutsche Zeitung, 7. Juni 2003, Interview von Otto Fritscher mit Axel Seegers und Rudi Forstmeier, zwei M�nchner Beratern in Sachen Sekten und Weltanschauungsfragen)

Es scheint jedoch mehr als fragw�rdig, ob eine Trennung in gute und schlechte Seminare m�glich ist. Was ist mit all den zwangsweise verordneten, oft unn�tzen Weiterbildungen f�r Arbeitslose? Was ist mit all den Aus- und Fortbildungen,die den TeilnehmerInnen weder Job noch berufliches Weiterkommen bringen?

Noch abstruser wird es,wenn bez�glich Weiterbildungen gefragt werden soll,ob der Mensch, der Partner, Familie und Freunde auf der Strecke bleiben oder ob das Selbstbestimmungsrecht beschnitten wird. Diese Frage sollte allen voran hinsichtlich der Arbeit selbst gestellt werden! Als ob es heute noch Jobs g�be, die das Selbstbestimmungsrecht nicht beschneiden w�rden, Jobs,bei denen der Mensch,der Partner,Familie und Freunde nicht auf der Strecke blieben, ganz zu schweigen vom Raubbau an der Gesundheit! Ist all das f�r die Herrn und Damen Sektenberater seri�s? Die simple dualistische Einteilung in Seri�s und Dubios, in Gut und B�se greift nicht und lenkt davon ab, dass "Ausw�chse" nur eine Fortsetzung der Normalit�t sind. Das Dubiose ist lediglich eine logische Weiterentwicklung des Seri�sen. Niemand will wahrhaben, dass die Grenze zwischen Seri�s und Dubios immer mehr verschwimmt. In Zukunft werden sich die Grenzen zwischen Arbeit,Weiterbildung, Gl�cksspiel und Sekte wohl noch viel mehr aufl�sen.